Urteil
[...]
Es wird festgestellt, dass die Plangenehmigung vom 3. August 1999 rechtswidrig und nicht vollziehbar ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte und die Beigeladene haben die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte zu tragen.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte und die Beigeladene dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die der Beigeladenen erteilte Plangenehmigung für den Rückbau einer Feldwegbrücke.
Die Gewölbebrücke befindet sich auf der Strecke St. -Si. bei Bahn-km 9,_ _ _ _ südwestlich der Ortslage Ob. . 360 m nördlich befindet sich die Eisenbahnüberführung über. die K 15_ , 400 m südlich eine weitere Eisenbahnüberführung über einen Weg. Die Bahnstrecke wurde 1882 gebaut und durchschnitt bei Bahn-km 9,_ _ _ einen bereits vorhandenen Feldweg. Die Wegebrücke wurde seinerzeit von der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen errichtet, in ihren Bauwerksverzeichnissen als ihr Eigentum geführt und in der Folgezeit unterhalten. 1981 wurde das Brückengeländer erneuert. Später wurde die Benutzung der Brücke wegen der eingeschränkten Tragfähigkeit auf Fahrzeuge bis zu 6 t beschränkt.
Nachdem Teile der Seitenflügel der Brücke ausgebrochen waren, wurde die Brücke im Februar 1997 gänzlich gesperrt. Auf die Forderung der Klägerin nach Wiederherstellung der Brücke teilte die Beigeladene im März 1997 mit, dass sie wegen des baulich schlechten Zustandes den Rückbau der Brücke beabsichtige; für die Betroffenen stünden in unmittelbarer Nähe Eisenbahnüberführungen zur Verfügung.
Nachdem die Klägerin und die Beigeladene im Jahr 1998 mehrere Gespräche und Ortsbesichtigungen durchgeführt hatten, stellte die Beigeladene am 19. März 1999 den Antrag auf Plangenehmigung zum Rückbau der Wegebrücke. Zur Begründung führte sie aus, eine brückentechnische Begutachtung habe ergeben, dass die vorhandene Bausubstanz fast vollständig zerstört sei. Deshalb sei die Brücke auch für jeglichen Straßenverkehr gesperrt und für den Zugverkehr eine Langsamfahrstelle (La 10 km/h) eingerichtet worden. Aus Gründen der Wirtschaftlichkeit werde zur Gewährleistung der Verkehrssicherheit der Rückbau der Brücke beabsichtigt.
Im Rahmen der Anhörung der Träger öffentlicher Belange äußerte sich die Klägerin ablehnend zu dem Vorhaben: Der Errichtungszweck bestehe weiterhin. Die Brücke sei seinerzeit von dem Betreiber der Schienenstrecke errichtet worden, weil er in das funktionierende innerörtliche Verkehrsnetz der Ortsgemeinde eingegriffen habe. Die Bahn AG sei der Gemeinde gegenüber zur Erhaltung der Brücke verpflichtet. Der Rückbau stelle einen Eingriff in das Selbstverwaltungsrecht der Gemeinde DAR. Die derzeitige Vollsperrung der Brücke ändere daran nichts, weil sie die Folge der unterlassenen Unterhaltung in der Vergangenheit sei. Der geplante Rückbau hätte erhebliche finanzielle Auswirkungen für die Gemeinde. Der Wirtschaftsweg sei die einzige direkte Verbindung zwischen der Ortslage und den Fluren 1_ und 2_. Um eine alternative Erschließung dieser Fluren für die Land- und Forstwirtschaft sowie für die Einwohner der Gemeinde zu ermöglichen, müssten ca. 250.000,-- DM aufgewendet werden.
Mit Bescheid vom 3. August 1999 genehmigte das Eisenbahn-Bundesamt den beantragten Rückbau der Brücke. Zur Begründung wird ausgeführt: Der Rückbau sei aus Gründen der Betriebssicherheit des Zugverkehrs erforderlich. Da es sich um einen Wirtschaftsweg handele, sei der Vorhabenträger nicht zur Unterhaltung der Brücke verpflichtet. Die für das Vorhaben sprechenden Gründe überwögen die dagegen vorgebrachten Einwände.
Die Klägerin trägt zur Begründung der dagegen erhobenen Klage vor: Die angefochtene Plangenehmigung sei bereits formell rechtswidrig, weil sie ihr Selbstverwaltungsrecht beeinträchtige und eine Einigung im Sinne von § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AEG nicht erzielt worden sei. In der Sache sei die Entscheidung abwägungsfehlerhaft. Die Beklagte habe sich mit den vorgebrachten Einwänden nicht auseinandergesetzt. Die übrigen Überquerungen über die Bahn stellten keine Alternative zu der Wegebrücke DAR. Die Eisenbahnüberführung über die K 15 _ sei eng, lasse einen Begegnungsverkehr nicht zu und weise keinen Gehweg auf, was zu einer erheblichen Gefährdung der Fußgänger führe. Die Bewirtschaftung des Waldes sei ohne die Brücke schwieriger und führe zu erheblichen Mehrkosten. Bis zur Sperrung der Brücke sei das Holz problemlos über die Brücke abtransportiert worden. Danach sei auf den Einschlag von Holz verzichtet worden. Ein alternativer Abtransport des Holzes müsste über einen Wirtschaftsweg etwa parallel zur Bahntrasse erfolgen; zuvor müsste dieser Weg befestigt werden.
Die Klägerin beantragt,
die Plangenehmigung vom 3. August 1999 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach ihrer Auffassung ist die Plangenehmigung abwägungsfehlerfrei erteilt worden: Entscheidend sei, dass für die Beigeladene keine Verpflichtung zur Unterhaltung der Brücke bestehe. In der Rechtsprechung sei anerkannt, dass an nicht öffentlichen Straßen eine Unterhaltungslast nicht bestehe. Im Übrigen bestünden zumutbare alternative Überquerungsmöglichkeiten.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
die Klage abzuweisen.
Auch sie hält die angefochtene Plangenehmigung für rechtmäßig: Die Voraussetzungen für das Plangenehmigungsverfahren seien gegeben. Abgesehen davon, dass schon keine wesentliche Änderung eines Schienenweges im Sinne des § 18 AEG vorliege, beeinträchtige das Vorhaben keine Rechte anderer. Insbesondere habe die Klägerin keinen Anspruch auf Fortbestand der alten Brücke. Der Rückbau der Brücke sei aus Gründen der Verkehrssicherheit dringend geboten. Instandsetzungskosten von ca. 900.000,-- DM zuzüglich zukünftiger Unterhaltungsmaßnahmen seien wirtschaftlich nicht zu vertreten. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erhaltung einer "direkten Verbindung" zwischen der Ortslage und den Fluren 1_ und 2_, da in unmittelbarer Nähe drei weitere Querungsmöglichkeiten zur Verfügung ständen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten einschließlich der zu den Akten gereichten Fotografien sowie auf die Verwaltungsakte (1 Heft) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist zum überwiegenden Teil begründet. Sie musste lediglich hinsichtlich des begehrten kassatorischen Ausspruchs wegen der Sonderregelung in § 20 Abs. 7 Satz 2 AEG abgewiesen werden.
Die angefochtene Plangenehmigung ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihrem Recht auf abwägungsfehlerfreie Berücksichtigung ihrer gemeindlichen Planungen und Einrichtungen.
Dieser Anspruch folgt aus der den Gemeinden zustehenden Planungshoheit, die auch das Recht auf Planung des örtlichen Verkehrsnetzes einschließt (BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 1969, E 31, 263, 265). Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass die gemeindliche Planungshoheit gegenüber einer fremden Fachplanung unter anderem dann eine wehrfähige, in die fachplanerische Abwägung einzubeziehende Rechtsposition vermittelt, wenn das Vorhaben eine hinreichend bestimmte Planung der Gemeinde nachhaltig stört oder eine gemeindliche Einrichtung erheblich beeinträchtigt (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 1992, UPR 1992, 310). Der genehmigte Abriss der Feldwegbrücke bei Bahn-km 9,_ _ _ unterbricht endgültig die bestehende Wegeverbindung und greift damit erheblich in das "Wirtschaftswegesystem" der Klägerin, einer gemeindlichen Einrichtung, ein. Dies gilt umso mehr deshalb, weil dadurch eine gerade im Interesse der Gemeinde errichtete und unterhaltene Kreuzungsanlage aufgegeben wird.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Plangenehmigung bereits aus formellen Gründen rechtswidrig ist, weil sie in der falschen Verfahrensart getroffen wurde. Gemäß § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AEG kann an Stelle eines Planfeststellungsbeschlusses eine Plangenehmigung nur dann erteilt werden, wenn Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden, es sei denn, die Betroffenen haben sich mit der Inanspruchnahme ihres Rechts einverstanden erklärt. Die Klägerin ist durch das Abrissvorhaben nicht nur als Trägerin öffentlicher Belange in ihren Kompetenzen betroffen, sondern zugleich in den aus ihrer Planungshoheit abgeleiteten Rechten (vgl. BVerwG, Gerichtsbescheid vom 27. Dezember 1995, UPR 1996, 226). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist mit einer "Rechtsbeeinträchtigung" im Sinne von § 18 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AEG allerdings nur der "direkte Zugriff auf fremde Rechte gemeint, nicht aber die bei jeder raumbeanspruchenden Planung gebotene wertende Einbeziehung der Belange Dritter in die Abwägungsentscheidung" (Urteil vom 27. November 1996, Buchholz 442.09, § 18 AEG Nr. 18, S. 71 - entschieden für das Interesse eines Privaten an der Aufrechterhaltung einer günstigen Wegebeziehung). Es fragt sich, ob die dauerhafte Unterbrechung einer Gemeindewegeverbindung lediglich als Betroffenheit in einem abwägungsarheblichen Belang aufzufassen ist, insbesondere dann, wenn mit dieser Maßnahme zugleich eine zuvor im Interesse der Gemeinde auferlegte Verpflichtung aufgehoben wird. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben. Es braucht deshalb auch nicht, geklärt zu werden, ob der Rückbau der Wegeüberführung überhaupt planfeststellungs- bzw. plangenehmigungspflichtig ist; insofern bestehen Zweifel, ob es sich bei der Wegeüberführung um eine Betriebsanlage der Eisenbahn im Sinne von § 18 Abs. 1 AEG handelt; andererseits spricht für die Genehmigungspflichtigkeit, dass eine bestehende Genehmigung nachträglich abgeändert wird (actus contrarius).
Die angefochtene Plangenehmigung ist jedenfalls aus materiell- rechtlichen Gründen rechtswidrig. Die Beklagte hat das Interesse der Klägerin an der Aufrechterhaltung der bestehenden Wegeverbindung unzureichend aufgeklärt und deshalb nicht mit dem ihm zukommenden Gewicht in ihre Abwägung eingestellt.
Die Beklagte hat verkannt, dass sie die Beigeladene mit der Genehmigung zum Abriss der Brücke zugleich von deren Verpflichtung zur Erhaltung der vorhandenen Wegeüberführung befreit. Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, dass der derzeitige Zustand der Brücke die Betriebssicherheit des Eisenbahnverkehrs gefährdet und Maßnahmen der Gefahrenabwehr erfordert. Welche Maßnahmen geboten und zumutbar sind, bedarf der Abwägung. Die Beklagte hat ihre Zustimmung zum Rückbau der Brücke nun aber entscheidend damit begründet, dass für die Beigeladene keine Pflicht zur Unterhaltung der Brücke bestehe. Diese Rechtsauffassung ist fehlerhaft und hat den Abwägungsvorgang unzulässig verkürzt. Denn die Beklagte hat sich mit den von der Klägerin vorgetragenen Folgen des Brückenabrisses (vgl. das Schreiben der Verbandsgemeindeverwaltung Wa. vom 26. April 1999 nebst anliegendem Schreiben des Forstamtes Wa. vom 5. Juni 1998) nicht weiter befasst (vgl. S. 9 der Plangenehmigung).
Zu Unrecht beruft die Beklagte sich für ihre "Entscheidung", dass die Beigeladene keine Unterhaltungspflicht für die Brücke treffe, auf das Urteil des 1. Senats des erkennenden Gerichts vom 13. Februar 1997 - 1 A 12901/95 -. Zwar handelt es sich bei dem über die Brücke bei Bahn-km 9,_ _ _ verlaufenden Weg um einen "Wirtschaftsweg" im Sinne von § 1 Abs. 5 des Landesstraßengesetzes - LStrG -, was zwischen den Beteiligten unstreitige ist. Der 1. Senat hat in dem zitierten Urteil allerdings 11. lediglich entschieden, dass ein Wirtschaftsweg aufgrund der Spezialregelung in § 1 Abs. 5 LStrG auch dann kein öffentlicher Weg (mehr) ist, wenn er vor In-Kraft-Treten des Landesstraßengesetzes öffentlich-rechtlichen Charakter hatte. Sodann wird bemerkt, dass an nicht öffentlichen Straßen eine (gesetzliche) Unterhaltungslast nicht besteht (aaO, S. 13 d.U.). Damit ist allerdings nur der allgemeine Grundsatz bestätigt worden, dass es an Privatstraßen keine Baulast gibt, es vielmehr - vorbehaltlich freiwillig eingegangener Verpflichtungen - im Belieben des Eigentümers der Privatwegeparzelle liegt, ob und wie er den Weg instand halten will (vgl. Kodal/Krämer, Straßenrecht, 6. Aufl. 1999, Kap. 4, Rn. 11.4). Hier geht es jedoch um die davon zu trennende Frage, ob derjenige, der mit seinem Vorhaben einen bestehenden Wirtschaftsweg unterbricht, verpflichtet ist, dafür im Interesse des Wegeeigentümers einen Ausgleich zu schaffen und diese Ausgleichsmaßnahme auch zu erhalten.
Der Senat geht nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens (§§ 86 Abs. 1, 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) davon aus, dass die Beigeladene und ihre Rechtsvorgängerin zunächst einmal verpflichtet waren, bei Bahn-km 9,_ _ _ eine Wegeüberführung zu schaffen und zu erhalten. Zwar haben sowohl die Beklagte als auch die Beigeladene mitgeteilt, dass bei ihnen keine alten Genehmigungsunterlagen oder Unterlagen über Konzessionen für die hier interessierende Eisenbahnstrecke vorhanden sind. Dennoch. spricht alles dafür, dass die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen die Brücke nicht freiwillig, sondern aufgrund einer Verpflichtung hierzu angelegt hat. Das Fehlen des ursprünglichen Genehmigungsbescheides und damit der fehlende ausdrückliche Nachweis einer darin enthaltenen Auflage zur Errichtung und Erhaltung der Wegebrücke kann deshalb nicht zu Lasten der Klägerin gehen. Vielmehr erlauben die Grundsätze der freien Beweiswürdigung Erleichterungen der Beweisführung; dies kommt auch dann in Betracht, wenn ein Beweismittel, auf das der eine zum Nachweis angewiesen ist, in der Handlungs- und Verantwortungssphäre des anderen ohne dessen Verschulden verloren gegangen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 1. April 1997, BRS 59 Nr. 34, S. 135 f.).
Für eine ursprünglich bestehende Verpflichtung zur Erhaltung der Feldwegbrücke spricht vor allem die Erklärung der Beigeladenen selbst. So teilt sie im Erläuterungsbericht zu dem eingereichten Plan mit, dass es sich "bei der Kreuzung um einen Privatweg in der Erhaltungslast der Deutschen Bahn AG" handelt und die Brücke von ihrer Rechtsvorgängerin errichtet und unterhalten worden ist. Diese Annahme entspricht auch der Rechtslage bei Errichtung der Eisenbahnstrecke. Nach den §§ 3 und 4 des Preußischen Eisenbahngesetzes vom 3. November 1838 (GS S. 505) musste der Plan zur Anlegung einer Eisenbahnlinie zuvor festgestellt werden. Nach § 14 PrEisenbahnG war dabei auch über Anlagen an Wegen und Überfahrten zu entscheiden, die zur Vermeidung von Nachteilen in der Benutzbarkeit der benachbarten Grundstücke nötig waren. Danach hatte die für die Genehmigung der Eisenbahnlinie zuständige Behörde die Pflicht, durch ihre Festsetzungen diejenigen Nachteile auszugleichen, die durch dies Eisenbahnanlage für die bestehenden Wegeverhältnisse herbeigeführt wurden; zu dieser Ausgleichsregelung gehörte auch die Regelung der Unterhaltungslast (vgl. insgesamt: Germershausen/Seydel, Wegerecht und Wegeverwaltung in Preußen, 1. Bd. 1932, § 36, S. 349 bis 352). Diese Rechtslage entspricht dem kreuzungsrechtlichen Prioritäts- und Veranlassungsprinzip, wonach der später Hinzugekommene dem früher Dagewesenen alle Kosten zu erstatten hat, die sich aus der Kreuzung ergeben. Diese Verpflichtung gilt grundsätzlich für alle Zeiten (vg1. Marschall/Schweinsberg, EKreuzG-Kommentar, 5. Aufl. 2000, B. 2. a) und b), S. 24 f.). Vorbehaltlich abweichender Regelungen, für die hier nichts ersichtlich ist, ist die Erhaltungspflicht nicht auf die Zeit der theoretischen Nutzungsdauer beschränkt. Auch die von der Beigeladenen zitierten Ablöserichtlinien 1980 des Bundesministers für Verkehr gehen im Grundsatz von einer zeitlich unbegrenzten Erhaltungspflicht aus (vgl. Marschall/Schweinsberg, aaO, E 10, Erläuterung zu Nr. 3), was dann gegebenenfalls die Erneuerung einer baufälligen Brücke einschließt.
Das Auferlegen einer zunächst einmal zeitlich unbegrenzten Erhaltungspflicht schließt allerdings nicht aus, dass das Eisenbahnunternehmen später um eine Korrektur dieser Verpflichtung nachsuchen kann. Rechtsgrundlage hierfür sind die Vorschriften über das Wiederaufgreifen des Verfahrens. Gemäß § 51 VwVfG hat die Behörde über die Aufhebung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Diese Vorschrift gilt auch für die Abänderung, d.h. für die teilweise Aufhebung eines Verwaltungsaktes, etwa hinsichtlich einer nach der aktuellen Sach- oder Rechtslage nicht mehr gerechtfertigten Auflage.
In der Sache liegt dem Antrag der Beigeladenen auf Genehmigung des Plans zum Brückenabriss ein solches Begehren auf nachträgliche Abänderung der ursprünglich begründeten Erhaltungslast für die Brücke zugrunde. Die Beigeladene hat dieses Begehren sinngemäß damit begründet, dass das Aufrechterhalten der Erhaltungslast angesichts der hohen Instandsetzungskosten für die Brücke und der zurückgegangenen Verkehrsbedeutung des Wirtschaftsweges nicht mehr verhältnismäßig ist. Die Beklagte hat die von ihr danach anzustellende Prüfung jedoch dadurch fehlerhaft verengt, dass sie ohne weiteres von dem Wegfall der Erhaltungslast ausgegangen und deshalb in eine Abwägung der Gründe für und gegen die Aufhebung der Erhaltungslast (eventuell auch unter kompensierenden Nebenbestimmungen) nicht eingetreten ist.
Dieser Abwägungsmangel ist offensichtlich, weil er sich bereits aus der Begründung der Plangenehmigung ergibt. Er ist auch für das Ergebnis der Abwägung kausal im Sinne von § 20 Abs. 7 Satz 1 AEG. Es besteht die konkrete Möglichkeit, dass die Behörde ohne diesen Fehler anders entschieden hätte (vgl. zu diesem Kausalitätsverständnis: BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1996, UPR 1996, 228).
Die Zustimmung zum Abriss der Brücke (ohne die Verpflichtung zu Kompensationsleistungen) wäre im Ergebnis dann ohne weiteres gerechtfertigt, wenn die ursprüngliche Verkehrsbedeutung des Weges, die Veranlassung für die Errichtung der Brücke war, mittlerweile gänzlich entfallen wäre. Davon kann nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung jedoch nicht ausgegangen werden. Zwar dürfte die Brücke für die Zugänglichkeit der im Südwesten des Gemeindegebiets gelegenen landwirtschaftlichen Flächen nicht erforderlich sein; Gegenteiliges ist jedenfalls nicht vorgetragen worden. Auch das Ermöglichen einer direkten fußläufigen Verbindung der Ortslage mit dem westlich der Bahnlinie gelegenen Wald ist angesichts der benachbarten Eisenbahnquerungen nicht notwendig, sondern lediglich ein vorteilhafter Nebeneffekt. Die Erhaltung der vorhandenen Brücke allein zu diesem Zweck würde der Beigeladenen eine unverhältnismäßig hohe Kostenlast aufbürden. Die Behörde mag allerdings abwägen, ob sie der Beigeladenen für die Erlaubnis zum Abriss der Brücke eine Ausgleichsleistung auferlegt; in der mündlichen Verhandlung wurde die Möglichkeit etwa eines finanziellen Zuschlags zur Errichtung eines Fußgängerstegs erörtert. Das Auferlegen von Kompensationsleistungen wird die Behörde aber jedenfalls hinsichtlich der bisherigen Nutzung der Brücke zum Zwecke der Forstwirtschaft zu erwägen haben. Nach dem Schreiben des Forstamtes vom 21. März 2000 ist die Brücke in der Vergangenheit zwar nicht von forstlichem Schwerlastverkehr, aber durchaus zum Abtransport von einzelnen Baumstämmen genutzt worden. Auch hier dürfte zwar das Aufrechterhalten der Erhaltungslast für die Brücke wegen der hohen Instandsetzungskosten einerseits und der alternativen Möglichkeiten der Holzabfuhr andererseits unverhältnismäßig sein. Jedoch wird die Behörde zu erwägen haben, ob und in welchem Umfang sie die Genehmigung zum Abriss der Brücke und der damit einhergehenden Befreiung von der Erhaltungslast für die Wegeüberführung mit der Verpflichtung zu Kompensationsleistungen der Beigeladenen (Zuschuss) zugunsten der Herstellung der alternativen Abfuhrwege verbindet.
Der Senat hat schließlich erwogen, ob die Genehmigung des Brückenabrisses ohne die Verpflichtung zu Kompensationsleistungen der Beigeladenen im Ergebnis deshalb die allein zutreffende Entscheidung war, weil sich die Beigeladene neben der veränderten Verkehrsbedeutung auch auf Veränderungen in der Rechtslage berufen kann.
Zu denken ist an Änderungen des Eisenbahnkreuzungsrechts. So hat § 14 des Eisenbahnkreuzungsgesetzes - EKreuzG - vom 14. August 1963 (BGBl. I S. 681) die Erhaltungslast an Kreuzungsanlagen neu geregelt. Danach trifft den Träger der Straßenbaulast die Erhaltungslast für Straßenüberführungen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 EKreuzG). Diese gesetzliche Regelung ließ abweichende (entsprechend dem Prioritäts- oder Veranlassungsprinzip erlassene) individuelle Regelungen hinfällig werden (vgl. Marschall/Schweinsberg, aaO, § 14, Rn. 1). Die Regelung galt aber zunächst nur für die Überführungen von Bundes- und Landesstraßen und trat für die übrigen Straßenüberführungen nur bei der wesentlichen Änderung oder Ergänzung der Kreuzung ein (§ 19 Abs. 1 Sätze 2 und 3 EKreuzG 1963 - Gemeindeprivileg -). Dieses Gemeindeprivileg ist dann durch das Eisenbahnneuordnungsgesetz vom 27. Dezember 1993 (BGBl. I S. 2378) zum 1. Januar 1994 aufgehoben worden, allerdings nicht ohne in § 19 Abs. 3 EKreuzG i.d.f. des rückwirkend zum 1. Januar 1994 in Kraft getretenen Änderungsgesetzes vom 9. September 1998 (BGBl. I S. 2858) eine Gewährleistungspflicht des Eisenbahnunternehmers für den ordnungsgemäßen Erhaltungszustand der Straßenüberführung zu normieren (vgl. zum Vorstehenden insgesamt: Marschall/Schweinsberg, Kommentierung zu § 19).
Diese Rechtsänderung zur Erhaltungslast für Straßenüberführungen ließ die Rechtsverhältnisse an Kreuzungen mit nicht öffentlichen Straßen allerdings unberührt. Denn das Eisenbahnkreuzungsgesetz gilt nur für Kreuzungen von Eisenbahnen und öffentlichen Straßen und Wegen (§ 1 Abs. 1 und Abs. 4 EKreuzG). Deshalb ist die ursprünglich begründete Erhaltungslast der Beigeladenen für die Wegeüberführung bei Bahn-km 9,_ _ _ nicht kraft Gesetzes zum 1. Januar 1994 auf die Klägerin übergegangen. Nach Auffassung des Senats spricht indes alles dafür, dass sich die Beigeladene hier auf eine entsprechende Anwendung dieser Regelung berufen kann. Wenn die Beigeladene bzw. ihre Rechtsvorgängerin schon von der Erhaltungslast für die Überführung öffentlicher Straßen freigestellt worden ist, so sollte dies erst recht für die Erhaltungslast bei der Überführung von Privatwegen gelten, jedenfalls dann, wenn es sich um private Gemeindewege (Wirtschaftswege im Sinne von § 1 Abs. 5 LStrG) handelt.
Kann die Beigeladene damit ihr Begehren auf Abänderung der ursprünglich getroffenen Erhaltungslastregelung auch auf die inzwischen zum 1. Januar 1994 für (öffentliche) Gemeindestraßen erfolgten Rechtsänderung stützen, so bedeutet dies jedoch nicht zwingend, dass ihr ohne weiteres der Rückbau der Brücke zu genehmigen wäre. Dies wäre nur dann der Fall, wenn die Klägerin erklären würde, sie sei für die Zukunft zu einer Erhaltung der Wegeüberführung nicht bereit. Eine solche Erklärung haben die Vertreter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung indes nicht abgegeben, die Entscheidung hierüber vielmehr auch davon abhängig gemacht, ob die noch anzustellenden Ermittlungen einen Erhaltungsrückstand der Beigeladenen bezogen auf den 1. Januar 1994 ergeben und in welchem Umfang dieser von der Beigeladenen finanziell ausgeglichen wird. Sollte die Klägerin die Wegeüberführung zukünftig erhalten wollen, so kommt an Stelle des vollständigen Rückbaus der baufälligen Brücke im Interesse der Klägerin auch nur ein teilweiser Abriss, etwa unter Aufrechterhaltung der Fundamente, in Betracht. All diese Umstände wird die Behörde aufzuklären und sodann abzuwägen haben.
Der festgestellte Abwägungsmangel ist damit für das Ergebnis der Entscheidung erheblich. Er kann jedoch durch ein ergänzendes Verfahren behoben werden. Gemäß § 20 Abs. 7 Satz 2 AEG führt der Abwägungsmangel deshalb nicht zur Aufhebung der Plangenehmigung, sondern in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 21. März 1996, NVwZ 1998, 1016) nur zur Feststellung der Rechtswidrigkeit und Nichtvollziehbarkeit der Genehmigung.
Da die Klägerin mit ihrem Begehren indessen im Wesentlichen obsiegt hat, wirkt sich die durch die Sonderregelung in § 20 Abs. 7 Satz 2 AEG bedingte teilweise Klageabweisung auf die Kostenentscheidung nicht aus (§§ 155 Abs. 1 Satz 3, 154 Abs. 3 VwGO).
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Gericht | OVG Koblenz |
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Datum | 05.04.2000 |
Normen | § 51 VwVfG; § 20 AEG; § 1 EKrG; § 14 EKrG; § 19 EKrG |
Stichworte | Gemeindliche Planungshoheit; Fehlen des ursprünglichen Genehmigungsbescheides; Unterhaltungslast für Wirtschaftswegekreuzung; nachträgliche Abänderung der ursprünglich begründeten Erhaltungslast; Ausgleichsleistung für Wegfall der Kreuzung; Neuregelung de |
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