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VG Schleswig, vom 25.03.1999

Az.: 3 A 133/96

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Urteil

[...]

1. Es wird festgestellt, daß die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, die Sichtdreiecke an den 16,_ _ _ , 17,_ _ _ und 18,_ _ _ der Bahnstrecke Hu. - St.-P. -O. freizuhalten und störenden Aufwuchs durch Rückschnitt zu beseitigen;

2. Es wird festgestellt, daß die Beklagte zu 2. verpflichtet ist, die Sichtdreiecke an dem Bahnübergang bei km 36,_ _ _ der Bahnstrecke Hu. - St.-P. -O. freizuhalten und störenden Aufwuchs durch Rückschnitt zu beseitigen.

Die Beklagten tragen die Kosten des Verfahrens je zur Hälfte.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand:

Die Klägerin erstrebt die Feststellung, daß die Beklagten verpflichtet sind, die Sichtflächen an bestimmten unbeschrankten Bahnübergängen freizuhalten.

Durch die Gebiete der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) verläuft die Eisenbahnstrecke Hu. - St.-P. -O. , auf die Züge der Klägerin verkehren. Auf dem Gebiet der Beklagten zu 1) befinden sich insgesamt drei, auf dem Gebiet der Beklagten zu 1) liegt ein unbeschrankter Bahnübergang. Auf den Grundstücken der Klägerin bildete sich an den Gleisen neben den Kreuzungsanlagen in der Vergangenheit Bewuchs, der die Sicht beeinträchtigte.

Nachdem die Beklagten - trotz Aufforderung durch die Klägerin - den Bewuchs nicht entfernt hatten, ließ die Klägerin diese Arbeiten durch eigene Angestellte ausführen und verlangte von den Beklagten Ersatz für die Aufwendungen (750,74 DM von der Beklagten zu 1) und 831,94 DM von der Beklagten zu 2)).

Am 03.06.1996 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.

Sie ist der Auffassung, daß die Beklagten nach § 14 des Eisenbahnkreuzungsgesetzes (EKrG) verpflichtet sind, den Aufwuchs auf ihre Kosten zu beseitigen.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, daß die Beklagte zu 1) verpflichtet ist, die Sichtdreiecke an den Bahnübergängen bei km 16,_ _ _, 17,_ _ _ und 18,_ _ _ der Bahnstrecke Hu. - St.-P. -O. freizuhalten und störenden Aufwuchs durch Rückschnitt zu beseitigen;

2. festzustellen, daß die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, die Sichtdreiecke an dem Bahnübergang bei km 36,_ _ _ der Bahnstrecke Hu. - St.-P. -O. freizuhalten und störenden Aufwuchs durch Rückschnitt zu beseitigen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen, soweit es um Flächen geht, die im Eigentum der Klägerin stehen

Die Beklagten vertreten die Ansicht, daß die von der Klägerin vorgenommene Auslegung des § 14 Abs. 2 Ziff. 2 EKrG verfassungswidrig sei. Für eine derart weitgehende Regelung habe der Bund keine Gesetzgebungskompetenz. Der Bundesgesetzgeber dürfe nach Art. 73. Nr. 6 a GG nur die zur Durchführung des Eisenbahnverkehrs unerläßlichen Fragen regeln. Dieses Kriterium sei nicht gegeben, da der Landesgesetzgeber in § 33 StrWG ein eigenes und ausreichendes Instrumentarium zur Gefahrenabwehr zur Verfügung, gestellt habe. Die betreffende Regelung im Eisenbahnkreuzungsgesetz sei daher so auszulegen, daß sie sich nur auf eine primäre Freihaltung der Sichtflächen im Sinne einer Verkehrssicherungspflicht beziehe, nicht aber auf die Kostentragungspflicht, weil die Beklagten in Erfüllung ihrer Verkehrssicherungspflicht die Klägerin im Gegenzug wieder zur Freihaltung der Sichtflächen gem. § 33 Abs. 4 StrWG in Anspruch nehmen könnten. Dies ergebe sich daraus, daß der streitgegenständliche Bewuchs nicht in das Straßengebiet hineinrage, sondern bloß auf dem jeweiligen Privatgrundstück der Klägerin vorhanden sei. Demgemäß handelte es sich nicht um die Abwehr von Gefahren, die von Außen auf den Verkehr einwirkten. § 14 Abs. 2 Ziff. 2 EKrG stelle im übrigen keine geeignete Eingriffsermächtigung DAR, das Grundstück zu betreten und den Rückschnitt vorzunehmen. Eine solche sei nur im Straßen- und Wegerecht zu finden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als Feststellungsklage nach § 43 VwGO zulässig. Die Subsidaritätsklausel des § 43 Abs. 2 S. 1 VwGO steht dem nicht entgegen. Diese Regelung verfolgt den Zweck, den erforderlichen Rechtsschutz auf ein einziges Verfahren zu konzentrieren. Kann der Kläger sein Ziel mit einer Leistungsklage erreichen, ist die Feststellungsklage, die nur zu einer nicht vollstreckbaren Feststellung führt und ein weiteres unmittelbar vollstreckbares Urteil erforderlich machen kann, grundsätzlich ein unnötiger Umweg. Vorliegend ist die Feststellungsklage gegenüber einer möglichen Leistungsklage der Klägerin gegen die Beklagten aber nicht subsidiär, weil eine solche Leistungsklage den Rechtsschutz nicht in gleichem Umfang und mit gleicher Effektivität gewähren würde, wie die erhobene Feststellungsklage. Angesichts der Tatsache, daß erneuter Bewuchs jederzeit wieder zu Sichtbehinderungen an den hier in Rede stehenden Bahnübergängen führen kann, wäre gegebenenfalls in einer nicht überschaubaren Zahl von Fällen jeweils wieder Leistungsklage der Klägerin gegen die Beklagten zu erheben, um die Kosten zur Beseitigung des Gebüschs erstattet zu bekommen, Die Vermeidung einer solchen Vielzahl von Prozessen und die grundsätzliche Klärung der Frage, wer den Aufwuchs auf wessen Kosten zu beseitigen hat, kann demgemäß nur im Rahmen einer Feststellungsklage effektiv erreicht werden. Bei dieser Sachlage ist die Feststellungsklage nicht gegenüber einer möglichen Leistungsklage subsidiär (Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 11. Aufl., Rn. 29 zu § 43 VwGO).

Die Klage ist auch begründet.

Nach § 14 Abs. 1 S. 1 iVm Abs. 2 Ziff. 2 EKrG hat die Anlagen an Kreuzungen, soweit sie Straßenanlagen sind, die Träger der Straßenbaulast auf seine Kosten zu erhalten und bei Bahnübergängen auch in Betrieb zu erhalten. Zu den Straßenanlagen gehören dabei die Sichtflächen.

An der Verfassungsmäßigkeit des § 14 Abs. 2 Nr. 2 EKrG bestehen keine .Bedenken. Der Bund hat nach Art. 73 Nr. 6 a GG die erforderliche Gesetzgebungskompetenz. Danach besitzt der Bund die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz für den Verkehr, den Bau, die Unterhaltung und das Betreiben von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes. Entsprechend den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht zur Regelungsbefugnis des Straßenverkehrs nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 22 GG herausgearbeitet hat, kann der Bundesgesetzgeber alle notwendigen Maßnahmen treffen, um einen ordnungsgemäßen und sicheren Ablauf des Straßen- und Eisenbahnverkehrs zu gewährleisten. Nicht entscheidend ist, wie und wodurch diese Beeinträchtigung entsteht (vgl. BVerwG, Beschluß vom 10.12.1975, - BvR 118/71 -, BVerfGE 40, 371, 380). Ein Bewuchs neben unbeschrankten Kreuzungsanlagen stellt für den Autoverkehr eine Sichtbehinderung DAR und erschwert es diesem, sich rechtzeitig auf den herannahenden Eisenbahnverkehr einzustellen. Da es der Zweck der Regelungskompetenz ist, eine effektive Gefahrenabwehr sicherzustellen und mithin Gefahren, die unmittelbar oder mittelbar die Sicherheit des Verkehrs beeinträchtigen, entgegenzutreten, ist die Gesetzgebungskompetenz nach Art. 73 Nr. 6 a GG gegeben (vgl. auch Beschluß des BVerfG vom 13.11,1974, - 1 BvL 27/73 -, BVerfGE 225, 226, wonach § 14 Abs. 1 und 2 des EKrG mit dem Grundgesetz vereinbar sind).

Die Regelung des § 14 Abs. 1 S. 1 EKrG stellt klar, daß der Träger der Straßenbaulast - hier also die Beklagten - die Anlagen an Kreuzungen, soweit sie Straßenanlagen sind, auf seine Kosten zu erhalten hat. Damit enthält diese Vorschrift nicht nur - wie die Beklagten einräumen - die Begründung einer Verkehrssicherungspflicht, sondern regelt auch materiellrechtlich die Kostenlast, Die Vorschrift des § 33 Abs. 4 StrWG vermag ein anderes Ergebnis nicht zu rechtfertigen. Nach Auffassung des Gerichts beinhaltet jedenfalls zwischen den Kreuzungsbeteiligten im Sinne des § 1 Abs. 6 EKrG die Vorschrift des § 14 EKrG eine abschließende Regelung auch der Kostenlast, und zwar unabhängig von der Situation des zivilrechtlichen Eigentums, das insoweit im Bereich der Sichtflächen überlagert ist (vgl. Kodal/Krämer, Straßenrecht, 5. Aufl. 1995, S. 496, Rdnr. 135). § 14 EKrG enthält insoweit materielles Eisenbahn- und Wegerecht. Er legt bindend fest, wer für die einzelnen Bestandteile an der Kreuzungsanlage die Verantwortung und damit auch die Kosten zu tragen hat (Marschall/Schröter/Bosch, Eisenbahnkreuzungsgesetz, Kommentar, 3. Aufl., 1980, Anm. 3 zu § 14 EKrG). Er enthält demgegenüber weder vollzugsrechtliche Regelungen noch kann er aufgrund seines beschränkten Anwendungsbereiches (vgl. § 1 Abs. 6 EKrG) die Frage beantworten, wer im Verhältnis zwischen dem Straßenbaulastträger und Dritteigentümern gegebenenfalls für die Beseitigung störenden Bewuchses verantwortlich und kostentragungspflichtig ist. Die Regelung des § 14 EKrG soll dazu führen, daß zumindest zwischen den Kreuzungsbeteiligten klare Zuständigkeiten und klare Verantwortlichkeiten, die ein zwingendes Sicherheitsgebot darstellen, herrschen (Marschall u.a., aaO, Anm. 1 zu § 14 EKrG). Aus diesen Sachzwängen heraus hat der Bundesgesetzgeber die Pflicht zur Freihaltung der Sichtflächen und die damit einhergehende Kostenlast ausschließlich einem Pflichtigen, nämlich hier dem Straßenbaulastträger, zugeordnet, um Zuständigkeitskonflikte und Auseinandersetzungen über die Kostentragungspflicht, die die rechtzeitige Beseitigung störender Hindernisse verzögern könnten, zu vermeiden.

Nach alledem ist demgemäß festzustellen, daß die Beklagten nicht nur - wie sie einräumen - die Verkehrssicherungspflicht hinsichtlich der Einhaltung der Sichtanlagen innehaben; sondern auch die entsprechenden Kosten für die Beseitigung störenden Bewuchses tragen müssen.

Der Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO iVm § 159 Abs. 1 VwGO und § 100 ZPO stattzugeben. Die sonstigen Nebenentscheidungen ergeben sich aus § 167 Abs. 1 S. 1 VwGO iVm §§ 703 Nr. 11 und 711 ZPO.

Gericht VG Schleswig
Datum 25.03.1999
Normen § 14 EKrG
Stichworte Sichtdreiecke; Verpflichtung zur Freihaltung, Sichtdreiecke auf Bahnland

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