VGH München, Urteil vom 22.07.2019
Az.: 22 B 18.186
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1. Die Betriebspflicht für eine Eisenbahnstrecke besteht unabhängig von der tatsächlichen Abwicklung von Zugverkehr.
2. Beim Übernahmeangebot gemäß § 11 Abs. 1 Satz 3 AEG kann die Strecke in dem Zustand angeboten werden, wie sie „steht und liegt“. Es besteht keine Pflicht, nur in betriebsfähigem Zustand befindliche Strecken anzubieten. Somit können auch Übernahmeangebote den „in diesem Bereich üblichen Bedingungen“ entsprechen, die dem Übernahmeinteressenten keinen Ausgleich für Instandhaltungs- und Reparaturinvestitionen anbieten.
Verfahrensgang:
Vorangehend VG München, Urteil v. 01.12.2016 – Az.: M 24 K 16.1172
Nachgehend BVerwG, Urteil v. 05.11.2020 – Az.: 3 C 15.19
Tenor:
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens sowie die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die anderen Beteiligten vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
IV. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
1 Die Parteien streiten um die Rechtmäßigkeit einer der beigeladenen Stadt mit Bescheid des Beklagten vom 12. Februar 2016 erteilten eisenbahnrechtlichen Genehmigung nach § 11 AEG zur dauerhaften Einstellung des Betriebs einer Eisenbahnstrecke.
2 Im Jahr 1902 wurde der Betrieb der Eisenbahnstrecke zwischen dem Bahnhof Reitmehring und der Altstadt von Wasserburg am Inn aufgenommen. Im Stadtgebiet Wasserburg am Inn verlief die Bahnstrecke 5711 Wasserburg (Inn) - Wasserburg (Inn) Stadt (nachfolgend: Altstadtbahnstrecke). Die Altstadtbahnstrecke stellte die ca. 4 km lange Verbindung von Wasserburg-Bahnhof in die Altstadt her. Seit einem Hochwasserschaden im Jahr 1987 war die Altstadtbahnstrecke für den Zugbetrieb gesperrt und nicht befahrbar. Früherer Grundstückseigentümer dieser Strecke war die DB Netz AG. Von dieser hatte die DB RegioNetz Infrastruktur GmBH die Eisenbahnstrecke gepachtet und als Eisenbahninfrastruktur betrieben. Die Schäden an der Strecke wurden nicht repariert und die Strecke offenbar auch sonst nicht instand gehalten.
3 Im Jahr 2003 sollte die Strecke stillgelegt werden. Dabei einigten sich im Rahmen des Stilllegungsverfahrens die DB Netz AG und die DB RegioNetz Infrastruktur GmBH vertraglich mit der beigeladenen Stadt, dass diese die Altstadtbahnstrecke im Wege des Streckenkaufes übernimmt. Die Beigeladene kaufte die Strecke dabei wie sie „steht und liegt“; sie wurde dabei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Strecke aufgrund Unwetterfolgen seit 1987 nicht befahrbar ist und dass die Pächterin der Strecke (die DB RegioNetz Infrastruktur GmBH SüdostBayernBahn, im Folgenden: RNI) Instandhaltungsmaßnahmen „auf Grund der ungewissen Erkenntnis über künftige Trassennutzungen zurückgestellt hat“. Die Herstellung der Befahrbarkeit obliege der Erwerberin.
4 Die Beigeladene beantragte mit Schreiben vom 7. Dezember 2003 beim damals zuständigen Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie ihre Zulassung als Eisenbahninfrastrukturunternehmen gemäß § 6 AEG für die Dauer von 50 Jahren. Mit der Betriebsführung werde die RNI beauftragt, mit der eine entsprechende Kooperationsvereinbarung geschlossen worden sei. Die Beigeladene erhielt mit Bescheid vom 15. Januar 2004 die Genehmigung zum Betreiben der Eisenbahnstrecke zwischen Streckenkilometer 0,371 und Streckenkilometer 4,300. Im Bescheid ist unter „Nebenbestimmungen und Hinweise“ ausgeführt, dass der Beigeladenen mit Übergang der Betriebsführung die Verpflichtung nach § 4 Abs. 1 AEG obliege. Nach formeller Übergabe der Betriebsführung und Anzeige an das Ministerium teilte dieses mit gesondertem Schreiben vom 29. April 2004 mit, dass der Beigeladenen nunmehr die Betriebs- und Verkehrssicherungspflichten oblägen. Bezüglich der vorhandenen Ingenieurbauwerke seien die einschlägigen Prüffristen und Vorschriften auch einzuhalten, wenn kein Eisenbahnverkehr stattfinde.
5 Ein Zugverkehr wurde in der Folgezeit nicht aufgenommen. Die Regierung von Oberbayern als zuständige Aufsichtsbehörde setzte die Betriebspflicht/Unterhaltungspflicht auf Bitten des zuständigen Ministeriums (Bl. 66 der Akten: „... bitte ich, von etwaigen Maßnahmen zur Durchsetzung der Betriebspflicht abzusehen, solange nicht Dritte eine Beschränkung ihrer Rechte konkret vortragen“) nicht durch.
6 Im Dezember 2010 kam ein von der Beigeladenen in Auftrag gegebenes Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Kosten für die Gleisreaktivierung über 9 Millionen Euro und für den Unterhalt während der ersten 10 Jahre über 1,6 Millionen Euro betragen würden. Die Beigeladene strebte daraufhin das Ende der Betriebspflicht und der bahnrechtlichen Widmung an. Die Stilllegungsabsicht wurde 2012 im Bundesanzeiger gemäß § 11 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 AEG bekannt gemacht. Daraufhin meldeten sich innerhalb der vorgegebenen Dreimonatsfrist zwei übernahmewillige Bewerber, nämlich die Klägerin und eine andere GbR. Die Beigeladene unterbreitete den beiden Bewerbern jeweils das gleiche Angebot für einen Pachtvertrag und führte Sondierungsgespräche. Nach den Vorstellungen der Klägerin sollte die Finanzierung im Wesentlichen durch einen finanziellen Beitrag der Beigeladenen in Höhe von über 1,4 Millionen Euro sichergestellt werden. Dies entsprach einem von der Klägerin im Rahmen eines Wiederherstellungskonzepts prognostizierten Kostenrahmen. Die notwendige Eisenbahnerfahrung im Sinne von § 6 AEG sollte für die Klägerin über die ... (* ...-GmBH) sowie die ... GmBH eingebracht werden. Die Klägerin stellte im Laufe der Verhandlungen klar, dass eine finanzielle Beteiligung der Beigeladenen unumgänglich sei, der Fortschritt von Bauleistungen hänge in jedem Fall von Höhe und Zeitpunkt der städtischen Zahlung ab. Bei der Klägerin seien derzeit keine wesentlichen Eigenmittel vorhanden, eine vollständige Finanzierung könne erst nach der verbindlichen finanziellen Zusage durch die Stadt erfolgen.
7 Die Verhandlungsposition der Beigeladenen änderte sich im Zuge der Verhandlungen. Während im ersten Pachtvertragsentwurf noch ein symbolischer Pachtzins von 1 Euro in Aussicht genommen worden war, erklärte sich die Beigeladene im Zuge der Verhandlungen bereit, im Falle eines Vertragsschlusses an die Klägerin einen Betrag von zuletzt 440.000 Euro zu zahlen, was in etwa der Summe für ersparte Unterhaltungskosten seit Übernahme der Strecke entsprechen sollte. Zu einem Vertragsschluss kam es jedoch nicht. Die Klägerin forderte einen finanziellen Ausgleich für die vollständige Wiederherstellung der maroden Strecke.
8 Die Beigeladene beantragte mit Schreiben vom 13. November 2015 beim nunmehr zuständigen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr die Genehmigung der Stilllegung der Altstadtbahnstrecke gemäß § 11 AEG. Sie habe den Bewerbern ein abschließendes Pachtangebot unterbreitet, das jedoch von keinem Bewerber angenommen worden sei. Ihr Stadtrat habe deshalb entschieden, keine weiteren Verhandlungsbeschlüsse zu fassen. Gegenüber dem Ministerium vertrat die Klägerin mit Schreiben vom 4. Januar 2016 die Auffassung, die Eisenbahninfrastruktur sei auf Grund der Betriebspflicht des Betreibers in betriebsfähigem Zustand zu übergeben, weswegen der aktuelle Betreiber die unterlassene bzw. von ihm eingesparte Instandsetzung entweder selbst vorzunehmen oder dem neuen Betreiber in Form einer finanziellen Ablösesumme auszugleichen habe. Die Verhandlungen mit der Beigeladenen seien nicht als gescheitert anzusehen, sondern als von der Beigeladenen einseitig abgebrochen.
9 Die Klägerin war im Rahmen der Sondierungsgespräche und im Zuge der Verhandlungen, aber auch im Verwaltungsverfahren gegenüber dem Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr stets in der Gestalt aufgetreten, die im Briefkopf ausgeführt war: „... ... GbR, Postfach ..., D- ... ...“. Im unteren Bereich der ersten Briefseite war formuliert: „... ... GbR: ... GmBH, ... (EVU und EIU), ... GmBH ... (EVU und EIU), ... Eisenbahndienstleistungen, ..., ... ... ..., unter Angabe der oben genannten Postanschrift.
10 Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 12. Februar 2016 erteilte das Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr der Beigeladenen die Genehmigung nach § 11 AEG zur dauernden Einstellung des Bahnbetriebs (Stilllegung) für die Bahnstrecke 5711 Wasserburg (Inn)-Bahnhof - Wasserburg (Inn)-Stadt im räumlichen Umfang der Betriebsgenehmigung vom 15. Januar 2004. Dieser Bescheid enthielt keine Begründung. In der Verwaltungsakte ist lediglich ein Aktenvermerk vom 12. Februar 2016 (Bl. 746 der Akten) mit Erwägungen zu den Voraussetzungen der Stilllegung enthalten.
11 Mit undatierter Klageschrift, beim Verwaltungsgericht München eingegangen am 9. März 2016, beantragte der Bevollmächtigte der Klägerin,
12 den Stilllegungsbescheid vom 12. Februar 2016 aufzuheben.
13 Die Klagepartei wurde dabei im Rubrum der Klageschrift wie folgt bezeichnet:
14 „ ... ... GbR“, vertreten durch drei einzeln aufgeführte Gesellschafter. Der Klageschrift lagen zwei Vollmachten bei, nämlich zum einen ein Vollmachtsdokument, das gleichzeitig von Vertretern der ... GmBH als auch von ... ... ... e. V. unterzeichnet ist, und zum anderen ein weiteres Vollmachtsdokument, das vom Geschäftsführer der ... Eisenbahndienstleistungen Unternehmergesellschaft unterzeichnet ist. Mit Schriftsatz vom 17. März 2016 teilte der Klägerbevollmächtigte unter anderem mit, es sei richtig, dass die Klägerin aus vier Gesellschaftern bestehe. Die Gesellschafter der Klägerin hätten in einer Sitzung am 25. Februar 2016 vereinbart – und damit den Gesellschaftsvertrag gemäß §§ 709, 714 BGB modifiziert – dass künftig nur mindestens zwei Gesellschafter zusammen Vertretungsmacht haben sollen. Im Übrigen sei vereinbart worden, die ... GmBH (***) mit deren ausdrücklicher Billigung wegen ihrer räumlichen Entfernung und wegen interner Gründe fortan gleichsam nur noch als stille Gesellschafterin der Klägerin, die nicht nach außen auftrete, zu führen. Hierzu wurden mehrere Dokumente zum Beleg vorgelegt.
15 Mit Urteil vom 1. Dezember 2016 wies das Verwaltungsgericht München die Klage ab. Die Klage sei wegen fehlender Klagebefugnis unzulässig. Zwar könne § 11 AEG abstrakt gesehen übernahmewilligen Dritten durchaus subjektive Rechte vermitteln. Jedoch führten die am 25. Februar 2016 vorgenommenen gesellschaftsvertraglichen Änderungen dazu, dass sich die Klägerin in ihrer zwischenzeitlichen Form nicht mehr auf ein solches Recht berufen könne. Unabhängig davon sei § 11 AEG nur als eingeschränkt drittschützend zu interpretieren. Die Norm entfalte drittschützende Wirkung nur dann, wenn der jeweilige Verhandlungspartner in qualifizierter und individualisierter Form in seinen wirtschaftlichen Interessen beeinträchtigt sei, was vorliegend wegen der nicht unerheblichen Ablösezahlungsbereitschaft der Beigeladenen nicht ersichtlich sei, jedenfalls aber unter Berücksichtigung der gesellschaftsvertraglichen Änderungen der klagenden GbR nicht angenommen werden könne. Ein subjektives Abwehrrecht der Klägerin scheide vorliegend schon deswegen aus, weil die gesellschaftsrechtliche Verfasstheit der klagenden GbR während des gerichtlichen Verfahrens nicht mehr derjenigen im Zeitpunkt der Angebotsaufforderung gegenüber der Beigeladenen entspreche und diese Änderungen auch das Außenverhältnis zur Beigeladenen betreffe. Der Umstand, dass eine GbR trotz eines Wechsels im Mitgliederbestand gesellschaftsrechtlich fortbestehen könne, führe nicht dazu, dass im Kontext des § 11 AEG die Frage eines subjektiven Abwehrrechts der übernahmewilligen GbR von einer Änderung des Gesellschaftsvertrags völlig unabhängig wäre. Es gehe nämlich hier um die eisenbahnrechtliche Frage, welche Konsequenzen eine solche gesellschaftsvertragliche Änderung auf ein subjektives Abwehrrecht aus § 11 AEG habe. Diese könnte dann relevant werden, wenn sich bei einer Personengesellschaft sukzessive Änderungen ergäben, die sich auf die Haftung der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter sowie auf ihre Eisenbahnerfahrung gegenüber dem Abgebenden des Angebots auswirken könnten. Auch im Hinblick auf die Frage der Eisenbahnerfahrung handle es sich nicht mehr um denselben Verhandlungspartner, der die Beigeladene zu einem Angebot aufgefordert habe. Die gesellschaftsvertraglichen Änderungen führten dazu, dass die klagende GbR in ihrer zwischenzeitlichen Form kein subjektives Recht aus § 11 AEG für sich in Anspruch nehmen könne.
16 Unabhängig von den Auswirkungen der vorgenommenen gesellschaftsvertraglichen Änderungen scheitere ein subjektives Abwehrrecht der Klägerin auch daran, dass die formalen Verfahrensvorgaben des § 11 AEG von der Beigeladenen eingehalten worden seien. Nicht jeglicher objektiv-rechtliche Verstoß hinsichtlich der in § 11 AEG genannten inhaltlichen Kriterien könne zu einem korrespondierenden subjektiven Abwehrrecht führen. Es spreche einiges dafür, dass die materiell-rechtliche Frage der Angemessenheit des Angebots allein der Prüfung der Genehmigungsbehörde obliege und insoweit Drittschutz nicht vermittelt werde. Dies könne die Kammer aber letztlich offen lassen, weil auch bei einer Annahme von Drittschutz der Klägerin insoweit kein subjektives Abwehrrecht zustünde, und zwar mangels eines qualifizierten und individualisierten Betroffenseins. Dafür spreche der Umstand, dass § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG gerade von einer Prüfungskompetenz der staatlichen Genehmigungsbehörde ausgehe. Unabhängig davon seien „Verhandlungen“ im Sinn von § 11 AEG als ergebnisoffene Vorgänge zu sehen, die maßgeblich von der gegenseitigen Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit beider Verhandlungspartner abhingen. Je konkreter und weitgehender der bisherige Streckenbetreiber Positionen in die Verhandlungen einbringe, desto höhere Anforderungen seien an ein subjektives Abwehrrecht des Übernahmewilligen zu stellen. Die Klägerin habe auf das letzte Angebot der abgebenden Beigeladenen hin nicht dargelegt, inwiefern sie sich im Falle der von ihr erwarteten Beteiligung der Beigeladenen selbst an dem Projekt mit eigenen Investitionen beteiligen würde. Allein mit der Kritik, das Angebot des Abgebenden bleibe hinter ihren Vorstellungen zurück, könne jedenfalls ein subjektives Abwehrrecht nicht begründet werden. Auch ein angenommener Verstoß der Beigeladenen gegen die Betriebspflicht für die Strecke helfe nicht weiter, denn die Einforderung der Erfüllung der Betriebspflicht sei nicht Sache des drittanfechtenden Übernahmewilligen, sondern obliege vielmehr der staatlichen Eisenbahnaufsicht und diene nicht dazu, etwaige Übernahmewillige zu schützen.
17 Gegen dieses Urteil wurde mit Beschluss vom 17. Januar 2018, dem Bevollmächtigten der Klägerin zugestellt am 25. Januar 2018, die Berufung zugelassen.
18 Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2018, beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen am 23. Februar 2018, beantragt die Klägerin,
19 das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 1.12.2016 zu ändern und die der Beigeladenen erteilte Stilllegungsgenehmigung des Beklagten vom 12.02.2016 aufzuheben.
20 Die Klage sei zulässig, die Klägerin verfüge über die notwendige Klagebefugnis im Sinn des § 42 Abs. 2 VwGO. § 11 AEG habe drittschützende Wirkung für übernahmewillige Dritte, was sich schon aus dem Aufforderungsrecht des § 11 Abs. 1a Satz 3 AEG ergebe. Damit gehe das Recht des Dritten einher, ein den gesetzlichen Vorgaben - insbesondere zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen - entsprechendes Angebot auch unterbreitet zu erhalten. § 11 AEG schütze die Interessen Dritter, die ernsthaft gewillt seien, die Eisenbahninfrastruktureinrichtung zu übernehmen. Das Verwaltungsgericht habe § 11 AEG falsch ausgelegt. Dass die gesellschaftsrechtliche Verfasstheit der klagenden GbR nicht mehr derjenigen im Zeitpunkt der Angebotsaufforderung entsprochen habe und diese Änderung auch das Außenverhältnis zur Beigeladenen betroffen habe, treffe schon inhaltlich nicht zu und wäre im Übrigen auch kein hinreichender Grund, um die Klagebefugnis zu verneinen. Insbesondere sei vorliegend kein Gesellschafter ausgeschieden. Nur in ihrem Innenverhältnis und bei der Vertretungsmacht nach außen sei es im Verlauf des Stilllegungsverfahrens zu den genannten Veränderungen gekommen. Die vom Gericht herangezogene nach Außen wirkende Haftung der einzelnen Gesellschafter sei hingegen nicht in für die Beigeladene rechtlich relevanter Weise verändert worden. Eine GbR sei anerkannt rechtsfähig, der Mitgliederbestand habe sich vorliegend nicht geändert.
21 § 11 AEG solle möglichst den Erhalt der bestehenden Infrastruktur, nicht aber den Schutz des Altbetreibers gewährleisten. Bezüglich der Haftung sei lediglich in Bezug auf das hiesige Verfahren im Protokoll der Gesellschafterversammlung der Klägerin eine Nichtbelastung der ... mit den Prozesskosten dieses Verfahrens vereinbart worden. Dies belege aber doch, dass eine allgemeine Nichthaftung der ... im gesellschaftsrechtlichen Sinn nicht vereinbart worden sei. Denn dann hätte es dieser gesonderten Vereinbarung für diesen Fall gerade nicht bedurft. Der Beklagte als zuständige Aufsichts- und Genehmigungsbehörde habe erst vor Erteilung der für den Betrieb der Strecke nötigen Unternehmensgenehmigung nach § 6a und § 6c AEG im Einzelnen die finanzielle Leistungsfähigkeit der klagenden GbR zu prüfen. Mehr sei für das Eisenbahnrecht und dessen Schutzwirkung nicht von Interesse. Hinsichtlich der vom Verwaltungsgericht ebenfalls zur Begründung herangezogenen Eisenbahnerfahrung sei zu betonen, dass die Fachkunde und fachliche Eignung eines Infrastrukturbetreibers eine Voraussetzung für die Erteilung der künftig von der Klägerin benötigten Unternehmensgenehmigung sei, die ihr aber allein schon durch ihre Gesellschafterin ... GmBH als fachkundigem Infrastrukturbetreiber vermittelt werde. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts reduziere § 11 AEG gleichsam auf eine leere Hülle mit einem Anspruch lediglich auf ein inhaltlich überhaupt nicht näher eingegrenztes Angebot. Damit hätten es stilllegungswillige Altbetreiber in der Hand, durch ein möglichst unattraktives Angebot an Interessierte die dann bloß formale Pflicht des § 11 AEG schnell zu erfüllen und ihre erstrebte Stilllegungsgenehmigung zu erhalten. Auch habe die Beigeladene der Klägerin immer nur einen Pachtvertrag und entgegen § 11 AEG nie auch einen Kaufvertrag angeboten. Auf den ersten Vertragsentwurf der Beigeladenen habe die Klägerin mit einem veränderten Vertragsentwurf reagiert. Dieser sei jedoch in den Verhandlungsterminen nicht verhandelt worden. Erst nach dem letzten Treffen sei der ursprüngliche Vertragsentwurf von der Beigeladenen der Klägerin fast unverändert nochmals übermittelt worden. Auf Änderungswünsche der Klägerin sei nicht eingegangen worden. Insbesondere sei ein zeitlich bestimmter Ablauf der Wiederherstellung der Strecke eingefordert worden, nämlich die Wiederherstellung des abgerutschten Dammes als erste Maßnahme, der dem vorgelegten Konzept der Klägerin widerspreche. Es habe sich der Eindruck verstärkt, dass die Beigeladene die Verhandlungen mit dem Ziel des Scheiterns geführt habe. Dazu passe inhaltlich, dass die ... GmBH mehrfach bei der Beigeladenen Fahrplantrassen, zuletzt auch mit Werktagsverkehr, bestellt habe, die von der Beigeladenen jedoch unter Verstoß gegen das Netzzugangsrecht abgelehnt worden seien. Auch die Annahme des Verwaltungsgerichts, die von der Klägerin gerügte fehlende Üblichkeit des Angebots sei irrrelevant, sei unhaltbar, weil auch damit dem Schutzzweck der Norm nicht entsprochen werde. Das Verwaltungsgericht habe auch verkannt, dass die Beigeladene sehr lange unter Billigung des Beklagten ihre Betriebspflicht verletzt und damit Instandhaltungsrückstände in der nun von der Klägerin geforderten Höhe verursacht habe. Derartige Rückstände seien bei der Üblichkeit des Angebotes zu berücksichtigen und würden in der Praxis auch berücksichtigt. Wenn der Klägerin dann vorgehalten werde, sie habe auf das letzte Angebot der Beigeladenen nicht dargelegt, inwieweit sie sich selbst mit eigenen Investitionen beteiligen würde, bleibe offen, wo und wie sie das hätte tun können, nachdem die Beigeladene weitere Verhandlungen explizit abgelehnt habe. Tatsächlich habe die Klägerin bereits schon jetzt zahlreiche Vorleistungen erbracht. Man habe unter erheblichen Aufwendungen eine detaillierte Bauplanung zur Wiederherstellung des Gleiskörpers erstellt, Betriebskonzepte und Fahrpläne erarbeitet und auch Fahrplantrassen bestellt. Bei Instandhaltungsrückständen habe der Altbetreiber bei der Übergabe der eigentlich im voll betriebsfähigen Zustand zu übergebenden Infrastruktur diese Rückstände zumindest zu kapitalisieren, so dass regelmäßig ein sehr niedriger oder sogar negativer Preis entstehen könne. Die Finanzierung der Wiederinbetriebnahme der Strecke sei eine Pflicht des Altbetreibers und, wenn sie schon unter Verstoß gegen § 4 Abs. 3 Satz 2 i.V. mit § 5 Abs. 1 Nr. 1, 5a AEG nicht durchgesetzt worden sei, in den Übernahmeverhandlungen zu berücksichtigen. Auf die Frage, ob die Vorschriften über die Betriebspflicht und deren Durchsetzung im Wege der Eisenbahnaufsicht der Klägerin Drittschutz vermittelten, komme es hingegen nicht an. Denn die den Drittschutz tragende Brücke bilde hier § 11 AEG.
22 Der Stilllegungsbescheid des Beklagten vom 12. Februar 2016 sei bereits formell rechtswidrig, weil es an der gemäß Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG nötigen Begründung fehle.
23 In materieller Hinsicht sei außer Acht gelassen worden, dass die Beigeladene seit der Übernahme der Infrastruktur im Jahr 2004 sowie der Erteilung der Betriebsgenehmigung durch den Beklagten ihre Betriebspflicht völlig vernachlässigt und die Strecke nicht betriebsfähig gehalten habe. So habe sie in den vergangenen weit über 10 Jahren nach eigenen Angaben nicht nur Instandsetzungs- und Unterhaltskosten in siebenstelliger Höhe eingespart. Sie habe in dieser Zeit auch mehrfach Trassenbestellungen der zum Gesellschafterkreis der Klägerin gehörenden ... GmBH verhindert. Das Übernahmeangebot habe damit nicht den in diesem Bereich üblichen Bedingungen entsprochen. In die Entscheidung seien auch sachfremde Erwägungen eingeflossen, was sich aus dem in den Akten befindlichen schriftlichen Austausch des Ministeriums mit einer vor Ort befindlichen Firma ergebe, durch deren Betriebsgelände die Bahnstrecke laufe. In die Stilllegungsverhandlungen sei nie ergebnisoffen eingestiegen worden.
24 Mit Schreiben vom 3. Juli 2018 holte das zwischenzeitlich zuständig gewordene Bayerische Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr die im Stilllegungsbescheid fehlende Begründung nach.
25 Die Landesanwaltschaft Bayern beantragte mit Schriftsatz vom 3. Juli 2018 für den Beklagten,
26 die Berufung zurückzuweisen.
27 Es fehle nach wie vor der Nachweis einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung des Klägerbevollmächtigten durch die ... ... GbR. Die klägerischen Ausführungen enthielten widersprüchliche Angaben zur angeblich vereinbarten Vertretungsregelung. Während der Regionalverband ... ... ... e. V. im Schreiben vom 16. März 2016 von einer Vertretung durch mindestens zwei der vier Gesellschafter ausgehe, nehme die ... Unternehmergesellschaft im Schreiben vom 16. März 2016 an, dass die ... ... GbR durch 3 Gesellschafter gemeinsam vertreten werde. Zudem brächten die mit den Anlagen 1 und 2 zur Klageschrift vorgelegten Vollmachten nicht zum Ausdruck, dass die ... GmBH, ... ... ... e. V. und die ... Eisenbahndienstleistungen Unternehmergesellschaft bei der Vollmachtserteilung in Vertretung für die ... ... GbR gehandelt hätten. Auch die nachgereichte Vollmacht der ... GmBH in Anlage 5 zum Schriftsatz der Klägerin vom 17. März 2016 bringe nicht zum Ausdruck, dass bei der Vollmachtserteilung in Vertretung für die ... ... GbR gehandelt werden solle. Damit sei die Berufung unzulässig.
28 Auch sei die Klage unzulässig, weil eine ordnungsgemäße Bevollmächtigung des Klägerbevollmächtigten nicht erwiesen sei. Zudem fehle der Klägerin die Klagebefugnis. Dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts (vom 25.5.2016 - 3 C 2/15) habe eine andere Sachverhaltskonstellation zugrunde gelegen. Dort habe sich die Klägerin darauf stützen können, dass gar kein Stilllegungsverfahren durchgeführt worden sei. Im vorliegenden Fall sei aber ein Verfahren durchgeführt worden. § 11 AEG vermittle der Klägerin kein drittschützendes Recht. Die Vereinbarung, wonach die ... gleichsam nur noch als stille Gesellschafterin der Klägerin zu führen sei, sei in Bezug auf den Gesetzeszweck des § 11 AEG beachtlich. Denn der in § 11 AEG genannte übernahmewillige Dritte müsse entweder selbst öffentliches Eisenbahninfrastrukturunternehmen sein oder glaubhaft machen können, dass er die Strecke nach Übernahme einem öffentlichen Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Verfügung stelle. Mit dem geschilderten Rückzug der ... habe sich das durch die Gesellschafter vermittelte Maß an zur Verfügung stehender Fachkunde gegenüber dem Zeitpunkt der Angebotsaufforderung grundlegend geändert. Zudem deute vorliegend alles auf eine fehlende finanzielle Leistungsfähigkeit der Klägerin und ihrer Gesellschafter im Sinne von § 6 Abs. 2 Nr. 2 AEG (jetzt § 6c AEG) hin. Die Finanzierung habe nach der Konzeption der Klägerin im Wesentlichen durch einen finanziellen Beitrag der Beigeladenen sichergestellt werden sollen. Damit habe die Klägerin den Erhalt einer Genehmigung nach § 6 AEG nicht glaubhaft machen können. Der Klägerin komme deshalb letztlich keine Position als Dritte im Sinn von § 11 AEG zu, und sie habe zugleich kein von der Rechtsprechung gefordertes ernsthaftes Übernahmeinteresse dargetan, so dass sie bereits deshalb nicht klagebefugt sei.
29 Unabhängig davon sei den Anforderungen des § 11 Abs. 1 a AEG hier entsprochen worden. Es sei über einen Pachtvertragsentwurf mehrfach verhandelt worden. Dass es nicht zu dem von der Klägerin gewünschten Verhandlungsergebnis gekommen sei, sei nicht Frage des Drittschutzes. Jedenfalls habe die Klägerin nicht glaubhaft machen können, dass ihr kein Angebot zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen unterbreitet worden sei.
30 Auf die ursprünglich fehlende Begründung des angegriffenen Bescheides könne sich die Klägerin wegen Art. 46 BayVwVfG nicht berufen. Außerdem könne die fehlende Begründung bis zur letzten Tatsacheninstanz des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden, was hier durch Schreiben vom 3. Juli 2018 geschehen sei. In materieller Hinsicht sei der Beklagte demnach zur Überzeugung gelangt, dass der Beigeladenen der Betrieb der zur Stilllegung beantragten Strecke nicht mehr zugemutet werden könne. Diese habe erläutert, dass die erforderlichen Investitionen zur Wiederherstellung der Befahrbarkeit nicht durch Infrastruktur-Nutzungsentgelte refinanziert werden könnten. Insbesondere könnten keine auskömmlichen Erlöse aus Zugfahrten im täglichen Schienenpersonennahverkehr (SPNV) erzielt werden, weil eine Bestellung entsprechender Verkehrsleistungen auf dieser Strecke durch die zuständigen Stellen abgelehnt worden sei […]. Das von der Beigeladenen beauftragte Gutachten von ... ... * ... GmBH (* ... ... ... ... ... mbH) vom Dezember 2010 habe bei prognostizierten Kosten von rund 11 Millionen Euro für die Wiederherstellung der Befahrbarkeit das Nutzen-Kosten-Verhältnis (NKV) einer Reaktivierung mit höchstens 0,2 errechnet. Eine volkswirtschaftlich sinnvolle Maßnahme erfordere jedoch ein NKV von 1,0 oder größer. Selbst wenn man abweichend von diesem Gutachten einen weniger aufwendigen technischen Streckenstandard für Gelegenheitsverkehr (Museums- oder Tourismuszüge) und die in den Verhandlungen hierzu genannten Kosten von 1,5 Millionen Euro unterstelle, könne dieser Betrag nebst Kapital- und Betriebskosten nach Überzeugung des Beklagten nicht durch Infrastrukturbenutzungsgebühren aus eigenwirtschaftlichen Gelegenheitsverkehren refinanziert werden. Da zudem der volkswirtschaftliche Nutzen eines Gelegenheitsverkehrs deutlich niedriger anzusetzen sei als der eines täglichen SPNV, sei der Beklagte davon überzeugt, dass es sich selbst bei reduzierten Investitionskosten von 1,5 Millionen Euro weiterhin um keine volkswirtschaftlich sinnvolle Maßnahme handeln würde.
31 Die Beigeladene habe auch die Anforderungen des § 11 Abs. 1a AEG erfüllt. Der Stadtrat der Beigeladenen habe in seiner Sitzung vom 21. Mai 2015 beschlossen, den beiden Bewerbern ein weiteres Angebot zu unterbreiten, wobei eine Kostenbeteiligung der Stadt ohne Anerkennung einer Rechtspflicht in Höhe von 40.000 Euro netto pro Jahr für den Zeitraum von der Übernahme der Bahnstrecke im Jahr 2004 bis zum Abschluss der Verhandlungen im Jahr 2015 (insgesamt somit 440.000 Euro) angeboten worden seien. Von einem einseitigen Verhandlungsabbruch könne keine Rede sein, zumal nach Auffassung des Beklagten keine Verpflichtung der Beigeladenen bestehe, an die Bewerber Zahlungen wegen angeblicher Instandhaltungsrückstände zu leisten. Denn die Beigeladene sei nicht verpflichtet gewesen, die seinerzeit von der Deutschen Bahn übernommene Strecke betriebsbereit vorzuhalten. Das sogenannte Hunsrückquerbahn-Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Oktober 2007 (3 C 51/06 - juris) sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Das dort klagende Eisenbahninfrastrukturunternehmen habe bereits Zugverkehr betrieben, das heiße, die Aufnahme des Zugbetriebs im Sinne von § 7f AEG sei bereits erfolgt gewesen. Erst später sei die Strecke wegen technischer Mängel gesperrt und der Betrieb dauerhaft eingestellt worden, ohne jedoch ein Stilllegungsverfahren durchzuführen. Im vorliegenden Fall jedoch habe die Beigeladene nach Erwerb der Strecke den Betrieb nie tatsächlich eröffnet. Eine Betriebspflicht entstehe nach Ansicht des Beklagten auch nicht alleine durch das Erteilen einer Genehmigung nach § 6 AEG, sondern erst mit der tatsächlichen Aufnahme des Bahnbetriebs zu einem vom Infrastrukturunternehmen selbst bestimmbaren Zeitpunkt, wie das OVG Münster (B.v. 7.7.2008 - 20 A 802/07 - juris) entschieden habe. Da die Beigeladene den Betrieb nie aufgenommen habe, komme eine Aufrechterhaltung des Betriebs, mithin auch eine Geldleistung für angeblich ersparte Aufwendungen zur Instandhaltung bzw. Instandsetzung der Strecke nicht in Betracht. Im vorliegenden Fall stelle sich auch die Frage, ob es sich bei einer Befahrbarmachung überhaupt um eine Instandsetzung oder nicht vielmehr um eine zumindest teilweise Neuerrichtung handeln würde, die nach Auffassung der Kommentarliteratur nicht mehr von § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG umfasst wäre. Dass von der Beigeladenen kein Kaufvertrag angeboten worden sei, sei unschädlich, denn nach dem Wortlaut des Gesetzes sein ein Angebot für die Übernahme der Infrastruktureinrichtung durch Verkauf oder (alternativ) Verpachtung zu machen.
32 Die verkehrlichen und wirtschaftlichen Kriterien für die Stilllegungsgenehmigung lägen vor. Der Beklagte sei der Auffassung, dass die Aufrechterhaltung der Infrastruktur verkehrlich nicht notwendig sei, da die Strecke von der Beigeladenen nie in Betrieb genommen worden sei. Daraus folge, dass sie keine vorhandene und auch keine absehbare Verkehrsbedeutung habe.
33 Die Klägerin vertiefte ihren Vortrag mit weiterem Schriftsatz vom 5. September 2018. Bezüglich des vom Beklagten gerügten „Rückzuges“ der ... sei darauf hinzuweisen, dass der Bewerber um eine Strecke überhaupt noch kein Eisenbahninfrastrukturunternehmen sein und es auch nicht werden müsse. Die Unternehmensgenehmigung werde ausweislich von § 6 Abs. 2 Satz 2 AEG gerade erst für diese Strecke erteilt. Der potentielle Übernahmeinteressent könne auch ein anderes Eisenbahninfrastrukturunternehmen mit dem künftigen Betrieb der Strecke betrauen. Die finanzielle Leistungsfähigkeit der Klägerin werde nun erstmals völlig unsubstantiiert in Frage gestellt. Es gehe aber an dieser Stelle gerade nicht um eine Unternehmensgenehmigung nach § 6 AEG.
34 Ob ein Angebot den in diesem Bereich üblichen Bedingungen entsprochen habe, sei von der drittschützenden Wirkung der Norm mit umfasst, sonst wäre sie nämlich sinnlos, wenn irgendein Angebot, gleich welchen Inhaltes, reichen würde. Die Ausführungen des Beklagten zur Betriebspflicht seien falsch, da die DB Netz AG als damals betroffene Betreiberin überhaupt keiner Betriebsaufnahmeerlaubnis bedurft habe und die Betriebspflicht außerdem bereits zuvor bestanden habe. Zudem seien gerade die Aufsichtsbehörden gesetzlich gehalten, die Erfüllung der Betriebspflicht durchzusetzen. Dies sei hier nicht geschehen. Der Beklagte könne sich daher zur Rechtfertigung seines rechtswidrigen Handelns insoweit nicht auf seinen eigenen früheren Rechtsverstoß zur Rechtfertigung berufen. Bezeichnenderweise finde sich in den Verfahrensakten ein Vermerk, aus dem sich ergebe, dass die Betriebspflicht der Beigeladenen völlig unabhängig davon bestehe, ob der Beklagte die Reaktivierung der Strecke unterstütze oder nicht. Die Regierung von Oberbayern als zuständige Eisenbahnaufsichtsbehörde habe die Durchsetzung dieser Betriebspflicht auch angekündigt, bevor sie „zurückgepfiffen“ worden sei, da eine Durchsetzung der Betriebspflicht offenbar politisch nicht als opportun angesehen worden sei. Auch der vom Beklagten genannte Beschluss des OVG Münster vom 7. Juli 2008 (20 A 802/07) ändere daran nichts, weil er sich zu der hier interessierenden Frage nicht verhalte. Eine Pflicht zur Inbetriebnahme im engeren Sinne stehe hier nicht in Rede. Es sei bei genauer Betrachtung eine Obliegenheit, deren Nichterfüllung durch die Beigeladene hier hätte zur Folge haben müssen, dass der Beklagte zu deren Erfüllung hätte anhalten oder der Beigeladenen deswegen die Unternehmensgenehmigung hätte entziehen müssen, bzw. sie zur Durchführung eines Stilllegungsverfahrens hätte anhalten müssen. In diesem Fall dürfe der Altbetreiber sich dann aber ebenso wenig wie die Aufsichtsbehörde auf die Missachtung des § 11 Abs. 2 Satz 3 AEG berufen und müsse bei seinem Übernahmeangebot an den Interessenten die Instandhaltungsrückstände berücksichtigen.
35 Aus einem Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln (vom 20.12.2017 - 18 L 4163/17), ergebe sich, dass die Ablehnung einer Trassenanmeldung wegen Unbefahrbarkeit einer Strecke infolge unterlassener Unterhaltung rechtswidrig sei und von der Bundesnetzagentur untersagt werden könne. Das Gericht habe lediglich die Zuständigkeit für die Durchsetzung der Instandsetzungspflicht bei der Eisenbahnaufsicht (der zuständigen Landesbehörde) gesehen. Beigeladene und Beklagte hätten sich hier also mehrfach eisenbahnrechtswidrig verhalten: Die Beigeladene habe gegen das Regulierungs- und das Eisenbahnrecht verstoßen durch das Nichtbetreiben der Infrastruktur und der Beklagte durch sein Nichteinschreiten dagegen. Die Beigeladene habe bei ihrer eigenen Übernahme der Strecke von der Deutschen Bahn AG seinerzeit eben schlecht verhandelt und das Risiko der bekannten Investitionsrückstände sehenden Auges übernommen. Diese Bürde könne nun nicht zu Lasten des Fortbestands der Infrastruktur der Klägerin aufgeladen werden. Der Übernahmeinteressent habe im Übrigen auch das Recht, beide Angebotsvarianten (Kauf und Pacht) zu verlangen, wobei diesem Verlangen hier nicht genügt worden sei. Im Hinblick auf die verkehrliche Sicht möge zwar richtig sein, dass derzeit kein Verkehr stattfinde. Dies beruhe aber nur darauf, dass die Beigeladene mit Billigung des Beklagten die Infrastruktur entgegen ihrer Pflicht nicht betriebsbereit vorhalte. Deshalb seien Trassenbestellungen von Gesellschaftern der Klägerin unter Verstoß gegen das Eisenbahnrecht abgelehnt worden. Für die Bestellung von SPNV-Leistungen auf der Strecke habe nach einer Auskunft der Bayerischen Eisenbahngesellschaft mbH (BEG) die Beigeladene einen entsprechenden Antrag stellen müssen. Derartiges sei jedoch unterblieben. Es könne also nicht damit argumentiert werden, dass die Bestellung von SPNV abgelehnt worden sei, wenn die formal notwendigen Anträge nie gestellt worden seien.
36 Der Beklagte vertiefte seinen Vortrag mit weiterem Schriftsatz vom 14. Mai 2019. Das vorliegende Gutachten, das auf einen Kosten-Nutzen-Vergleich von 0,2 komme, zeige die volkswirtschaftliche Situation der Strecke auf. Demgegenüber lege die Klägerin nicht DAR, was sie unter einem „realistisch zu erwartenden Verkehr“ verstehe und wie dieser konkret aussehen und realisiert werden solle. Wenn der Freistaat Bayern als Aufgabenträger des SPNV auf der Grundlage des zu erwartenden geringen Fahrgastaufkommens in nicht zu beanstandender Weise entschieden habe, keine SPNV-Leistungen für diese Strecke zu bestellen, dann blieben nur eigenwirtschaftliche Verkehre als potentielle Einnahmequelle für den Betreiber des Schienenweges übrig, und hierbei wohl nur touristische Fahrten, da in der Altstadt keine Güterkunden ansässig sein dürften. Das geringe Verkehrsbedürfnis zeige auch der Takt des aktuell zwischen Wasserburg-Bahnhof und Wasserburg Inn verkehrenden Stadtbusses. Dieser verkehre bislang an Werktagen zu Hauptverkehrszeiten halbstündlich und sonst im Stundentakt und bediene unterwegs noch 4 zusätzliche Haltestellen. Dass neben dieser Buslinie derzeit kein Bedarf gesehen werde, liege auf der Hand. Soweit die Klägerin etwas anderes behaupte, entbehre dieser Vortrag jeder tatsächlichen Grundlage.
37 Eine Betriebspflicht entstehe nach Auffassung des Beklagten nicht schon durch das Erteilen einer Genehmigung nach § 6 AEG, sondern erst mit der tatsächlichen Aufnahme eines Bahnbetriebs. Da die Beigeladene den Betrieb nie tatsächlich aufgenommen habe, komme eine Aufrechterhaltung des Betriebs und mithin eine Geldleistung der Beigeladenen für angeblich ersparte Aufwendungen zur Instandhaltung nicht in Betracht. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass die Beigeladene die Strecke 2004 zu einem Zeitpunkt übernommen habe, zu dem diese bereits 17 Jahre lang in betriebsunfähigem Zustand gewesen sei. Mithin sei auch schon deshalb nicht von einer Betriebspflicht der Beigeladenen auszugehen gewesen, weil es beim Übergang 2004 ersichtlich nicht mehr darum gegangen sei, die Strecke in einem betriebssicheren Zustand zu halten. Bis zum Zeitpunkt der Übernahme durch die Beigeladene habe auch der für die Bundeseisenbahnen damals zuständige Bund kein Bedürfnis gesehen, die Strecke wieder herstellen zu lassen. Die Annahme einer Betriebspflicht käme damit einer die Beigeladene treffenden Verpflichtung zur Neuerrichtung der Strecke gleich. Dies stelle aber die Rechtsordnung auf den Kopf. Denn eine Betriebspflicht bei gleichzeitig fehlender Möglichkeit, durch Trassenentgelte eine Kostendeckung zu erreichen, dürfte nach dem Gedanken der Enteignungsgrundsätze eine entsprechende Kompensation voraussetzen. Es wäre deshalb nicht angemessen, die Beigeladene zur Wiederherstellung zu verpflichten oder ihr zumindest die damit verbundene Kostenlast aufzuerlegen. Die Durchsetzung einer Betriebspflicht gegenüber der Beigeladenen, so man eine solche überhaupt annehmen wollte, wäre nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Aus Beispielen von Streckenausschreibungen bzw. Übernahmeangeboten gehe hervor, dass solche auch bei erheblichem Investitionsbedarf keineswegs zu einem nur symbolischen Pachtzins von einem Euro angeboten würden. Ferner sähen diese Angebote auch keine Zahlungen zum Ausgleich etwaiger unterlassener Instandhaltungen während der eigenen Sachherrschaft vor. Dem zuständigen Staatsministerium sei kein Fall bekannt, in dem die DB Netz AG oder ein anderes Eisenbahninfrastrukturunternehmen dazu bislang bereit gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund stelle sich das Übernahmeangebot der Beigeladenen (symbolischer Pachtpreis nebst Zahlung von 440.000 Euro) sogar besser als üblich DAR.
38 Im Zuge der Vertragsverhandlungen habe die Klägerin lediglich um Übermittlung eines konkreten Angebots gebeten und keineswegs kumulativ zur Abgabe eines Angebots zum Verkauf sowie Verpachtung aufgefordert. Dass stets nur eine Verpachtung in den Blick genommen worden sei, bestätigten auch damalige Schreiben der Klägerin.
39 Was die nunmehrige Elektrifizierung des sogenannten Filzenexpress (SPNV auf der Strecke Ebersberg - Wasserburg a. Inn/Bahnhof) anbelangt, habe es dafür im Zeitpunkt des Erlasses des Stilllegungsbescheides noch keine konkreten Überlegungen gegeben. Es gehe dabei nur um eine Elektrifizierung der heute vom SPNV genutzten Gleise.
40 Das vorliegende Gutachten bescheinige ein Potential von höchstens ca. 450 Fahrgästen täglich für die Wasserburger Altstadtbahn. Der Freistaat Bayern verlange jedoch neben weiteren Voraussetzungen eine Prognose von mindestens 1.000 Fahrgästen pro Tag für eine Reaktivierung. Soweit die Klägerin vortrage, dass durch eine Neustrukturierung der SPNV-Verkehre mit Anschlüssen in alle Richtungen im Bahnhof Wasserburg (Bahnhof) ein höheres Fahrgastpotential erzielt werden könne, sei dem zu widersprechen. Für die Bewältigung eines höheren Fahrgastaufkommens wären umfangreiche Umbauten der Eisenbahninfrastruktur im Bahnhof, insbesondere die Anlegung eines 4. Bahnsteiggleises erforderlich (wie im Gutachten aufgezeigt). Für solche Umbauten gebe es derzeit weder einen Bedarf noch eine Planung. Die Klägerin könne hierfür keine Entscheidungskompetenz für sich in Anspruch nehmen.
41 Die Stilllegungsgenehmigung sei daher materiell zu Recht erfolgt. Dem Beklagten komme in Bezug auf das Vorliegen der materiellen Voraussetzungen auch ein gewisses Beurteilungsermessen bei seiner Abwägungsentscheidung zu, das er in zulässiger Weise ausgeübt habe. Das betreffe insbesondere die Frage, ob der Beigeladenen der Betrieb der Strecke zugemutet werden könne oder ob das Angebot der Beigeladenen zur Übernahme der Strecke zu üblichen Bedingungen erfolgt sei.
42 Die Beigeladene beantragte,
43 die Berufung zurückzuweisen.
44 Angesichts der im Gutachten vom Dezember 2010 angenommenen Investitionskosten zur Wiederherstellung der Befahrbarkeit der Strecke von rund 11 Millionen Euro und einer gegenüberstehenden nur marginalen Nachfrage sei der Betrieb der Strecke volkswirtschaftlich sinnlos. Trassenerlöse seien allenfalls durch Gelegenheitsverkehre zu erzielen, die nicht einmal im Ansatz die notwendigen Investitions- und laufenden Unterhaltungskosten decken könnten. Zuschüsse der öffentlichen Hand hierfür seien nicht zu erwarten. In diesem Zusammenhang sei ein Grundsatz im Rahmen der planungsrechtlichen Zulassungsentscheidung auch für das Stilllegungsverfahren bedeutsam. Danach sei eine Planung, die objektiv in ihrer Umsetzung vor nicht zu überwindenden Hindernissen stehe, nicht gerechtfertigt. Insbesondere die mangelnde Finanzierbarkeit eines Vorhabens führe zur Rechtswidrigkeit der Planung und zur mangelnden Genehmigungsfähigkeit. Dieser Gedanke könne hier Bedeutung erlangen. Unstreitig würde die hier seit 1987 durch Dammrutsch großflächig unterbrochene Strecke baulich nur nach Durchführung eines planungsrechtlichen Zulassungsverfahrens ertüchtigt werden können. Ein solcher Antrag müsste dann aber zwingend wegen fehlender Planrechtfertigung (mangels Finanzierung) abgewiesen werden. Ergänzend zum bisherigen Vortrag der Beteiligten weise die Beigeladene darauf hin, dass die behaupteten bisherigen Aufwendungen der Klägerin weder belegt, noch sonst plausibel nachvollziehbar seien. Die Entscheidung des Freistaats Bayern, weder SPNV-Leistungen zu bestellen noch einen Investitionskostenzuschuss zu leisten, liege daran, dass in volkswirtschaftlicher Hinsicht der Nutzen-Kosten-Faktor des Projekts kleiner als 1 sei. Soweit die Klägerin das diesbezügliche Gutachten als nachweisbar fehlerhaft bezeichne, bleibe sie jeglichen Nachweis für diese Behauptung schuldig. Entgegen der klägerischen Behauptung seien im Übrigen nicht etwa falsch kalkulierte Unterhaltungskosten für den schlechten Nutzen-Kosten-Faktor verantwortlich. Ebenso wenig seien es die Herstellungskosten für die Strecke. Vielmehr scheitere das Projekt daran, dass durch die Altstadtbahnstecke nur eine einzige zusätzliche Haltestelle erschlossen werden könne. Alle übrigen Stadtteile in Wasserburg a. Inn müssten auch weiterhin mit dem Stadtbus bedient werden. Mit der Altstadtbahn könnten weder die großen Wohngebiete außerhalb der Altstadt, das Krankenhaus, das Bade-, Sport- und Freizeitzentrum noch die Industriebetriebe im Süden der Stadt erschlossen werden. Dasselbe gelte für die Anbindung der Züge von und nach Rosenheim und Mühldorf. Ein funktionierender ÖPNV müsse die Anbindung sämtlicher Stadtteile und sämtlicher Züge sicherstellen. Dies sei hier nur mit dem Stadtbus möglich, der zusätzlich zur Altstadtbahn unverändert eingesetzt werden müsste. Es könnte keine einzige Fahrt des Stadtbusses entfallen. Nutzer würden sich aber dann auf zwei Verkehrsträger verteilen und dadurch letztlich die Wirtschaftlichkeit beider Verkehrsmittel verschlechtern. Die Altstadtbahn wäre nur ein äußerst kostspieliges Zusatzangebot, das bei jeder Rechnungsprüfung beanstandet werden würde. Ohne Trassenentgelte sei der Betrieb, insbesondere aber die Wiederherstellung der Befahrbarkeit der Strecke für die Beigeladene nicht zumutbar; ein Betrieb ohne regelmäßigen Schienenpersonennahverkehr sei sinnlos.
45 Die Behauptung der Klägerin, das Angebot der Stadt habe nicht den in diesem Bereich üblichen Bedingungen genügt, sei nicht hinreichend begründet. Gerade das letzte Angebot der Beigeladenen sei nicht nur angemessen, sondern als großzügig anzusehen gewesen. Die seinerzeitigen Verhandlungen mit beiden Übernahmeinteressenten hätten mit Zusendung eines Pachtvertragsentwurfes begonnen. Anschließend seien vier ausführliche Verhandlungsgespräche geführt worden. Der Stadtrat habe dann in einer Sitzung beschlossen, ein neues Angebot zu unterbreiten.
46 Hinsichtlich der „Betriebspflicht“ sei festzustellen, dass die Bahnstrecke bei Übernahme durch die Beigeladene im Jahr 2004 bereits seit über 15 Jahren nicht mehr befahrbar gewesen sei. Es habe auch bis zum Bekanntwerden der Stilllegungsabsicht keinerlei Interesse von Eisenbahnverkehrsunternehmen gegeben, die Strecke zu befahren. Bis Juli 2011 habe es keine einzige Anfrage gegeben. Erst dann, bei schon bekannter Stilllegungsabsicht, seien Trassenbestellungen von Gesellschaftern der Klägerin eingegangen, die jeweils in Abstimmung mit der Bundesnetzagentur abgelehnt worden seien.
47 Die BEG habe nochmals bestätigt (Schreiben vom 10.10.2018), dass eine Bestellung von SPNV-Leistungen auf der Strecke nicht in Betracht komme. Dies unterstreiche die Unzumutbarkeit des Betriebs.
48 Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
Gründe:
49 Die zulässige Berufung der Klägerin führt nicht zum Erfolg. Zwar ist ihre Klage zulässig, insbesondere kann der Klägerin wegen der drittschützenden Wirkung des § 11 AEG die Klagebefugnis nicht abgesprochen werden (dazu 1.). Die Klage ist jedoch unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 12. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die fehlende Begründung des Bescheides wurde wirksam während der zweiten Tatsacheninstanz nachgeholt (dazu 2.1). Auch lagen die Voraussetzungen der Stilllegung gemäß § 11 AEG in der zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlass (12.2.2016) geltenden Fassung (im Folgenden zitiert als § 11 AEG a.F.) bei Bescheidserlass vor (dazu 2.2).
50 1. Die Klage ist zulässig. Insbesondere kann die Klägerin eine Klagebefugnis aus der drittschützenden Norm des § 11 AEG a.F. ableiten (dazu 1.1). Die Klage ist auch wirksam durch einen ordnungsgemäß Bevollmächtigten einer ordnungsgemäß vertretenen GbR erhoben worden (dazu 1.2).
51 1. 1. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung begründet das Stilllegungsverfahren subjektive Rechte derjenigen, die ernsthaft an einer Übernahme einer Eisenbahninfrastruktureinrichtung interessiert sind (BVerwG, U.v. 25.5.2016 - 3 C 2/15 – juris Rn. 23, 24). In der eben zitierten Entscheidung betont das Bundesverwaltungsgericht den aus den gesetzlichen Änderungen der Vorschrift des § 11 AEG ableitbaren Gesetzeszweck: „Mit dem Zweiten Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 21. Juni 2002 (BGBl. I S. 2191) hat der Gesetzgeber hervorgehoben, Ziel des § 11 AEG sei die Erhaltung bestehender Eisenbahninfrastruktur. Durch Einfügung von § 11 Abs. 1a AEG hat er öffentliche Eisenbahninfrastrukturunternehmen verpflichtet, die geplante Stilllegung von Eisenbahninfrastruktureinrichtungen zu veröffentlichen und Dritten auf deren fristgerechte Aufforderung ein Übernahmeangebot zu machen (vgl. BT-Drs. 14/8176 S. 4). Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch das Dritte Gesetz zur Änderung eisenbahnrechtlicher Vorschriften vom 27. April 2005 (BGBl. I S. 1138) in § 1 AEG ausdrücklich bestimmt, dass das Gesetz (auch) der Sicherstellung eines wirksamen Wettbewerbs bei dem Betrieb von Eisenbahninfrastrukturen diene. Jedenfalls nach diesen Klarstellungen ist nicht zweifelhaft, dass das Gesetz den Wettbewerb im Interesse der Erhaltung der Eisenbahninfrastruktur fruchtbar gemacht wissen möchte und das Stilllegungsverfahren des § 11 AEG auch dazu bestimmt ist, die Interessen Dritter zu schützen, die ernsthaft gewillt sind, die Eisenbahninfrastruktureinrichtung zu übernehmen“. Dass der Klägerin solche Rechte zustehen können, ist im vorliegenden Fall nicht von vornherein auszuschließen. Eine Klagebefugnis könnte der Klägerin nur dann abgesprochen werden, wenn ihr Rechte offensichtlich nach keiner Betrachtungsweise zustehen können. Das ist hier aber nicht der Fall:
52 1. 1.1. Wegen des eben genannten Gesetzeszwecks genügt es nicht, den Drittschutz auf die bloße formale Frage zu beschränken, ob überhaupt ein Stilllegungsverfahren nach § 11 AEG durchgeführt worden ist. Die Klägerseite rügt zu Recht, dass dann der vom Gesetz beabsichtigte Wettbewerb im Interesse der Erhaltung der Eisenbahninfrastruktur dadurch umgangen werden könnte, dass ein Stilllegungsverfahren mit unzumutbaren Bedingungen und unter Verstoß gegen die Verhandlungspflicht durchgeführt werden könnte; das Verfahren wäre eine leere Hülle, dessen Inhalte keiner Überprüfung zugänglich wären. Der Gesetzgeber hat aber Rechte nicht nur auf das Verfahren, sondern mit den Regelungen des § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 1a AEG a.F. ersichtlich auch Rechte im Verfahren gegeben. Dies gilt namentlich für einen Anspruch auf Erhalt eines Angebots zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen und für einen Anspruch auf Durchführung von Verhandlungen.
53 1. 1.2. Der Klägerin kann auch nicht die Ernsthaftigkeit des Übernahmewillens abgesprochen werden. Die Ernsthaftigkeit des Übernahmewillens wurde im vorliegenden Fall wegen des Umstands angezweifelt, dass die Klägerin im Laufe der Verhandlungen ein Finanzierungskonzept ohne nennenswertes Eigenkapital zugrunde gelegt hat. Die Klägerin vertritt indes gerade die Rechtsauffassung, dass die die Strecke abgebende Beigeladene die Eisenbahnstrecke wieder gemäß ihrer Betriebspflicht herzurichten oder dafür entsprechende finanzielle Mittel im Rahmen eines Übernahmeangebots bereitzustellen hat. Diesen Aspekt hat sie als Teil ihres Finanzierungskonzepts bezeichnet. Ob ein solcher Anspruch tatsächlich besteht, ist eine Frage der Begründetheit der Klage, nicht jedoch ein Zulässigkeitsproblem. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat der Frage, ob die Finanzierung einer beabsichtigten Übernahme schon gesichert ist, im Rahmen der Klagebefugnis keine ausschlaggebende Bedeutung zugemessen. Im Urteil vom 5. Juli 2018 (3 C 21/16 – juris Rn. 21) führt es aus, dass schädlich in diesem Zusammenhang lediglich wäre, wenn eine Finanzierung absehbar ausgeschlossen wäre. Dafür fehlt es hier aber an greifbaren Anhaltspunkten. Auch ein Unternehmen mit einem geringen Grundkapital mag, sofern sich eine gesicherte Gelegenheit zur Übernahme von Eisenbahninfrastruktur abzeichnet, Investoren für sein Projekt gewinnen (so BVerwG, U.v. 5.7.2018, a.a.O.), wenn es ihm gelänge, entsprechende Trassenbestellungen und damit Einnahmen in nennenswerter Höhe zu generieren.
54 1. 1.3. Der Auffassung, dass die vom Verwaltungsgericht angeführten gesellschaftsrechtlichen Änderungen zwar gesellschaftsrechtlich zulässig und wirksam sein, aber spezifisch eisenbahnrechtlich eine schädliche Wirkung mit der Folge des Wegfalls der Klagebefugnis haben sollen, schließt sich der Senat nicht an. Das Gesetz enthält für eine derartige Auffassung keinen Anhaltspunkt. Eine GbR ist nach mittlerweile herrschender Auffassung partei- und prozessfähig (Stürner in Jauernig, BGB, 17. Aufl. 2018, § 709 Rn. 10). Die Rechtsfähigkeit der Außen GbR ist anerkannt und durch die höchstrichterliche Rechtsprechung seit 2001 bestätigt worden (Schäfer in Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 303). Etwaige Änderungen im Gesellschafterbestand sind bei Fortbestand des Gesellschaftsvertrags (also bei Vorhandensein von mindestens zwei Gesellschaftern) unschädlich (Schäfer in Münchner Kommentar zum BGB, 7. Aufl. 2017, § 705 Rn. 309; BGH, U.v. 3.11.2015 - II ZR 446/13 - juris Rn. 27 zur Auswechslung aller Gesellschafter einer BGB-Gesellschaft). Selbst wenn im vorliegenden Fall aus der an der GbR beteiligten ...-GmBH eine stille Gesellschafterin geworden sein sollte, was durchaus zweifelhaft ist, änderte das nichts am Fortbestand der GbR; irgendwelche (noch dazu spezifisch eisenbahnrechtlich wirkenden) Haftungsprobleme sind hier nicht zu erkennen. Abgesehen davon wollte die Beigeladene ausweislich des letzten von ihr vorgeschlagenen Vertragsentwurfs ihre Eigenleistung erst nach Abschluss der Baumaßnahmen und Inbetriebnahme der Strecke fällig werden lassen.
55 Eine etwaige mit Blick auf die Klagebefugnis schädliche Veränderung bezüglich des eisenbahnfachlichen Sachverstandes sieht der Senat ebenfalls nicht. Unabhängig davon, dass auch ein stiller Gesellschafter derartigen Sachverstand einbringen kann, blieb im vorliegenden Fall jedenfalls noch ein weiteres Eisenbahn-Unternehmen Gesellschafter. Wenn man es schon einer Gemeinde wie der Beigeladenen erlaubt, eine Strecke zu übernehmen und eisenbahnfachlichen Sachverstand extern einzukaufen (hier durch Kooperationsvertrag der Beigeladenen mit der RNI vom Dezember 2003, Bl. 26 der Akten), kann von der Klägerin in dieser Hinsicht nicht mehr verlangt werden. Diese Fragen wären in einem hier nicht streitgegenständlichen Verfahren zum Erhalt einer Unternehmensgenehmigung nach § 6 AEG zu klären.
56 Zusammengefasst begründet § 11 AEG a.F. subjektive Rechte der Klägerin. Darauf kann sie sich berufen und jedenfalls geltend machen, dass ein Verfahren nach § 11 AEG durchzuführen ist, ein Angebot zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen gemacht werden muss und der Verhandlungspflicht genügt wird (Hermes in Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 86, 89).
57 1. 2. Die GbR war bei Klageerhebung ordnungsgemäß durch drei ihrer vier Gesellschafter vertreten. Die diesbezüglichen Einwände vor allem der Beklagtenseite greifen nicht durch. Für den Gesellschaftsvertrag besteht kein Schriftformerfordernis. Nach hier nicht widerlegter Einlassung der Gesellschafter auf Seiten der Klägerin bestand zunächst (während des Ganges der Verhandlungen mit der Beigeladenen) Alleinvertretungsbefugnis der ... GmBH. Die Klägerseite behauptet dann eine Änderung durch Gesellschafterversammlung vom 25. Februar 2016. Wenn man diese mit Erfolg anzweifelte (wegen der Abwesenheit einer Gesellschafterin), wäre es bei Unwirksamkeit der behaupteten Änderung (Vertretung durch zwei Gesellschafter) bei der ursprünglichen Vertretungsregelung (* ... GmBH) geblieben.
58 1. 3. Auch an der Wirksamkeit der Prozessvollmachten für den Bevollmächtigten der Klägerin bestehen keine durchgreifenden Zweifel. Der Beklagte will diese Zweifel daraus herleiten, dass die drei eine Vollmacht gebenden Gesellschafter auf der jeweiligen Vollmachtsurkunde nicht klargestellt haben, dass die Vollmacht nicht für sie selbst, sondern für die klagende GbR gelten solle. Dieser Umstand lässt sich jedoch durch entsprechende Auslegung der Urkunden vor dem Hintergrund der für alle Beteiligten klar erkennbaren äußeren Umstände überwinden. Die - rechtsfähige - GbR ist als solche im Stilllegungsverfahren bei den Verhandlungen aufgetreten. Die Gesellschafter wollten nach Besprechung im Februar 2016, wie aus dem dazu erstellten Protokoll ersichtlich ist, für die GbR („das Konsortium“) Klage erheben. Die Klage ist auch ersichtlich und eindeutig für die GbR als Klägerin erhoben worden. Warum einer der Gesellschafter vor diesem Hintergrund gegen den Stilllegungsbescheid in eigenem Namen hätte klagen wollen und eine diesbezügliche Vollmacht hätte ausstellen wollen, ist nicht nachvollziehbar.
59 2. Die Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 12. Februar 2016 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
60 2. 1. Dass der angegriffene Bescheid unter Verstoß gegen Art. 39 BayVwVfG zunächst keine Begründung enthielt, ist letztlich unschädlich. Denn gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BayVwVfG konnte die Begründung bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz nachgeholt werden. Das ist hier durch Nachschieben der Begründung mit Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Wohnen, Bau und Verkehr vom 3. Juli 2018 geschehen.
61 2. 2. Die Voraussetzungen der Stilllegung gemäß § 11 AEG a.F., die drittschützend sind, liegen vor. Die erforderlichen Verfahrensschritte wurden eingehalten (dazu 2.2.1.). Die Beigeladene hat im Rahmen des Verfahrens auch ein hinreichendes Angebot (dazu 2.2.2.) zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen gemacht (dazu 2.2.3.). Auch ein Verstoß gegen die Verhandlungspflicht des § 11 Abs. 1 Satz 2 AEG a.F. liegt nicht vor (dazu 2.2.4.):
62 2. 2.1. Die wesentlichen Verfahrensschritte wurden von der Beigeladenen eingehalten. Sie hat ihre Stilllegungsabsicht im August 2012 entsprechend § 11 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 AEG a.F. im Bundesanzeiger veröffentlicht […]. Sie hat nach Übernahmeverhandlungen unter anderem mit der Klägerin dann unter dem 13. November 2015 einen Antrag auf Genehmigung der Stilllegung gestellt (Bl. 802 der Akten) und dabei aus ihrer Sicht die wirtschaftliche Unzumutbarkeit des Weiterbetriebs (vor allem wegen des Fehlens regelmäßiger Einnahmen mangels Zugleistungsbestellungen des Freistaats Bayern, vgl. Nr. 5 des Antragsschreibens) und die erfolglosen Verhandlungen zu einer Übernahme dargestellt.
63 Soweit die Klägerin im Laufe des Verfahrens einzelne Annahmen und Zahlenwerte im von der Beigeladenen eingeholten Gutachten aus dem Jahr 2010 angezweifelt hat, ist das im vorliegenden Fall aus mehreren Gründen nicht entscheidungserheblich. Zum einen enthält die Darlegung, dass der Betrieb einer Strecke dem Abgebenden „nicht mehr zugemutet werden kann“, eine betriebswirtschaftliche Einschätzung, deren Einzelaspekte nach Auffassung des Senats keine drittschützende Wirkung haben. Dritte sollen eine Strecke übernehmen können, wenn sie einen Betrieb für sich selbst (!) als wirtschaftlich einschätzen (etwa weil sie meinen, kostengünstiger agieren zu können oder in der Strecke künftiges Potential sehen). Für ein subjektives Recht auf Überprüfung der wirtschaftlichen Einschätzung Anderer fehlt es an Anhaltspunkten. Zum anderen kommt es auf die im Gutachten betrachtete Kosten-Nutzen-Relation, die einen (weitergehenden) volkswirtschaftlichen Nutzen anspricht und etwa für die Förderfähigkeit von Baumaßnahmen wichtig sein mag, bezüglich der Frage der Zumutbarkeit für das abgebende Eisenbahninfrastrukturunternehmen nicht an, denn dieses Unternehmen muss den bewirtschafteten Streckenabschnitt betriebswirtschaftlich sinnvoll betreiben können. Diesbezüglich sind aber nicht volkswirtschaftliche Kosten-Nutzenberechnungen, sondern konkrete Einnahmen durch Trassenbestellungen entscheidend (vgl. Hermes in Hermes/Sellner, AEG, 2. Aufl. 2014, § 11 Rn. 7: Verkehrsplanung des regionalen Aufgabenträgers in Form von SPNV-Streckenbestellungen als der für die Stilllegung bestimmende Faktor). Der für die Bestellung von Fahrleistungen zuständige Aufgabenträger (BEG) hat hier aber (mehrfach) eine Bestellung kategorisch wegen aus seiner Sicht nicht hinreichenden Fahrgastpotentials ausgeschlossen. Die Klägerin und ihre Gesellschafter mögen hierzu verkehrspolitisch eine andere Auffassung vertreten, können diese Aspekte der Verkehrspoliti
Gericht | VGH München |
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Typ | Urteil |
Datum | 22.07.2019 |
Normen | § 4 AEG, § 5 AEG, § 5a AEG, § 6 AEG, § 6a AEG, § 6c AEG, § 7f AEG, § 11 AEG, § 709 BGB, § 714 BGB, Art. 39 BayVwVfG, Art. 45 BayVwVfG, § 42 Abs. 2 VwGO, § 132 VwGO, § 154 VwGO, § 162 VwGO, § 167 VwGO, § 173 VwGO, § 708 ZPO, 711 ZPO |
Stichworte | Anfechtungsklage gegen eisenbahnrechtliche Stillle-gungsgenehmigung, Betriebspflicht für eine Eisenbahn-strecke, mit Billigung der Aufsichtsbehörde unterlassene Instandsetzung einer Strecke, Übernahmeangebot zu in diesem Bereich üblichen Bedingungen, Eisenbahn, Übernahmeangebot |