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VG Arnsberg, vom 09.03.1999

Az.: 4 K 1541/98

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Urteil

[...]

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits; die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. sind erstattungsfähig, diejenigen der Beigeladenen zu 2. hingegen nicht.

 

Tatbestand:

Die Beigeladene zu 2. ist Eigentümerin des Grundstückes Gemarkung Li. Flur _ Flurstück 4_. Es handelt sich hierbei um einen Teil des Bahnhofs in Li. . Das streitgegenständliche Grundstück befindet sich zwischen der Ba. -straße im Norden, der Straße „S. -tor“ im Westen und einem vom „S. -tor“ nach Osten abzweigenden Weg, der die Straße „S. -tor“ mit der südöstlich gelegenen „Bö. Straße“ verbindet. Das Grundstück ist dem Bahnbetrieb gewidmet. Östlich der Straße S. -tor und oberhalb der Böschung sowie südlich der Gleisanlagen plant die Beigeladene zu 1. die Errichtung eines Fertigbetonhauses. Das Grundstück wird auch von dem seit dem 10. Dezember 1992 in Kraft getretenen Bebauungsplan Nr. 1_ _ a "S. -tor-Ost" der Klägerin erfaßt, der für diesen Bereich ein Kern-Gebiet festsetzt und das Grundstück als nicht überbaubare Fläche ausweist.

Im Auftrage der Beigeladenen zu 2. beantragte die Beigeladene zu 1. mit Schreiben vom 28. Januar 1997 bei der Beklagten die bauaufsichtliche Genehmigung zur Errichtung eines sogenannten "Point of Present (POP)". Hierbei handelte es sich um ein typgeprüftes FertigteilBetonhaus in Rasterbauweise mit den Maßen 5,96 m breit, 7,18 m lang und 4,30 m hoch, das nicht als Aufenthaltsraum für Personal, sondern ausschließlich als technischer Betriebsraum dienen soll. Der - so zu bezeichnende - Übertragungsknotenpunkt habe die Erweiterung des digitalen Netzes zum Gegenstand, um die nicht ausreichenden vorhandenen Fernmelderäume im vorhandenen Bereich zu ergänzen. In der Anlage sollen verschiedene Techniken installiert werden, die für das wirtschaftliche Betreiben eines Telekommunikationsnetzes erforderlich sind.

Mit Bescheid vom 26. Februar 1997 stellte die Beklagte gegenüber der Beigeladenen zu 1. fest, daß eine Planfeststellung und Plangenehmigung entsprechend den Vorschriften des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG) entfallen. Mit Bescheid vom 5. März 1997 erteilte die Beklagte der Beigeladenen zu 1. die bauaufsichtliche Genehmigung eines POP für Datenübertragungstechnik am Standort Bahnhof Li. , Strecke 17_ _, Bahn-km 1_ _,30.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schriftsatz vom 19. Januar 1998 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie an: Der POP im Bahnhof Li. diene nicht überwiegend dem Betrieb der Eisenbahn. Vielmehr sei er Bestandteil eines bundesweiten Telefonnetzes, das nach dem Fall des Telefonmonopols alle im Rahmen der Telekommunikation möglichen Leistungen übernehmen solle. Die Genehmigung von baulichen Anlagen, die im Rahmen dieses Telefonnetzes errichtet werden müßten, liege nicht im Zuständigkeitsbereich der Beklagten. Insoweit sei es auch unerheblich, daß das Telefonnetz der Beigeladenen zu 1. auch von der Beigeladenen zu 2. in Anspruch genommen werde. Die bauliche Anlage widerspreche den rechtsverbindlichen Festsetzungen des Bebauungsplanes der Stadt Li. Nr. 1_ _ a.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 5. März 1998 zurück. Zur Begründung führte sie an: Nach Auskunft der Bauherren diene der POP unter anderem der Übertragung und Verarbeitung von Daten für die Fahrkartenausgabe, den Güterverkehr und den funkgesteuerten Fahrbetrieb sowie der Fernüberwachung und -steuerung technischer Einrichtungen der Beigeladenen zu 2., insbesondere von Gefahrenmeldeanlagen, Fahrausweisautomaten, Weichenheizungen, Fahrtreppen. Insoweit handele es sich um eine bahnnotwendige Anlage, die nach § 18 AEG zuzulassen sei. Im Rahmen dieser Zulassung sei keine Beteiligung der Stadt Li. erforderlich gewesen, da das Betonfertighaus auf gewidmetem Bahngelände errichtet werden solle. Der Umstand, daß der Übertragungsknotenpunkt zugleich dem Netzausbau für Telekommunikationsdienstleistungen an die Öffentlichkeit diene, führe zu keinem anderen Ergebnis, da auch gemischt genutzte Anlagen zwingend Bahnanlagen seien.

Hiergegen hat die Klägerin am 3. April 1998 die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie vor: Der POP liege im Geltungsbereich des Bebauungsplanes und widerspreche den dort getroffenen Festsetzungen. Die festgesetzte Art der Nutzung - Kerngebiet - und die Größe der überbaubaren Fläche seien so gewählt worden, um an diesem Standort ein Geschäfts- und Parkhaus errichten zu können. Die Genehmigung sei bereits in formeller Hinsicht rechtswidrig, da die Beklagte für die Genehmigung zur Errichtung des POP nicht zuständig gewesen sei. Es sei zweifelhaft, ob der Übertragungsknotenpunkt eine zur Unterhaltung von Schienenwegen oder für den Betrieb der Schienenwege notwendige Anlage sei und damit als Anlage zur Eisenbahninfrastruktur zähle. Der POP werde zur Erbringung von Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit benutzt. Sofern der POP eisenbahninternen Zwecken diene, leide die Genehmigungserteilung an einem Formfehler, da eine Planfeststellung bzw. Plangenehmigung erforderlich gewesen sei. Diese entfalle lediglich bei Änderungen und Erweiterungen von unwesentlicher Bedeutung. Begrifflich sei die Neuerrichtung einer Anlage weder eine Änderung noch eine Erweiterung. Sie - die Klägerin - sei auch in ihren Rechten, insbesondere in ihrer Planungshoheit verletzt, da die Festsetzungen des Bebauungsplanes nicht beachtet worden seien.

Die Klägerin beantragt,

die der Beigeladenen zu 1. erteilte bauaufsichtliche Genehmigung der Beklagten vom 5. März 1997 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 5. März 1998 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt zur Begründung aus: Die Genehmigung sei rechtmäßig. Es handele sich um eine Bahnanlage im Sinne von § 18 AEG. Der POP diene zur. Sicherung des Reise- oder Güterverkehrs. Er stehe in engem räumlichen Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb. Dem stehe nicht entgegen, daß der Übertragungsknotenpunkt zugleich dem Netzausbau für Telekommunikationsleistungen an die Öffentlichkeit diene, da auch gemischt genutzte Anlagen Bahnanlagen seien. Durch die Errichtung des POP sei die gewidmete Bahnanlage "Bahnhof Li. " geändert worden. Hierdurch seien weder öffentliche Belange berührt noch Rechte andere beeinflußt worden. Soweit das Bauvorhaben den Festsetzungen des Bebauungsplanes der Klägerin widerspreche, werde diese hierdurch nicht verletzt, da gewidmete Bahnanlagen der Planungshoheit der Gemeinden entzogen seien.

Die Beigeladene zu 1. beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie führt zur Begründung ihres Antrages aus: Das Bauvorhaben befinde sich auf gewidmetem Bahnbetriebsgelände und diene der Durchführung bahninterner Telekommunikation. Es beinhalte Übertragungs- und vermittlungstechnische Einrichtungen, die unter anderem dazu dienten, den Betrieb der Beigeladenen zu 2. sicherzustellen und zu optimieren. Soweit der Übertragungsknotenpunkt auch dem Netzausbau für Telekommunikationsdienstleistungen für die Öffentlichkeit diene, seien auch gemischt genutzte Anlagen als Bahnbetriebsanlagen anzusehen. Rechte Dritter würden durch die Bahnanlage nicht verletzt.

Die Beigeladene zu 2. hat sich zur Sach- und Rechtslage nicht geäußert und keinen Sachantrag gestellt.

Aufgrund des Beschlusses der Kammer vom 28. Oktober 1998 hat der Berichterstatter die örtlichen Verhältnisse am 21. Januar 1999 in Augenschein genommen. Wegen der dabei getroffenen Feststellungen wird auf die Niederschrift (Blatt 60 bis 62 der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten und der Klägerin Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung zulässig, in der Sache aber unbegründet. Die Klägerin wird durch die der Beigeladenen zu 1. erteilte Baugenehmigung der Beklagten vom 5. März 1997 in der Gestalt ihres Widerspruchsbescheides vom 5. März 1998 nicht in ihren Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).

Hierbei muß das Gericht nicht untersuchen, ob das Bauvorhaben der Beigeladenen zu 1. dem gesamten öffentlichen Baurecht entspricht. Ein Aufhebungsanspruch der Klägerin kommt nämlich nur dann in Betracht, wenn die angefochtene Baugenehmigung gerade gegen solche Vorschriften verstößt, die neben den öffentlichen Interessen auch dem Schutz der Klägerin zu dienen bestimmt sind. Ein solcher Verstoß läßt sich hier weder aus bauplanungsrechtlichen noch aus bauordnungsrechtlichen Gesichtspunkten erkennen.

Die Beklagte und nicht die Klägerin war zunächst für die Erteilung der bauaufsichtlichen Genehmigung des "Point of Present - POP -" am Standort des Bahnhofs Li. , Strecke 17_ _, Bahn-km 1_ _,30 zuständig. Dies ergibt sich aufgrund des § 3 des Gesetzes über die Eisenbahnverkehrsverwaltung - BEVerkVwG - (vom 27. Dezember 1993, BGBl. I S. 2394) in Verbindung mit § 4 Abs. 2 AEG (vom 27. Dezember 1993, BGBl. I S. 2396), wonach die Bauaufsicht, einschließlich der Baufreigaben, für Betriebsanlagen der Eisenbahn des Bundes dem Eisenbahn-Bundesamt obliegen.. Dies entspricht insoweit auch der landesrechtlichen Regelung der Bauordnung, die solche Anlagen gerade aus ihrem Zuständigkeitsbereich herausnimmt. Nach § 1 Abs. 2 der Bauordnung für das Land Nordrhein-Westfalen (BauO NW) gelten die baurechtlichen Bestimmungen nämlich nicht für Anlagen des öffentlichen Verkehrs. Verkehrsanlagen in diesem Sinne sind auch Bahnanlagen,

vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW), Urteil vom 27. April 1998 - 7 A 3818/96 -.

Bei dem von der Beklagten genehmigten Bauvorhaben des POP bzw. des Übertragungsknotenpunktes handelt es sich um eine Bahnanlage. Der Begriff der Bahnanlage ist vom Gesetzgeber durch das Eisenbahnneuordnungsgesetz vom 27. Dezember 1993 nicht geändert worden. Bahnanlagen sind deshalb alle Grundstücke, Bauwerke und sonstige Einrichtungen einer Eisenbahn, die unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse zur Abwicklung oder Sicherung des Reise- oder Güterverkehrs auf der Schiene erforderlich sind (vgl. Auch § 4 Abs. 1 der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung [vom 8. Mai 1991, BGBl. I, S. 1098]). Dazu gehören auch Nebenbetriebseinrichtungen sowie sonstige Anlagen einer Eisenbahn; die das Be- und Entladen sowie den Zu- und Abgang ermöglichen oder fördern. Gemeinsames Kriterium für die (objektive) Zugehörigkeit zu einer Bahnanlage ist unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse die sogenannte Eisenbahnbetriebsbezogenheit, d.h. die Verkehrsfunktion und der räumliche Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb,

vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 27. November 1996 - 11 A 2.96 - in: Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht (NVwZ) 1997, 920 (921); OVG NW, aaO.; OVG NW, Urteil vom 19. Dezember 1997 - 7 A 6271/95 - in: Baurechtssammlung (BRS) Bd. 59, Nr. 154.

Der rechtliche Charakter solcher Bahnanlagen richtet sich ausschließlich nach den objektiven Kriterien, d.h. insbesondere danach, ob sie - neben der räumlichen Einbindung in den Bahnbetrieb - auch die erforderliche Verkehrsfunktion haben,

vgl. OVG, aaO.

Die tatsächlichen Voraussetzungen für die Eigenschaft als Betriebsanlage der Eisenbahn liegen hinsichtlich des POP vor. Nach der Baubeschreibung des POP und den Feststellungen des Berichterstatters anläßlich der Ortsbesichtigung, die er der . Kammer anhand der Unterlagen in den Verwaltungsvorgängen der Beteiligten vermittelt hat, wird der Übertragungsknotenpunkt primär für die bahnbetriebliche Telekommunikation genutzt. Das Stationsgebäude der Beigeladenen zu 1. enthält eine Unmenge technischer Anschlüsse, Leitungen und Computertechnik, die nach den glaubhaften Ausführungen der Mitarbeiter der Beigeladenen zu 1., der Beigeladenen zu 2. und Vertreter der Beklagten betriebswichtige Anwendungen für die Telekommunikationstechnik der Deutschen Bahn darstellen. Die gesamte dort installierte Technik dient danach für die Übertragung und Verarbeitung von Daten für die Fahrkartenausgabe, den Güterverkehr, den funkgesteuerten Fahrbetrieb (FFB) sowie der Fernüberwachung und Steuerung technischer Einrichtungen der Beigeladenen zu 2., insbesondere von Gefahrenmeldeanlagen, Fahrausweisautomaten, Weichenheizungen und Vernetzung von Betriebszentralen und Rechnerstellwerken (ESTW) etc. Die technischen Einrichtungen dienen ferner dem Funk- und Festnetzbetrieb der Beigeladenen zu 2. Mit diesen Leitungsnetzen werden Züge informiert, der Güterfernverkehr überwacht und gesteuert sowie Fahrkartenschalter mit Informationen versorgt. Im weiteren sind über diese Grundeinrichtungen hinaus bereits die Voraussetzungen für ein sogenanntes GSM-Rail (Global Switching for Mobile-Systems - Railways) geschaffen worden. Darüber hinaus dient der Übertragungsknotenpunkt auch der Vermittlung von Telefonaten aus dem Festnetz zum Festnetz (call by call) bzw. aus dem Festnetz zum Funknetz sowie innerhalb des Funknetzes. Die Errichtung des POP ist somit eine bauliche Anlage, die in. unmittelbarem Zusammenhang mit den Aufgaben der Beigeladenen zu 2. steht. Der POP ist unter Berücksichtigung seines Standortes auf dem Gelände des Bahnhofs Li. und seiner technischen Anbindungen gerade darauf angelegt, die Sicherung des Reise- und Güterverkehrs auf der Schiene abzuwickeln. Dementsprechend besteht nicht nur ein räumlicher Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb der Beigeladenen zu 2., vielmehr weist der Übertragungsknotenpunkt auch einen unmittelbaren Bezug zur Verkehrsfunktion der Deutschen Bahn auf, so daß die Eisenbahnbetriebsbezogenheit vorliegt.

Die Klägerin wird durch die bauaufsichtliche Genehmigung des POP durch das Eisenbahnbundesamt nicht rechtswidrig in eigenen Rechten, namentlich in ihrem Recht auf Planungshoheit als Ausfluß der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie des Art. 28 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG),

vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Dezember 1969 - IV C 105.66 - in: BVerwGE 34, 301; ferner Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, 2. Aufl., 1998, Rdnr. 78 ff.; ders., in: Hoppenberg, Handbuch des öffentlichen Baurechts, B Rdnr. 10 ff.,

verletzt (vgl. auch §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 BauGB). Das Bauvorhaben soll auf einem Grundstück verwirklicht werden, das sich nach den Feststellungen des Gerichts und nach übereinstimmender Ansicht aller Beteiligten auf einer Fläche befindet, die gemäß Art. 87e Abs. 3 Satz 2 GG im Eigentum der Beigeladenen zu 2. steht und vor langer Zeit für die Benutzung durch jedermann für Bahnzwecke gewidmet. worden ist. Damit unterfällt der POP, der - wie bereits ausgeführt - als eine dem Bahnbetrieb zugehörige Anlage zu werten ist, und das streitgegenständliche Grundstück dem Vorbehalt zugunsten von Fachplanungen. gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 BauGB. Der Fachplanungsvorbehalt betrifft insoweit nicht nur die Anwendbarkeit der §§ 29 ff. BauGB, sondern beschränkt auch die Gemeinde im Gebrauch ihrer Planungshoheit (§§ 1 ff. BauGB) in Bezug auf die dem Eisenbahnrecht als vorrangigem Fachplanungsrecht unterliegende Bahnanlage,

vgl. dazu Stüer, Handbuch des Bau- und Fachplanungsrechts, Rdnr. 1688.

Die Klägerin als Trägerin der kommunalen Planungshoheit im Bereich ihres Stadtgebietes ist demnach gehindert, durch ihre Bauleitplanung in die Planungskompetenzen der Beklagten und in die zweckentsprechende Nutzung des Bahngeländes eingreifen. Sie ist nicht befugt, im Bereich einer gewidmeten Bundesbahnanlage einen Bebauungsplan in Kraft zu setzen, solange die zu beplanende Fläche ihren Rechtscharakter als Bahnanlage nicht verloren hat,

vgl. BVerwG, Urteil vom 16. Dezember 1988 - 4 C 48.86 - in: BVerwGE 81, 111, geschweige denn, für den gewidmeten Bahnbereich durch Bebauungsplan ein allgemeines Bauverbot festzusetzen,

vgl. insoweit OVG NW, Urteil vom 19. Dezember 1997 - 7 A 6271/95 - in: BRS Bd. 59, Nr. 154.

Die ursprüngliche Eigenschaft als Bahnanlage (Bahnhof Li. ) hat das Grundstück zwischenzeitlich auch nicht verloren. Eine Entwidmung des Grundstückes bzw. der streitgegenständlichen Fläche bzw. des POPs im hier betroffenen Bereich liegt nicht vor. Eine Funktionslosigkeit in Anlehnung an die insoweit für bauplanerische Festsetzungen geltenden Grundsätze ist ebenfalls nicht anzunehmen. Diese wäre nur dann gegeben, wenn und soweit die Verhältnisse, auf die sich die Festsetzung bezieht, in der tatsächlichen Entwicklung einen Zustand erreicht haben, der eine Verwirklichung der Festsetzung auf unabsehbare Zeit ausschließt, und die Erkennbarkeit dieser Tatsache einen Grad erreicht hat, der einem etwa dennoch in der Fortgeltung der Festsetzung gesetzten Vertrauen die Schutzwürdigkeit nimmt. Bezogen auf Bahnanlagen bedeutet dies, daß die Nutzung für eine sogenannte Eisenbahnbetriebsbezogenheit, d.h. für die Verkehrsfunktion und den räumlichen Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen erscheint,

vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Juni 1993 - 4 C 7.91 - in: BRS 55 Nr. 34, OVG NW, Urteil vom 19. Dezember 1997, aaO.

Gemessen an diesen Kriterien steht der POP als Bahnanlage nach wie vor im Eigentum der Beigeladenen zu 2. und wird von der eisenbahnrechtlichen Widmung umfaßt. Insoweit steht ebenfalls fest, daß die Klägerin durch die bauaufsichtliche Genehmigung der Beklagten nicht in ihrem - insoweit allein in Betracht kommenden - Recht auf Planungshoheit verletzt wird. Da der streitgegenständliche Bereich der kommunalen Planungshoheit aufgrund des Fachplanungsvorbehaltes des § 38 BauGB entzogen ist, durfte die Klägerin ihren Bebauungsplan Nr. 1_ _ a nicht auf die Fläche der Beigeladenen zu 2. erstrecken. Welche weiteren Konsequenzen sich daraus für den Bebauungsplan ergeben, braucht die Kammer an dieser Stelle nicht zu untersuchen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin war für die Errichtung des POP auch keine Planfeststellung oder eine Plangenehmigung nach dem allgemeinen Eisenbahnrecht erforderlich. Zwar dürfen Betriebsanlagen der Eisenbahn nach § 18 Abs. 1 bzw. § 18 Abs. 2 AEG nur gebaut oder geändert werden, wenn dies zuvor durch einen Plan bzw. an dessen Stelle durch eine Plangenehmigung festgestellt worden ist. Nach § 18 Abs. 3 AEG entfallen Planfeststellung und Plangenehmigung jedoch bei Änderungen und Erweiterungen von unwesentlicher Bedeutung. Fälle unwesentlicher Bedeutung liegen insbesondere vor, wenn 1. andere öffentliche Belange nicht berührt sind oder die erforderlichen behördlichen Entscheidungen vorliegen und sie dem Plan nicht entgegenstehen und 2. Rechte anderer nicht beeinflußt werden oder mit dem vom Plan Betroffenen entsprechende Vereinbarungen getroffen wurden.

Vorliegend kann es dahinstehen, ob es zur Errichtung des Übertragungsknotenpunktes grundsätzlich sachgerecht oder gar zwingend geboten war, ein bahnrechtliches Planfeststellungsverfahren durchzuführen. Solange jedenfalls die bahnrechtliche Zweckbestimmung des hier betroffenen Geländes nicht entweder durch einen eindeutigen Hoheitsakt in Form der Entwidmung aufgehoben ist oder die Bahnanlage nach Maßgabe der zu bauleitplanerischen Festsetzungen entwickelten Grundsätze nicht funktionslos geworden ist, greift der Fachplanungsvorbehalt ein mit der Folge, daß die kommunale Planungshoheit der Klägerin eingeschränkt ist. Insoweit ist die kommunale Planungshoheit für solche Flächen gerade nicht einschlägig mit der Folge, daß die Klägerin nicht in eigenen Rechten betroffen wird. Da die Planfeststellung auch im öffentlichen Interesse erfolgt, wird die Klägerin auch nicht in möglichen nachbarschützenden Rechten betroffen

vgl. zur fehlenden drittschützenden Wirkung im Planfeststellungsverfahren BVerwG, Beschluß vom 9. Februar 1996 - 11 VR 46/95 - in: NVwZ 1996, 1023; VGH BadenWürttemberg, Beschluß vom 17. März 1997 - 10 S 3305/96 - in: NVwZ 1998, 76 6.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. für erstattungsfähig zu erklären, da sie einen eigenen Sachantrag gestellt und sich damit einem eigenen Kostenrisiko ausgesetzt hat. Dementsprechend entsprach es der Billigkeit, die Kosten der Beigeladenen zu 2. nicht für erstattungsfähig zu erklären.

Gericht VG Arnsberg
Datum 09.03.1999
Normen § 18 AEG; § 38 BauGB; § 1 BauONW
Stichworte „Point of Present (POP)“ - Übertragungsknotenpunkt; POP, Bahnbetriebsanlagen, Bebauungsplan; Fachplanungsvorbehalt

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