Tenor:
Gründe:
I.
Die Klägerin, eine kreisangehörige Gemeinde, wendet sich gegen die Verlängerung der vom Beklagten zu Gunsten der Beigeladenen erteilten beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis zur Niederbringung von Erkundungsbohrungen und deren (Teil-) Ausbau zu Grundwassermessstellen.
Die Beigeladene ist Vorhabenträgerin des Neu- bzw. Ausbaus einer Eisenbahnstrecke (sog. …zulauf). Sie hat den Antrag auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens noch nicht gestellt, bereitet derzeit allerdings die Planungen vor.
Mit Bescheid vom 15. September 2021, geändert durch die Bescheide vom 20. Dezember 2021 und 12. Dezember 2022, erteilte ihr der Beklagte nach §§ 8, 10 WHG i.V.m. Art. 15 BayWG die widerrufliche beschränkte Erlaubnis zur Niederbringung von 22 Bohrungen mit Teilausbau zu 18 Grundwassermessstellen und vier vollständig ausgebauten Piezometermessstellen, u.a. auf im Gemeindegebiet der Klägerin gelegenen Grundstücken zum Zwecke der Untergrunderkundung für die Korridoranalyse zum Neubau einer Eisenbahnstrecke (…zulauf) und der Ergänzung der Bohrkampagne seit 2018 für den Planungsraum nördlich und ostwärts von R. bis 31. Dezember 2023. Weiterhin wurde bestimmt, dass hinsichtlich des Vorhabens, das teilweise im Geltungsbereich einer Landschaftsschutzgebietsverordnung liegt, die wasserrechtliche Genehmigung zugleich die erforderlichen naturschutzrechtlichen Entscheidungen über eine Befreiung von den Verboten und Beschränkungen ersetzt.
Nachdem die Klägerin gegen diese Bescheide Klage erhoben hatte, über die erst mit Urteil vom 15. November 2023 entschieden wurde (M 31 K 21.5476, bestätigt durch BayVGH, B.v. 19.6.2024 – 8 ZB 23.2341), konnten die bewilligten Maßnahmen von der Beigeladenen nicht innerhalb des zunächst festgelegten Zeitraums durchgeführt werden. Daher beantragte diese am 25. Oktober 2023 bei dem Beklagten die weitere Verlängerung der beschränkten wasserrechtlichen Erlaubnis nach §§ 8, 10 WHG i.V.m. Art. 15 BayWG.
Mit Bescheid vom 20. November 2023 verlängerte der Beklagte antragsgemäß die widerrufliche beschränkte Erlaubnis bis zum 31. Dezember 2024 und verfügte die Fortgeltung der übrigen Bestimmungen des Bescheids vom 15. September 2021 i.d.f. der Änderungsbescheide vom 20. Dezember 2021 und 12. Dezember 2022.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 20. Dezember 2023, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließ die Klägerin Klage erheben. Sie beantragt, den Bescheid vom 20. November 2023 aufzuheben. Die Beigeladene beantragt Klageabweisung. Der Beklagte hat bisher keinen Antrag gestellt.
Mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 28. März 2024 hat die Beigeladene die Verweisung der Streitsache an das Bundesverwaltungsgericht beantragt. Mit Gerichtsschreiben vom 2. Mai 2024 wurde den Beteiligten Gelegenheit gegeben, sich hierzu zu äußern. Die Klägerin und die Beigeladene haben mit Schriftsätzen ihrer Bevollmächtigten vom 6. Juni 2024 und 23. Mai 2024 zur Verweisung Stellung genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem sowie in dem Verfahren M 31 K 21.5476 Bezug genommen.
II.
Für den Rechtsstreit über die wasserrechtliche Gestattung von Erkundungsbohrungen entlang des erweiterten Planungsraums des …zulaufs ist das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO sachlich zuständig. Auf Antrag der Beigeladenen war der Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 GVG dorthin zu verweisen.
1. Gemäß § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO i.V.m. § 18e Abs. 1 AEG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht im ersten und letzten Rechtszug u.a. über sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren und Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben betreffen, die in dem Allgemeinen Eisenbahngesetz bezeichnet sind. Der Rechtsstreit betrifft in diesem Sinne ein solches Verfahren.
Die mit Art. 9 Nr. 2 lit b. des Gesetzes zur Beschleunigung von Planungsverfahren für Infrastrukturvorhaben vom 9. Dezember 2006 (BGBl. I, S. 2833) geschaffene Zuständigkeitsregelung des § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO bezweckt die beschleunigte Realisierung von besonders bedeutsamen Infrastrukturvorhaben mittels Verkürzung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf eine Instanz und Konzentration der Streitsachen beim Bundesverwaltungsgericht zur Vermeidung divergierender Entscheidungen (vgl. BR-Drs. 363/05, S. 45; BT-Drs. 16/54, S. 27 f.; BVerwG, B.v. 24.1.2024 – 11 A 8/23 – juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 7.9.2023 – 22 AS 23.40025 – juris Rn. 20).
Ausgehend von diesem Regelungszweck wird das Tatbestandsmerkmal „betreffen“ in ständiger Rechtsprechung weit ausgelegt (vgl. z.B. BVerwG, B.v. 27.9.2018 – 9 VR 5/18 – juris Rn. 3). Folglich werden alle Verfahren erfasst, die einen unmittelbaren Bezug zu konkreten Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren für Vorhaben nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO aufweisen (vgl. aktuell BVerwG, aaO; grundlegend B.v. 9.10.2012 – 7 VR 10/12 – juris Rn. 5; B.v. 12.6.2007 – 7 VR 1/07 – juris Rn. 8). Eine Streitigkeit betrifft demnach ein Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren, wenn die streitbefangene Maßnahme Teil der genehmigungsrechtlichen Bewältigung des Vorhabens ist. Insbesondere trifft dies auch dann zu, wenn um Maßnahmen gestritten wird, die zeitlich und sachlich der späteren Planfeststellung oder Plangenehmigung vorausgehen, indem sie der Vorbereitung eines solchen Verfahrens dienen (vgl. BVerwG, B.v. 24.1.2024, aaO). Dies hat das Bundesverwaltungsgericht gerade in Bezug auf fachplanungsrechtliche Duldungsanordnungen sowie vorzeitige Besitzeinweisungen zur Vorbereitung einer Planfeststellung bejaht (aktuell BVerwG, aaO zu § 18 Abs. 5 NABEG i. V. m. § 44 Abs. 2 Satz 2 EnWG; B.v. 22.6.2023 – 4 VR 3/23 – juris Rn. 6 zu § 44 Abs. 2 Satz 2 EnWG; B.v. 22.6.2023 – 4 VR 4/23 – juris Rn. 9 f. zu § 44b Abs. 1 Satz 1 EnWG). Dies gilt im Übrigen auch dann, wenn die zu duldende Maßnahme bereits durchgeführt ist. Für die erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts kommt es nicht darauf an, ob im konkreten Einzelfall durch die Begründung der erst- und letztinstanzlichen Zuständigkeit nach § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO noch eine Beschleunigung der Verwirklichung des Verfahrens erreicht werden kann. Vielmehr genügt es, dass die streitgegenständliche Maßnahme generell zur Vorbereitung der Planung und Baudurchführung eines Vorhabens notwendig und bereits deshalb als Teil seiner genehmigungsrechtlichen Bewältigung anzusehen ist (vgl. BVerwG, B.v. 24.1.2024 – 11 A 8/23 – juris Rn. 5). Grundsätzlich nicht mehr vom (weiten) Anwendungsbereich des § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO erfasst sind hingegen Streitigkeiten um die konkrete Baudurchführung auf Grundlage eines Planfeststellungsbeschlusses bzw. einer Plangenehmigung (vgl. BVerwG, B.v. 9.10.2012, aaO Rn. 5) oder Verfahren, die getrennt neben dem Planfeststellungsverfahren stehen, wie etwa die Geltendmachung eines Anspruchs auf Umweltinformationen (vgl. BVerwG, B.v. 12.6.2007 – 7 VR 1/07 – juris Rn. 14).
2. Bei den streitgegenständlich wasserrechtlich gestatteten Maßnahmen handelt es sich um vorbereitende Maßnahmen zur Planfeststellung des …zulaufs im vorgenannten Sinne.
Der Neu- bzw. Ausbau des …zulaufs unterliegt gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG dem Erfordernis der Planfeststellung und ist als Schienenweg mit erst- und letztinstanzlicher Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts in Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG von Nr. 22 „M.- R. -K.-Grenze D/A“ erfasst.
Die streitbefangenen Bohrungen und die Errichtung von Messstellen dienen der Untergrunderkundung für die Korridoranalyse zum Neubau der Eisenbahnstrecke …zulauf und damit unmittelbar der Vorbereitung der Planunterlagen, da die Ergebnisse der Bohrungen u.a. die hydrologischen und hydrogeologischen Voraussetzungen des Planvorhabens ermitteln sollen (vgl. bezüglich Baugrunduntersuchungen und Bodensondierungen im Allgemeinen bereits BVerwG, B.v. 9.10.2012 – 7 VR 10/12 – juris Rn. 6). Die hier vom Beklagten wasserrechtlich zugelassenen Maßnahmen sind insbesondere geeignet, mögliche tatsächliche Planungshindernisse zu offenbaren, die eine von der Beigeladenen erwogene Trassenführung fachlich bedenklich erscheinen lassen oder einer solchen sogar entgegenstehen (vgl. BVerwG, B.v. 17.2.2020 – 4 VR 1/20 – juris Rn. 17).
Das Bundesverwaltungsgericht hat zum Projekt des …zulaufs bereits bestätigt, dass Erkundungsbohrungen der Beigeladenen zum Zwecke der Boden- und Grundwasseruntersuchung planungsvorbereitenden Charakter aufweisen und im Übrigen typische Vorarbeiten i.S.v. § 17 AEG darstellen, die vom Grundstückseigentümer zu dulden sind (vgl. BVerwG, B.v. 21.11.2022 – 7 VR 4/22 – juris Rn. 10 f.; B.v. 21.3.2022 – 7 VR 1/22 – juris Rn. 11 f. zu Verfahren im Gemeindebereich der Klägerin; bereits in einem Verfahren der Klägerin selbst: B.v. 21.11.2022 – 7 VR 3/22 – juris Rn. 13). Ein Auseinanderfallen der sachlichen Zuständigkeit für ein und dieselbe Planvorbereitungsmaßnahme, die gegebenenfalls sowohl eine Duldungsanordnung für die Inanspruchnahme eines fremden Grundstücks nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AEG als parallel auch eine wasserrechtliche Gestattung nach § 8 Abs. 1 WHG erfordert, liefe dem Beschleunigungs- und Konzentrationszweck des § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO zuwider. Sie würde zudem wegen Abgrenzungsproblemen auch dem Grundsatz widersprechen, dass Zuständigkeitsregelungen klar und eindeutig sein sollen (vgl. BVerwG, B.v. 24.1.2024 – 11 A 8/23 – juris Rn. 5).
Aus alledem folgt, dass ausgehend von der Zweckbestimmung des § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO das Tatbestandsmerkmal „sämtliche Streitigkeiten, die Planfeststellungsverfahren oder Plangenehmigungsverfahren (…) betreffen“ in einem funktionsbegrifflichen Verständnis (weit) auszulegen ist. Sonach werden davon sämtliche Streitigkeiten über fachgesetzliche Zulassungen planvorbereitender Maßnahmen auch außerhalb des jeweiligen Fachplanungsrechts – hier des Allgemeinen Eisenbahngesetzes – erfasst. Dies gilt sowohl für – wie hier – wasserrechtliche Gestattungen als beispielsweise auch für Erlaubnisse nach dem Natur- und Artenschutz-, dem Wald- oder dem Denkmalschutzrecht, wenn eine Maßnahme zur Vorbereitung des Planvorhabens erforderlich ist und ihre Zulassung deshalb einen notwendigen Annex zu der fachplanungsrechtlichen Bewältigung – auch und gerade vor Einleitung eines Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahrens – darstellt. Dies gilt hier umso mehr deshalb, weil die streitgegenständliche wasserrechtliche Erlaubnis zugleich auch die erforderlichen naturschutzrechtlichen Entscheidungen über eine Befreiung von den Verboten und Beschränkungen der Landschaftsschutzgebietsverordnung „Schutz des S…sees und seiner Umgebung“ ersetzt (§§ 20 Abs. 2 Nr. 4, 26 BNatSchG i.V.m. Art. 12 Abs. 1 Satz 1, 18 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BayNatSchG). Der vorliegende Sachverhalt zeigt beispielhaft auf, dass die Vielzahl von planvorbereitenden Einzelmaßnahmen, namentlich in Gestalt von Erkundungsbohrungen zur Korridoranalyse, gegen die von verschiedenen Seiten bereits auch Rechtsbehelfe über mehrere Instanzen eingelegt wurden und über die noch nicht sämtlich rechtskräftig entschieden wurde, mit Blick auf die besondere Bedeutung des Verfahrens eine Konzentration der sachlichen Gerichtszuständigkeit im Interesse einer Verfahrensstraffung und -beschleunigung beim Bundesverwaltungsgericht erforderlich macht.
Dem steht auch nicht die Wertung der Art. 92, 95 Abs. 1 GG entgegen, wonach die obersten Gerichtshöfe grundsätzlich als Rechtsmittelgerichte letzter Instanz zu errichten sind. Eine Einschränkung dahingehend, dass Streitigkeiten über Zulassungen nach anderen Fachgesetzen nicht dem Anwendungsbereich des § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO unterfallen, ist weder der höchstrichterlichen Rechtsprechung zu entnehmen noch sprechen dafür überzeugende verfassungsrechtliche Gründe. Wie das Bundesverwaltungsgericht bereits entschieden hat, kommt dem Gesetzgeber bei der Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Bundesgerichten und Gerichten der Länder ein weiter Gestaltungsspielraum zu, wenn es um Rechtsstreitigkeiten geht, bei denen ein gesamtstaatliches oder bundesstaatliches Interesse an einer raschen (rechtskräftigen) Entscheidung besteht und dem Ausnahmecharakter der Rechtszugskonzentration durch eine spezielle Auflistung der Einzelprojekte Rechnung getragen wird (vgl. BVerwG, U.v. 9.7.2008 – 9 A 14/07 – juris Rn. 29 ff.). Dies trifft auf das hier inmitten stehende Projekt des …zulaufs, das von Nr. 22 der Anlage 1 zu § 18e Abs. 1 AEG erfasst wird, zu. Mit Blick auf die Bedeutung des Vorhabens für den internationalen Schienenverkehr (vgl. § 18e Abs. 1 Nr. 4 AEG) besteht ein besonderes gesamtstaatliches Interesse an einem zügigen Verfahrensabschluss gerade auch hinsichtlich des konkreten Vorhabens (vgl. Bier in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand 45. EL Januar 2024, § 50 VwGO Rn. 17d).
Aufgrund des gebotenen funktionsbegrifflich-weiten tatbestandlichen Verständnisses von § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO ist mithin für den vorliegenden Rechtsstreit die erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts eröffnet.
Die Kostenentscheidung bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten, § 83 Satz 1 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 2 GVG.
| Gericht | VG München |
|---|---|
| Typ | Beschluss |
| Datum | 05.08.2024 |
| Normen | Art. 92 GG, Art. 95 GG, § 17 AEG, § 18e Abs. 1 AEG, § 20 Abs. 2 Nr. 4 BNatSchG, § 26 BNatSchG, § 17a GVG, § 17b Abs. 2 GVG, § 50 Abs. 1 Nr. 6 VwGO, § 83 VwGO, § 8 WHG, § 10 WHG, Art. 12 Abs. 1 Satz 1 BayNatSchG, § 18 Abs. 1 Hs. 1 BayNatSchG, Art. 15 BayWG |
| Stichworte | Wasserrechtliche Erlaubnis, Erkundungsbohrungen, Grundwassermessstellen, erstinstanzliche Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts |