Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Berufung wird zugelassen.
Gründe:
Tatbestand
Die Klägerin betreibt als Eisenbahninfrastrukturunternehmen bundesweit Schienenwege. Zudem ist sie an dem Betrieb von nach der VO (EU) 913/2010 gebildeten, europäischen Schienengüterverkehrskorridoren (SGV-Korridore) beteiligt.
Die RailNetEurope (RNE), eine Vereinigung europäischer Eisenbahninfrastrukturbetreiber und Zuweisungsstellen, zu der auch die Klägerin gehört, betreibt das IT-Trassenportal „Path Coordination System“ (PCS), das alle SGV-Korridore verwenden. Zugangsberechtigte können hierüber im Voraus vereinbarte grenzüberschreitende Zugtrassen für Güterzüge, sog. „Prearranged train Paths“ (PaPs), anmelden. Die Anmeldung für die PaPs und für die zum PaP hinbzw. wegführenden Zu- und Abbringertrassen sowie deren Zuweisung erfolgt bei der gemeinsam von den Infrastrukturbetreibern eingerichtete einzigen Anlaufstelle (Corridor One Stop Shop – C-OSS). Jeder SGV-Korridor verfügt zudem über einen Verwaltungsrat, der sich aus Vertretern der Betreiber der Infrastruktur zusammensetzt, und über einen Exekutivrat, der aus Vertretern der Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten besteht. Das jeweilige Corridor Information Document (CID), das für jeden SGV-Korridor vom Verwaltungsrat erstellt wird, sieht vor, dass die Anmeldung der PaPs über das PCS erfolgen soll. Hinsichtlich der einzelnen CIDs und der Beschlüsse der Verwaltungsräte der SGV-Korridore 1, 3, 4 und 8 wird auf die Anlagen 4 bis 8 des klägerischen Schriftsatzes vom 17.06.2016 Bezug genommen.
Ziffer 4.2.5.1 der Schienennetz-Benutzungsbedingungen (SNB) 2016 der Klägerin bestimmt, dass im Falle von PaPs die Trassenanmeldungen bis zum Anmeldeschluss für den Netzfahrplan ausschließlich direkt in PCS abgegeben werden können.
Unter dem 28.08.2015 teilte die Klägerin der Beklagten ihre Absicht mit, ihre SNB 2016 unterjährig zu ändern.
Nach Anhörung der Klägerin widersprach die Beklagte mit Bescheid vom 22.09.2015 der von der Klägerin beabsichtigten Streichung der in Ziffer 4.2.5.1 SNB enthaltenen Passage „Für den Fall des technischen Ausfalls von PCS bietet RNE die Möglichkeit, Trassenanmeldungen für PaPs unter Verwendung des aktuellen RNE-Anmeldeformulars an den unter Ziffer 1.9.2 genannten Ansprechpartner zu übermitteln.“, insoweit, als dass die Regelung einer Rückfallebene für den Fall einer Störung von PCS sichergestellt werden muss.
Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus: Die beabsichtigte Streichung verstoße gegen die §§ 14 Abs. 1 S. 1 AEG, 3 Abs. 1 S. 1 und 2 i.V.m. Anlage 1 Nr. 1 EIBV. Danach sei der Infrastrukturbetreiber verpflichtet, Trassenanmeldungen zu bearbeiten. Damit dies fristgerecht erfolgen könne, müsse ihn die Anmeldung entsprechend erreichen. Da die Trassenanmeldung eine wichtige Voraussetzung für den Zugang zur Infrastruktur darstelle, sei eine eindeutige und vollständige Regelung hierzu notwendig. Wenn es keine Rückfallebene für den Fall gebe, dass eine Anmeldung über PCS nicht möglich sei, hätten die Zugangsberechtigten keine Gewissheit darüber, dass ihre Anmeldung, die sie auf anderem Wege als PCS vorgenommen hätten, nicht zurückgewiesen würde. Mit der Beauftragung des C-OSS mit der Entgegennahme von Trassenanmeldungen sei kein Übergang der Pflicht zur Trassenbearbeitung und zum Abschluss des Trassennutzungsvertrages verbunden. Sowohl im Netzfahrplan als auch im Gelegenheitsverkehr könne der Zeitpunkt des Eingangs einer Trassenanmeldung entscheidend sein. Es komme nicht darauf an, dass eine Anmeldung per RNE-Formular im Corridor Information Document (CID) nicht vorgesehen sei. Das CID enthalte die jeweiligen nationalen SNB. Diese müssten nach den jeweiligen nationalen Bestimmungen aufgestellt worden sein, bevor sie im CID abgebildet werden könnten. Dadurch könne es auch nicht zu einem Widerspruch zwischen den Regelungen des CID und jenen der SNB kommen. Aus der Stellungnahme der DB T. AG sowie einer Erklärung der Klägerin auf ihrer Homepage hinsichtlich der Anmeldung von Restkapazitäten über PCS sowie anderen Hinweisen von Zugangsberechtigen, z.B. dass die Schnittstelle zwischen PCS und dem Trassenportal Netz (TPN) noch nicht zuverlässige funktioniere, ergebe sich, dass bei der Anmeldung über PCS Schwierigkeiten zu befürchten seien. Das Auftreten von vorübergehenden Störungen bei einem technischen System könne nie ausgeschlossen werden.
Des Weiteren sei ein Verstoß gegen § 4 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2 Nr. 3 EIBV gegeben, wonach die SNB Angaben zum Verfahren für die Stellung von Anträgen auf Zuweisung von Zugtrassen enthalten müssten. Nach den europäischen und nationalen Vorgaben müssten die SNB vollständige Angaben zum Trassenanmeldeverfahren enthalten. Die Art und Weise, wie der Zugangsberechtigte Trassenanmeldungen abgeben könne, sei notwendiger Bestandteil dieser Darstellung. Mit der beabsichtigten Streichung fänden sich in den SNB der Klägerin aber nur Angaben dazu, wie im Fall einer Funktionsfähigkeit von PCS eine Anmeldung zu erfolgen hätte. Da die ausschließliche Anmeldung über PCS verpflichtend vorgegeben würde, müsse ebenfalls eine Regelung getroffen werden, wie im Falle einer (vorübergehenden) Störung des technischen Systems zu verfahren sei. Es bleibe der Klägerin überlassen, eine Formulierung aufzunehmen, die den gesetzlichen Anforderungen entspreche. Der Tenor des Bescheides sei so zu verstehen, dass sie lediglich eine Regelung treffen müsse, die im Fall einer Störung von PCS einen alternativen Anmeldeweg zulasse.
Die getroffene Maßnahme sei geeignet, den drohenden Verstoß gegen das Eisenbahnrecht zu verhindern. Mildere Mittel mit gleicher Schutzwirkung seien nicht erkennbar. Die Anmeldung von Zugtrassen sei eine wesentliche Voraussetzung für den Zugang zur Infrastruktur. Es handele sich nicht um einen schwerwiegenden Eingriff gegenüber der Klägerin. Es spreche einiges dafür, dass es noch zahlreiche Probleme bei der Nutzung von PCS gebe, die der Vorgabe einer ausschließlichen Anmeldemöglichkeit über PCS ohne Vorhandensein einer Rückfallebene entgegenstünden. Darüber hinaus sei der Gesamtkontext, in dem die Nutzung der PaPs stehe, zu berücksichtigen. Mit der Einführung der Güterverkehrskorridore solle die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs gestärkt werden. Dem stünde aber ein nicht fehlerfrei funktionierendes Anmeldetool ohne Ausweichmöglichkeiten für den Fall von Störungen entgegen. Die Nutzungsbedingungen müssten vollständig und transparent in den SNB beschrieben und damit einheitlich gegenüber allen Zugangsberechtigten angewendet werden.
Dagegen legte die Klägerin am 08.10.2015 Widerspruch ein und begründete diesen im Wesentlichen wie folgt: Nach Buch 4 des CID der SGV-Korridore könnten PaPs ausschließlich mittels PCS angemeldet werden. Treffe ein Korridor diese Entscheidung, sei sie für den Korridor und die jeweiligen Korridorpartner verbindlich. Da Angelegenheiten in Bezug auf SGV-Korridore zwingend auch die anderen beteiligten Infrastrukturbetreiber anderer Länder beträfen, fehle der Beklagten insoweit die Regelungskompetenz.
Art. 13 VO (EU) 913/2010 sehe vor, dass die Beantragung von Infrastrukturkapazität in einem einzigen Vorgang über den C-OSS erfolgen solle. Wenn für den deutschen Streckenabschnitt anders als in den Niederlanden PaPs als Rückfallebene auch per Papierformular bestellt werden könnten, wäre dies nicht mehr möglich.
Adressat der PaP-Anmeldung sei der jeweilige C-OSS, nicht die betroffenen Infrastrukturbetreiber.
Die weitere Besonderheit, dass PaPs nach dem „Baukastenprinzip“ von dem Eisenbahnverkehrsunternehmen (EVU) aus dem vorhandenen Angebot zusammengestellt werden könnten, ließe sich mit einer Papieranmeldung nicht vereinbaren. Wenn ein EVU kurz vor Ablauf der Frist ein Dossier per Papierformular senden würde, wären weder die Klägerin noch der C-OSS technisch in der Lage, dieses in das System einzugeben. Zudem fehle es ihnen an einer technischen Berechtigung, Anmeldungen für EVUs vorzunehmen. Außerdem sei das RNE-Anmeldeformular nur für internationale Trassenbestellungen, die keine PaPs sind, konzipiert. Insofern werde mit der beabsichtigten Anpassung lediglich eine in mehrfacher Hinsicht nicht durchführbare Regelung gestrichen.
Im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit werde darauf hingewiesen, dass RNE PCS-Nutzern zudem eine Verfügbarkeit von 98,5% im Jahr und eine maximale Ausfallzeit von 1,5% im Quartal garantiere und einen IT-Helpdesk installiert habe, für den eine Reaktionszeit von vier Stunden bei Kundenanfragen garantiert werde.
Mit Widerspruchsbescheid vom 08.03.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung nahm sie Bezug auf den Ausgangsbescheid und führte im Wesentlichen weiter aus: Ihr fehle es nicht an einer Regelungskompetenz, da Gegenstand des Verwaltungsverfahrens eine Änderung der SNB der Klägern sei, der sie widersprechen könne, soweit sie nicht den Vorschriften des Eisenbahnrechts entspreche. Dafür sei es auch unerheblich, dass die am Güterverkehrskorridor beteiligten Betreiber der Schienenwege gemeinsam die angebotenen PaPs bestimmten und die Vergabe durch den C-OSS erfolge. Bei den PaPs handele es sich nicht um ein einheitliches Produkt des Korridors, sondern die Zugangsberechtigten schlössen die notwendigen vertraglichen Vereinbarungen mit den einzelnen Betreibern der Schienenwege. Dies werde durch die VO (EU) 913/2010 sowie das als Auslegungshilfe heranzuziehende Handbuch der Europäischen Kommission zum Ausdruck gebracht. Auch die Bepreisung der jeweiligen Teilstücke richtete sich nach den geltenden nationalen Regeln.
Ein Verstoß gegen Art. 13 die VO (EU) 913/2010 sei nicht gegeben. Der Bescheid gebe nur auf, die Regelung einer Rückfallebene für den Fall einer Störung von PCS sicherzustellen. Die Klägerin könne bei der Umsetzung der Verpflichtung zur Schaffung einer Rückfallebene auf eine gemeinsame Lösung mit ihren europäischen Partnern hinwirken. Aus demselben Grund sei der Hinweis darauf, dass die Trassenanmeldungen direkt beim C-OSS abgegeben würden, nicht geeignet, eine Rechtsverletzung der Klägerin zu begründen.
Die angeführten Besonderheiten bei der PaP-Bestellung verhülfen dem Widerspruch auch nicht zum Erfolg. Die Anmeldung von PaPs in Papierform sei trotz des „Baukastenprinzips“ nicht unmöglich. Die PaP-Angebote der Korridore würden auch auf deren jeweiliger Internetseite und nicht nur in PCS veröffentlicht. Es wäre möglich, ein auf die Bedürfnisse der Korridore abgestimmtes Papierformular als Rückfallebene zu entwerfen. Technische Probleme bei der Umsetzung der Rückfallebene lägen in der Sphäre der Klägerin und/oder ihrer internationalen Partner und änderten nichts an der Verpflichtung zur Vorhaltung einer solchen.
Für die Bewertung der Verhältnismäßigkeit spiele es keine Rolle, wann der Zugangsberechtigte die Anmeldung innerhalb der Anmeldefrist vornehme, da er insoweit frei sei, über den Anmeldezeitpunkt zu bestimmen. Selbst bei den garantierten Ausfallzeiten könne es zu Situationen kommen, in denen die Zugangsberechtigten in ihrem Zugangsrecht beeinträchtigt seien. 1,35 Ausfalltage im Quartal seien auch mehr als eine nur geringfügige Ausfallzeit. Es sei zudem unklar, welcher Wert einer „garantierten Ausfallzeit“ zukomme.
Die Klägerin hat am 15.03.2016 Klage erhoben.
Zur Begründung ihrer Klage wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Vorverfahren. Ergänzend trägt sie im Wesentlichen vor: Mit der Streichung der Passage gebe sie nur informationshalber eine Regelung des CID mehrerer SGV-Korridore in den SNB wieder; die ausschließliche inhaltliche Regelung erfolge damit im CID. Die SNB hätten gerade keinen eigenen Regelungsgehalt bezüglich des CID. Materiell wirke der Widerspruch der Beklagten damit wie ein Widerspruch zum CID.
Der Beklagten fehle es an der erforderlichen Zuständigkeit, um der vom zuständigen Verwaltungsrat eines SGV-Korridors erlassenen Regelung des CID zu widersprechen. Die Festlegung zu PCS als alleinigem Anmeldeinstrument für PaPs sei von dem jeweiligen Verwaltungsrat entsprechend seiner Befugnis getroffen und im CID veröffentlicht worden. Die Zuständigkeit der Beklagten beziehe sich nur auf den Zugang zur Infrastruktur in Deutschland, nicht jedoch auf den Zugang zu grenzüberschreitenden SGV-Korridoren. Letztere seien der deutschen Regulierungshoheit insoweit entzogen wie die VO (EU) 913/2010 und ihre begleitenden Dokumente eigene Festlegungen hinsichtlich des Zugangs zum SGV-Korridor träfen. Dies ergebe sich aus dem Vorrang des Europarechts vor nationalem Recht.
Eine Zuständigkeit der Beklagten folge nicht aus Art. 20 VO (EU) 913/2010. Aus dem zu dieser Verordnung von der Europäischen Kommission veröffentlichten Handbuch ergebe sich, dass die Regulierungsbehörden für den SGV-Korridor nur dann zuständig seien, wenn sie sich abstimmten, Informationen austauschten und für den fraglichen Fall zu einer gemeinsamen Entscheidung gelangten. Dies entspreche auch dem Zweck der Verordnung, gemeinsame Prozesse und Regeln für die Vergabe von PaPs herbeizuführen. Die Auffassung der Beklagten, die Klägerin könne sich mit den anderen Infrastrukturbetreibern der SGV-Korridore abstimmen, würde dazu führen, dass eine für einen Infrastrukturbetreiber zuständige Behörde, die Regeln des SGV-Korridors maßgeblich dominieren würde, was von der VO (EU) 913/2010 aber nicht gewollt sei. Dies zeige sich auch darin, dass der Verwaltungsrat seine Beschlüsse „in gegenseitigem Einvernehmen“ zu fassen habe.
Die Beklagte sei auch nach der Rahmenregelung des Exekutivrates unzuständig, da Art. 16 Abs. 1 der Rahmenregelung sich nicht auf die Anwendung nationalen Rechts, sondern die Einhaltung der Rahmenregelung beziehe. Es sei hier von Regulierungsstellen im Plural die Rede, weil der Alleingang einer einzelnen Regulierungsstelle wenig Sinn ergeben würde. Die Beklagte sei auch unzuständig, weil sie nicht mit den anderen betroffenen Regulierungsstellen entsprechend Art. 16 Abs. 2 der Rahmenregelung kooperiert habe. Nur so könne das Ziel der Verordnung aber erreicht werden. Die Beklagte berufe sich ausdrücklich nicht auf eine Kooperationsvereinbarung oder auf eine nach einer solchen Vereinbarung getroffene Kooperation. Die „jährliche Zuweisung von Fahrwegkapazität“, von der Art. 16 Abs. 1 der Rahmenregelung spreche, sei auch gerade die jährliche Anmeldung von PaPs, für die die Anmeldung via PCS vorgesehen sei.
Die PaPs seien ein eigenständiges Produkt, denn nach der Konstruktion stünden sie nicht mehr für nationale Trassenanmeldungen zur Verfügung. Dass die Zugangsberechtigten die vertraglichen Vereinbarungen mit den nationalen Infrastrukturbetreibern abschlössen, sei irrelevant, da die streitgegenständliche Passage sich auf die Anmeldung der PaPs zum C-OSS und nicht auf das dahinterliegende Vertragsverhältnis beziehe. Dieses Auseinanderfallen sei auch durchaus dort üblich, wo die nationale Trassenzuweisung durch eine Zuweisungsstelle erfolge. Bei der Pflicht nach Art. 13 Abs. 3 S. 2 VO (EU) 913/2010 handele es sich nur um eine Unterrichtungspflicht und nicht um die Einholung einer Zustimmung. Gegen die Eigenständigkeit spreche auch nicht die Übermittlung nicht bewilligter Anträge an die zuständigen Infrastrukturbetreiber nach Art. 13 Abs. 4 VO (EU) 913/2010. Diese zeige vielmehr die Trennlinie zwischen dem PaP und der nationalen Trasse auf, da ja gerade der vorab festgelegte PaP nicht zugewiesen werde. Da nur die Anmeldung und die Zuweisung des PaP in die Zuständigkeit des SGV-Korridors fielen, spreche auch die Bepreisung der Teilstücke nach nationalen Regelungen nicht gegen die Eigenständigkeit.
Da es damit um den europarechtlichen Spezialfall einer Trassenanmeldung für PaPs gehe und die Verfahren für deren Anmeldung allein in der Zuständigkeit der SGV-Korridore lägen, komme es nicht darauf an, ob die Angaben in den SNB dazu vollständig seien.
Die Regelungen des CID seien auch kein Pflichtinhalt der nationalen SNB. Dies ergebe sich zum einen nicht aus Art. 27 i.V.m. Anlage IV der RiLi 2012/25/EU, denn Regelungen des CID zur Anmeldung von Kapazität seien dort nicht genannt. Ziffer 3a der abschließenden Anlage IV beziehe sich nur auf die jeweiligen SNB und das dortige Zuweisungsverfahren. Da die RiLi 2012/34 zwei Jahre nach der VO (EU) 913/2010 in Kraft getreten sei, habe der Richtliniengeber bewusst die Regelungen der CID in der Richtlinie nicht genannt. Dies würde aus dessen Sicht auch keinen Sinn ergeben, denn die für den SGV-Korridor relevanten Regelungen würden bereits im CID für die zugangsberechtigten Antragsteller veröffentlicht. Das mit der VO (EU) 913/2010 gewünschte Ziel der Harmonisierung von Prozessen und Regelungen auf SGVKorridoren könnte nicht erreicht werden, wenn die CID Pflichtinhalt der SNB würden und damit bis zu sieben verschiedenen nationalen Regulierungsverfahren unterlägen.
CID-Regelungen seien auch kein Pflichtinhalt nach Art. 18 VO (EU) 913/2010. Zwar seien die SNB verpflichtender Inhalt des CID, dies gelte aber nicht umgekehrt. Vorliegend gehe es um eine von den Verwaltungsräten nach Art. 18 c) VO (EU) 913/2010 für die jeweiligen SGVKorridore getroffene Regelung, die als Verfahren nach Art. 13 und 14 der Verordnung unmittelbar Eingang in das jeweilige CID gefunden habe und nicht um eine solche nach Buchstabe a) der Vorschrift. CID-Regelungen seien eigenständig, unterlägen ausschließlich europäischem Recht und gälten nur für den jeweiligen SGV-Korridor. Durch die Veröffentlichung im CID werde den Zugangsberechtigten die eindeutige und vollständige Regelung auf einem ihnen bekannten und vom Gesetz vorgesehenen Weg bekannt gemacht. Die Regelungen des CID seien auch kein Pflichtinhalt nach dem Zweck der VO (EU) 913/2010, der sich u.a. aus den Erwägungsgründen ergebe.
Das CID stelle selbst zwar keine europarechtliche Regelung DAR, beruhe aber auf der VO (EU) 913/2010 und enthalte Regelungen, die dem nationalen Recht vorgingen. Die in der VO (EU) 913/2010 zu treffenden Verfahrensregeln für PaPs würden nämlich im CID aufgestellt. Die EU habe die Zuständigkeit für die in Art. 13-17 VO (EU) 913/2010 genannten Verfahrensbestandteile der Netzfahrplanerstellung vom nationalen Infrastrukturbetreiber auf die Organe der SGV-Korridore übertragen. Zu diesen Regelungen gehöre auch die Frage, wie die Anmeldung von PaPs beim C-OSS zu erfolgen habe.
Das CID sei verbindlich und nicht nur eine bloße Informationssammlung. Dies ergebe sich aus der expliziten Aufzählung der Verfahren, die gemäß Art. 18 VO (EU) 913/2010 im CID geregelt werden sollten, aus dem Prozedere zum Erlass der CIDs, wonach die Verwaltungsräte aufwändige Beschlüsse in gegenseitigem Einvernehmen träfen sowie aus Struktur und Inhalt des CID, insbesondere aus dessen Buch 4, das sich auf Art. 18 c) VO (EU) 913/2010 beziehe. Die Verbindlichkeit leite sich aus den unterschiedlichen Auffassungen und Regelungen der beteiligten Infrastrukturbetreiber ab, die einen Kompromiss finden müssten. Die Corridor Information Document Common Structure von RNE empfehle, die Bücher 1, 4 und 5 für verbindlich zu erklären. Die Empfehlung könne nicht einheitlich umgesetzt werden, da in vielen Ländern die SNB nicht verbindlich seien. Sobald sich der Infrastrukturbetreiber eines solchen Landes im Verwaltungsrat befände, könnte das CID als Ganzes nicht für verbindlich erklärt werden. Dennoch sei von einer faktischen Verbindlichkeit auszugehen.
Der Verwaltungsrat sei auch zum Erlass der verbindlichen Festlegung von PCS als alleinigem Anmeldeverfahren befugt gewesen. Eine entsprechende Ermächtigungsgrundlage sei durch Art. 18 c) VO (EU) 913/2010 gegeben. Zu den Verfahren nach Art. 18 c) VO (EU) 913/2010 gehörten nämlich auch die nach Art. 13 und 14 VO (EU) 913/2010 festgelegten Verfahren. Der Verwaltungsrat sei ermächtigt, die in Art. 13 Abs. 1, 14 Abs. 3 und 9 VO (EU) 913/2010 vorgesehenen Verfahren zu beschließen. Dies werde auch durch das Handbuch der Europäischen Kommission belegt. Mit der Einführung von PCS als alleinigem Anmeldeinstrument habe der Verwaltungsrat ein Verfahren nach der Ermächtigungsgrundlage des Art. 13 Abs. 1 VO (EU) 913/2010 beschlossen. Die Einrichtung einer gemeinsamen Stelle beinhalte zwangsläufig auch die Entscheidung darüber, wie die Funktionsweise dieser Stelle aussehe.
Der jeweilige Verwaltungsrat sei auch nach den Regelungen der vom jeweiligen Exekutivrat der SGV-Korridore festgelegten Rahmenregelungen für die Zuweisung von Fahrwegkapazität zum Erlass der konkreten Regelung zu PCS als alleinigem Anmelde-instrument befugt gewesen. Aus Art. 8 Abs. 2 der Rahmenregelung, wonach die Korridorkapazität über ein internationales Antragssystem zu veröffentlichen und zuzuweisen sei, das so weit wie möglich mit den anderen SGV-Korridoren abgestimmt sei, ergebe sich, dass Einzelregelungen zu PCS auf nationalen Teilabschnitten unzulässig seien, da sonst das Ziel, das System so weit wie möglich zu harmonisieren, nicht erreicht werden könne. Die Formulierung „so weit wie möglich“ meine nur, dass im Falle einer objektiven Unmöglichkeit die Verpflichtung nicht eingehalten werden müsse.
Der Verordnungsgeber habe den Zuständigkeitsbereich der SGV-Korridore eng begrenzt und nationalen Kontrollbefugnissen entzogen. Dies sei bereits durch die Unzuständigkeit nationaler Regulierungsbehörden für die Infrastrukturbetreiber anderer Länder bedingt. Zudem seien die Gremien der Korridore staatlicher Kontrolle auch nicht entzogen, da jeder Korridor Exekutivräte mit genau definierten Überwachungsaufgaben habe.
Der Bescheid sei darüber hinaus nichtig, denn er leide an einem schwerwiegenden Fehler. Die Beibehaltung der Passage sei für die Klägerin als Mitbetreiberin der SGV-Korridore praktisch unmöglich. Zur Begründung wiederholt die Klägerin die bereits mit dem Widerspruch vorgebrachten Argumente. Zudem führt sie aus, dass es praktisch undurchführbar sei, in Deutschland eine Sonderregelung zur PaP-Anmeldung in den SNB zu belassen, wenn diese durch den Korridor nicht angewandt werde. Die Klägerin sei nur ein Mitglied neben mehreren im Verwaltungsrat. Wegen der dort einstimmig zu fassenden Beschlüsse und der fehlenden Veranlassung anderer Infrastrukturbetreiber, die Vorstellungen des deutschen Regulierers zu befolgen, sei es für sie ein unmögliches Unterfangen, die deutsche Auffassung zu einzelnen CID-Themen gegen alle möglichen Widerstände durchzusetzen.
Die Klägerin regt die Anstrengung eines Vorabentscheidungsverfahrens zum EuGH hinsichtlich genauer formulierter Vorlagefragen an.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 22.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.03.2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bezieht sich zur Begründung auf den Ausgangs- und den Widerspruchsbescheid. Ergänzend führt sie im Wesentlichen aus: Ihre Zuständigkeit sei nicht wegen einer Herauslösung der PaPs aus dem Netz der nationalen Infrastrukturbetreiber als eigenständiges Produkt der SGV-Korridore ausgeschlossen. Auch vor Einführung der Güterverkehrskorridore sei das Institut grenzüberschreitender Trassen bereits bekannt gewesen. Die Klägerin habe entsprechende Regelungen ebenfalls in die SNB aufgenommen. Gemäß Ziffer 4.2.4 SNB werde darauf hingewiesen, dass für die deutsche Teilstrecke die Pflichtangaben gemäß den Regelungen der SNB zu beachten seien. Daher überzeuge auch das Argument der Klägerin nicht, dass die Zuständigkeit für Vertragsschluss und Trassenzuweisung in anderen Staaten auseinanderfalle, da in den genannten Fällen von vornherein nur ein Netz betroffen sei und die dortige Trasse eine Trasse im Netz des jeweiligen Infrastrukturbetreibers bleibe.
Des Weiteren ergebe sich aus der Regelung des Art. 20 VO (EU) 913/2010 nicht, dass die Beklagte zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheides nicht allein zuständig sei, da es zu keiner Nichtbeachtung der VO (EU) 913/2010 gekommen sei und sich die von der Klägerin herangezogenen Vorschriften der Verordnung und des Handbuchs der Europäischen Kommission auf Beschwerden eines Antragstellers in Bezug auf grenzüberschreitende Schienengüterverkehrsdienste beziehe und damit auf einen konkreten Einzelfall. Vorliegend gehe es jedoch um allgemeine Vorgaben. Im Jahre 2011 habe man zudem ein Rechtsgutachten zu rechtlichen Aspekten des SGV-Korridors erstellt und den anderen Regulierungsbehörden zur Verfügung gestellt. Darauf sei keine Rückmeldung erfolgt.
Auch aus Art. 16 der Rahmenregelung des Exekutivrates ergebe sich keine Unzuständigkeit. Dabei gehe es um die Entscheidung des C-OSS betreffend die jährliche Zuweisung von Fahrwegkapazität und nicht um die Ausgestaltung des Trassenanmeldeverfahrens. Daher ergebe sich daraus nicht, dass die Beklagte vorliegend nur gemeinsam mit anderen Regulierungsbehörden des jeweiligen SGV-Korridors entscheiden dürfe.
Zwar sei es zutreffend, dass durch die VO (EU) 913/2010 zusätzliche Verfahren zur Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen den Infrastrukturbetreibern bei der Zuweisung von grenzüberschreitenden Zugtrassen eingeführt werden sollten. Die Schienengüterverkehrskorridore zielten darauf ab, die Zusammenarbeit zu institutionalisieren. Das bedeute aber nicht, dass die nationalen Vorschriften des Eisenbahnrechts nicht mehr anwendbar seien. Es sei nicht entscheidend, ob die Regelungen im CID Pflichtinhalt der nationalen SNB seien. Letztere müssten grundsätzlich vollständige Angaben zum Trassenanmeldeverfahren für alle Zugtrassen im Netz der Klägerin enthalten. Für die Trassen gälten grundsätzlich die nationalen Vorschriften, es sei denn, die VO (EU) 913/2010 enthalte spezifische Sonderregelungen. Dann gelte der Vorrang des Europarechts. Die VO (EU) 913/2010 enthalte aber keine vorrangigen Regelungen zur Notwendigkeit einer Rückfallebene oder zur konkreten Ausgestaltung des Trassenanmeldeverfahrens für PaPs. Art. 13 Abs. 1 VO (EU) 913/2010 betreffe nur das „Ob“ der Benennung und Gründung des C-OSS, enthalte aber keine näheren Vorgaben hinsichtlich der Ausgestaltung des Anmeldeverfahrens bei dieser.
Dass das CID keine Rückfallebene vorsehe, führe ebenfalls nicht zur Rechtswidrigkeit des Bescheides, da es sich dabei nicht um eine verbindliche und vorrangige europarechtliche Vorgabe, sondern ein bloßes Informationsdokument handele. Dies folge bereits aus der Konzeption der CID durch dessen jeweilige Autoren. Durch die ausdrückliche Bezugnahme des Art. 18 a) VO (EU) 913/2010 auf die nach der RiLi 2012/34/EU erstellten nationalen SNB werde deutlich, dass damit die existierenden SNB gemeint seien. Deren Rechtscharakter ändere sich durch die Zusammenführung in den CID nicht. Ein Vorrang der im CID enthaltenen Regelungen komme nur dort in Betracht, wo es sich um die Wiedergabe von Regelungen aus der VO (EU) 913/2010 handele. Der klägerische Vortrag sei widersprüchlich, wenn er einerseits einen zwingenden Vorrang der Regelungen im CID vor nationalem Recht sehe und andererseits nur von einer faktische Verbindlichkeit, sofern ein Infrastrukturbetreiber beteiligt sei, in dessen Heimatland die SNB nicht verbindlich seien, ausgehe.
Es erschließe sich auch nicht, warum eine optimale Koordinierung der Kapazitäten nur ohne Rückfallebene möglich sein solle. Zudem fehle es den Verwaltungsräten an der entsprechenden Regelungskompetenz. Eine solche lasse sich nicht aus Art. 18 VO (EU) 913/2010 herleiten. Buchstabe a) der Vorschrift sehe die Aufnahme der vorher nach den nationalen Bestimmungen aufgestellten SNB vor und Buchstabe c) die der in Art. 13-17 genannten Verfahren. Dies stelle aber keine Ermächtigungsgrundlage für den Verwaltungsrat zum Erlass dieser Verfahren DAR. Dies gelte auch für die Art. 13 und 14 VO (EU) 913/2010. Art. 13 Abs. 1 VO (EU) 913/2010 sehe nur vor, dass ein C-OSS geschaffen werden solle und enthalte keine Befugnis, die Möglichkeiten der Anmeldung allgemeinverbindlich auf ein alleiniges Anmeldeinstrument wie das PCS zu verengen. Art. 14 Abs. 9 VO (EU) 913/2010 sehe zwar vor, dass der Verwaltungsrat Verfahren wie das PCS einrichten dürfe, die eine optimale Koordinierung der Zuweisung von Kapazität gewährleisten sollten. Die Norm enthalte jedoch keine Aussage zur konkreten Ausgestaltung des Verfahrens. Die Einbeziehung einer Rückfallebene sei danach nicht ausgeschlossen. Die Vorschrift erlaube es den Verwaltungsräten jedenfalls nicht, Regelungen zu treffen, die gegen nationales Recht verstießen und sehe keinen Vorrang der Verfahrensregeln gegenüber nationalen Regelungen vor.
Eine Ermächtigungsgrundlage lasse sich zudem nicht aus der Rahmenregelung des Exekutivrates herleiten. Es werde daraus vielmehr deutlich, dass das CID in erster Linie eine Informationsfunktion habe. Insbesondere die Formulierung in Art. 8 Abs. 2 der Rahmenregelung „so weit wie möglich“ zeige, dass es durchaus zu abweichenden Regelungen kommen könne. Konsequenz einer umfassenden Regelungskompetenz des Verwaltungsrates wäre, dass ein Gremium von Infrastrukturbetreibern Regelungen festlegen könnte, die gegen nationale Vorschriften des Eisenbahnrechts verstießen und von der jeweiligen nationalen Regulierungsstelle nicht überprüft werden könnten. Das könne vom europäischen Verordnungsgeber nicht gewollt sein.
Der Bescheid sei auch nicht wegen eines schwerwiegenden Fehlers nichtig. Die Beibehaltung der Rückfallebene stelle keinen schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen DAR.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte (Beiakte 1) der Beklagten ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid vom 22.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.
Ermächtigungsgrundlage für den Widerspruch der Beklagten ist § 14e Abs. 1 Nr. 4 AEG in der Fassung bis zum 01.09.2016 (AEG a.F.). Gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 ERegG ist diese Fassung der Norm anzuwenden, da die Mitteilung der Klägerin über die Neufassung ihrer SNB nach § 14d AEG a.F. am 28.08.2015 und damit vor dem Stichtag des 02.09.2016 erfolgte. Nach § 14e Abs. 1 Nr. 4 AEG a.F. kann die Regulierungsbehörde nach Eingang einer Mitteilung nach § 14d AEG a.F. innerhalb von vier Wochen der beabsichtigten Neufassung oder Änderung nach § 14d S. 1 Nr. 6 AEG a.F. widersprechen, soweit die beabsichtigen Entscheidungen nicht den Vorschriften des Eisenbahnrechts über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur entsprechen.
Der Bescheid ist formell rechtmäßig. Insbesondere ist die Beklagte für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheides zuständig.
Eine Unzuständigkeit der Beklagten folgt nicht daraus, dass es um eine Regelung geht, die durch das CID der entsprechenden SGV-Korridore vorgesehen ist. Gegenstand des Widerspruches ist allein eine Regelung in den SNB der Klägerin, die die Bundesnetzagentur als die sachlich-instanziell zuständige Regulierungsbehörde nach § 4 Abs. 1 BEVVG a.F., § 14b Abs. 1 Nr. 4 AEG a.F. des Bundes auf ihre Konformität mit den Vorschriften des Eisenbahnrechts überwacht.
Ein Regelungsgehalt entfällt nicht dadurch, dass die SNB inhaltlich Teile des CID wiedergeben. Durch die Aufnahme in die SNB erhält der jeweilige Passus Regelungswirkung und wird verbindlicher Vertragsbestandteil zwischen der Klägerin und dem Zugangsberechtigten (vgl. § 4 Abs. 6 S. 2, 1. Hs. EIBV). Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass Ziffer 1.9.3 SNB bestimmt, dass das CID nicht Bestandteil der SNB ist. Ziffer 4.2.5.1 SNB legt die Anmeldemodalitäten für PaPs unabhängig davon fest und trifft insoweit eine eigenständige Regelung. Der Vortrag der Klägerin, dass der Widerspruch damit „materiell“ wie ein Widerspruch zum CID wirke, ist für die formell zu betrachtende Frage der Zuständigkeit irrelevant. Da Widerspruchsadressatin auch nur die Klägerin ist, geht es nicht um eine Regelungsbefugnis gegenüber den Infrastrukturbetreibern anderer Länder. Die Klägerin kann zudem eine Rechtsverletzung anderer, ausländischer Infrastrukturbetreiber mangels eigener Rechtsverletzung ohnehin nicht geltend machen.
Die Beklagte ist auch nicht etwa deswegen nicht (mehr) zuständig, weil die zu den SGVKorridoren gehörenden Abschnitte als „eigenständiges Produkt“ nicht mehr zum Schienennetz der Klägerin gehören würden. Eine solche Regelung lässt sich weder der VO (EU) 912/2010 noch anderen Vorschriften entnehmen. Aus der vorgenannten Verordnung ergibt sich vielmehr, dass die nationalen Schienennetzbetreiber die Verfügungsbefugnis über die Trassen nicht verlieren. Dies folgt zum einen daraus, dass die Zugangsberechtigten den Nutzungsvertrag mit dem jeweiligen Infrastrukturbetreiber zu den von diesem festgelegten Entgelten schließen (vgl. insoweit auch Ziffer 4.2.5.2 SNB). Dies stellt den letzten Schritt zum Zugang zur Infrastruktur DAR (vgl. § 14 Abs. 6 AEG a.F.). Schließlich verbleibt die Letztentscheidungskompetenz über die Versagung des Zugangs weiter bei den nationalen Schienennetzbetreibern. Art. 13 Abs. 4 VO (EU) 913/2010 sieht dementsprechend vor, dass der C-OSS bei einem Antrag auf Infrastrukturkapazität, der nicht bewilligt werden kann, diesen unverzüglich an die zuständigen Betreiber der Infrastruktur übermittelt, die darüber befinden und diese Entscheidung dem COSS zur weiteren Bearbeitung mitteilen. Genau diese weitere Bearbeitung durch den C-OSS spricht auch dagegen, dass es eine Trennlinie zwischen PaP und nationaler Trasse in Abhängigkeit davon gibt, ob der PaP zugewiesen werden kann.
Bei den PaPs sind lediglich Trassenanmeldung und –zuweisung zur Vereinfachung des Bestellungsprozesses und als Ausdruck der institutionalisierten Zusammenarbeit der Betreiber der Infrastruktur an den C-OSS ausgelagert. Dieser wird nur in deren Auftrag tätig. Eine teilweise Entziehung der Verfügungsbefugnis der Infrastrukturbetreiber und gleichsame „Europäisierung“ der PaPs für den Bereich der Entgegennahme von Trassenanmeldungen und - zuweisungen ist damit nicht verbunden. Insofern ist es auch unerheblich, dass die PaPAnmeldung an den C-OSS adressiert wird. Auf ein Auseinanderfallen von Zuweisung und Vertragsschluss in anderen Ländern kommt es vorliegend nicht an, da maßgeblich die Situation in der Bundesrepublik Deutschland ist. Im Übrigen gehen auch die SNB der Klägerin selbst davon aus, dass die Korridore „Schienenwege der DB Netz AG“ beinhalten und der C-OSS zur Entscheidung über die Zuweisung und die Abgabe der Trassenangebote lediglich „bevollmächtigt“ ist (vgl. Ziffer 1.9.2. SNB in der Fassung vom 09.09.2015 [Bl. 104 Beiakte 1]). Die Auffassung der Klägerin würde letztlich dazu führen, dass die Korridortrassen jeglicher Regulierung entzogen wären, da es derzeit weder einen europäischen Regulierer gibt, noch der Exekutivrat nach Art. 8 Abs. 1 VO (EU) 913/2010 über mit einer nationalen Regulierungsbehörde vergleichbare Kompetenzen verfügt.
Eine Unzuständigkeit der Beklagten ergibt sich auch nicht daraus, dass sie sich vor dem Widerspruch nicht mit den Regulierungsbehörden der anderen an dem Korridor beteiligten Länder abgestimmt hat. Dagegen spricht bereits, dass es sich bei einer „bedingten“ oder „negativen“ Zuständigkeitsregelung um ein systemfremdes Regelungskonstrukt handeln würde. Zuständigkeitsabgrenzungen erfolgen im Sinne der Rechtssicherheit grundsätzlich durch positive Kompetenzzuteilungen. Unabhängig davon, lässt sich eine solche Zuständigkeitsbeschränkung weder aus Art. 20 VO (EU) 913/2010 noch aus Art. 16 der Rahmenregelung des Exekutivrates herleiten. Aus Art. 20 VO (EU) 913/2010 folgt nur, dass die Regulierungsstellen zusammenarbeiten sollen. Auch ergibt sich bereits unmittelbar aus dieser Vorschrift, dass die Verordnung selbst von unterschiedlichen Regulierungsniveaus ausgeht. Das Argument der Klägerin, dass die Gefahr bestünde, dass eine für einen Infrastrukturbetreiber zuständige Behörde, die Regeln des SGV-Korridors maßgeblich dominieren würde und die Dominanz eines Mitgliedstaates von der VO (EU) 913/2010 nicht gewollt sei, trägt daher nicht. Die VO (EU) 913/2010 setzt diese – wenn auch ungewollte – Möglichkeit voraus und versucht ihr lediglich mit Abstimmungs- und Konsultationspflichten entgegenzuwirken. Dies wird insbesondere aus Art. 20 Abs. 2 VO (EU) 913/2010 deutlich, wonach sich die Mitgliedstaaten um die Einführung eines vergleichbaren Regulierungsniveaus (lediglich) „bemühen“.
Art. 20 Abs. 3 ff. VO (EU) 913/2010 beziehen sich, ebenso wie Ziffer 9.2 des Handbuchs der Europäischen Kommission, zudem nur auf die konkreten Fälle der Beschwerden in Bezug auf grenzüberschreitende Schienengüterverkehrsdienste oder Untersuchungen aus eigener Initiative der Regulierungsstellen. Die Überwachung der allgemeinen Regeln zu den Verfahren der Trassenbestellung und –zuweisung ist davon nicht erfasst. Außerdem soll die Zusammenarbeit auch bereits nach der Formulierung der Vorschrift nicht Bedingung für die Zuständigkeit der Beklagten sein. Ein Bezug zur Zuständigkeit der Regulierungsstellen wird – außer in Abs. 5 der Vorschrift– überhaupt nicht vorgenommen. Unabhängig davon, ob Art. 16 der Rahmenregelung des Exekutivrates eine Vorrangwirkung vor nationalem Recht überhaupt beanspruchen kann, ergibt sich aus dieser Regelung keine Zuständigkeitseinschränkung. Abs. 1 trifft keine Aussage zur Prüfung anderer Normen als der Rahmenregelung. Dass er von „Stellen“ im Plural spricht, ist vielmehr ein Indiz dafür, dass auch die Rahmenregelung davon ausgeht, dass die nationalen Regulierungsstellen weiterhin zuständig bleiben. Abs. 2 konkretisiert nur die Form der Zusammenarbeit aus Art. 20 VO (EU) 913/2010 in Form einer Kooperationsvereinbarung in Bezug auf Beschwerden zum Zuteilungsprozess und daraufhin ergehende Entscheidungen.
Der Bescheid vom 22.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2016 ist auch materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 14e Abs. 1 Nr. 4 AEG a.F. liegen vor. Die von der Klägerin als Eisenbahninfrastrukturunternehmen und Betreiber der Schienenwege nach § 2 Abs. 1, Abs. 3a AEG a.F. beabsichtigte Änderung ihrer SNB i.S.d. § 14d S. 1 Nr. 6 AEG a.F. entspricht nicht den Vorschriften des Eisenbahnrechts über den Zugang zur Eisenbahninfrastruktur. Diese ergeben sich aus den §§ 14 bis 14f AEG a.F. sowie der EIBV.
vgl. OVG NRW, Beschluss vom 13.10.2009 – 13 B 1334/09 –, juris Rn. 3; VG Köln, Urteil vom 22.08.2014 – 18 K 3833/13 –, juris Rn. 22.
Es kann dahinstehen, ob die von der Klägerin beabsichtigte Streichung, wie von der Beklagten angenommen, gegen § 14 Abs. 1 S. 1 AEG a.F., § 3 Abs. 1 S. 1 und 2 i.V.m. der Anlage 1 Nr. 1 EIBV verstößt, da ihr jedenfalls § 4 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2 Nr. 3 EIBV entgegensteht. Gemäß § 4 Abs. 2 S. 1 EIBV müssen die SNB mindestens die in Anlage 2 EIVB festgelegten und die sonst nach dieser Verordnung vorgeschriebenen Angaben sowie die Allgemeinen Geschäftsbedingungen für die Benutzung der Zugtrassen enthalten. Anlage 2 Nr. 3 a) EIBV legt fest, dass u.a. Angaben zur Abwicklung und zu den Fristen des Verfahrens der Zuweisung von Schienenwegkapazität anzugeben sind, und zwar insbesondere zum Verfahren für die Stellung von Anträgen auf Zuweisung von Zugtrassen durch Zugangsberechtigte beim Betreiber der Schienenwege. Die SNB sind unvollständig hinsichtlich der Angaben zum Verfahren für die Stellung von Anträgen auf Zuweisung von PaPs. Zwar sehen die SNB der Klägerin vor, dass Anmeldungen für PaPs über PCS vorzunehmen sind. Durch die beabsichtigte Streichung ist aber keine Regelung mehr für den Fall vorhanden, dass PCS nicht funktioniert.
Zudem ist auch ein Verstoß gegen das jederzeitige Antragsrecht aus § 6 Abs. 1 S. 1 EIBV gegeben,
vgl. dazu auch VG Köln, Beschluss vom 03.02.2016 – 18 L 2956/15 –, juris.
Auch wenn die Beklagte in ihrem Bescheid einen solchen Verstoß nicht explizit benannt hat, ergibt sich aus ihren Ausführungen auf S. 5 des Widerspruchsbescheides, nämlich dass der Zugangsberechtigte frei sei, über den Zeitpunkt der Abgabe der Anmeldung zu bestimmen, solange die Anmeldefrist laufe, dass sie ein solches Verständnis zugrunde gelegt hat. Da für den Zeitraum, in dem keine Anmeldung über das PCS vorgesehen ist, eine Anmeldung überhaupt nicht möglich ist, kann der Zugangsberechtigte sich nicht jederzeit anmelden.
Ein anderes Ergebnis ergibt sich auch nicht wegen des Vorrangs des Europarechts. Ein diesen Vorrang auslösender Normenkonflikt und damit ein Verstoß gegen Europarecht durch den Widerspruch der Beklagten liegen nicht vor.
Zum einen ergibt sich aus dem Europarecht nicht, dass die Angaben zum Verfahren für die Stellung von Anträgen auf Zuweisung von PaPs nicht zum Pflichtinhalt von SNB gehören. Entscheidend ist insoweit nicht, ob das CID zum Pflichtinhalt der SNB gehört, sondern, ob darin Regelungen wiedergegeben sind, die zum Pflichtinhalt von SNB gehören. Art. 27 Abs. 2 i.V.m. Anhang IV RiLi 2012/34/EU entspricht inhaltlich der Regelung des § 4 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2 Nr. 3 EIBV. Auch danach müssen die SNB die Verfahren für die Stellung von Anträgen auf Zuweisung von Fahrwegkapazität durch Antragsteller beim Betreiber der Infrastruktur beinhalten. SNB sind nach Art. 2 Nr. 26 RiLi 2012/34/EU definiert als „eine detaillierte Darlegung der allgemeinen Regeln, Fristen, Verfahren und Kriterien für die Entgeltund Kapazitätszuweisungsregelungen einschließlich der zusätzlichen Informationen, die für die Beantragung von Fahrwegkapazität benötigt werden“. Keine dieser allgemein formulierten Vorschriften enthält einen Hinweis darauf, dass für die Anmeldung und Zuweisung von PaPs auf SGV-Korridoren, keine Angaben enthalten sein müssen. Gerade weil die VO (EU) 913/2010 schon in Kraft war als die RiLi 2012/34/EU erlassen wurde, wäre dies jedoch zu erwarten gewesen, wenn die Auffassung der Klägerin zuträfe. Nach der Systematik der Richtlinie ist der Pflichtinhalt der SNB zudem positiv beschrieben. Wird nach dieser Beschreibung etwas erfasst, was nicht erfasst sein soll, wäre zu erwarten gewesen, dass dies vom Richtliniengeber explizit ausgenommen wird. Aus der fehlenden Nennung der Regelungen des CID zur Anmeldung von PaPs kann daher nicht hergeleitet werden, dass diese nicht zum Pflichtinhalt der SNB gehören. In Anbetracht der Tatsache, dass die PaPs auch weiterhin Teil der nationalen Schienennetze sind, ist es auch irrelevant, dass sich Art. 27 Abs. 2 i.V.m. Anhang IV RiLi 2012/34/EU nur auf die „nationalen SNB“ bezieht.
Außerdem sah bereits die Vorgängerrichtlinie 2001/14/EG in Art. 3 Abs. 2 S. 3 i.V.m. Anhang I Nr. 3 a) eine inhaltsgleiche Regelung zu Art. 27 Abs. 2 i.V.m. Anhang IV RiLi 2012/34/EU vor. Erwägungsgrund 7 der VO (EU) 913/2010 sieht jedoch explizit vor, dass die Verordnung, sofern nicht anders festgelegt, die Rechte und Pflichten der Betreiber der Infrastruktur nach der RiLi 2001/14/EG und gegebenenfalls Rechte und Pflichten der Zuweisungsstellen unberührt lassen sollte. Dies bedeutet, dass weder eine Erweiterung noch eine Beschränkung der Rechte und Pflichten der Infrastrukturbetreiber erfolgen sollte. Eine explizite, anderweitige Festlegung hinsichtlich des Pflichtinhaltes der SNB enthält die VO (EU) 913/2010 jedoch nicht. In Anbetracht des vorgenannten Erwägungsgrundes wäre eine solche Klarstellung jedoch zu erwarten und auch notwendig gewesen. Art. 18 VO (EU) 913/2010 stellt nämlich gerade keine Regelung zum Pflichtinhalt der SNB DAR, sondern betrifft ausschließlich den Inhalt des CIDs. Die Erwägungsgründe der VO (EU) 913/2010 und der sich daraus ergebende Zweck der Verordnung sind von vornherein nicht geeignet, Regelungen zum Pflichtinhalt von SNB zu treffen. Letztlich verweist Art. 14 Abs. 3 S. 1 VO (EU) 913/2010 auf Art. 15 RiLi 2001/14/EG, der dem heutigen Art. 40 RiLi 2012/34/EU entspricht (s. Anhang X der letztgenannten Richtlinie). Art. 40 Abs. 1 Uabs. 2 S. 2 RiLi 2012/34/EU sieht vor, dass Grundsätze und Kriterien für die Kapazitätszuweisung im Rahmen der Zusammenarbeit bei der Zuweisung von netzübergreifender Fahrwegkapazität durch die Infrastrukturbetreiber gemäß Anhang IV Nummer 3 in ihren Schienennetz-Nutzungsbedingungen veröffentlicht werden. Dies zeigt, dass auch die Verfahren zur Anmeldung von PaPs europarechtlich zum Pflichtinhalt der SNB gezählt werden. Angesichts des dem Richtliniengeber bekannten Verweises wäre anderenfalls eine Klarstellung nötig und zu erwarten gewesen.
Zum anderen steht Europarecht auch nicht einer nationalen Regelung entgegen, die eine Rückfallebene bei einer verpflichtenden, ausschließlichen Trassenbestellung über eine ITPlattform erfordert. Das CID selbst sieht zwar, jedenfalls in der Auslegung, die es von der Klägerin und nach deren Aussage von den anderen Betreibern der Schienenwege erhält, vor, dass eine Anmeldung ausschließlich über PCS zu erfolgen hat. Das CID ist allerdings keine europarechtliche Regelung, die Vorrang vor nationalem Recht beanspruchen kann. Das CID hat bereits keinen regelnden, sondern nur einen rein informativen Charakter. Es legt nicht selbst die Nutzungsbedingungen des SGV-Korridors fest, sondern informiert nur darüber. Das ergibt sich bereits aus der Überschrift des Artikel 18 VO (EU) 913/2010 Norm („Informationen zu den Nutzungsbedingungen des Güterverkehrskorridors“). Nach dieser Vorschrift erstellt und veröffentlicht der Verwaltungsrat ein Dokument, das regelmäßig aktualisiert wird und u.a. Folgendes enthält: a) sämtliche Informationen der gemäß Artikel 3 der Richtlinie 2001/14/EG erstellten nationalen Schienennetz-Nutzungsbedingungen, die den Güterverkehrskorridor betreffen [...] und c) Informationen über die in den Artikeln 13 bis 17 der vorliegenden Verordnung genannten Verfahren [...]. Sowohl Buchstabe a) als auch c) verweisen lediglich auf „Informationen“. Dies wird auch durch Erwägungsgrund 26 der VO (EU) 913/2010 bestätigt, wonach der Verwaltungsrat zur Vereinfachung des Zugangs zu den Informationen über die Nutzung aller wichtigen Infrastrukturen in einem Güterverkehrskorridor und zur Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Zugangs zu diesem Korridor ein Dokument, in dem all diese Informationen zusammengefasst sind, erstellen, regelmäßig aktualisieren und veröffentlichen sollte. Warum sich aus der expliziten Aufzählung der Verfahren, die im CID genannt werden sollen und dem Erfordernis des „gegenseitigen Einvernehmens“ für Beschlüsse des Verwaltungsrates eine Verbindlichkeit ergeben soll, erschließt sich nicht. Die Konzeption oder Struktur des CID selbst kann seinen Regelungscharakter nicht begründen. Dass die Verbindlichkeit des CID zudem davon abhängen soll, ob die SNB in den einzelnen Ländern verbindlich sind, überzeugt nicht. Entweder hat das CID als Europarecht Vorrang, dann gilt es auch verbindlich in allen Mitgliedstaaten der EU oder es ist nicht verbindlich und kann deswegen auch keinen Vorrang beanspruchen.
Ein solcher Anwendungsvorrang kommt dem CID aber nicht zu. Der Vorrang des Europarechts gilt nur für das EU Primär-, Sekundär und Tertiärrecht.
Huber, Recht der Europäischen Integration, 2. Aufl. 2002, § 9 Rn. 9; Nettesheim, Rang des Unionsrechts, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 7. Aufl. 2016, § 10 Rn. 34.
Dazu gehört das CID nicht. Das Sekundärrecht bilden die in Art. 288 AEUV und anderen Vertragsnormen vorgesehenen sekundären Rechtsakte der Union.
Vedder, in: Vedder/Heintschel von Heinegg, Europäisches Unionsrecht, 2. Auflage 2018, Art. 288 AEUV, Rn. 67.
Der Begriff des Tertiärrechts ist noch nicht abschließend konturiert,
Siegel, Europäisierung des Öffentlichen Rechts, 2012, Rn. 28.
Überwiegend werden darunter delegierte Rechtsakte im Sinne des Art. 290 AEUV und Durchführungsrechtsakte im Sinne des Art. 291 AEUV verstanden. Teilweise wird der Begriff auch in Bezug auf Auslegungsmitteilungen der Kommission, mittels derer sie komplexe Bereiche des Primär- und vor allem des Sekundärrechts „interpretiert“, verwendet,
Siegel, Europäisierung des Öffentlichen Rechts, 2012, Rn. 28.
Jedenfalls erfasst auch das Tertiärrecht nur Rechtsakte, die von Unionsorganen (vgl. Art. 13 EUV) erlassen wurden,
dies wohl auch voraussetzend Nettesheim, Rang des Unionsrechts, in: Oppermann/Classen/Nettesheim, Europarecht, 7. Aufl. 2016, § 10 Rn. 44.
Dass nur von Unionsorganen erlassenen Rechtsakten Vorrangwirkung zukommen soll, ergibt sich auch aus der Erklärung Nr. 17 (Erklärung zum Vorrang) zur Schlussakte der Regierungskonferenz, die den am 13.12.2007 unterzeichneten Vertrag von Lissabon angenommen hat. Danach sollen Vorrang nur die Verträge und das von der Union auf der Grundlage der Verträge gesetzte Recht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshof der Europäischen Union haben. Ein durch den Verwaltungsrat eines Güterverkehrskorridors i.S.d. Art. 8 Abs. 2 VO (EU) 913/2010 erstelltes CID ist aber kein von der Union gesetztes Recht. Eine Delegation derart, dass zwar durch Sekundärrecht vorgesehene Einrichtungen, die sich jedoch aus privaten Infrastrukturbetreibern zusammensetzen, befugt sein sollen, Recht zu setzen, das sogar nationalem Verfassungsrecht vorginge, ist weder möglich, noch beabsichtigt.
Selbst wenn in den von der Klägerin vorgelegten Beschlüssen, mit denen die Verwaltungsräte der verschiedenen Korridore die jeweilige CID-Fassung mit den Verfahren nach Art. 13 – 17 VO (EU) 913/2010 verabschiedet haben, eine Regelung dieser Verfahren zu sehen wäre, die nur durch das CID veröffentlicht wird, wäre sie aus den oben genannten Gründen europarechtlich nicht vorrangig. Sie hat keinen sekundären oder tertiären Unionsrechtscharakter, da sie nicht von einem Unionsorgan erlassen wurde und kann keinen Anwendungsvorrang entfalten. Auf die konkrete Kompetenz des Verwaltungsrates zum Erlass dieser Vorschriften kommt es damit nicht entscheidungserheblich an.
Auch aus der Rahmenregelung des Exekutivrates nach Art. 14 Abs. 1 VO (EU) 913/2010 lässt sich kein Europarechtsverstoß herleiten. Auch diese hat nicht den Status des Tertiärrechts. Der Exekutivrat nach Art. 8 Abs. 1 VO (EU) 913/2010 ist ebenfalls kein EU-Organ, das zur Europarechtssetzung befugt ist.
Die VO (EU) 913/2010, die als EU-Sekundärrecht grundsätzlich Vorrang vor nationalem Recht beanspruchen kann, steht nationalem Recht vorliegend ebenfalls nicht entgegen. Aus ihr ergibt sich nicht, dass eine Rückfallebene nicht erforderlich ist. Art. 13 Abs. 1 VO (EU) 913/2010 bestimmt nur, dass der Verwaltungsrat für einen Güterverkehrskorridor eine gemeinsame Stelle für Antragsteller benennt oder gründet, damit diese die Möglichkeit haben, an einem einzigen Ort und in einem einzigen Vorgang Infrastrukturkapazität für Güterzüge, die mindestens eine Grenze entlang des Güterverkehrskorridors überqueren, zu beantragen und diesbezüglich Antworten zu bekommen. Die Vorschrift trifft damit keine näheren Bestimmungen hinsichtlich des Anmeldeverfahrens, sondern regelt nur das Ob der Benennung bzw. Gründung des C-OSS. Es ist auch nicht ersichtlich, warum durch das Vorsehen einer Rückfallebene für eine Anmeldung beim C-OSS die Anmeldung nicht mehr in einem einzigen Vorgang erfolgen würde. Der Anmeldevorgang ist weiterhin einstufig, nur die Form ist eine andere. Dass gegebenenfalls die auf anderem Wege eingereichten Anmeldedaten noch in PCS eingepflegt werden müssen, betrifft nicht mehr die Anmeldung, sondern deren weitere Bearbeitung.
Ein Verstoß gegen Art. 14 Abs. 9 VO (EU) 913/2010 ist ebenfalls nicht gegeben. Unabhängig davon, dass die Vorschrift keine Angaben zu einer konkreteren Ausgestaltung des Verfahrens macht, betreffen die dort genannten Verfahren das Verhältnis zwischen den Betreibern der Infrastruktur und nicht das zwischen diesen und den Zugangsberechtigten. Jedenfalls lässt sich aber auch hieraus nicht ableiten, dass eine Rückfallebene ausgeschlossen ist.
Da das Gericht keine Zweifel an der Vereinbarkeit mit oder der Auslegung von Europarecht hat, bestand kein Anlass, ein Vorabentscheidungsverfahren beim Gerichtshof der Europäischen Union anzustrengen.
Der streitgegenständliche Bescheid ist im Übrigen auch nicht nichtig.
Eine Nichtigkeit folgt nicht daraus, dass die Klägerin – wie sie vorträgt – eine Rückfallebene in allen SGV-Korridoren gegen den Widerstand der Infrastrukturbetreiber anderer Länder durchsetzen müsste. Eine Nichtigkeit i.S.d. § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG wird dadurch nicht begründet. Diese liegt vor, wenn niemand den Verwaltungsakt aus tatsächlichen Gründen ausführen kann. Erfasst wird davon aber nur, dass der Verwaltungsakt etwas tatsächlich objektiv Unmögliches verlangt und nicht bloß tatsächlich subjektives Unvermögen,
Sachs, in: Stelkens/Bonk/ders., Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 44 Rn. 144,
was aber von der Klägerin vorgebracht wird. Dieser Vortrag ist auch nicht geeignet, eine Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG zu begründen. Danach ist die Nichtigkeit eines Verwaltungsaktes gegeben, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offensichtlich ist. Vorliegend ist schon nicht von einer Offensichtlichkeit auszugehen. Dies folgt daraus, dass keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Klägerin sich mit den anderen am SGV-Korridor beteiligten Infrastrukturbetreibern nicht auf irgendeine Art von Rückfallebene – denn allein das wird von ihr verlangt – einigen könnte. Nach Art. 8 Abs. 5 S. 1 VO (EU) 913/2010 fasst der Verwaltungsrat seine Beschlüsse in gegenseitigem Einvernehmen. Damit ist auch die Stimme der Klägerin zur Beschlussfassung erforderlich. Dies gibt ihr wiederum auch ein Einflussmittel, ihre Position im Verwaltungsrat zu vertreten.
Soweit die Klägerin weiter vorträgt, der Bescheid sei wegen praktischer Undurchführbarkeit nichtig, da die PaP-Anmeldung nach dem „Baukastenprinzip“ funktioniere und die Zusammenstellung der Bestellung sich mit einer Papieranmeldung nicht vereinbaren ließe, dass das RNE-Formular auch nicht für die Bestellung von PaPs konzipiert sei und dass weder der C-OSS noch die Klägerin technisch in der Lage oder berechtigt seien, das Dossier für das EVU in PCS einzugeben, ist kein einziger dieser Punkte im Ansatz geeignet, eine Nichtigkeit des Bescheides zu begründen. Dieser Vortrag begründet weder eine tatsächlich objektive Unausführbarkeit i.S.d. § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG, noch legt er substantiiert DAR, dass die Ausführbarkeit des Bescheides nur mit einem so hohen Aufwand oder mit so großen Schwierigkeiten verbunden wäre, dass niemand sie vernünftigerweise in Betracht ziehen könnte,
dafür das letzterer Fall ebenfalls unter § 44 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG analog zu fassen ist: Kopp/Ramsauer, VwVfG, 16. Aufl. 2015, § 44 Rn. 39; Meyer, in: Knack/Henneke, VwVfG, 9. Aufl. 2010, § 44 Rn. 38; a.A. Sachs, in: Stelkens/Bonk/ders., Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Aufl. 2018, § 44 Rn. 145.
Die Klägerin bezieht sich mit ihrem Vortrag lediglich auf die „Undurchführbarkeit“ nach dem Status quo, ohne Bezug zu einer möglichen Umsetzung in der Zukunft. Insbesondere in Bezug auf die Zusammenstellung der PaPs nach dem „Baukastenprinzip“ tritt sie dem Vorbringen der Beklagten, dass die PaP-Angebote der Korridore auch auf den jeweiligen Internetseiten der Korridore veröffentlicht würden, nicht substantiiert entgegen. Hinsichtlich der mangelnden Geeignetheit des RNE-Formulars für PaP-Anmeldungen wären zudem deswegen Ausführungen zu erwarten gewesen, weil die ursprüngliche Fassung der SNB 2016 eine Anmeldung per RNE-Formular vorsieht. Auch eine Nichtigkeit nach § 44 Abs. 1 VwVfG wird durch den Vortrag der Klägerin nicht begründet. Abgesehen davon, dass die von der Klägerin vorgebrachten, oben genannten Punkte bereits nicht offensichtlich im Sinne dieser Vorschrift sind, sind sie qualitativ bereits keine Fehler, die in einem so schwerwiegenden Widerspruch zur geltenden Rechtsordnung und den ihr zugrunde liegenden Wertvorstellungen der Gemeinschaft stehen, dass es unerträglich wäre, wenn der Verwaltungsakt die mit ihm intendierten Rechtswirkungen hätte,
vgl. dazu OVG NRW, Beschluss vom 16.08.2017 – 14 A 2403/15 –, juris Rn. 5.
Der Vortrag der Klägerin ist allerdings im Rahmen der Verhältnismäßigkeit des streitgegenständlichen Bescheides zu berücksichtigen. Auch dort führt er jedoch nicht zu dessen Rechtswidrigkeit, denn die Ermessensausübung der Beklagten ist im Rahmen der gerichtlichen Überprüfung nach § 114 VwGO nicht zu beanstanden. Der Widerspruch gegen die streitgegenständliche Klausel ist insbesondere verhältnismäßig. Er ist geeignet und auch erforderlich. Die Beklagte bedient sich insbesondere deswegen des mildesten Mittels, weil sie der streitgegenständlichen Streichung nur insoweit widerspricht, als dass irgendeine Rückfallebene gegeben sein muss. Damit berücksichtigt sie in ausreichendem Maße die Privatautonomie der Klägerin.
Eine Unzumutbarkeit der Umsetzung des Widerspruchs ist nicht gegeben. Dass die Schaffung einer Rückfallebene für Anmeldungen außerhalb PCS technisch nur unter größtem, der Bedeutung des Zugangsrechts nicht mehr entsprechendem Aufwand möglich wäre, wurde weder substantiiert dargelegt, noch ist dies sonst ersichtlich. Gleiches gilt für eine entsprechende Konzeption des RNE-Anmeldeformulars sowie die Umsetzung des „Baukastenprinzips“ für PaP-Bestellungen bei diesem. Auch hier gilt es zu berücksichtigen, dass die ursprüngliche Fassung der SNB 2016 eine Anmeldung per RNE-Formular gerade vorsieht. Eine Unverhältnismäßigkeit ergibt sich auch nicht daraus, dass die Klägerin, um mit ihren SNB übereinstimmende Regelungen zu schaffen, auf Korridorebene auf eine Rückfallebene zu PCS hinwirken müsste und diese nur im Einvernehmen (vgl. Art. 8 Abs. 5 S. 1 VO (EU) 913/2010) mit den anderen am Korridor beteiligten Infrastrukturbetreibern einrichten könnte. Entscheidend ist nach dem materiellen Recht vorliegend die objektive Sachund Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides in der Form des Widerspruchsbescheides. Zu diesem Zeitpunkt – und im Übrigen auch zum jetzigen Zeitpunkt – bestanden keine Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin eine Rückfallebene nicht auch auf europäischer Ebene durchsetzen könnte, sodass diese auch dort angewandt würde. Europäische Vorschriften stehen dem, wie bereits erläutert, nicht entgegen. Bis auf den Vortrag, dass die anderen Infrastrukturbetreiber „keine Veranlassung [hätten], die Vorstellungen des deutschen Regulierers zu befolgen und umzusetzen“, hat die Klägerin nichts substantiiert vorgebracht, was die Annahme nahelegte, dass die Beklagte davon ausgehen musste, dass auch die Einführung einer Rückfallebene auf europäischer Ebene für die Klägerin nicht durchführbar sein würde. Eine solche Sachlage könnte insofern allenfalls im Rahmen der Vollstreckung des Verwaltungsaktes im Rahmen der Verhältnismäßigkeit Berücksichtigung finden. Hierzu hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll erläutert, dass sie etwaige Hindernisse bei der Umsetzung der Verpflichtung in den angefochtenen Bescheiden, die sich aus der Zusammenarbeit mit anderen Infrastrukturbetreibern im Rahmen der VO (EU) 913/2010 ergäben, bei der Verwaltungsvollstreckung berücksichtigen werde.
Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte darauf abgestellt hat, dass bei technischen Systemen wie PCS – zumindest derzeit – mit Störungen gerechnet werden muss, die zu vorübergehenden Ausfällen führen können. Auch der Vortrag der Klägerin, dass eine Verfügbarkeit von 98,5 % im Jahr bzw. eine maximale Ausfallzeit von 1,5 % im Quartal garantiert würden und ein IT-Helpdesk eingerichtet worden sei, wurde von der Beklagten ermessensfehlerfrei als nicht ausreichend bewertet. Ihr ist darin zuzustimmen, dass 1,35 Ausfalltage im Quartal nicht nur geringfügig sind. Die weitere Erwägung der Beklagten, dass nicht klar sei, was „garantiert“ heiße, wurde von der Klägerin nicht mehr konkretisiert.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Berufung war wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen, § 124a Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Gericht | VG Köln |
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Typ | Urteil |
Datum | 20.04.2018 |
Normen | § 14b, 14d, 14e AEG § 80 Abs. 2 S. 1 ERegG Art. 14 Abs. 1, 9 VO (EU) 913/2010 Art. 27 Abs. 2 i.V.m. Anhang IV RiLi 2012/34/EU, § 4 Abs. 2 i.V.m. Anlage 2 Nr. 3 EIBV |
Stichworte | Schienennutzungsbedingungen, Rechte + Pflichten Infrasturkturbetreiber, Path Coordination System (PCS), Schienengüterverkehrskorridore, Pre-arranged train Paths, Vorrang des Europarechtes, Corridor One Stop Shop |
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