VG Würzburg, Urteil vom 24.10.2017
Az.: W 4 K 16.616
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I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand:
1 Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der Regierung von Mittelfranken, mit welchem auf Antrag der Beigeladenen Teile der Bahnstrecke K.-E.–G. von Bahnbetriebszwecken freigestellt wurden.
2 1. Die Beigeladene beantragte am 14. Juli 2015 bei der Regierung von Mittelfranken die Freistellung von Bahnbetriebszwecken für die Bahnstrecke K.-E.–G. von Streckenkilometer 2,168 (Bahnhof E.) bis Streckenkilometer 5,620 (Gemarkungsgrenze der Beigeladenen). Der Antrag wurde mit Schreiben vom 4. August 2015 dahingehend abgeändert, als die Freistellung von Streckenkilometer 2,168 bis 5,370 erfolgen sollte. Der Antrag wurde damit begründet, dass die mit der Freistellung von Bahnbetriebszwecken freiwerdenden Flächen zum Bau des letzten Teilstücks der Nordtangente sowie den Ausbau der St 2272 nach G1 benötigt würden. Der Freistellungsantrag bezieht sich auf die Grundstücke Fl.Nrn. ...19/61 und ...19/3, auf denen sich die Bahnstrecke von Streckenkilometer 2,168 bis 5,370 befindet. Bei den auch betroffenen Grundstücken Fl.Nrn. ...85/0, ...87/0, ...92/0 und ...94/2, die sich im Eigentum der DB Netz Aktiengesellschaft befinden, handelt es sich um direkt unterhalb der Bahnlinie gelegene Grundstücke. Mit Bescheid vom 5. September 2012 wurde die vorübergehende Einstellung des Betriebs der Eisenbahninfrastruktur der Bahnstrecke K.-E.–G. aufgrund des nicht betriebssicheren Zustands der Bahnlinie angeordnet. Mit Bescheid der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vom 8. Juli 2014 wurde der Bayerischen R* ... GmBH hinsichtlich der Strecke Etwashausen bis Bahnkilometer 5,37 nach § 11 AEG die Genehmigung zur dauernden Einstellung des Bahnbetriebs erteilt. Für den Abschnitt von Streckenkilometer 5,37 bis 15,0 erfolgte die Genehmigung nach § 11 AEG zur dauernden Einstellung des Bahnbetriebs durch Bescheid vom 30. März 2015.
3 Die Klägerin ist Eigentümerin von Grundstücken auf dem Gelände der ehemaligen ... in K. (Stadtteil E.). Diese Fläche verfügt über einen Privatgleisanschluss an den Bahnhof K.-E., der auch im Bebauungsplan 106 „c.“, welcher am 12. August 2015 in Kraft getreten ist, dargestellt ist. Die Klägerin bemühte sich in der Folgezeit um einen Erwerb der Trasse von der Eigentümerin, der DB N. AG. Die Klägerin kooperierte in diesem Zusammenhang mit der S ... Betriebsgesellschaft mbH. Dieser wurde die beantragte Betriebsgenehmigung nach § 6 AEG durch Bescheid der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vom 9. Dezember 2015 versagt. Schließlich teilte die DB N. AG mit Schreiben vom 22. Februar 2016 mit, dass die Verkaufsverhandlungen bezüglich der Strecke K.- E.–Sch. endgültig gescheitert seien.
4 Im Freistellungsverfahren nach § 23 AEG wurde die Klägerin mit Schreiben vom 12. August 2015 über die Bekanntmachung des Freistellungsantrags nach § 23 AEG im Bundesanzeiger informiert und auf die Möglichkeit einer Stellungnahme hingewiesen. Die Klägerin wandte in diesem Zusammenhang ein, dass ihr Privatgleisanschluss nur genützt werden könne, wenn ein Zug in den Bahnhof E. einfahre und dann in Gegenrichtung über eine Weiche in Richtung Technologiepark c. fahre. Über diesen Weg sei auch die Firma f. G. angebunden. Darüber hinaus sei von der Beigeladenen im Rahmen der Verkaufsverhandlungen mit der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben gefordert worden, dass der Gleisanschluss erhalten und eine Andienung durch Dritte ermöglicht werden solle. Die Möglichkeit der Bahnverladung stelle einen wichtigen Standortvorteil DAR. Es werde damit gerechnet, dass der Bahnanschluss in den nächsten Jahren wieder genutzt werde.
5 Mit Bescheid vom 12. Mai 2016 stellte die Regierung von Mittelfranken die Flurstücke Fl.Nrn. ...94/2, ...19/61, ...19/3, ...85/0, ...87/0, ...92/0, Gemarkung K., im Stadtgebiet K., Strecke K.-E.–G., Streckenkilometer 2,168 – 5,370, mit Wirkung vom 20. Mai 2016 von Bahnbetriebszwecken frei. Die rechtlichen Voraussetzungen für die Freistellung von Bahnbetriebszwecken gemäß § 23 AEG lägen vor. Insbesondere seien die materiellen Voraussetzungen des § 23 AEG gegeben. Bei den freizustellenden Grundstücken handele es sich um Betriebsanlagen einer nichtbundeseigenen Eisenbahn, bzw. auf den freizustellenden Grundstücken befänden sich Betriebsanlagen einer Eisenbahn. Hinsichtlich der freizustellenden Grundstücke bestehe kein aktuelles Verkehrsbedürfnis. Es finde aktuell kein Verkehr statt. Darüber hinaus sei die freizustellende Eisenbahninfrastruktur bereits stillgelegt worden. Ein aktuelles Verkehrsbedürfnis bestehe dann nicht mehr, wenn von keiner Seite Interesse an der eisenbahnspezifischen Nutzung des freizustellenden Grundstücks geäußert werde. Es gebe kein Eisenbahnverkehrsunternehmen, welches Personen- oder Güterverkehrsleistungen erbringe, noch habe sich ein interessiertes Eisenbahnverkehrsunternehmen gemeldet oder sei der Regierung von Mittelfranken bekannt. Die Bayerische R... GmBH, Hof, als letztes Eisenbahninfrastrukturunternehmen und letzter Betreiber, habe kein Interesse an der freizustellenden Fläche gezeigt. Sie habe im Gegenteil gerade die Stilllegung der freizustellenden Strecke beantragt. Die DB N. AG als ehemalige Betreiberin und Eigentümerin der freizustellenden Fläche habe sich dahingehend geäußert, dass das geänderte Freistellungskonzept – Freistellung nur noch bis Bahnkilometer 5,370 – grundsätzlich positiv bewertet werde. Dennoch verweise die DB N. AG auf die bereits stillgelegten Streckenabschnitte Bahnhof K.-E. bis Streckenkilometer 15,0. Sie teile mit, dass sie bereits DB-intern für weitere Streckenabschnitte das Verfahren nach § 11 AEG eingeleitet habe. Die DB N. AG sehe aufgrund eines nicht vorhandenen Konzepts der Anbindung des Gewerbegebiets c. keine wirtschaftliche Perspektive für eine Wiederaufnahme des Eisenbahnbetriebs auf den stillgelegten Streckenabschnitten. Zwar habe die mit der Klägerin kooperierende S... Betriebsgesellschaft mbH, f., die Genehmigung gemäß § 6 AEG zum Betreiben der Eisenbahninfrastruktur für die Strecke K.-E. bis Schweinfurt beantragt und damit zunächst Interesse an einer eisenbahnspezifischen Nutzung der freizustellenden Fläche geäußert. Die beantragte Betriebsgenehmigung nach § 6 AEG sei jedoch mit mittlerweile bestandskräftigem Bescheid vom 9. Dezember 2015 versagt worden, da geforderte Nachweise nicht eingereicht worden seien. Bezüglich der Forderungen, die Nachnutzung der Konversionsfläche (jetzt c. Technologiepark K.) müsse weiterhin ermöglicht sein und perspektivisch müssten die Voraussetzungen für einen möglichen Gleisanschluss erhalten bleiben, um Nachteile für den Wirtschaftsstandort K. zu vermeiden, sei zu sagen, dass durch die nunmehr beantragte Freistellung lediglich bis Bahnkilometer 5,37 ein Gleisanschluss des c. Technologieparks K. von Osten her möglich bleibe. Die Beigeladene habe sich zudem bereit erklärt, unterstützend tätig zu werden, sollte sich herausstellen, dass eine Gleisanbindung von Osten her nötig würde. Soweit die Klägerin, deren Eisenbahninfrastruktur an die freizustellende Infrastruktur anschließe, ein Interesse an dem Fortbestand der Schienenanbindung für den Technologiepark c. geltend mache, könne sie damit kein aktuelles Verkehrsbedürfnis darlegen. Die Klägerin habe sich um die Wiederbelebung der freizustellenden Strecke bemüht. Jedoch habe die DB N. AG mit Schreiben vom 22. Februar 2016 mitgeteilt, dass Verkaufsverhandlungen gescheitert seien, da das von der DB N. AG vorgelegte Übernahmeangebot von der Klägerin nicht angenommen worden sei. Damit könne das Übernahmeersuchen kein aktuelles Verkehrsbedürfnis begründen. Ebenso sei der Genehmigungsantrag nach § 6 AEG der mit der Klägerin kooperierenden S... Betriebsgesellschaft mbH, Feuerbach, welche die gesamte Strecke betreiben sollte, abgelehnt worden. Die allgemeinen Ausführungen der Klägerin, dass die Möglichkeit der Bahnverladung ein Standortvorteil sei, der Bebauungsplan dies auch berücksichtige und die Möglichkeit der Bahnverladung auch in das Konzept des Technologieparks c. eingearbeitet worden sei, könnten kein aktuelles Verkehrsbedürfnis begründen, denn es handele sich nicht um hinreichend verfestigte Planungen. Auch die Eisenbahnaufsicht bei der Regierung von Mittelfranken könne in ihren Ausführungen kein aktuelles Verkehrsbedürfnis begründen. Die allgemein gehaltenen Ausführungen dahingehend, dass jede Eisenbahn das Recht habe, sich an andere Eisenbahninfrastrukturen anzuschließen, somit die beiden Privatgleisanschlussinhaber ein Recht auf Anschluss an die freizustellende Bahnstrecke hätten, gingen fehl. Bereits mit der erfolgten Stilllegung der nun freizustellenden Strecke erlösche der nach § 13 AEG gewährte Schutz für ein angrenzendes Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Hinsichtlich der freizustellenden Grundstücke sei langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht zu erwarten, § 23 Abs. 1 AEG. Es habe kein Eisenbahnverkehrsunternehmen Interesse bekundet, noch sei der Regierung von Mittelfranken ein solches Interesse bekannt. Auch die DB N. AG als vormaliges Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Eigentümerin der Strecke sehe kein konkretes Nutzungskonzept für die freizustellende Strecke. Die nun freizustellende Fläche besitze damit wohl in Kürze keine Anbindung an das bundesweite Schienennetz über Schweinfurt. Die Träger der Landes- und Regionalplanung hätten kein langfristiges Nutzungsinteresse an einer eisenbahnspezifischen Nutzung dargelegt. Schließlich führten auch die Ausführungen der Eisenbahninfrastrukturunternehmen, deren Infrastruktur an die vom Antrag betroffene Infrastruktur anschließe, zu keiner Bejahung hinsichtlich der Prognose, ob langfristig eine eisenbahnspezifische Nutzung zu erwarten sei. Die Klägerin könne letztlich nicht darlegen, dass langfristig eine eisenbahnspezifische Nutzung der Grundstücke zu erwarten sei. Nach dem Scheitern der Übernahmeverhandlungen mit der DB N. AG seien weitere Anstrengungen hinsichtlich einer Übernahme von der Klägerin nicht unternommen worden. Bei der gesetzlichen Regelung in § 23 AEG handele es sich um eine gebundene Entscheidung mit einem korrespondierenden Anspruch der Gemeinde. Die Beigeladene als Antragstellerin wende sich gerade gegen ein langfristiges Nutzungsinteresse, indem sie die freizustellenden Flächen für den Bau des letzten Teilstücks der Nordtangente sowie den Ausbau der St 2272 nach G1 beanspruche.
6 Auf der Zustellungsurkunde ist als Tag der Zustellung der 14. Mai 2016 vermerkt. Demnach wurde das zuzustellende Schriftstück in den zum Geschäftsraum gehörenden Briefkasten oder eine ähnliche Vorrichtung eingelegt.
7 2. Hiergegen ließ die Klägerin mit Schriftsatz vom 17. Juni 2016, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Klage erheben und beantragen.
Der Freistellungsbescheid der Regierung von Mittelfranken vom 12. Mai 2016 mit dem Aktenzeichen RMF- SG32-4354-9-57-36 wird aufgehoben.
8 Die Klage sei zulässig. Die Klägerin sei nach § 42 Abs. 2 VwGO klagebefugt. Grundsätzlich vermittele § 23 AEG zwar kein subjektives Abwehrrecht. Den einschlägigen Entscheidungen hätten aber andere Sachverhalte zugrunde gelegen. Insbesondere sei zu beachten, dass eine Freistellung im Fall einer Sackgassenstrecke wie vorliegend nicht nur für ein Zwischenstück erfolge, weil die dahinterliegende Strecke dann faktisch nicht mehr nutzbar und damit ebenfalls freigestellt sei. Insoweit sei gerade der Gleisanschluss, der zum Technologiepark und damit zu den Grundstücken der Klägerin führe, in die Freistellung mit einzubeziehen. Die Grundstücke, auf denen dieser Gleisanschluss liege, befänden sich allerdings im Eigentum der Klägerin. Als Grundstückseigentümerin wiederum zähle die Klägerin zum Kreis der Antragsbefugten nach § 23 Abs. 1 AEG. Ferner sei die Klage fristgerecht erhoben, da auf das Datum der tatsächlichen Zustellung des Bescheids am 17. Mai 2016 abzustellen sei und nicht auf das auf der Zustellungsurkunde angegebene Datum. Die Voraussetzungen für eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO lägen mangels „Scheitern“ eines Zustellungsversuchs am Pfingstsamstag nicht vor. Hinzu komme, dass der Briefkasten der Klägerin nach den tatsächlichen Gegebenheiten für eine Ersatzzustellung nicht geeignet sei, da eine weitere Firma den Briefkasten nutze und daher der Briefkasten nicht in ausreichendem Maße individualisiert sei. Abzustellen sei daher gemäß Art. 9 VwZVG auf den tatsächlichen Erhalt des Schriftstücks durch die Klägerin am 17. Mai 2016.
9 Der angegriffene Bescheid sei formell rechtswidrig, da die erforderliche Anhörung der Klägerin nicht durchgeführt worden sei. Der Bescheid sei zudem materiell rechtswidrig. Die Freistellung von Bahnbetriebszwecken nach § 23 Abs. 1 AEG sei nur unter der Voraussetzung zulässig, dass kein Verkehrsbedürfnis mehr bestehe und langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung nicht mehr zu erwarten sei. Beide Voraussetzungen lägen hier nicht vor. Nach wie vor bestehe ein aktuelles Verkehrsbedürfnis für die Strecke, welches der Freistellung von Bahnbetriebszwecken entgegenstehe. Ein Verkehrsbedürfnis bestehe im Hinblick auf die touristische Nutzung des Streckenabschnitts, die bis zur Stilllegung erfolgt sei und hinsichtlich derer der Förderverein S* ... e.V. mit Schreiben vom 1. Juni 2016 ausdrücklich Interesse angemeldet habe. Ein aktuelles Verkehrsbedürfnis bestehe auch im Hinblick auf die Nutzung für den Güterverkehr, und zwar konkret für die Belieferung der Klägerin selbst mit Pellets, Hackschnitzeln oder anderem Brennmaterial für das bereits vorhandene und zu erweiternde Nahwärmekraftwerk, aber auch für die verschiedenen Interessenten, die eine Ansiedlung im Technologiepark von einem funktionierenden Bahnanschluss abhängig machten, und für die Versorgung der Firma f. G. GmBH & Co. KG mit Koks. Die Klägerin habe auch ein Interesse an einer eisenbahnspezifischen Nutzung des freizustellenden Grundstücks geäußert. Hätte die Regierung vor Erlass des insoweit überraschenden Bescheids nochmals bei der Klägerin angefragt, hätte die Klägerin dieses Interesse auch ohne Probleme spezifizieren können. Die Klägerin hätte im Falle einer erneuten Nachfrage der Regierung von Mittelfranken insbesondere die Interessenten für den Eisenbahnbetrieb auf der Strecke mitgeteilt, mit denen sie zu diesem Zeitpunkt in Verhandlungen gestanden habe. Entgegen der Auffassung der Regierung von Mittelfranken sei langfristig eine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung zu erwarten. Ein entsprechendes Interesse sei nicht nur erklärt, sondern auch konkret begründet worden. Hierbei sei insbesondere das Verkehrsbedürfnis zu berücksichtigen, das durch den derzeit im Aufbau befindlichen Technologiepark c. konkret und absehbar zu erwarten sei. Nachdem die Klägerin im Rahmen der Vermarktung der Grundstücke mit der Möglichkeit eines Bahnanschlusses geworben habe, sei gerade auch unter Berücksichtigung der bisherigen Vertragsverhandlungen mit Sicherheit davon auszugehen, dass mehrere Unternehmen die Möglichkeit der Bahnanbindung für den Lieferverkehr und damit für den Güterverkehr in Anspruch nähmen. Die Versagung der Betriebsgenehmigung gegenüber der S. Betriebsgesellschaft mbH stehe nicht entgegen. Mittlerweile liege die ausdrückliche Zusage der Übernahme des Betriebs durch die R.-S.-Eisenbahn (RSE) wie auch die L.bahn vor. Die Angabe der DB N. AG, wonach die Vertragsverhandlungen mit der Klägerin gescheitert seien, sei augenscheinlich einem Missverständnis geschuldet. Die Klägerin sei zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides noch damit beschäftigt gewesen, Informationen über die Höhe eines möglichen Angebots abhängig von der jeweiligen Berechnungsvariante einzuholen. Ein abschließendes Ergebnis habe noch nicht vorgelegen. Soweit die Regierung von Mittelfranken in der Begründung des Bescheids davon ausgehe, dass seitens der Klägerin keine weiteren Anstrengungen hinsichtlich einer Übernahme unternommen worden seien, so sei dies schlicht falsch. Darüber hinaus könne weder das akute Verkehrsbedürfnis noch die tatsächlich vorhandene langfristige Nutzungserwartung gleichsam künstlich negiert werden, indem der Eigentümer eine Weiternutzung dadurch ausschließe, dass er die Veräußerung der Anlage ablehne oder durch deutlich überzogene Preisvorstellungen verhindere.
10 Darüber hinaus stehe die Freistellung der Flächen von Bahnbetriebszwecken im Widerspruch zu bundesrechtlichen und landesrechtlichen bzw. gemeindlichen Planungen bzw. Planungszielen. Seitens der Beigeladenen sei der Anschluss des Technologieparks nicht nur im Rahmen der 41. Änderung des Flächennutzungsplans perspektivisch dargestellt, die Darstellung finde sich zudem im Bebauungsplan 106 „c.“. Der Bebauungsplan gehe ausweislich einer Begründung davon aus, dass der Bahnanschluss vorhanden bleibe und nutzbar werde. Die Freistellung verstoße ferner gegen die Grundsätze des Landesentwicklungsprogramms Bayern unter Ziffern 4.3.1 und 4.3.3.
11 Unabhängig davon sei die angeordnete Freistellung weder erforderlich noch verhältnismäßig. Schon der Grund der Freistellung gemäß dem Antrag der Beigeladenen liege nicht vor. Die von der Freistellung betroffenen Eisenbahnflächen würden zum Bau des letzten Teilstücks der Nordtangente sowie den Ausbau der St 2271 Großlangheim nicht benötigt. Die Freistellung sei jedenfalls nicht verhältnismäßig im engeren Sinne, da es der Beigeladenen mit verhältnismäßig geringem Aufwand möglich sei, die fraglichen Straßenbaumaßnahmen durchzuführen, ohne die streitgegenständlichen Bahnflächen hierfür in Anspruch nehmen zu müssen. Im Gegensatz dazu ergäben sich massive Nachteile für die Klägerin und den von ihr beabsichtigten und kalkulierten Betrieb des Technologieparks c., zu dessen Errichtung sich die Klägerin im Übrigen gegenüber der Beigeladenen vertraglich verpflichtet habe. Hieran ändere auch die in der Begründung des Bescheids angegebene Möglichkeit einer Bahnanbindung über die östliche Zufahrt („Kühlhaus“) nichts, da tatsächlich ein solcher Anschluss aufgrund der immensen Kosten für die Verlegung nicht in Betracht komme. Die Freistellung belaste zudem auch die Allgemeinheit, da durch die Freistellung die realistische Möglichkeit eines künftigen Bahnbetriebs auf der Strecke dauerhaft ausgeschlossen werde.
12 3. Die Regierung von Mittelfranken beantragte für den Beklagten,
die Klage abzuweisen.
13 Die Klage sei unzulässig, da sie verfristet sei. Die Zustellung des Freistellungsbescheids sei am 14. Mai 2016 per Postzustellungsurkunde erfolgt. Fristende sei der 14. Juni 2016 gewesen. Die Klage sei aber erst am 17. Juni 2016 bei Gericht eingegangen. Die Klägerin sei auch nicht klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, da sie weder als Adressat der angefochtenen Freistellungsverfügung noch als vom Drittschutz einer Rechtsnorm Begünstigte klagebefugt sei. Die Klägerin könne sich nicht auf drittschützende Normen berufen. § 23 AEG vermittle kein subjektives Abwehrrecht, was sich aus den von der Klägerin bereits zitierten Entscheidungen ergebe.
14 Die Klage sei unbegründet. Der Bescheid sei formell rechtmäßig. Die erforderliche Anhörung der Klägerin sei durchgeführt worden. Gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 AEG genüge es, wenn Eisenbahninfrastrukturunternehmen, deren Infrastruktur an die freizustellende Eisenbahninfrastruktur anschließe, durch öffentliche Bekanntmachung im Bundesanzeiger zur Stellungnahme aufgefordert würden. Diese Aufforderung zur Stellungnahme habe der Beklagte durchgeführt mit öffentlicher Bekanntmachung im elektronischen Bundesanzeiger vom 11. August 2015. Auch im Folgenden habe der Beklagte die Klägerin mehrfach und über das gesetzlich geschuldete Maß angehört.
15 Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig, da die Freistellung von Bahnbetriebszwecken gemäß § 23 AEG zu Recht erfolgt sei. Ein aktuelles Verkehrsbedürfnis bestehe nicht. Ein aktuelles Verkehrsbedürfnis sei nicht schon dann zu bejahen, wenn Interessenbekundungen an einer eisenbahnspezifischen Nutzung der Strecke erfolgten. Vielmehr müsse es sich schon um hinreichend verfestigte Planungen handeln. Diese seien auch nach dem nun in der Klagebegründung erstmals erfolgten Sachvortrag nicht ersichtlich. Es sei kein Konzept vorgelegt worden. So sei der Antrag auf Erteilung einer Betriebsgenehmigung der S. Betriebsgesellschaft mbH unter anderem an der fehlenden Liquidität gescheitert. Auch das Interesse an einer touristischen Nutzung der Strecke durch den Förderverein S.- ... e.V. könne nicht als hinreichend verfestigte Planung angesehen werden. Aus den vorgetragenen Ausführungen lasse sich nicht entnehmen, dass die freizustellende Strecke in der derzeitigen Praxis für Bahnbetriebszwecke benötigt werde. Der Verweis auf verschiedene Interessenten, welche eine Ansiedlung im Technologiepark von einem funktionierenden Bahnanschluss abhängig machten, genüge nicht. Zum angestrebten Personenverkehr seien überhaupt keine Fakten vorgetragen worden. Es sei auch langfristig keine Nutzung der Infrastruktur im Rahmen der Zweckbestimmung zu erwarten, § 23 Abs. 1 AEG. Zwar habe die Klägerin im Rahmen der Beteiligung im Freistellungsverfahren dargelegt, die freigestellte Strecke in Zukunft nutzen zu wollen. Allerdings habe sie keine konkreten Anfragen oder gar Planungen von Unternehmen im Standort c. vorlegen können, welche eine Nutzung der Bahn beinhalteten. Die von der Klägerin behaupteten Zusagen der R.-S.-Eisenbahn sowie der L.bahn sei nicht vorgelegt worden, zumal sich die Frage stelle, ob diese Vereinbarungen nicht bloß Absichtsbekundungen seien. Die Erklärungen bezüglich des langfristigen Nutzungsinteresses müssten nach den gesamten Umständen des Einzelfalls ernsthaft und nachvollziehbar sein. Eine „Reservierung“ von Bahngrundstücken für zukünftige Nutzungen unter Berufung auf die vage Eventualität einer späteren eisenbahnspezifischen Nutzung sei gerade nicht erlaubt. Die Klägerin verkenne im Übrigen, dass die Freistellung von Bahnbetriebszwecken das Ergebnis negativer unternehmerischer Entscheidungen der relevanten Akteure sei. Wenn die Voraussetzungen des § 23 AEG vorlägen, sei die Freistellung festzustellen. Es handele sich um eine gebundene Entscheidung. Ein eigener verkehrsplanerischer und politischer Gestaltung Raum gebender Abwägung-, Ermessens oder Gestaltungsspielraum stehe der Planfeststellungsbehörde nicht zu.
16 4. Die Beigeladene nahm wie folgt Stellung: Die Klage sei bereits unzulässig, da die Klägerin nicht klagebefugt sei gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Die Rechtsprechung zu § 23 AEG sei insofern eindeutig. Der angegriffene Bescheid sei formell und materiell rechtmäßig. Die Freistellung von Bahnbetriebszwecken nach § 23 Abs. 1 AEG begegne keinen rechtlichen Zweifeln. Die Voraussetzungen lägen vor. Ein Verkehrsbedürfnis dürfe derzeit und auch auf absehbare Zeit nicht mehr bestehen. Dies sei hier der Fall. Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass Planungen für die zukünftige dauerhafte Nutzung als verkehrliche Infrastrukturanlage vorlägen oder insoweit ein Bedürfnis bestehe. Im Gegenteil sei die Anlage seit 1987 nur noch für Güterzüge und seit 2001 nur noch für Verkehre der US-Armee genutzt worden. Ein anderweitiges Bedürfnis zum Transport von Personen oder Güterverkehr habe danach nicht bestanden. Dies habe auch die Klägerin durch ihre ausführlichen Darstellungen nicht entkräften können. Aus den Ausführungen der Klägerin ergebe sich auch, dass offensichtlich langfristig keine Nutzung der Gleistrasse im Rahmen der Zweckbestimmung erfolgen werde. Die Bemühungen der Klägerin zeigten eindrucksvoll, dass es niemanden gebe, der die bestehenden Gleisanlagen langfristig als Eisenbahninfrastrukturanlagen nutzen könne oder wolle. Im Übrigen sei auch der Bahnanschluss für das Gewerbegebiet c. durch die Freistellung der beantragten Eisenbahnanlagen nicht auf alle Zeiten unmöglich. Auch im Bescheid sei berücksichtigt worden, dass durch den Ostanschluss des Gewerbegebiets c. ein Anschluss nach dem Bahnkilometer 5+370 an das nachfolgend Richtung Großlangheim nicht freigestellte Bahngleis erfolgen könne. Es handele sich bei der Freistellung von Bahnbetriebszwecken um eine gebundene Entscheidung. Da die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 AEG vorlägen, habe die Beigeladene einen Anspruch auf Freistellung von den Bahnbetriebszwecken.
17 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Gründe:
18 Die Klage erweist sich bereits als unzulässig.
19 1. Sie ist nicht fristgerecht erhoben worden. Nach § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist in Fällen, in denen ein Widerspruchsbescheid nicht erforderlich ist, die Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts zu erheben. Über diese Möglichkeit der Erhebung einer verwaltungsgerichtlichen Klage wurde die Klägerin im angefochtenen Bescheid vom 12. Mai 2016 auch ordnungsgemäß belehrt.
20 1.1. Der mit der Klage angegriffene Bescheid wurde der Klägerin mit Postzustellungsurkunde (Art. 1 Abs. 5 und Art. 3 VwZVG) ausweislich der dem Gericht vom Beklagten vorgelegten Behördenakte am 14. Mai 2016 zugestellt (Bl. 354 f. d.A.). Diese Zustellung mittels Postzustellungsurkunde erbringt vollen Beweis über die Tatsache der ordnungsgemäßen Bekanntgabe des Verwaltungsaktes (§ 418 Abs. 1 ZPO). Bei der Postzustellungsurkunde handelt es sich um eine Urkunde mit der Beweiskraft öffentlicher Urkunden im Sinne des § 418 Abs. 1 ZPO (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 35. Aufl. 2014, § 418 Rn. 2). Dass es sich bei dem Tag der Bekanntgabe/Zustellung um den Pfingstsamstag gehandelt hat, ist unerheblich. Für die Berechnung von Fristen gilt § 57 Abs. 2 VwGO i.V. mit § 222 ZPO, 187 ff. BGB. Nach dem hier maßgeblichen § 187 Abs. 1 BGB wird bei der Fristberechnung der Tag der Zustellung nicht mitgerechnet. Insoweit maßgeblich ist also der auf dieses Ereignis folgende Tag und zwar auch dann, wenn dieser Tag ein Samstag, Sonn- oder Feiertag ist (Kopp/Schenke, VwGO, 23. Aufl. 2017, § 57 Rn. 10a). Dies zugrunde gelegt lief die Klagefrist aus § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO am 15. Mai 2016 an und endete bereits am Dienstag, den 14. Juni 2016 (§§ 57 Abs. 2 VwGO, 222 ZPO, 188 Abs. 2 BGB). Klageeingang beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg war erst am 17. Juni 2016.
21 1.2. Entgegen der Ansicht der Klägerbevollmächtigten ist bezüglich des Zeitpunkts der Zustellung nicht gemäß Art. 9 VwZVG auf den tatsächlichen Erhalt des Schriftstücks durch die Klägerin am 17. Mai 2016, dem Tag nach dem Pfingstmontag, abzustellen. Voraussetzung hierfür wäre, dass sich die formgerechte Zustellung des Dokuments nicht nachweisen lässt oder es unter Verletzung zwingender Zustellungsvorschriften zugegangen ist. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall. Die Zustellung ist insbesondere auch außerhalb der Geschäftszeiten der Klägerin möglich. Der BGH hat hierzu festgestellt, dass eine Ersatzzustellung nach § 180 ZPO auch erfolgen kann, wenn die Ersatzzustellung nach § 178 Abs. 1 Nr. 2 ZPO daran scheitert, dass das Geschäft nicht mehr geöffnet hat (BGH, B.v. 24.4.2007 – AnwZ (B) 93/06 – juris Rn. 6; vgl. auch BVerwG, B.v. 2.8.2007 – 2 B 20/07 – juris Rn. 4 zur Zustellung außerhalb der Geschäftszeit). Darüber hinaus steht der wirksamen Zustellung durch Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 VwZVG i.V. mit § 180 ZPO nicht entgegen, dass auf dem Briefkasten der Klägerin – wie von der Klägerbevollmächtigten vorgetragen – zwei Firmenadressen angebracht sind. Es wird überwiegend in der Rechtsprechung vertreten, dass eine Ersatzzustellung nach § 180 Satz 1 ZPO durch Einwurf in einen beschränkt zugänglichen Gemeinschaftsbriefkasten erfolgen kann (OLG Frankfurt am Main, B.v. 14.1.2010 – NStZ-RR 2010, 349, 350 – juris; LSG Nordrhein-Westfalen, U.v. 9.2.2006 – L 7 VU 28/05 – juris Rn. 17; VG München, B.v. 8.5.2008 – M 6b S. 08.1916 – juris Rn. 10, 28; weitergehend: LAG Rheinland-Pfalz, U.v. 12.7.2005 – 5 Sa 164/05 – juris Rn. 14 f, das sogar einen für einen größeren Personenkreis zugänglichen Briefkasten für geeignet hält). Dem ist – übertragen auf den vorliegenden Fall eines Firmenbriefkastens – zuzustimmen, wenn nur noch eine weitere Firma den Briefkasten mit nutzt. Es kann in diesem Fall davon ausgegangen werden, dass eine klare Zuordnung des Posteingangs möglich ist und im üblichen Geschäftsbetrieb auch erfolgt.
22 1.3. Gründe für eine Wiedereinsetzung im Sinne des § 60 VwGO sind nicht erkennbar bzw. vorgetragen. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde nicht beantragt. Darüber hinaus sieht das erkennende Gericht aber auch keinen Anlass, die Wiedereinsetzung ohne Antrag zu gewähren (§ 60 Abs. 2 Satz 4 VwGO). Die Klägerin hat nicht glaubhaft machen können, dass sie ohne Verschulden verhindert war, die Klagefrist einzuhalten. Die Klägerin hat das Anschreiben der Regierung von Mittelfranken zum streitgegenständlichen Bescheid mit dem Eingangsstempel 17. Mai 2017 versehen, obwohl aus den Umständen, insbesondere dem Zustellungskuvert und dem Vermerk auf dem Begleitschreiben der Regierung von Mittelfranken, ersichtlich gewesen ist bzw. gewesen sein muss, dass eine förmliche Zustellung des Bescheids erfolgt ist. Wäre das Briefkuvert, mit dem der Bescheid zugestellt wurde, noch vorhanden und der Prozessbevollmächtigten vorgelegt worden, wäre mit großer Wahrscheinlichkeit auch die Frist ordnungsgemäß berechnet worden.
23 Die Klägerin hat auch nicht glaubhaft machen können, dass kein ihr gemäß § 173 VwGO i.V. mit § 85 Abs. 2 ZPO wie eigenes Verschulden zuzurechnendes Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten vorliegt. Diese hätte sich angesichts des Vermerks „Zustellungsurkunde“ auf dem Schreiben der Regierung von Mittelfranken vom 12. Mai 2016 zum Freistellungsbescheid und angesichts der Unerfahrenheit der Mitarbeiter der Klägerin in juristischen Angelegenheiten nähere Informationen zu den Modalitäten der Zustellung verschaffen müssen.
24 Die Klageerhebung wahrt daher die gesetzlich vorgesehene Klagefrist nicht, so dass die Klage bereits als unzulässig abzuweisen war.
25 2. Ungeachtet dessen fehlt der Klägerin die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 2 VwGO. Allein die Behauptung einer Verletzung ihrer subjektiven Rechte führt ebenso wenig wie die förmliche Zustellung des streitgegenständlichen Bescheids vom 12. Mai 2016 zur Begründung einer Klagebefugnis im Sinne des § 42 Abs. 2 VwGO (vgl. OVG Lüneburg, U. v. 28.5.2014 – 7 LC 16/13 – juris Rn. 46).
26 2.1. Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Anfechtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn die Klägerin geltend macht, durch den Verwaltungsakt in ihren Rechten verletzt zu sein. Die Klägerin kann sich indessen weder auf eine gesetzliche Ausnahmeregelung noch darauf berufen, durch die Freistellungsentscheidung des Beklagten möglicherweise in subjektiven Rechten verletzt zu sein.
27 Ist der Kläger – wie vorliegend – nicht selbst Adressat des Freistellungsbescheids vom 12. Mai 2016 (OVG Lüneburg, U.v. 28.5.2014 – 7 LC 16/13 – juris Rn. 7), sondern lediglich als Dritter betroffen, so ist für die Klagebefugnis erforderlich, dass er die Verletzung einer Vorschrift behauptet, die seinem Schutz als Dritter zu dienen bestimmt ist, und dass eine Verletzung dieser Norm zumindest möglich erscheint. Die Anfechtungsklage ist in diesem Fall unzulässig, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (vgl. BVerwG, U. v. 18.12.2014 – 4 C 36.13 – juris Rn. 14; VGH BW, U. v. 11.4.2014 – 5 S 534/13 – juris Rn. 33).
28 2.2. Der Freistellung von Bahnbetriebszwecken liegen die Anforderungen des § 23 AEG zugrunde. Die herrschende Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum spricht jedoch § 23 AEG den Schutznormcharakter ab (m.w.N. Kramer/Hinrichsen, Der Drittschutz im Recht der Eisenbahninfrastruktur anhand aktueller Gerichtsentscheidungen, GewArch 2014, 291/296 f.). Weder aufgrund der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Freistellung (§ 23 Abs. 1 AEG) noch aufgrund der Verfahrensvorschriften (§ 23 Abs. 2 und 3 AEG) lässt sich demnach ein drittschützender Charakter der Vorschrift feststellen. Herangezogen wird hierzu die amtliche Begründung (BT-Drs. 15/4419 vom 1.12.2004, S. 18), wonach der Bundesgesetzgeber bei der Einfügung des neuen § 23 AEG durch das Dritte Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 27. April 2005 (BGBl. I S. 1138) bezweckte, die bislang nicht kodifizierten Voraussetzungen für eine konkrete eindeutige Festlegung des Zeitpunkts, in dem Bahngrundstücke vom Fachplanungsvorbehalt in die kommunale Planungshoheit übergehen, sowie das hierfür durchzuführende Verfahren gesetzlich zu regeln. Die Entscheidung ergeht nach dem Willen des Gesetzgebers als gebundene Entscheidung und im Allgemeininteresse. Es gibt keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, § 23 AEG habe über den Kreis der Antragsberechtigten nach § 23 Abs. 1 AEG hinaus drittschützende Wirkung (so ausdrücklich BayVGH, U. v. 9.7.2013 – 22 B 13.475 – juris Rn. 20). In diesem Zusammenhang wird das öffentliche Interesse an einem attraktiven Verkehrsangebot auf der Schiene (§ 1 Abs. 1) betont, das die Fachplanung von Bahnanlagen letztlich rechtfertige und das deshalb gegen eine positive Freistellungsentscheidung als „actus contrarius“ der Planfeststellung ins Feld geführt werden müsse. Dieses öffentliche Interesse sei nicht bestimmten öffentlichen Stellen oder privaten Unternehmen als gerichtlich durchsetzbares Recht zugewiesen (Hermes/Sellner, Beck’scher AEG-Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 53).
29 2.3. Die Klägerin kann als Inhaberin eines angrenzenden Privatgleises nicht geltend machen, ein Recht auf Anschluss an die Infrastruktur einer angrenzenden Eisenbahn (§ 13 Abs. 1 Satz 1 AEG) oder einen Anspruch gegenüber einem anderen Eisenbahninfrastrukturunternehmen auf diskriminierungsfreie Benutzung der von diesem Unternehmen betriebenen Eisenbahninfrastruktur (§ 14 Abs. 1 Satz 1 AEG) zu haben. Unabhängig davon, ob es zutrifft, dass §§ 13 Abs. 1 Satz 1 und 14 Abs. 1 Satz 1 AEG jeweils nur einen Anspruch auf die technische Ermöglichung des Zugangs geben, enden die Ansprüche jedenfalls mit der Stilllegung der Strecke nach § 11 AEG (vgl. für § 14 AEG BVerwG, B.v. 21.3.2014 – 6 B 55.13 – juris Rn. 14). Vorliegend wurde der Bayerischen R. GmBH mit Bescheid der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr vom 8. Juli 2014 hinsichtlich der Strecke E. bis Bahnkilometer 5,37 die Genehmigung zur dauernden Einstellung des Bahnbetriebs nach § 11 AEG erteilt.
30 2.4. Die Klägerin kann sich auch nicht auf Art. 14 Abs. 1 GG berufen. Das gilt zum einen insofern, als sie als Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Interessentin für die Übernahme der Strecke gegenüber der DB N. AG aufgetreten ist, zum anderen aber auch insofern, als sie als Eigentümerin des Privatgleises und als Firma, die die Flächen des conneKt-Geländes vermarktet, agiert.
31 Unzweifelhaft ergibt sich dies für das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, das vom Schutzbereich des Art. 14 Abs. 1 GG umfasst ist. Diesbezüglich hat die obergerichtliche Rechtsprechung in Bezug auf Kläger, die ein wirtschaftliches Interesse am Anschluss an eine freigestellte Strecke geltend gemacht haben, betont, dass Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 103 Abs. 1 BV lediglich das Erworbene, d.h. einen konkreten Bestand an Rechten und Gütern, aber nicht bloße Umsatz- und Gewinnchancen schützt (BayVGH, U. v. 9.7.2013 – 22 B 13.475 – juris Rn. 28; OVG Lüneburg, U. v. 28.5.2014 – 7 LC 16/13 – juris Rn. 52 ff.).
32 Soweit die Klägerin im Freistellungsverfahren ein Interesse bekundet hat, die freizustellende Strecke wieder in Betrieb zu nehmen und sie Eisenbahnverkehrsunternehmen zur Verfügung zu stellen, handelt es sich lediglich um eine von Art. 14 Abs. 1 GG nicht geschützte Chance auf die Übernahme der freizustellenden Strecke. Aber auch soweit sich die Klägerin auf die Möglichkeit der Nutzung des Privatgleisanschlusses im Rahmen der Gewerbegrundstücke des conneKt-Geländes beruft, liegt kein Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb vor. Dies setzte voraus, dass infolge der angegriffenen Behördenentscheidung eine ernsthafte und konkrete Gefahr für den Bestand des Gewerbebetriebs begründet würde (BVerwG, U.v. 22.4.1994 – 8 C 29.92 – BVerwGE 95, 341, 349 f. = juris Rn. 20 f.). Hierfür sind jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Auch die Klägerin hat nicht geltend gemacht, infolge der Freistellungsverfügung vom 12. Mai 2016 einer Gefährdung ihrer Existenz ausgesetzt zu sein. Es genügt insoweit nicht, eine Schmälerung der Vermarktungschancen der Gewerbegrundstücke anzuführen. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die Sicherung der betrieblichen Zukunft und der Existenz der Klägerin nicht von der Nutzung des Privatgleises auf dem conneKt-Gelände abhängt. Vielmehr ist die verkehrliche Erschließung infolge der Anbindung an die Straße gesichert. Auch haben der Beklagte und die Beigeladene darauf hingewiesen, dass grundsätzlich die Möglichkeit eines Gleisanschlusses über den östlichen Teil des conneKt-Geländes eröffnet ist.
33 Etwas anderes gilt nicht insofern, als sich die Klägerin als Eigentümerin auf die Beeinträchtigung der Grundstücke beruft, auf denen ihr Privatgleisanschlussanschluss gelegen ist. Im Klageverfahren ist geltend gemacht worden, dass infolge der Freistellungsentscheidung das Privatgleis der Klägerin quasi mit „freigestellt“ worden ist, da kein Anschluss an eine Bahnstrecke mehr vorhanden ist. Entscheidend ist – wie das Bundesverwaltungsgericht für den Fall der Klage eines Grundstückseigentümers gegen eine Freistellungsentscheidung auf Antrag eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens formuliert hat – das jeweilige Interesse an der Aufhebung der Freistellung (BVerwG, B.v. 21.4.2010 – 7 B 39/09 – juris Rn. 18). Das Interesse der Klägerin im vorliegenden Fall folgt jedoch nicht aus ihrer Stellung als Eigentümerin des Privatgleisanschlusses und der Grundstücke, auf denen sich die Gleisanlagen befinden. Vielmehr geht es der Klägerin darum, im Rahmen der Vermarktung der Gewerbegrundstücke des conneKt-Geländes und im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit möglichen Erwerbern die Option eines Gleisanschlusses anzubieten und zudem als potentielles Eisenbahninfrastrukturunternehmen für die freigestellte Strecke tätig zu werden. In beiden Fällen scheidet – wie soeben dargelegt – eine Berufung auf Art. 14 Abs. 1 GG aus.
34 Auch würde es eine Umgehung der eindeutigen Aussagen zur fehlenden Schutznormeigenschaft des § 23 AEG (vgl. oben unter 2.2.) darstellen, wollte man über eine Bezugnahme auf Art. 14 Abs. 1 GG die Klage eines „benachbarten“ Grundstücks- und Gleisanschlussinhabers zulassen, der nicht vom Adressatenkreis des § 23 Abs. 1 AEG erfasst ist.
35 3. Da die Klage daher bereits unzulässig ist, ist sie mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Es entspricht der Billigkeit, dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, schon weil sie sich keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
36 Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.
Gericht | VG Würzburg |
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Typ | Urteil |
Datum | 24.10.2017 |
Normen | Art. 14 Abs. 1 GG, Art. 103 Abs. 1 BV, §§ 187 ff. BGB, § 1 Abs. 1 AEG, § 6 AEG, § 11 AEG, § 13 AEG, § 14 AEG, § 23 AEG, § 85 Abs. 2 ZPO, § 180 ZPO, § 222 ZPO, § 418 Abs. 1 ZPO, § 42 Abs. 2 VwGO, § 57 Abs. 2 VwGO, § 60 VwGO, § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO, § 173 VwGO, Art. 1 Abs. 5 VwZVG, Art. 3 VwZVG, Art. 9 VwZVG |
Stichworte | Eisenbahninfrastruktur, Freistellung von Bahnbetriebszwecken, Klage der Inhaberin eines anschließenden Privatgleisanschlusses, Klagebefugnis, Drittschutz, Verfristung, Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb, Ersatzzustellung, Gemeinschaftsbriefkasten, Stilllegung |