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OVG Münster, Beschluss vom 27.11.2015

Az.: 13 B 1291/15

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Tenor:

Die Beschwerden der Antragstellerin und der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 28. Oktober 2015 werden zurückgewiesen.

Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf _ _ _ € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist ein öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen und betreibt unter anderem die Schienenwege zwischen N. und W. (S.). Die Beigeladene, ein Eisenbahnverkehrsunternehmen, beantragte bei der Antragstellerin im September 2015 die Zuweisung von elf Zugtrassen der Relation W.-N. und N.-W. im Gelegenheitsverkehr, d.h. außerhalb der Erstellung des Netzfahrplans. Mit E-Mails vom 8. Oktober 2015 unterrichtete die Antragstellerin die Antragsgegnerin über die beabsichtigte Ablehnung der Anmeldungen. Diese sähen eine Nutzung der Gleise 5 oder 7 der Betriebsstelle W. bzw. der Gleise 6 oder 7 in N. der DB f. AG zur Be- oder Entladung des Autozuges mit Kraftfahrzeugen vor. Lege man die zwischen der Antragstellerin und Zugangsberechtigten bislang vereinbarten Zugtrassen zugrunde, seien konstruktiv keine weiteren Kapazitäten in den Serviceeinrichtungen der DB f. AG verfügbar, die ein Be- oder Entladen des angemeldeten Zuges entsprechend den Nutzungsbedingungen der DB f. AG ermöglichen würden. Durch Bescheid vom 9. Oktober 2015 widersprach die Antragsgegnerin den beabsichtigten Ablehnungen (Ziffer 1). Ferner verpflichtete sie die Antragstellerin, über die Vergabe der Trassenanmeldungen der Beigeladenen unverzüglich zu dem Zeitpunkt neu zu entscheiden, zu dem aufgrund der verbindlichen Aussage der DB f. AG feststeht, ob die zur Durchführung dieser Zugtrassen benötigten Serviceeinrichtungen zur Verfügung stehen (Ziffer 2), und ordnete insoweit ein Zwangsgeld in Höhe von _ _ _ € an (Ziffer 3). Das Verwaltungsgericht hat durch Beschluss vom 28. Oktober 2015 die aufschiebende Wirkung des eingelegten Widerspruchs gegen die Ziffern 2 und 3 des Bescheids angeordnet und den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung im Übrigen abgelehnt. Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin haben dagegen jeweils Beschwerde eingelegt.

II.

Die Beschwerden der Antragstellerin und der Antragsgegnerin, über die der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO im Rahmen der dargelegten Gründe befindet, haben keinen Erfolg.

1. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Regelung der Vollziehung hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheids vom 9. Oktober 2015 zu Recht abgelehnt. Die nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung geht auch unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens zu Lasten der Antragstellerin aus, weil sich der angegriffene Bescheid insoweit bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweist.

a. Rechtsgrundlage von Ziffer 1 des Bescheids ist § 14e Abs. 1 Nr. 2 AEG. Danach kann die Regulierungsbehörde beabsichtigten Entscheidungen nach § 14d Satz 1 Nr. 2 AEG widersprechen, soweit sie nicht den Vorschriften des Eisenbahnrechts über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur entsprechen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind hier erfüllt.

Die beabsichtigte Ablehnung der Trassenzuweisung verstößt gegen § 14 Abs. 1 Satz 1 AEG. Nach dieser Vorschrift sind Eisenbahninfrastrukturunternehmen verpflichtet, die diskriminierungsfreie Benutzung der von ihnen betriebenen Eisenbahninfrastruktur und die diskriminierungsfreie Erbringung der von ihnen angebotenen Leistungen in dem Umfang zu gewähren, den die Eisenbahninfrastruktur-Benutzungsverordnung bestimmt. Die nach § 14 Abs. 2 AEG Zugangsberechtigten haben ein öffentlich-rechtliches Zugangsrecht in Form eines Teilhaberechts an den vorhandenen Kapazitäten. § 9 Abs. 1 EIBV und § 10 Abs. 3 EIBV präzisieren den Zugangsanspruch für die Zuweisung von Zugtrassen für den Netzfahrplan und für den Zugang zu Serviceeinrichtungen dahingehend, dass der Infrastrukturbetreiber so weit wie möglich allen Anträgen auf Zuweisung von Zugtrassen stattzugeben hat (vgl. ebenso für die Zuweisung von Trassen im Gelegenheitsverkehr Ziff. 4.2.2.6 SNB 2016). Insgesamt gilt auch für den Gelegenheitsverkehr (§ 14 EIBV): Der Zugang zur Eisenbahninfrastruktur darf nur abgelehnt werden, wenn ein sachlicher Grund vorliegt.

Vgl. OVG NRW, Urteile vom 8. April 2014 - 13 A 884/13 -, DVBl. 2014, 934 = juris, Rn. 47, und vom 16. September 2014 - 13 A 1847/13 -, TranspR 2015, 242 = juris, Rn. 74, sowie Beschluss vom 14. August 2012 - 13 B 600/12 -, DVBl. 2012, 1383 = juris, Rn. 7; allgemein zum eisenbahnrechtlichen Diskriminierungsverbot BVerwG, Urteil vom 29.September 2011 - 6 C 17.10 -, BVerwGE 140, 359, juris, Rn. 70 f., und Beschluss vom 8. Januar 2015 - 6 B 35.14 -, juris, Rn. 12.

Dem entspricht die beabsichtigte Ablehnung des Antrags auf Trassenzuweisung nicht. Diese beruht nicht darauf, dass ein unmittelbarer Konflikt mit bereits zum Netzfahrplan vergebenen Trassen besteht. Die Antragstellerin möchte der Beigeladenen – anders als bei der Netzfahrplanvergabe – der Sache nach deshalb den Zugang zu ihrer Infrastruktur verwehren, weil die Nutzung der Fahrzeugübergangseinrichtung nicht gesichert ist. Sie beruft sich darauf, dass die Serviceeinrichtung am Anfang und am Ende der Trasse voraussichtlich nicht verfügbar sein wird. Ein sachlicher Grund, der diese Vorgehensweise rechtfertigen könnte, ist nicht ersichtlich.

Wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ist über die Zuweisung einer Zugtrasse grundsätzlich unabhängig von der Verfügbarkeit einer Serviceeinrichtung zu entscheiden. Dies gilt entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht nur bei Anmeldungen für den Netzfahrplan, sondern mangels jeglicher Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Unterscheidung im AEG oder in der EIBV auch für den Gelegenheitsverkehr. Es ist nicht Sache der Antragstellerin, Zugangsmöglichkeiten zu einer Serviceeinrichtung zu prüfen, die sie nicht betreibt und über die sie nicht zu befinden hat. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn im Zeitpunkt der Entscheidung des Betreibers der Schienenwege sämtliche Kapazitäten in einer Serviceeinrichtung bereits endgültig vergeben sind, ohne deren Benutzung die Trassen nicht genutzt werden können. Ein solcher Fall, in dem die Zuweisung sinnentleert wäre, weil die Trasse nicht durchgeführt werden könnte, ist hier aber nicht gegeben.

aa. Es steht nicht fest, dass die Fahrzeugübergangseinrichtungen in N. und W. keine freien Kapazitäten haben und damit nicht nutzbar sein werden. Die Antragstellerin hat zwar auch im Beschwerdeverfahren erneut geltend gemacht, die begrenzten Kapazitäten in den Serviceeinrichtungen seien durch die zum Netzfahrplan angemeldeten Verkehre ausgeschöpft. Die Betreiberin der Serviceeinrichtungen, die DB f. AG, hat aber noch nicht abschließend über die Zuweisungen entschieden. Sie hat unter dem 8. Oktober 2015 auf Anfrage der Antragstellerin mitgeteilt, zum gegenwärtigen Zeitpunkt könne sie noch keine abschließende Aussage dazu treffen, ob die Gleise 5 bzw. 7 in W. und 6 oder 7 in N. zu den angegebenen Zeiten zur Verfügung stünden. Mit Blick auf die Nutzungsbedingungen für die Fahrzeug-Übergangseinrichtungen der DB f. AG für die Standorte N. – W, Besonderer Teil (im Folgenden: NB-FÜ NW-BT), sei jedoch davon auszugehen, dass die Gleise belegt seien, weil nur vier Slots pro Stunde vergeben werden könnten und bereits mehr als diese im vorrangigen Regelverkehr angemeldet seien. Damit seien sehr wahrscheinlich die o.g. Gleise belegt. Eine abschließende Aussage könne allerdings erst nach vollständigem Abschluss des Zuweisungsverfahrens getroffen werden.

Hiervon ausgehend stand im Zeitpunkt der Entscheidung der Antragstellerin, den Zugangsantrag der Beigeladenen abzulehnen, nicht fest, dass die Zugtrasse für den Autozugverkehr nicht nutzbar sein wird, weil mangels Kapazität kein Zugang zur Fahrzeugübergangseinrichtung gewährt werden würde. Dem Senat ist im Übrigen nicht bekannt, dass die diesbezüglichen Zuweisungsverfahren zwischenzeitlich – mit dem Ergebnis der Kapazitätserschöpfung – bestandskräftig abgeschlossen wären.

Zu einem anderen Ergebnis führt auch nicht, dass nach Ziff. 1 NB-FÜ NW-BT ein vereinbartes Zeitfenster (Slot) in der Fahrzeugübergangseinrichtung 15 Minuten beträgt und nach deren Ziff. 2.2.2 lit. c) Regelverkehren Vorrang gegenüber Gelegenheitsverkehren gewährt wird. Diese Bestimmungen ändern nichts daran, dass die Zuweisungsverfahren für die Serviceeinrichtungen noch nicht abgeschlossen sind. Ein Zugang der Beigeladenen – ggf. nach behördlicher oder gerichtlicher Überprüfung der diesbezüglichen Zuweisungsentscheidungen – ist deshalb noch nicht unmöglich. Die Beigeladene verweist zu Recht darauf, dass es nicht Sache der Antragstellerin ist, vor Abschluss des Koordinierungs- und Entscheidungsverfahrens und ggf. einer behördlichen und gerichtlichen Kontrolle Zugangsmöglichkeiten zur von ihr nicht betriebenen Serviceeinrichtung zu prüfen.

bb. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin hat das Verwaltungsgericht insoweit auch den Regelungsgehalt des § 10 Abs. 6 Nr. 1 EIBV zutreffend erfasst, der im Übrigen nicht zwischen Anmeldungen zum Netzfahrplan und dem Gelegenheitsverkehr unterscheidet. Danach ist Anträgen auf Zugang zu Serviceeinrichtungen Vorrang zu gewähren, die notwendige Folge einer vereinbarten Zugtrasse sind. Der Verordnungsgeber geht damit davon aus, dass zunächst Zugang zu den Trassen gewährt wird, ehe über den Zugang zur Serviceeinrichtung entschieden wird. Dementsprechend heißt es in der Verordnungsbegründung (BR-Drs. 249/05, S. 47): „Die Nutzung von Serviceeinrichtungen ist die Folge der Nutzung von Zugtrassen. Die Prioritätsentscheidung für die Nutzung von Serviceeinrichtungen ist daher davon abhängig, ob die Nutzung eine notwendige Folge der vereinbarten Zugtrasse ist.“ Diesen Vorgaben entsprechen Ziff. 2.1 lit. d) NB-FÜ NW-BT, wonach der Zugangsberechtigte bei der Anmeldung für Gelegenheitsverkehre nachweist, dass er über eine Trasse der DB N. AG verfügt, und Ziffer 2.2.2 lit. a) NB-FÜ NW-BT, wonach im Konfliktfall Anträgen Vorrang gewährt wird, die notwendige Folge einer vereinbarten Zugtrasse sind. Demgegenüber lässt sich aus der Prioritätsregel des § 10 Abs. 6 Nr. 1 EIBV, die sich an den Betreiber der Serviceeinrichtung richtet, weder die Pflicht noch das Recht des Betreibers der Schienenwege ableiten, vorab anhand der bisherigen Trassenzuweisungen im Netzfahrplan die Verfügbarkeit der Serviceeinrichtung zu überprüfen. Die Norm dient nicht dazu, kollidierende Zugangsanträge für Serviceeinrichtungen durch entsprechende Entscheidungen über Trassenanmeldungen zu vermeiden, sondern gibt Vorrangkriterien für den Fall vor, dass kollidierende Nutzungsanträge für die Serviceeinrichtungen vorliegen.

cc. Abgesehen davon kann die Antragstellerin sich nicht darauf stützen, dass die Nutzung der Fahrzeugübergangseinrichtung auf den o.g. Gleisen durch die Beigeladene zwingend erforderlich sei. Letztere hat zum Ausdruck gebracht, unabhängig von der Kapazität in der Serviceeinrichtung der DB f. AG Interesse an der Zuweisung der angemeldeten Zugtrasse im Gelegenheitsverkehr zu haben. Auch stehen neben den Fahrzeugübergangseinrichtungen weitere Gleise in den Bahnhöfen N. und W., wenn auch nicht für das Be- und Entladen von Kraftfahrzeugen, zur Verfügung. Die Beigeladene hat bereits in ihrer E-Mail vom 29. September 2015 an die Antragstellerin darauf hingewiesen, dass die Trassenvergabe unabhängig von der Verfügbarkeit der Serviceeinrichtungen zu erfolgen habe. Hat sie damit signalisiert, auch bei Kapazitätsproblemen in der Fahrzeugübergangseinrichtung an ihrem Zugangsbegehren festzuhalten, nimmt sie letztlich das Risiko einer etwaigen Stornierung der Trasse in Kauf. Für eine missbräuchliche oder unplausible Anmeldung (vgl. auch Ziffer 4.2.2.2 SNB 2016) ist hingegen nichts ersichtlich. Das von der Antragstellerin behauptete eigene betriebliche Risiko eines gestörten Betriebsablaufs dahingehend, dass die Beigeladene sich auch ohne Nutzungsmöglichkeit einer Serviceeinrichtung aufgrund der zugewiesenen Zugtrasse abfahrbereit melden wird, besteht nach summarischer Prüfung nicht. Für ein solches Verhalten der Beigeladenen fehlen jegliche Anhaltspunkte. Die Beigeladene sieht offenbar Chancen für eine Realisierung ihrer Verkehre.

Mit E-Mail vom 8. Oktober 2015 hat die Beigeladene ihr Begehren im Übrigen dahingehend konkretisiert, dass es ihr auf den Zugang zu einer bestimmten Serviceeinrichtung nicht ankomme. Sie habe ihn zwar – gleichermaßen als Motiv der Anmeldung – im Bemerkungsfeld („weitere Kundenwünsche“) angegeben. Allerdings sei sie auch mit einem Angebot einverstanden, dass es ihr zur Optimierung der Abläufe erlaube, Leerzüge zu fahren, wofür Ent- und Beladeeinrichtungen nicht notwendig seien. Dass in den Gleisen 1 bis 4 in W. der Autozug der Beigeladenen nicht in der vollen Länge von _ _ _ m einfahren könnte, wie die Antragstellerin mit der Beschwerde geltend macht und was der Beigeladenen bekannt sein dürfte, schließt die Nutzung der Zugtrasse nicht von vornherein aus. Die Beigeladene hat mitgeteilt, ggf. die Zuglänge anzupassen.

b. Dem Beschwerdevorbringen, die Antragsgegnerin habe das ihr in § 14e Abs. 1 Nr. 2 AEG eingeräumte Ermessen fehlerhaft ausgeübt, ist ebenfalls nicht zu folgen. Die Antragstellerin meint offenbar, es sei ermessensfehlerhaft, dass die Antragsgegnerin nicht das Angebot eines Trassennutzungsvertrags angeordnet habe, das unter der auflösenden Bedingung fehlender Kapazität in der Fahrzeugübergangseinrichtung stehe. Das führt nicht zum Erfolg der Beschwerde. Rechtlich zu überprüfen ist die Ermessensausübung bei der Entscheidung der Antragsgegnerin, der beabsichtigten Vertragsablehnung zu widersprechen. Das von der Antragstellerin geforderte auflösend bedingte Angebot wurde der Beigeladenen nicht unterbreitet. Einwände gegen die Ausübung des Entschließungsermessens dahingehend, vom Widerspruchsrecht gegen die beabsichtigte Zugangsversagung Gebrauch zu machen, werden mit der Beschwerde nicht erhoben. Etwaige weitere Vorgaben der Bundesnetzagentur sind nicht Gegenstand von Ziffer 1 des Bescheids, worauf sich die Beschwerde der Antragstellerin allein bezieht und beziehen kann.

2. Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den stattgebenden Beschluss des Verwaltungsgerichts zu den Ziffern 2 und 3 des Bescheids vom 9. Oktober 2015 hat ebenfalls keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Verpflichtung der Antragstellerin in Ziffer 2 des Bescheids rechtswidrig ist, über die Trassenanmeldungen der Beigeladenen unverzüglich neu zu entscheiden, wenn aufgrund der verbindlichen Aussage der DB f. AG feststeht, ob die Serviceeinrichtungen zur Verfügung stehen. Daraus folgt die Rechtswidrigkeit von Ziffer 3.

Die Anordnung ist auf § 14e Abs. 3 Nr. 1 AEG gestützt. § 14e Abs. 1 Nr. 2 AEG ermächtigt (lediglich) zum Widerspruch. Nach § 14e Abs. 3 Nr. 1 AEG ist unter Beachtung der Vorgaben der Regulierungsbehörde zu entscheiden, wenn diese ihr Widerspruchsrecht ausübt. Daraus folgt zwar die Berechtigung, in der Widerspruchsentscheidung konkrete Vorgaben zur nunmehr zu treffenden Entscheidung zu machen. Für eine zusätzliche behördliche Anordnung nach § 140 Abs. 1 AEG ist daneben kein Raum.

Vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2012 - 6 C 42.10 -, juris, Rn. 56 (für den Fall des Klauselwiderspruchs).

Die Vorgaben müssen aber im Einklang mit den übrigen Bestimmungen des Eisenbahnrechts stehen. Daran fehlt es hier. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 EIBV hat der Betreiber der Schienenwege bei Anträgen im Gelegenheitsverkehr innerhalb einer in den SNB zu veröffentlichenden Frist, die vier Wochen nicht übersteigen darf, ein Angebot zum Abschluss einer Vereinbarung abzugeben oder die Ablehnung des Antrags mitzuteilen. Die Antragstellerin hat in Übereinstimmung damit in Ziffer 4.2.2.4 SNB 2016 bei Anmeldungen zum Gelegenheitsverkehr eine Bearbeitungsfrist von vier Wochen festgelegt. Nach Ziffer 4.2.2.7.1. SNB 2016 erhält der Zugangsberechtigte spätestens nach Ablauf dieser Bearbeitungsfrist das Trassenangebot. Über diese Vorgaben darf sich die Antragsgegnerin mit ihren Anordnungen nicht hinwegsetzen.

Die Ausführungen der Antragsgegnerin in der Beschwerdebegründung, wonach ihre Vorgabe deshalb zulässig sei, weil die Fristbestimmung in § 14 Abs. 1 Satz EIBV disponibel sei, überzeugen nicht. Dem steht schon § 4 Abs. 6 EIBV entgegen. Danach sind die Schienennetz-Benutzungsbedingungen gegenüber jedem Antragsteller in gleicher Weise anzuwenden (Satz 1). Sie sind für die Beteiligten verbindlich (Satz 2). § 14 Abs. 1 Satz 1 EIBV überlässt es dem Infrastrukturbetreiber, in seinen Schienennetz-Benutzungsbedingungen die Frist zu bestimmen, und gibt nur eine Maximalfrist vor. Dürfte die darauf fußende Fristbestimmung in Ziffer 4.2.2.4 SNB 2016 im vorliegenden Einzelfall unangewendet bleiben, wäre dies mit der allgemeinen Geltung der Schienennetz-Nutzungsbedingungen, die Ausprägung des Diskriminierungsverbots ist, unvereinbar. Die Bundesnetzagentur ist nach der Rechtsprechung des Senats nicht befugt, dem Infrastrukturbetreiber im Einzelfall ein von den geltenden Nutzungsbedingungen abweichendes Handeln vorzugeben. Hält sie die Klauselbestimmung selbst für eisenbahnrechtswidrig, ist sie verfahrensmäßig auf ein Vorgehen gegen die Klausel beschränkt. Eine Einzelfallkorrektur ohne Änderung der Klausel selbst ist mit ihrer allgemeinen Geltung nach § 4 Abs. 6 Satz 2 EIBV unvereinbar und widerspricht den regulierungsrechtlichen Funktionen von Nutzungsbedingungen.

Vgl. dazu BVerwG, Beschlüsse vom 29. Oktober 2014 - 6 B 47.14 -, juris, und vom 11. November 2014 - 6 B 50.14 -, juris; OVG NRW, Urteile vom 29. April 2015 - 13 A 941/14 -, DVBl. 2015, 986 = juris, Rn. 42 ff., und vom 17. Juni 2014 - 13 A 1381/13 -, DVBl. 2014, 1144 =juris, Rn. 62; Gerstner, N&R 2015, 276 (278 ff.).

Abgesehen davon ist auch die in § 14 Abs. 1 Satz 1 EIBV bestimmte Maximalfrist nicht disponibel. Schon der Wortlaut („nicht übersteigen darf“) spricht gegen das Verständnis der Antragsgegnerin. Dass der Verordnungsgeber in § 14 Abs. 2 EIBV für spezifische Fälle Fristabweichungen zulässt, steht ebenfalls der Annahme entgegen, die Fristbestimmung stehe generell oder jedenfalls in weiteren, nicht geregelten Konstellationen zur Disposition der Beteiligten. Schließlich trifft es auch nicht zu, dass die Bestimmung nur den Interessen des jeweiligen Zugangsberechtigten diene und dieser deshalb darauf verzichten könne. Vielmehr liegt sie auch im Interesse der übrigen Zugangsberechtigten. Könnten Beigeladene und Antragstellerin eine Fristverlängerung vereinbaren, hätte die Anmeldung der Beigeladenen über die geregelte Frist hinaus Vorrang vor nachfolgenden – etwa erst nach Abschluss des Zuweisungsverfahrens zur Fahrzeugübergangseinrichtung eingehenden – Anmeldungen. Sie könnte sich so einen mit dem Diskriminierungsverbot nicht vereinbaren Vorteil vor etwaigen anderen Zugangsberechtigten, die unter Umstände die Schienenwege gar nicht für Autozüge nutzen wollen, verschaffen. Denn nach Ziffer 4.2.2.6.1. hat bei konkurrierenden Trassenanmeldungen die zuerst angemeldete Zugtrasse Vorrang.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 2, 159 Satz 1, 162 Abs. 3 VwGO. Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.

Gericht OVG Münster
Typ Beschluss
Datum 27.11.2015
Normen § 14 AEG a.F., § 14e AEG a.F., § 4 EIBV a.F., § 9 EIBV a.F., § 10 EIBV a.F., § 14 EIBV a.F.
Stichworte Zugangsrecht, Netzzugang, Zuweisung von Zugtrassen, Gelegenheitsverkehr, Verweigerung des Netzzugangsrechts wegen nicht gesicherter Nutzung einer Serviceeinrichtung, Ermessen

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