Urteil
Entscheidungsgründe :
Die Berufung der Beklagten hat nur zum Teil Erfolg; denn der Kläger kann, wie das Landgericht zu Recht festgestellt hat, grundsätzlich nach §§ 1004, 906 Abs. 2 Satz 1 BGB von der Beklagten verlangen, daß sie die Beeinträchtigungen seines Grundstücks, die sich aus der Benutzung der Zugtoiletten ergeben, unterbindet (1 bis 3). Die hierfür erforderliche Umrüstung der Züge wird jedoch mit einem so erheblichen wirtschaftlichen Aufwand verbunden sein, daß sie der Beklagten unter umfassender Berücksichtigung der beiderseitigen Interessen der Parteien und auch des Maßes der Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks nur zuzumuten ist, wenn ihr dafür eine angemessene Frist eingeräumt wird. Der Senat hat diesen Zeitraum auf fünf Jahre bemessen (4.). Ein auf Geld gerichteter Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB, den der Kläger hilfsweise für die Zeit geltend macht, während der er die Beeinträchtigungen noch hinzunehmen hat, besteht nicht, da die Beeinträchtigungen insoweit das zumutbare Maß nicht übersteigen (5.).
1. Wie der Senat bereits mit dem nicht angefochtenen Beschluß vom 20. Mai 1994 nach § 17 a Abs. 3 GVG bindend entschieden hat, sind die ordentlichen Gerichte für die vom Kläger geltend gemachten Ansprüche zuständig. Durch das Gesetz über die Neuordnung des Eisenbahnwesens (ENeuOG) vom 27. Dezember 1993 und die darauf beruhende Umstrukturierung, die zur Errichtung der Deutschen Bahn AG, der jetzigen Beklagten, geführt hat, ist zusätzlich rechtlich und organisatorisch verdeutlicht worden, daß die Durchführung des Eisenbahnverkehrs dem Zivilrecht zuzuordnen ist, auch wenn der Bund gemäß Art. 87 e Abs. 4 GG dabei weiterhin dem Wohl der Allgemeinheit Rechnung zu tragen hat. Der Beklagten obliegt als privatrechtlich verfaßtem und betriebenem Eisenbahnunternehmen (Art. 5 ENeuOG; § 2 Abs. 1 Allgemeines Eisenbahngesetz, AEG) das Erbringen der Eisenbahnverkehrsleistungen und das Betreiben der Eisenbahninfrastruktur (Art. 2 § 3 ENeuOG).
Daraus ergibt sich unter weiterer Heranziehung von Art. 5 § 2 ENeuOG (AEG) zugleich, daß der Begründetheitseinwand der Beklagten, nicht sie, sondern das Eisenbahn-Bundesamt sei der Gegner eines etwaigen auf störende Mängel des Schienenverkehrs gestützten Abwehranspruchs des Klägers, nicht zutrifft. Die Beklagte, die sich als Eisenbahnunternehmen nach § 2 Abs. 1, 2, 3 AEG in die Lage versetzen muß, auf der Eisenbahninfrastruktur den von ihr zu erbringenden Personen- und Güterverkehr durch eine der Nachfrage gemäße Zugförderung sicherzustellen, ist selbst für die Beschaffung und den Einsatz der dazu benötigten Wagen und damit zugleich nicht nur für deren technische Sicherheit, sondern auch für eine solche Bauweise verantwortlich, bei der den Anforderungen des allgemeinen Rechts genügt wird. Das Eisenbahn-Bundesamt, eine selbständige Bundesbehörde der Eisenbahnverwaltung, übt dagegen lediglich die Aufsicht über die Eisenbahn, einschließlich der technischen Aufsicht sowie der Bauaufsicht für Betriebsanlagen (Art. 3 § 1, § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 2 Ziffer 2 ENeuOG), und über die Fahrzeuge und das Zubehör (Art. 3 § 4 Ziffer 6 i.V.m. § 4 AEG) aus. Im Vergabeverfahren obliegt ihm ferner bei Aufträgen und Beschaffungen die Vergabeprüfung (Art. 3 § 3 Abs. 4 EVerkVerwG). Damit trägt das Eisenbahn-Bundesamt nur mittelbar zu den vom Kläger behaupteten Grundlagen des Unterlassungsanspruchs bei, ohne daran durch Handlung und Unterlassung als Störer und Schuldner von Änderungsansprüchen in Betracht zu kommen. Wegen seiner nur nachrangigen entfernten Rechtstellung ist das Eisenbahn-Bundesamt auch nicht unter dem Blickwinkel passiv legitimiert, daß es nach Art. 3 § 3 Abs. 2 Ziffer 4, Abs. 3 ENeuOG an einem Planfeststellungsverfahren zu beteiligen wäre, das auf die vom Kläger begehrte Verhinderung von Immissionen aus dem Bereich des Schienenweges zielte.
2. Der Kläger kann von der Beklagten nach § l004 Abs. l BGB grundsätzlich die Unterlassung von Beeinträchtigungen seines Grundeigentums verlangen.
Daß es durch den Zugverkehr auf der Brücke und die Benutzung der Zugtoiletten zu solchen Beeinträchtigungen gekommen ist und weiterhin kommt, ergibt sich nicht nur aus dem Vorbringen des Klägers, das schon an sich nach der Natur der Sache und den unstreitigen Umständen überzeugend ist, sondern auch aus den damit weitgehend übereinstimmenden glaubhaften Aussagen der in beiden Rechtszügen vernommenen Zeugen.
Es ist offensichtlich, daß benutztes Toilettenpapier, das aus den Zugtoiletten auf die Riffelbleche zwischen den Schienen fällt, bei den häufigen West- und Nordwestwinden von der über 30 m hohen Brücke geweht und dann auf das darunterliegende, nur etwa l5 m entfernte Grundstück des Klägers gelangt. Da auch nach den Angaben der Beklagten täglich über 60 Züge einschließlich der Intercity-Züge die Hochbrücke überqueren, kann eine solche Beeinträchtigung auch nicht nur ganz selten vorkommen.
Das stimmt mit den Aussagen fast aller Zeugen überein. Dem Kläger gehört das Grundstück in H. , B.- Straße _ _ . Insbesondere die Nachbarn, nämlich die Zeugen _ _ _ haben übereinstimmend bekundet, daß auf ihren Grundstücken je nach Jahreszeiten, nämlich während der Reisesaison im Sommer mehr als im Winter, und nach Windrichtung benutztes Zugtoilettenpapier niedergehe; die Fetzen fänden sich über das ganze Grundstück verteilt. Mitunter kämen mehrere Stücke herunter, wenn auch in der kalten Jahreszeit tageweise gar nichts anfalle. Die weiteren Zeugen, insbesondere Besucher und Geschäftsfreunde des Klägers, die nur gelegentlich auf sein Grundstück kommen, sowie die Ehefrau des Klägers haben sich in ähnlicher Weise geäußert und ebenfalls von Zugtoilettenpapier auf dem Grundstück des Klägers berichtet, das sie bei unterschiedlichen Gelegenheiten dort vorgefunden und gesehen hätten, während die Ehefrau des Klägers seinen Vortrag darüber hinausgehend in vollem Umfang bestätigt hat.
Lediglich die Aussagen der Zeugen Eheleute M. gehen in eine andere Richtung. Nach ihren Bekundungen soll der Anfall von benutztem und beschmutztem Zugtoilettenpapier auf den Grundstücken unter der Brücke nicht nennenswert sein. Auf dem Grundstück B.- Straße _ _ , auf dem die Zeugen seit 1976 wohnen und das vom Kläger aus gesehen auf der anderen Seite der Brücke und damit von der Brücke aus in entgegengesetzter Windrichtung liegt, soll ganz selten einmal Papier zu finden sein.
Auch diese Aussagen begründen aber keine durchgreifenden Zweifel an den Beeinträchtigungen, die sich aus den offensichtlichen Umständen und der übrigen Beweisaufnahme ergeben. Denn auch diese beiden Zeugen bestätigen, daß - wenn auch nach ihrer Ansicht nur ganz selten - die behaupteten Beeinträchtigungen vorkommen. Daß sie sie nicht als störend empfinden, mag mit ihrer anderen Mentalität und insbesondere damit zusammenhängen, daß der Zeuge M. ein pensionierter Bahnbeamter ist, der seine Dienstwohnung von 1964 bis 1976 auf dem Grundstück B.- Straße _ _ gehabt hat, wo heute die Zeugin B. wohnt. Er hat ferner während des laufenden Berufungsverfahrens in den Monaten Januar und Juni 1993 gegen ein geringes Entgelt für die Beklagte eine neben dem klägerischen Grundstücken gelegene Wiese, die in gleicher Richtung zur Brücke liegt wie das Grundstück des Klägers, täglich beobachtet, und zwar mit dem offensichtlichen Ziel nachzuweisen, daß es die behaupteten Beeinträchtigungen nicht gebe. Der Zeuge hat während dieser Zeit nach den von ihm für die Beklagte verfaßten Protokollen nur einmal, nämlich am 8. Januar 1993 auf der Vergleichsfläche Papier gefunden. Diese Stellung der Zeugen zur Beklagten macht es erklärlich, daß sie die Beeinträchtigungen durch das Zugtoilettenpapier, die auch sie einräumen, als gänzlich unerheblich empfinden und darstellen. Dadurch wird der Gehalt der übrigen Aussagen jedoch nicht in Frage gestellt. Der Senat ist auch nach dem persönlichen Eindruck, den er von den übrigen Zeugen gewonnen hat, von der weitgehenden Richtigkeit ihrer Darstellungen überzeugt.
3. Nach § 1004 Abs. 2 BGB ist ein Unterlassungsanspruch allerdings ausgeschlossen, soweit der Eigentümer zur Duldung verpflichtet ist. Eine solche Verpflichtung zur Duldung ergibt sich, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht aus öffentlich-rechtlichen Vorschriften, insbesondere nicht aus § 75 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder aus §§ 14, 67 Bundes-Immissions-Schutzgesetz. Darauf wird verwiesen.
Eine Duldungspflicht folgt ebenfalls nicht aus § 906 Abs. 1 BGB. Nach dieser Vorschrift muß ein Grundeigentümer zwar die Zuführung von Gasen, Dämpfen, Gerüchen, Rauch und ähnlichen von einem anderen Grundstück ausgehenden Einwirkungen dulden, wenn diese Einwirkung die Benutzung seines Grundstücks nicht oder nur unwesentlich beeinträchtigt. Die von den Zugtoiletten ausgehenden Einwirkungen sind aber, wie das Landgericht ebenfalls zu Recht festgestellt hat, nicht unwesentlich.
Der Kläger richtet seinen Unterlassungsanspruch nicht gegen das Papier, also gegen die festen Stoffe an sich, die auf sein Grundstück gelangen, sondern gegen die Fäkalienteile, die daran haften und Widerwillen und Abscheu auslösen. In Übereinstimmung mit dem angefochtenen Urteil bewertet der Senat diese Anhaftungen und die unkontrollierbare Art, in der sie mit dem Papier auf das Grundstück geweht werden, als ähnliche Einwirkungen i.S.v. § 906 Abs. 1 BGB.
Ob sie wesentlich oder unwesentlich sind, ist nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsbenutzers des betroffenen Grundstücks in seiner durch Natur, Gestaltung und Zweckbestimmung geprägten konkreten Beschaffenheit zu beurteilen, und zwar auch unter Berücksichtigung eines veränderten Umweltbewußtseins (BGHZ 120 S. 239, 255; Palandt/Bassenge, BGB 54. Aufl. § 906 Rdn. 22).
Das Eigentum des Klägers ist ein ländliches, mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück, bei dem die Möglichkeit und Annehmlichkeit des privaten Wohnens im Vordergrund steht. Die teilweise gewerbliche Nutzung, nämlich eine Halle und ein Schuppen für die Lagerung und Ausstellung von Antiquitäten, prägt und beeinflußt den Charakter als Wohngrundstück nicht nennenswert. Das hat der Senat bei der Augenscheinseinnahme am 28. November 1994 festgestellt.
Für die Entscheidung, ob dieses Grundstück nur unwesentlich beeinträchtigt wird, kommt es vor allem auf die Art und Intensität der Immissionsbelastung an, deren Erfassung und Bewertung zwar objektiv, wenn auch aus der sicht des betroffenen Grundeigentümers vorzunehmen ist.
Hiernach stellt die Beeinträchtigung durch die Fäkalstoffe, die an dem Zugtoilettenpapier haften, nicht nur eine unwesentliche Störung DAR, die ein durchschnittlicher Mensch kaum noch empfindet. Aus den schon erwähnten Aussagen der Zeugen in beiden Rechtszügen, die im Kern mit der Darstellung des Klägers übereinstimmen, geht durchweg hervor, daß, wie bei dem unstreitigen Zugverkehr auf der Brücke nicht anders zu erwarten ist, nicht nur ganz selten einmal Toilettenpapier mit Fäkalienanhaftungen auf dem Grundstück angetroffen wird, sondern über das ganze Jahr hinweg an vielen Tagen und während der Hauptreisezeit im Sommer so häufig, daß sich damit Eimer füllen lassen. Dabei sind besonders die Angaben der Nachbarinnen _ _ _ und des Nachbarn _ _ _ glaubhaft und überzeugend. Bei den Zeuginnen handelt es sich um ältere Damen, deren Aufmerksamkeit und Beweggründe im Gegensatz zu dem Kläger, seiner Ehefrau und dem Zeugen G. offenbar nicht an das vom Kläger verfolgte Prozeßziel gebunden sind, deren Grundstücke aber andererseits in ihrer Lage mit dem des Klägers vergleichbar sind und die die Einwirkungen durch das Toilettenpapier aus den Zügen sachlich und ohne ein besonderes Interesse dargestellt haben. Gleiches gilt für die Aussage des Zeugen D. . Glaubwürdigkeitsbedenken oder Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Aussagen hält der Senat allerdings auch hinsichtlich der Bekundungen der weiteren Zeugen, _ _ _ , nicht für begründet. Die stärker interessengefärbten Aussagen des Zeugen G. und der Zeugin S. , deren Richtigkeit im Kern ebenfalls nicht anzuzweifeln ist, haben dem Senat durch den Eindruck der Bewegtheit der Auskunftspersonen zusätzlich gezeigt, wie die Immissionsbelastung, sobald sie erkannt und mit Aufmerksamkeit verfolgt wird, sich störend auf das allgemeine Wohlbefinden der Grundstückseigentümer auswirkt.
Zwar hat außer der Ehefrau des Klägers, welche ebenso wie der Kläger selbst die Verhältnisse auch wegen des laufenden Rechtsstreits mit besonderer Intensität und einem möglicherweise dadurch etwas übersteigerten Interesse beobachtet hat, keiner der Zeugen exakte Angaben über die Menge und Häufigkeit der Toilettenpapierfunde auf den Grundstücken machen können. Sie haben aber dennoch alle von einer gewissen regelmäßigen, wenn auch jahreszeitlich unterschiedlichen Beeinträchtigung berichtet.
Die Überzeugung von dieser dem Vortrag des Klägers im wesentlichen entsprechenden Grundstücksbeeinträchtigung aus dem Bahnverkehr wird, wie schon ausgeführt, durch die Aussagen der Eheleute M. nicht erschüttert; denn aus diesen Bekundungen geht ebenfalls hervor, daß auf dem von den Zeugen bewohnten oder beobachteten Grundstücken Toilettenpapier niedergeht. Die Verharmlosung der Beurteilung durch die Zeugen begegnet aber wegen ihrer Nähe zur Beklagten und wegen des Entgeltes, das der Zeuge M. für seine Beobachtungen erhalten hat, deutlichen Bedenken, insbesondere da alle anderen Nachbarn, auch wenn sie sich wie die Zeuginnen Br. und Bä. eher zurückhaltend geäußert haben, die Tatsachen anders dargestellt haben.
Die damit festgestellte regelmäßige Beeinträchtigung des klägerischen Grundstücks durch benutztes und beschmutztes Toilettenpapier aus den Zügen ist, auch wenn sie nur vereinzelnd und im Abstand von mehreren Tagen oder Wochen, gleichwohl aber immer wieder mit gewisser Regelmäßigkeit auftritt, jedenfalls nach den heute herrschenden hygienischen Vorstellungen und bei den heutigen technischen Möglichkeiten der Entsorgung menschlicher Fäkalien und den darauf beruhenden Anforderungen, wie sie sonst in allen anderen Bereichen vorgeschrieben und beachtet werden, nicht mehr als unwesentlich anzusehen. Bei einem vor allem zum Wohnen bestimmten Grundstück mit Garten ist eine solche Beeinträchtigung ein Umstand, der die bestimmungsmäßige Benutzung nicht nur unerheblich entwertet; denn zu ihr gehören auch gerade der Aufenthalt im Freien auf dem Grundstück außerhalb des Hauses und die Gartennutzung.
Diese Einwirkung läßt sich nicht dadurch relativieren, daß sich auf der anderen Straßenseite gegenüber dem Grundstück des Klägers landwirtschaftlich genutzte Flächen befinden, auf denen in regelmäßigen Abständen Gülle aufgebracht wird. Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob etwa zweimal jährlich landwirtschaftlich bedingte Geruchsbelästigungen hinzunehmen sind oder ob Toilettenpapier mit Anhaftungen menschlicher Fäkalien immer wieder unmittelbar auf das Grundstück geweht werden.
Ebensowenig wirkt das Argument abschwächend, der Kläger habe die Zufuhr von Fäkalien aus dem Zugverkehr auf sein Grundstück selbst nicht als einen wesentlichen Nachteil angesehen; denn er habe das Grundstück 1980 erworben, obwohl er aus seiner jahrelangen Beschäftigung auf der Brücke die dortigen durch die Zugtoiletten verursachten Umstände hätte kennen müssen. Diesem Einwand hält der Kläger glaubhaft entgegen, daß er den Schmutz auf der Brücke zwar gesehen, ihn aber beim Grundstückserwerb in seinen Auswirkungen auf das unter der Brücke liegende Grundstück nicht bedacht habe. Das Verhalten des Klägers, der Abwehransprüche erst etwa 10 Jahre später geltend gemacht hat, führt daher zu keinen Bedenken an der Wesentlichkeit der Beeinträchtigung.
4. Nach § 906 Abs. 2 Satz 1 BGB muß der Kläger allerdings auch wesentliche Beeinträchtigungen seines Grundstücks insoweit hinnehmen, als sie durch eine ortsübliche Benutzung des anderen Grundstücks, also des Brückengrundstücks, herbeigeführt werden und nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden können.
In Übereinstimmung mit der vom Landgericht im angefochtenen Urteil (S. 14, 15) vertretenen Auffassung ist der Senat der Überzeugung, daß die Beeinträchtigungen des klägerischen Grundstücks durch das Zugtoilettenpapier auf einer ortsüblichen Benutzung des Brückengrundstücks beruhen. Die Ortsüblichkeit ergibt sich daraus, daß das mächtige Brückenbauwerk seit Jahrzehnten das Bild der Landschaft weitgehend prägt und daß der darauf kilometerweit betriebene Schienenverkehr schon durch seinen Anblick und die von ihm ausgehenden Geräusche Tag und Nacht nicht nur die unmittelbaren Brückenanlieger betrifft. Der Umstand, daß nur Grundeigentümer in der Nähe der Bahnlinie und vorwiegend solche, deren Grundstücke sich im Süden der Brücke befinden, von den hier fraglichen Emissionen belastet werden ändert daran nichts.
Der Senat tritt der Auffassung und der Begründung des Landgerichts (S. 16 des angefochtenen Urteils) auch insoweit bei, als ausgeführt wird, es lasse sich nicht feststellen, daß der Beklagten die ihr vom Kläger angesonnenen Vorkehrungen zur Verhinderung der Immissionen wirtschaftlich nicht zugemutet werden könnten. Selbst unter der Voraussetzung, daß Abhilfe nur in der Weise zu schaffen ist, daß außer dem ohnehin laufenden Neubauprogramm auch die jetzt schon vorhandenen Wagen mit geschlossenen Toilettensystemen ausgerüstet werden, läßt sich nicht feststellen, daß daraus Kosten erwachsen würden, die das Leistungsvermögen der Beklagten als Unternehmerin des nationalen Schienenverkehrs, gemessen an den Anforderungen einer wirtschaftlichen Betriebsführung, überforderten. Die Beklagte hat zwar auf den Hinweis des Landgerichts, daß die wirtschaftliche Unzumutbarkeit dieser Aufgabe nicht hinreichend dargelegt worden sei, vorgetragen: Sie sei derzeit außerstande zu beurteilen, ob und wie die erforderliche Umrüstung technisch gelöst werden könne; der Aufwand werde nach ihrem Dafürhalten je Wageneinheit etwa 136.000,- DM betragen, so daß sie bereits im Hinblick auf die Strecke bei H. mit etwa 49 Millionen DM belastet wäre; das sei für sie im Hinblick auf weitere Anstrengungen im privaten Wettbewerb und mit Rücksicht auf zu erwartende Folgeansprüche Dritter bezüglich anderer Strecken untragbar.
Der Senat kann jedoch aus diesem weitgehenden pauschalen Vorbringen noch keine genügende Beurteilungsgrundlage entnehmen. Es ist nicht ersichtlich, daß sich die Beklagte seit Klageerhebung nachdrücklich mit dem Problem der Umrüstung des alten Wagenbestandes befaßt hat. Anderenfalls müßte sie jedenfalls heute imstande sein, die Ergebnisse von Entwicklungsarbeit und darauf beruhender Kalkulation vorzulegen. Ohne dahingehenden ergänzenden Vortrag sind aber die weiteren Prozeßbeteiligten schon gehindert, die allgemeine Folgerichtigkeit des Einwandes der Beklagten zu prüfen. Sachverständigenbeweis könnte wegen der Unbestimmtheit des Themas nicht erhoben werden.
Hinzukommt, daß es nach Presseberichten (Bd. II, Bl. 312 d.A.) und nach der spontanen, im Rechtsstreit erörterten Zuschrift eines anerkannten weltweit auch in dem hier betroffenen Feinwerkbereich operierenden Unternehmens (Bd. II, Bl. 353 f. d.A.) durchaus kompetente und leistungsbereite Hersteller für die zu lösende Aufgabe gibt. Danach erscheint die moderne Einrichtung der Zugtoiletten grundsätzlich als technisch möglich und wirtschaftliche vertretbar. Die Beklagte erkennt das auch insofern an, als sie auf längere sicht das überkommene System der Zugtoiletten ändern will und damit jedenfalls beim Bau bestimmter überregionaler Züge schon begonnen hat. Sie hat sich auf Nachfrage des Senats allerdings nicht auf einen bestimmten Zeitplan festlegen wollen. Mangels näherer Angaben ist deshalb davon auszugehen, daß die Beeinträchtigungen, die auf das Grundstück des Klägers gelangen, an sich mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen verhindert werden können.
Bei der Entscheidung, welche Maßnahmen und Abhilfen wirtschaftlich zumutbar sind, sind aber nach dem das gesamte Zivilrecht beherrschenden Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) die beiderseitigen Interessen der Parteien angemessen zu berücksichtigen.
Es ist einerseits zu bedenken, daß die Beklagte auf der Strecke von Hamburg nach Westerland nicht nur eine verhältnismäßig geringe Zahl von Wagen einsetzt, die mit einem überschaubaren Aufwand umgerüstet werden könnten, sondern daß wegen der wechselnden Zusammenstellung der Züge Arbeiten an sehr vielen Wagen erforderlich werden, die, auch wenn die dazu nötigen Mittel nicht hinreichend dargelegt worden sind, doch ganz erheblich sein werden. Ferner ist zu berücksichtigen, daß die Beklagte sich eines überkommenen sowie lange Zeit für unbedenklich gehaltenen und unbeanstandeten Systems bedient, gegen das - wie im Tatbestand dargestellt - erst in den 80er Jahren vereinzelnd Bedenken erhoben worden sind und das die Bahnanlieger nur unter besonderen örtlichen Verhältnissen - wie hier unter hohen Brücken - konkret beeinträchtigt. Es hat deshalb bisher wenig Anlaß bestanden, insbesondere auf eine wirtschaftlich aufwendige Umrüstung der vorhandenen Wagen hinzuarbeiten. Die Beklagte steht zur Zeit mit ihrer bekanntermaßen engen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit im Rahmen ihrer Umstrukturierung zum Wohle der Allgemeinheit vor anderen nicht weniger wichtigen Aufgaben.
Auf der anderen Seite sind die Beeinträchtigungen, die der Kläger auf seinem Grundstück hinzunehmen hat, zwar lästig und i.S.v. § 906 BGB nicht unwesentlich. Sie sind aber nicht unerträglich und sie bedingen, soweit ersichtlich, keine konkrete Gefahr, wie der jahrzehntelang auf den Grundstücken unter der Hochbrücke in H. hingenommene Zustand beweist.
Bei dieser Interessenlage erscheint es dem Senat als wirtschaftlich unzumutbar, daß die Beklagte die Umrüstungen, die zur Beseitigung der Beeinträchtigung erforderlich sind, umgehend vornimmt. Ihr, die nach ihrer eigenen öffentlichen Darstellung auch auf die Erfüllung ökologischer Anforderungen hinwirkt und darauf bedacht ist, sich als zeitgemäß arbeitendes, bürgerfreundliche betriebenes Unternehmen auszuweisen, ist deshalb zwar nicht nachzulassen, die Umrüstung erst im Zuge ihres Wagenneubauprogramms vorzunehmen, sondern es ist ihr dazu unter äußerster Anspannung ihrer Möglichkeiten für den Bereich der hier betroffenen Bahnstrecke Gelegenheit binnen weiterer fünf Jahre zu geben, so daß die Veränderungen bis Ende März des Jahres 2000 vorgenommen sein müssen. Nur in diesem Umfang besteht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben der vom Kläger geltend gemachte Anspruch. Deshalb kann die Klage nur zum Teil Erfolg haben. Der vom Kläger in erster Linie verfolgte Unterlassungsanspruch ist zum Teil, nämlich für den Zeitraum der nächsten fünf Jahre abzuweisen.
5. Für diese Zeit, während der der Kläger die Beeinträchtigungen noch zu dulden hat, steht ihm der hilfsweise geltend gemachte Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich in Geld nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB nicht zu.
Voraussetzung eines solchen Anspruchs ist nämlich nicht nur, daß der Grundeigentümer wesentliche ortsübliche Einwirkungen, die von einem anderem Grundstück ausgehen, zu dulden hat, sondern darüberhinaus, daß diese Einwirkungen eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen. Eine solche Beeinträchtigung über das zumutbare Maß hinaus läßt sich jedoch nicht feststellen. Es ist schon darauf hingewiesen worden, daß die Beeinträchtigungen durch das Toilettenpapier aus den Zügen nicht unwesentlich und auch lästig sind, wie sich aber bei der Besichtigung des Grundstücks und auch aus den Zeugenaussagen ergeben hat, werden die Grundstücke einschließlich der Gärten gleichwohl genutzt und gepflegt, wenn auch möglicherweise vom Kläger und seinem Nachbarn G. wegen der Beeinträchtigungen mit einer gewissen Zurückhaltung. Diese Beschränkungen in der Nutzung liegen aber hauptsächlich im Subjektiven und überschreiten insbesondere unter Berücksichtigung der vom Kläger beim Grundstückserwerb schon vorgefundenen Gegebenheiten und der jetzt gesetzten zeitlichen Grenzen sowie der beiderseitigen Interessenlage nicht mehr das zumutbare Maß. Daß der Ertrag des Grundstücks meßbar gemindert würde, ist in keiner Weise dargetan. Deshalb war die Klage hinsichtlich des hilfsweise geltend gemachten Ausgleichsanspruchs abzuweisen.
6. Die Kosten des Rechtsstreits sind im Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens nach § 92 Abs. 1 ZPO aufgeteilt worden. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 708 Nr. 10, § 711 ZPO. Der Wert der Beschwer ist nach § 546 Abs. 2 ZPO festgesetzt worden. Dabei ist bei der Beschwer des Klägers berücksichtigt worden, daß nach dem weitgehend erfolgreichen Hauptantrag der abgewiesene Hilfsantrag nicht mehr den gesamten geltend gemachten Ausgleich von 61.000,- DM, sondern nur noch einem Teil davon, der auf die Übergangszeit entfallen würde, umfaßt hat.
Gericht | OLG Schleswig |
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Datum | 20.03.1995 |
Normen | § 906 BGB, § 1004 BGB |
Stichworte | Unterlassungsanspruch, Duldungspflicht, Immissionsbelastung, Zugtoiletten, Zumutbarkeit, ordentliche Gerichte |
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