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OVG Koblenz, vom 01.10.1998

Az.: 8 B 11492/98.OVG Zusammenhang zu OVG Koblenz vom 20.03.1998, Az.: 8 B 12940/97.OVG, ( lfd. Nr. 21/98)

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Beschluß

[...]

Der Antrag auf Abänderung des Beschlusses des Senats vom 20. März 1998 - 8 B 12940/97.OVG - wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat die Antragstellerin zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10.000,-- DM festgesetzt.

 

Gründe:

Der Antrag, den Beschluss vom 20. März 1998 wegen veränderter oder unverschuldet nicht geltend gemachter Umstände abzuändern, ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Darüber hinaus sieht der Senat keinen Anlass, diesen Beschluss von Amts wegen abzuändern.

Ein Abänderungsantrag gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO ist nur zulässig, soweit er auf veränderte oder bislang unverschuldet nicht geltend gemachte Umstände gestützt wird, die möglicherweise ein weichen von der ursprünglichen Eilentscheidung des Senats rechtfertigen. Der Antrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO erlaubt hingegen nicht die Anfechtung der vorausgegangenen und rechtskräftigen Eilentscheidung in der Art eines Rechtsmittels. Das Gericht ist jedoch unabhängig von einem solchen antragsgebundenen Abänderungsverfahren gemäß § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO befugt, seine ursprüngliche Entscheidung jederzeit von Amts wegen abzuändern. Diese Befugnis ermöglicht es auch, eventuelle Gehörsverstöße selbst zu korrigieren. Das Abänderungsbegehren der Antragstellerin ist in weiten Teilen als eine solche Anregung zu werten, von der Möglichkeit des § 80 Abs. 7 Satz 1 VwGO Gebrauch zu machen.

Soweit die Antragstellerin allerdings das der Neubaustrecke zugrunde liegende Sicherheitskonzept in Frage stellt und hierzu auf Folgerungen aus dem ICE-Unglück in Eschede hinweist, ist ihr Abänderungsbegehren gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zulässig. Insbesondere ist es nicht verspätet erhoben worden. Selbst wenn man die in § 20 Abs. 5 Satz 6 und Satz 7 AEG für den Erstantrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vorgeschriebene Monatsfrist für den Fall des späteren Eintritts von Aussetzungsgründen entsprechend auf das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO anwenden würde (vgl. in diesem Sinne: Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 11. Aufl. 1998, § 80, Rdnr. 226), wäre diesem Fristerfordernis hier genügt. Der Abänderungsantrag ist am 1. Juli 1998 und damit innerhalb eines Monats nach dem Unfall in Eschede bzw. dem Bekanntwerden von Unfallursachen gestellt worden.

Indessen rechtfertigen die von der Antragstellerin geltend gemachten neuen Gesichtspunkte, insbesondere die von ihr, vorgelegte Studie der Vi. -Rö. -Bo. GmBH vom 18. Juni 1998, nach Ansicht des Senats keine Abänderung des Beschlusses vom 20. März 1998. Die Planrechtfertigung für die Errichtung eines Hochgeschwindigkeitsbahnsystems wird auch von den Gutachtern nicht in Frage gestellt. Die auf die Fahrzeuge bezogenen Sicherheitsbedenken betreffen nicht den Gegenstand dieses Verfahrens. Denn die Planfeststellung bezieht sich lediglich auf die Errichtung der Neubaustrecke - im Planfeststellungsabschnitt 64 - einschließlich der Nebenanlagen, nicht auf deren Betrieb (vgl. auch: BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1998 - 11 A 30.97 -, Seite 12 d.U.).

Soweit die Antragstellerin Defizite des Sicherheits- und Rettungskonzepts anmahnt, kann auf die Ausführungen des Senats im Beschluss vom 20. März 1998, Seite 16 d.U. verwiesen werden (vgl. zur Konkretisierung der Sicherheitsanforderungen gemäß § 4 Abs. 1 AEG durch die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) und die anerkannten Regeln der Technik ergänzend: BVerwG, a.a.O., Seite 10 d.U.). Auch die jetzt zusätzlich geltend gemachten Gesichtspunkte lassen keine Rechtsfehler erkennen, die zur Aufhebung bzw. Feststellung der Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen müssten. Mögliche Defizite können durch die, im Planfeststellungsbeschluss vom 27. August 1997, Seite 23, bereits vorbehaltenen Planänderungen behoben werden. Ferner ist nicht dargetan, dass sich mögliche Mängel des Sicherheitskonzepts ursächlich auf die Inanspruchnahme des Grundstücks der Antragstellerin ausgewirkt haben könnten. Dies gilt auch für die erneut und nunmehr vertieft vorgebrachten Bedenken gegenüber der Errichtung von Tunneln im Allgemeinen und von zweigleisigen Tunneln im Besonderen. Nach der Vi. -Rö. -Studie vom 18. Juni 1998 stellen Tunnel ein Sicherheitsrisiko DAR, weshalb beim Bau neuer Bahnstrecken hierauf "nach Möglichkeit" ganz verzichtet werden sollte. Welcher Verzicht "möglich" ist, ist wiederum eine Frage der Abwägung aller mit dem Vorhaben verfolgten und durch das Vorhaben betroffenen Belange. So kann ein Tunnel gerade das geeignete Mittel sein, um Lärmbeeinträchtigungen auszuschließen oder die Eingriffe in Natur und Landschaft zu begrenzen. Der Senat hat sich zu der dem Planfeststellungsbeschluss zugrunde liegenden Auswahl unter den in Betracht kommenden Vorhabenvarianten im Beschluss vom 20. März 1998, Seite 22 ff. d.U., bereits umfassend geäußert. Hierauf wird Bezug genommen. Hinsichtlich der Forderung nach zwei eingleisigen Paralleltunneln wurde bereits im Beschluss vom 20. März 1998 darauf hingewiesen, dass sich hierdurch an der Inanspruchnahme des Grundstücks der Antragstellerin nichts ändern würde.

Soweit die Antragstellerin nunmehr einen Verstoß gegen die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wild lebenden Tiere und Pflanzen (92/34/EWG) - Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie - (FFH-RL), ABl. EG-Nr. L 206/7 vom 22. Juli 1992, rügt, rechtfertigt dies ebenfalls nicht die Abänderung des Beschlusses vom 20. März 1998. Es ist bereits zweifelhaft, ob sie sich insofern auf veränderte Umstände berufen kann. Die ökologische Qualität der von der Trasse betroffenen Gebiete ist schon im Planaufstellungsverfahren ermittelt und bewertet worden. Die rechtliche Bedeutung der FFH-Richtlinie für die Planungsentscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht bereits in seiner Eilrechtsschutzentscheidung zur BAB A 20 im Beschluss vom 21. Januar 1998, UPR 1998, 225, aufgezeigt. Die Frage nach der Zulässigkeit eines Abänderungsantrags gemäß § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO kann dies letztlich dahingestellt bleiben, weil zum einen nicht geltend gemacht wird, im Planfeststellungsabschnitt 64 werde ein potentielles FFH-Gebiet betroffen. Zum anderen hat die Antragstellerin nicht dargetan, dass die Umsetzung des Gesamtvorhabens durch die in anderen Planungsabschnitten möglicherweise betroffenen potentiellen FFH-Gebiete vor unüberwindliche Hindernisse gestellt wird (vgl. zu dieser Voraussetzung bei planabschnittsübergreifenden Rügen: BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1998 - 4 A 9.97 -, Seite 25 ff. - A 20 -). Das Betroffensein eines potentiellen FFH-Gebiets kann dabei in tatsächlicher Hinsicht - durch eine Alternativplanung - oder in rechtlicher Hinsicht nach Maßgabe des § 6 Abs. 4 FFH-RL überwunden werden (vgl. hierzu ebenfalls das zitierte Urteil des BVerwG, ebenda). Dies wird auch für das - von der Antragstellerin allein konkret benannte - Naturschutzgebiet Si -gebirge anzunehmen sein, falls es als potentielles FFH-Gebiet zu werten sein sollte. Soweit die Antragstellerin auf die Notwendigkeit einer Umplanung im Planfeststellungsabschnitt 33 hinweist, hat sie darüber hinaus nicht dargetan, inwiefern dies Auswirkungen auf die Inanspruchnahme ihres Grundstücks im Planfeststellungsabschnitt 64 haben könnte. Die übrigen Einwände der Antragstellerin gegen die Richtigkeit des Beschlusses vom 20. März 1998 geben dem Senat keinen Anlass, diesen abzuändern. Der unter Bezugnahme auf die Verfassungsbeschwerdeschrift geltend gemachte Gehörsverstoß liegt nicht vor. Der Senat hat die Ausführungen der Antragstellerin zurr Kenntnis genommen und bei seiner Entscheidung berücksichtigt. Die am Ende der Verfassungsbeschwerdeschrift vom 24. April 1998 geäußerte Vermutung, der Senat sei bereits vor dem Beratungstermin am 20. März 1998 in seiner Entscheidung festgelegt gewesen und habe dies der Bezirksregierung Ko. , mitgeteilt, wird bereits durch die weitere Schilderung über den Ablauf des Verfahrens der vorzeitigen Besitzeinweisung (Verfassungsbeschwerdeschrift S. 60 f) von der Antragstellerin selbst widerlegt. Die im Abänderungsverfahren vorgetragenen Ergänzungen rechtfertigen keine andere Entscheidung. Dabei sei nochmals betont: Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der angefochtenen Planungsentscheidung ist beschränkt. Eine Aussetzung der Vollziehung ist nur erlaubt, soweit die Planung subjektive Rechte der Antragstellerin - hier: ihr Eigentumsrecht an dem in der Bahntrasse erworbenen Grundstück - beeinträchtigt. Der Senat hat im Beschluss vom 20. März 1998 den Umfang der subjektiven Rechtsmacht der Antragstellerin in Anlehnung an die höchstrichterliche Rechtsprechung im Einzelnen umschrieben. Danach kann sie zwar grundsätzlich die objektive Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses beanspruchen, jedoch sind solche Verstöße gegen das objektive Recht unbeachtlich, die sich für die Inanspruchnahme ihres Grundeigentums nicht ausgewirkt haben können (zuletzt bestätigt in: BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1998 - 4 C 11.96 -, Seite 16 d.U. - B 15 neu -). Darüber hinaus ist der Gegenstand der rechtlichen Prüfung beschränkt auf den angefochtenen Planfeststellungsbeschluss vom 27. August 1997 für den Planfeststellungsabschnitt 64. Dies schließt Angriffe des im planfestgestellten Abschnitt betroffenen Eigentümers gegen die Gesamtplanung nicht aus. Die gerichtliche Kontrolle beschränkt sich in diesem Fall aber auf die Frage, ob der Verwirklichung des Gesamtvorhabens unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen oder ob sich bei einer auf die Gesamtplanung bezogenen Betrachtung eine andere und das betroffene Grundstück schonendere Planungsvariante aufgedrängt hat. Der Senat ist diesen Aspekten in dem Beschluss vom 20. März 1998 ausführlich nachgegangen. Hierauf kann verwiesen werden.

Die Antragstellerin macht im Abänderungsverfahren erneut vor allem Defizite beim Lärmschutz geltend. Auch hierzu kann auf die Ausführungen im Beschluss vom 20. März 1998, Seite 30 ff. d.U., verwiesen werden. Für den Planfeststellungsabschnitt 64 haben diese Gesichtspunkte deshalb kaum Bedeutung, weil die Trasse fast vollständig im Tunnel und im Übrigen im Einschnitt geführt wird. Sollten am südlichen Voreinschnitt Defizite des Lärmschutzes - etwa im Hinblick auf die aerodynamischen Geräusche - festgestellt werden, könnten sie durch ergänzende Auflagen behoben werden. In rechtlicher Hinsicht ist allerdings - mit Rücksicht auf das oben umschriebene Kausalitätserfordernis - zweifelhaft, ob die Antragstellerin die Durchsetzung dieser zusätzlichen Maßnahmen beanspruchen kann, wenn der Planfeststellungsbeschluss gegenüber den tatsächlich Betroffenen unanfechtbar geworden ist. Was die Gesamtplanung anbelangt, hat die Antragstellerin nicht dargetan, dass der Verwirklichung des Gesamtvorhabens unter Lärmsschutzgesichtspunkten unüberwindliche Hindernisse entgegenstehen oder sich zum Zwecke des Lärmschutzes eine andere und das Grundstück der Antragstellerin schonendere Trassenführung aufgedrängt hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Festsetzung des- Streitwertes beruht auf §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 GKG.

Gericht OVG Koblenz
Datum 01.10.1998
Normen § 80 VwGO
Stichworte Popularklage im Verwaltungsrecht; „Sperrgrundstück"; Anspruch enteignungsrechtlich Betroffener auf objektive Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses; Umweltverträglichkeitsprüfung und Abschnittsbildung; Ausschluß bzw. Befangenheit von Behördenvert

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