Urteil (noch nicht rechtskräftig)
(VG Karlsruhe, 6. Kammer; mündliche Verhandlung)
Urteil in der Verwaltungsrechtssache . . . . wegen Planfeststellung
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Planfeststellungsbeschlusses zur Beseitigung des Bahnübergangs Vi. Weg, Bahnkilometer 13.607 der Strecke Ma. - Fr. in Ma.-Bl..
Der Kläger ist Eigentümer des Eckgrundstücks Cl. Ring _ /Br. Allee (Flst.Nr. _ _/_), welches in einem reinen Wohngebiet liegt.
Am 30.01.1991 leitete die Bundesbahndirektion Karlsruhe das Planfeststellungsverfahren ein. Nach öffentlicher Auslegung der Planunterlagen in der Zeit vom 04.03.1991 bis 05.04.1991 wurden auf Grund der im Anhörungsverfahren erhobenen Einwände am 16.10.1991 geänderte Planunterlagen zur Ausführung der sog. Variante A 1 vorgelegt. Vom 02.12.1991 bis zum 03.01.1992 wurden diese öffentlich ausgelegt. Mit Schreiben vom 13.01.1992 erhob der Kläger Einwendungen. Am 18.05.1992 fand ein Erörterungstermin statt, an welchem auch der Kläger teilnahm.
Mit Bescheid vom 22.09.1993 stellte die Bundesbahndirektion Karlsruhe den Plan fest und wies unter anderem die Einwendungen des Klägers zurück. Nach dem Plan soll der Bahnübergang Wp 16 "Vi. Weg" in Bahnkilometer 13.607 der Strecke Ma. – Fr. in Ma.-Bl. durch Absenkung des Vi. Weges einschl. Geh- und Radweg auf einer Länge von 400 m und Neubau einer Eisenbahnüberführung in Bahnkilometer 13.600 beseitigt werden. Die Bahnstrecke sei im Bundesverkehrswegeplan 1992 als Ausbaustrecke für das Eisenbahnhochgeschwindigkeitsnetz unter "vordringlicher Bedarf" enthalten. Zur Verkürzung der Reisezeiten und Förderung des Umsteigens von der Straße auf die Schiene und der damit verbundenen Entlastung der Umwelt sei vorgesehen, die Streckengeschwindigkeit von 160 km/h auf 200 km/h anzuheben. Dafür sei die Beseitigung höhengleicher Kreuzungen notwendig. Die Schließung des Bahnübergangs erfordere die Herstellung einer vergleichbaren Straße für die getrennte Ost-West-Verbindung der K 9754. Dies werde dazu beitragen, die mit der Kolonnenbildung der wartenden Fahrzeuge einhergehenden Gefahren und Belästigungen zu verringern. Die Notwendigkeit der Wiederherstellung der Verbindung der K 9754 bestehe auch deshalb, weil es sich dabei um die einzige Ausweichstraße im Verhältnis zur Nord-Süd-Verbindung der B 44 handle. Insgesamt seien vier Varianten der Ersatzstraße, davon eine in zwei Alternativlösungen, untersucht worden. Die festgestellte Variante A 1 habe sich nach dem Ergebnis der Umweltverträglichkeitsstudie, den Verkehrszählungen und des darauf basierenden Lärmgutachtens als umweltverträglichste Lösung dargestellt; angesichts der gravierenden Eingriffe durch die anderen Varianten sei daher bei der Variante A 1 in Kauf zu nehmen, daß bei dieser Planung eine Verbesserung des Wohnumfeldes nicht erreicht werde. Immerhin sei mit ihr auch keine spürbare Verschlechterung verbunden. Durch den Bau einer Schallschutzwand werde die Lücke des bestehenden Lärmschutzwalles am Vi. Weg geschlossen und damit eine Verringerung der Schallbelastung aus dem Schienenverkehr im Bereich der Bahnunterführung erreicht.
Die schalltechnische Untersuchung des Büros Ob. vom September 1991 (Anlage 9 des Planfeststellungsbeschlusses), welcher eine Verkehrszählung Vi. Weg./Br. Allee vom 23./24.08.1988 zugrundeliegt, kommt zu dem Ergebnis, daß infolge der Straßenbaumaßnahme sowie der Erhöhung des Verkehrsaufkommens im Prognosezustand eine maximale Erhöhung der Schallbelastung von 2 dB(A) im Untersuchungsgebiet zu erwarten sei. Durch den Bau der vorgeschlagenen Lärmschutzwand werde, trotz Emissionspegelerhöhung, eine Verringerung der Schallbelastung aus dem Schienenverkehr im Bereich der Bahnunterführung erwartet. Da im Untersuchungsgebiet keine wesentliche Änderung infolge der Baumaßnahme (Bahnübergangsbeseitigung) prognostiziert werde, bestehe kein Anspruch auf Entschädigung für Lärmschutzmaßnahmen am Gebäude (Objektschutz).
Der Planfeststellungsbeschluß wurde dem Kläger am 20.10.1993 zugestellt.
Mit der am Montag, dem 22.11.1993 erhobenen Klage beantragt der Kläger,
den Planfeststellungsbeschluß der Beklagten vom 22.09.1993 betreffend die Beseitigung des Bahnübergangs WP 16 "Vi. Weg" in Bahnkilometer 13,07 der Strecke Ma. - Fr. in Ma.-Bl. aufzuheben;
hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, eine Planergänzung nach der Rechtsauffassung des Gerichts vorzunehmen.
Er macht geltend, bei der Planung des Vorhabens seien die gesetzlichen Planungsleitsätze nicht eingehalten worden. Nach einem Bericht über Schallmessungen des Büros Gr. vom Juli 1986 seien durchschnittliche Lärmpegel von 63 bis 64 dB(A) gemessen worden. Auch die auf der Basis einer Verkehrszählung am 23./24.08.1988 berechneten Mittlungspegel von 63,6 dB(A) tags und 53,7 dB(A) nachts würden die in der 16. BImSchV festgelegten Immissionsgrenzen von 59 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts schon jetzt bei weitem überschritten, so daß die Einschätzung des Planfeststellungsbeschlusses, daß eine wesentliche Änderung der Schallbelastung nicht gegeben sei, fehlerhaft sei. Die Beseitigung des Bahnübergangs stelle einen erheblichen baulichen Eingriff DAR, da nach dem Gutachten Ob. Mittelungspegel von 70,4 und 75,8 dB(A) tags und 70,0 und 75,8 dB(A) nachts gemessen worden seien. Auch hinsichtlich des Straßenverkehrs liege ein erheblicher baulicher Eingriff vor, da bei der von der Beklagten prognostizierten Verkehrszunahme von 28 % eine Zunähme der Immissionen um mehr als 3 dB(A) zu erwarten sei, wodurch die Lärmgrenzwerte von 70 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts bei weitem überschritten würden. Nicht nachvollziehbar sei die Hochrechnung der Beklagten zum Verkehrsaufkommen für das Prognosejahr 2000; es sei nicht ersichtlich, welcher Zunahmefaktor hierbei zugrundegelegt worden sei.
Weiterhin sei die Beklagte in ihrem Planfeststellungsbeschluß von falschen Planungsvoraussetzungen ausgegangen. In der Planskizze der Beklagten werde die Kreisstraße K 9754 südwestlich in Richtung Autobahn und Kö. Allee fortgeführt. Tatsächlich erstrecke sich die K 9754 lediglich auf den geplanten Unterführungsbereich des Vi. Wegs und knicke dann in die Br. Allee ab.
Zudem seien in der schalltechnischen Untersuchung des Instituts Ob. vom August 1991 unrichtige Messungen vorgenommen und daher falsche Lärmimmissionswerte zugrundegelegt worden. Die Messung sei in 25 m Entfernung vom Straßenrand durchgeführt worden, tatsächlich seien die meisten Anwesen entlang der Br. Allee lediglich 7 m von der Straße entfernt.
Darüber hinaus lägen der Planentscheidung Abwägungsfehler zugrunde. Die Verkehrsplanung der Nachbargemeinde La. sei unberücksichtigt geblieben. Auch die weiteren Verkehrsplanungen der Beklagten und der Stadt Ma. seien nicht in das Planfeststellungsverfahren einbezogen worden. Das Vorhaben stelle eine unzulässige Teilabschnittsplanung DAR, da zur umfassenden Berücksichtigung der Verkehrsprobleme eine einheitliche Planfeststellung oder planerische Gesamtkonzeption nicht erfolgt sei. Unrichtig sei ferner die verkehrsplanerische Berücksichtigung des Berufsverkehrs und des von den Betriebsparkplätzen der Firma Bo. und der Firma Ze.-Wa. herrührenden Verkehrsaufkommens.
Auch sei die Kumulation der Lärmgeräusche durch die Steigerung der Geschwindigkeit des Zugverkehrs und der Erhöhung der Zugfrequenz unberücksichtigt geblieben.
Ökologisch und ökonomisch sinnvollere und kostengünstigere Planungsvarianten seien aus nicht nach vollziehbaren Gründen verworfen worden. Die Planungsvariante Pa.straße sei nicht mit einbezogen worden.
Weiterhin verunstalte die Unterführung den Ortskern von Bl. vor allem im Bereich der Kirche.
Der Hilfsantrag sei unter dem Gesichtspunkt begründet, daß konkrete Planungen verkehrsberuhigender Maßnahmen bzw. von Maßnahmen zur Erschwerung des Durchgangsverkehrs bislang nicht vorgenommen worden seien.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, eine wesentliche Änderung des Schienenweges sei nicht gegeben, dieser bleibe unverändert. Die wesentliche bauliche Änderung erfolge bei der Straße, hier seien nach der schalltechnischen Untersuchung wesentliche Schalländerungen, d.h. Steigerungen von mindestens 3 dB(A), Erhöhung auf 70 bis 60 dB(A) oder Erhöhung eines bestehenden Pegels von tags 70 und 60 dB(A) nicht zu erwarten. Der Planfeststellungsbeschluß gehe auch nicht von unrichtigen Voraussetzungen aus. Lediglich im Übersichtsplan M 1: 5.000 sei versehentlich die Fortführung des Vi. Weges statt der Br. Allee mit K 9754 bezeichnet worden. In den übrigen Plänen und im Text sei die Verkehrsbeziehung richtig dargestellt und gewertet worden. Auch die schalltechnische Untersuchung sei nicht zu beanstanden. Gemäß der RLS-90 seien keine Messungen, sondern Berechnungen vorgenommen worden. Abwägungsfehler seien ebenfalls nicht gemacht worden. Die Nachbargemeinde La. sei berücksichtigt worden, ebenso das Verkehrsaufkommen aus den Betriebsparkplätzen der Firma Bo.. Die Auswirkungen der Geschwindigkeitssteigerungen des Zugverkehrs seien berechnet worden. Auch sei ein Gesamtbeurteilungspegel des Schienen- und Straßenverkehrslärms bestimmt worden. Die Auswahl der festgestellten Planungsvarianten sei begründet, die Variante Pa.straße geprüft worden. Schließlich seien verkehrslenkende Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung oder Erschwerung des Durchgangsverkehrs nicht Gegenstand dieses Planfeststellungsverfahrens.
Mit Beschluß der Kammer vom 06.02.1995 wurde die Deutsche Bahn AG zum Rechtsstreit beigeladen.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
In der mündlichen Verhandlung wurde die Umgebung des Bahnübergangs und des Grundstücks des Klägers in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Hinsichtlich des übrigen Vorbringens der Beteiligten und der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die gewechselten Schriftsätze, und die Planfeststellungsunterlagen (1 Ordner Planfeststellungsunterlagen, 1 Ordner Umweltverträglichkeitsstudie sowie 1 Heft Erläuterungsbericht zur Umweltverträglichkeitsstudie nebst 5 Plänen und 1 Heft Anhörungsverfahren des Regierungspräsidiums Karlsruhe) verwiesen.
Entscheidungsgründe
Infolge des zum 01.01.1994 erfolgten Zuständigkeitswechsels hinsichtlich des im Streit befindlichen Planfeststellungsbeschlusses vom 22.09.1993 war das Rubrum auf der Beklagtenseite von Amts wegen zu ändern und die Rechtsnachfolgerin der Deutschen Bundesbahn als Vorhabenträgerin beizuladen. Auf Grund der gesetzlichen Neuordnung des Eisenbahnwesens (Gesetz vom 27.12.1993, BGBl. I, 2378) gehen gem. § 3 Abs.2 S. 1 Nr. 1, S. 2 des Gesetzes über die Eisenbahnverkehrsverwaltung des Bundes (Art. 3 ENeuOG) i.V. mit § 3 Abs.3 des Organisationserlasses zum Eisenbahn-Bundesamt vom 31.12.1993 (VkB1 1994, 90) ab dem 01.01.1994 (Art. 11 Abs.1 S. 1 ENeuOG; § 8 OrgErl) alle die Planfeststellung für Schienenwege des Bundes betreffende Aufgaben auf das Eisenbahn-Bundesamt über, welches die Bundesrepublik Deutschland in Rechtsstreitigkeiten vertritt. Damit findet ein Parteiwechsel kraft Gesetzes statt, ohne daß es besonderer Prozeßerklärungen bedürfte ("Funktionsnachfolge des EBA": BVerwG, Beschluß vom 13.10.1994 -7 VR 10.94-, DÖV 1995, 198; zum Parteiwechsel kraft Gesetzes: VGH Ba.-Wü., Urteil vom 08.03.1995 -8 S 3345/94-).
Die Klage ist zulässig.
Obwohl der Kläger nicht als unmittelbarer Nachbar von der Planfeststellungsmaßnahme betroffen ist - sein Grundstück liegt ca. 300 bis 400 m vom Bahnübergang entfernt -, kann jedenfalls bezüglich der geltend gemachten Lärmbeeinträchtigungen nicht von vornherein und unter jedem denkbaren Gesichtspunkt eine Verletzung von subjektiven Rechten des Klägers ausgeschlossen werden, so daß die Klagebefugnis gegeben ist.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
Der Planfeststellungsbeschluß vom 22.09.1993 ist - soweit die Belange des Klägers zu berücksichtigen waren - rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat weder Anspruch auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses noch auf die hilfsweise beantragte Verpflichtung der Beklagten zur Vornahme einer Planergänzung.
Rechtsgrundlage für den angefochtenen Planfeststellungsbeschluß ist der im Zeitpunkt seines Erlasses geltende § 36 Bundesbahngesetz vom 13.12.1991 (BGBl. I, 955, i.d.f. vom 19.12.1990, BGBl. I, 2990, i. V. mit den §§ 72 ff. VwVfG).
Mit der dort niedergelegten Ermächtigung zur Fachplanung ist der Planfeststellungsbehörde eine planerische Gestaltungsfreiheit eingeräumt, die jedoch einer Reihe von rechtlichen Bindungen unterliegt. In formeller Hinsicht sind die Verfahrensvorschriften einzuhalten, in materieller Hinsicht bedarf die festgestellte Planung einer Rechtfertigung, muß sich an den gesetzlichen Planungsleitsätzen ausrichten und steht unter dem aus dem Rechtsstaatsprinzip entwickelten Gebot gerechter Abwägung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange (BVerwG, Urteil vom 14.02.1975 -BVerwG IV C 21.74-, BVerwGE 48, 56).
Bei Verstoß gegen diese Grundsätze führen allerdings nur solche Rechtsfehler zu einem - mit der Anfechtungsklage zu verfolgenden - Anspruch auf Planaufhebung, die die Grundzüge der Planung und deren Ausgewogenheit insgesamt betreffen, so daß eine Beseitigung des Mangels nicht durch bloße Planergänzung erfolgen kann. Läßt sich dagegen der Rechtsfehler durch eine Ergänzung des Planfeststellungsbeschlusses beheben, steht dem Betroffenen lediglich ein - mit der Verpflichtungsklage durchzusetzender - Anspruch auf Planergänzung zu (BVerwG, Urteil vom 07.07.1978 -BVerwG 4 C 79.76 u.a.-, BVerwGE 56, 110; VGH Ba.-Wü., Urteil vom 19.01.1983 -5 S 641/82-).
In Anwendung dieser Grundsätze bleibt der Hauptantrag des Klägers ohne Erfolg, da ein Aufhebungsanspruch nicht besteht.
Daß das Planfeststellungsverfahren unter Verletzung von Verfahrensrechten des Klägers abgelaufen wäre, ist weder vorgetragen worden noch sonst ersichtlich.
Aus der Begründung zum Planfeststellungsbeschluß ergibt sich weiterhin, daß das Vorhaben von einer hinreichenden Planrechtfertigung getragen wird, wobei es ausreicht, wenn die Verwirklichung der Planung vernünftigerweise geboten ist (BVerwG, Urteil vom 07.07.1978, aaO); auch die gesetzlichen Planungsleitsätze wurden eingehalten.
Der angefochtene Planfeststellungsbeschluß verstößt weiterhin nicht gegen das planungsrechtliche Gebot, die von dem Vorhaben betroffenen öffentlichen und privaten Belange gerecht abzuwägen. Im Zusammenhang mit dem auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gerichteten Hauptantrag des Klägers kommt es nur auf solche möglichen Abwägungsfehler an, die die Grundzüge der Planung und deren Ausgewogenheit insgesamt betreffen, so daß eine Beseitigung der Mängel nicht durch Planergänzung erfolgen könnte.
Dabei verlangt das Abwägungsgebot sowohl hinsichtlich des Vorgangs als auch hinsichtlich des Ergebnisses der Abwägung, daß eine Abwägung überhaupt stattfindet, in die Abwägung alle im konkreten Fall abwägungsbeachtlichen Belange einbezogen werden und weder die Bedeutung der betroffenen öffentlichen und privaten Belange verkannt noch der Ausgleich zwischen ihnen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die zur Planung ermächtigte Stelle in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung des anderen entscheidet. Die darin liegende Gewichtung der von der Planung berührten öffentlichen und privaten Belange ist vielmehr ein wesentliches Element der planerischen Gestaltungsfreiheit und als solches der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle entzogen. Diese beschränkt sich daher auf die Frage, ob die Planfeststellungsbehörde die abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt und ob sie - auf der Grundlage des derart zutreffend ermittelten Abwägungsmaterials - die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung eingehalten, hat (st. Rspr., vgl. BVerwG, Urteil vom 14.02.1975, aaO; VGH Ba.-Wü., Urteil vom 19.01.1983, aa0).
Der Abwägungsvorgang ist nicht zu beanstanden. Die Begründung des Planfeststellungsbeschlusses, der Erläuterungsbericht und die vorausgegangenen Verwaltungsvorgänge zeigen, daß die Planfeststellungsbehörde überhaupt eine Abwägung vorgenommen hat und daß alle abwägungsbeachtlichen öffentlichen und privaten Belange in die Überlegungen einbezogen wurden.
Entgegen der Auffassung des Klägers wurde dabei auch die Planungsalternative "Pa.straße" berücksichtigt. Sie ging als Variante B und C in die Planung ein (S. 8 des Planfeststellungsbeschlusses). Ebenso waren die Verkehrsplanungen der Nachbargemeinde La. (S. 26 der Stellungnahme der Anhörungsbehörde, S. 19 des Planfeststellungsbeschlusses), der Stadt Ma. (S. 13 des Erläuterungsberichtes) und der Beklagten (S. 4 des Planfeststellungsbeschlusses) sowie das Verkehrsaufkommen aus dem Berufsverkehr der Firmen Bo. und Ze.-Wa. (S. 19 des Planfeststellungsbeschlusses) Gegenstand des Abwägungsvorgangs.
Die Planfeststellungsbehörde ging ersichtlich auch nicht von falschen Planungsvoraussetzungen aus, wie der Kläger meint. Zwar ist die Streckenführung der K 9754 im Übersichtslageplan M 1: 5.000 fehlerhaft eingezeichnet. Dies hatte jedoch keinen Einfluß auf den Abwägungsvorgang. Denn sowohl im Planfeststellungsbeschluß (S. 4, 3.Absatz) als auch im Erläuterungsbericht (S. 4, 2.2) und in der Übersichtskarte M 1:50.000 ist die Streckenführung richtig wiedergegeben und berücksichtigt.
Für die Behauptung, es liege eine unzulässige Teilabschnittsplanung vor (zum Begriff vgl.: VGH Ba.-Wü., Urteil vom 23.04.1981 -5 S 2342/80-) gibt es keinerlei Anhaltspunkte, weitere Ausführungen erübrigen sich daher.
Auf der Grundlage des damit zutreffend ermittelten Abwägungsmaterials wurden die oben dargelegten Grenzen der Gewichtung eingehalten, so daß auch das Abwägungsergebnis nicht zu beanstanden ist.
Insbesondere wurden entgegen der Auffassung des Klägers andere Planungsvarianten rechtsfehlerfrei abgelehnt. Die Umweltverträglichkeitsstudie kommt eindeutig zu dem Ergebnis, daß durch die planfestgestellte Variante A 1 die geringsten Umwelteinwirkungen zu erwarten sind (Umweltverträglichkeitsstudie S. 73 ff. i.V. mit Tabelle 10; Planfeststellungsbeschluß S. 6 ff., Erläuterungsbericht S. 6 ff.). Darauf und auf die gerügte Verunstaltung des Ortskerns von Bl. kann sich der Kläger als nicht von Enteignung betroffener Grundeigentümer ohnehin nicht berufen, da damit die Verletzung eigener Rechte nicht geltend gemacht wird. Gleiches gilt, soweit der Kläger annimmt, er könne mit diesem Verfahren auch die Interessen anderer Mitbewohner von Bl. wahrnehmen, worauf die vorgelegten Unterschriftslisten hinweisen. Denn der durch eine Planfeststellung Betroffene kann unter Berufung auf eine Verletzung des Abwägungsgebots eine gerichtliche Planprüfung lediglich im Hinblick auf die nachteilige Berührung gerade seiner eigenen Belange, nicht jedoch eine schlechthin umfassende Planprüfung erreichen. Eine fehlerhafte Abwägung zum Nachteil eines oder mehrerer anderer Beteiligter mag – insoweit - zur objektiven Rechtswidrigkeit des Planfeststellungsbeschlusses führen; dadurch wird aber der von dem Abwägungsmangel nicht selbst, nämlich nicht in seinen eigenen Belangen betroffene Kläger nicht i.S. des § 113 Abs.1 S. 1 VwGO in seinen Rechten aus dem - in diesem Sinne nicht mit gleichsam "nachbarschützender" Wirkung ausgestatteten - Abwägungsgebot verletzt (BVerwG, Urteil vom 14.02.1975, aa0). Nur wenn die Planfeststellung dazu dienen soll, dem Kläger Grundeigentum notfalls im Wege der Enteignung zu entziehen, kommt der Eigentumsschutz nach Art. 14 GG voll zur Geltung, indem er vor einem Eigentumsentzug schützt, der nicht zum Wohle der Allgemeinheit erforderlich oder nicht gesetzmäßig ist. In diesem Fall können dem betroffenen Eigentümer Abwehr- und Beseitigungsansprüche gegenüber Eingriffen der öffentlichen Hand auch dann zustehen, wenn eine zu seinen Gunsten wirkende Schutznorm des einfachen Rechts fehlt (BVerwG, Urteil vom 18.03.1983 -BVerwG 4 C 80.79-, BVerwGE 67, 74). Insoweit ist der Umfang der verwaltungsgerichtlichen Prüfung begrenzt.
Die Verletzung eigener Rechte macht der Kläger lediglich mit der gerügten Zunahme der Lärmbelästigung geltend. Auch hier ist allerdings nicht ersichtlich, daß die Belange des Klägers rechtsfehlerhaft unberücksichtigt blieben.
Zum Umfang der zu erwartenden Lärmbelästigungen führt der Planfeststellungsbeschluß aus, daß zwar eine Verbesserung des Wohnumfeldes nicht erreicht werde, jedoch auch keine spürbare Verschlechterung zu erwarten sei. Durch die vorgesehene Schließung der Lücke im Lärmschutzwall werde eine Verringerung der Schallbelastung aus dem Schienenverkehr im Bereich der Bahnunterführung erreicht. Diese Beurteilung stützt sich auf das Lärmgutachten des Büros Ob. vom September 1991, dessen Ergebnisse sich der Planfeststellungsbeschluß zu eigen macht. Sie ist in ihrer Tragfähigkeit daher davon abhängig, daß das Gutachten seinerseits keine Mängel aufweist, die es im gerichtlichen Verfahren zur Sachverhaltsfeststellung ungeeignet erscheinen lassen (vgl. BVerwG, Urteil vom 07.07.1978, aaO).
Die vom Kläger gerügten Mängel liegen indes nicht vor: Die Ermittlung des Zunahmefaktors F zum Verkehrsaufkommen für das Prognosejahr 2000 beruht auf den Richtlinien für die Anlage von Straßen RAS, Teil: Querschnitte RAS-Q, 1982, aktualisiert durch die Bekanntmachung der obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Inneren vom 23.06.1988, hier: Tabelle "Entwicklung der Zunahmefaktoren F der gesamten Jahresfahrleistungen der Kfz". Anlaß, diese zu beanstanden, sieht die Kammer nicht.
Nicht durchdringen kann der Kläger auch mit der Rüge, in der schalltechnischen Untersuchung seien unrichtige Messungen vorgenommen worden, da in 25 m Entfernung gemessen worden sei, die meisten Anwesen entlang der Br. Allee jedoch lediglich 7 m von der Straße entfernt lägen. Zu Recht hat die Beklagte hierzu ausgeführt, daß die Schallbelastung nicht gemessen, sondern auf Grundlage der Verkehrszählungen vom 23./24.08.1988 in Einklang mit den Richtlinien für den Lärmschutz an Straßen RLS-90 (hier: 4.4.1.1.1 Randbedingungen) i.V. mit Anlage 1 zu S 3 16. BImSchV vom 12.06.1990 (BGBl. I, 1036) berechnet wurde.
Weiterhin werden zwar auch nach dem Gutachten die in § 2 Abs.1 Nr. 2 16.BImSchV festgelegten Immissionsgrenzwerte von 59 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts für Wohngebiete überschritten; dies ist jedoch keine Folge der angefochtenen Planung; vielmehr ist das überplante Gebiet insoweit vorbelastet. Gem. § 41 Abs.1 BImSchG i.V. mit § 1 Abs.2 16. BImSchV liegt eine wesentliche - zu Schutzmaßnahmen verpflichtende - Änderung von öffentlichen Straßen sowie von Schienenwegen der Eisenbahnen dann vor, wenn durch einen erheblichen baulichen Eingriff der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms um mindestens 3 dB(A) oder auf mindestens 70 dB(A) am Tage oder mindestens 60 dB(A) in der Nacht erhöht wird (§ 1 Abs.2 S. 1 Nr. 2) oder wenn der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms von mindestens 70 dB(A) am Tage oder 60 dB(A) in der Nacht durch einen erheblichen baulichen Eingriff erhöht wird (§ 1 Abs.2 S. 2). Diese Voraussetzungen sind vorliegend für den baulichen Eingriff an der K 9754 nicht erfüllt.
Gemäß der Anlage 9, Tabelle 1 zur schalltechnischen Untersuchung erhöht sich der Prognosewert (Beurteilungspegel Straße) für das Jahr 2000 lediglich im Bereich der Kirche und des As. Wegs 8 um max. 2 dB(A), wobei die Grenzwerte des § 1 Abs.2 S. 2 16. BImSchV in keinem Fall überschritten werden. Insoweit ist darauf hinzuweisen, daß nicht die vom Kläger angeführten Mittelungspegel, sondern die Immissionsbeurteilungspegel nach den oben genannten Vorschriften maßgeblich sind.
Ob auch bezüglich des Schienenweges eine Änderung i.S. der oben genannten Vorschriften vorliegt - eine Änderung i.S. von § 41 BImSchG liegt grundsätzlich nur bei einem baulichen Eingriff vor (Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Bd. 1, BImSchG, § 41 Rd.Nr. 30) - mag dahinstehen, da sich insoweit aus der Anlage 9, Tabelle 3 des Gutachtens ergibt, daß sich der Summenbeurteilungspegel Straße/Schiene für das Prognosejahr an keinem der untersuchten Immissionsorte um 3 dB(A) erhöht, daß eine Erhöhung der Tagesgrenzwerte auf 70.dB(A) oder eine Erhöhung von Tageswerten von 70 dB(A) nicht zu erwarten ist und daß der Grenzwert von 60 dB(A) in der Nacht nur in den Fällen überschritten wird, in denen eine weit höhere Vorbelastung vorliegt, die Werte sich also nicht i.S. von § 1 Abs.2 16. BImSchV "erhöhen".
Auch die Steigerung der Geschwindigkeit des Zugverkehrs und die Erhöhung der Zugfrequenz wurden ausweislich der Anlage 9, Beiblatt 2.2 des Gutachtens entgegen der Behauptung des Klägers berücksichtigt.
Auf Grund der vorgenommenen Berechnungen kommt das Gutachten daher nachvollziehbar und rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis, daß eine wesentliche Änderung infolge der Maßnahme nicht zu erwarten ist und Anspruch auf Lärmschutzmaßnahmen für die untersuchten Immissionsorte nicht besteht.
Führt danach die Beseitigung des Bahnübergangs gemäß der schalltechnischen Untersuchung nicht zu wesentlichen Änderungen der Belastung für die unmittelbar angrenzenden Nachbargrundstücke, so war es auch nicht abwägungsfehlerhaft, daß das Grundstück des Klägers nicht in die Lärmuntersuchungen miteinbezogen wurde, da für dieses Grundstück danach -erst recht- nichts anderes gelten kann.
Aus alledem ergibt sich, daß der angefochtene Planfeststellungsbeschluß nicht mit solchen Fehlern behaftet ist, die die Grundzüge der Planung und deren Ausgewogenheit insgesamt betreffen, so daß eine Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nicht in Betracht kommt.
Aber auch der mit dem Hilfsantrag verfolgte Anspruch auf Planergänzung steht dem Kläger nicht zur Seite. Insoweit kann auf die oben gemachten Ausführungen zur gerügten Lärmbelastung verwiesen werden, wonach der Planfeststellungsbeschluß rechtsfehlerfrei die Erforderlichkeit von Lärmschutzmaßnahmen verneint hat, so daß auch auf andere verkehrsberuhigende oder den Durchgangsverkehr erschwerende Maßnahmen kein Anspruch besteht.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO insgesamt abzuweisen. Da die Beigeladene keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko übernommen hat (§ 154 Abs. 3 VwGO), entsprach es nicht der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten dem Kläger aufzuerlegen, § 162 Abs.3 VwGO.
Gericht | VG Karlsruhe |
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Typ | noch nicht rechtskräftig |
Datum | 06.04.1995 |
Normen | § 3 EVerkVerwG, BImSchV, § 36 BbG |
Stichworte | Parteiwechsel kraft Gesetzes, Lärmbeeinträchtigung: Mittelbare Nachbarschaft und Klagebefugnis, Abwägungsgebot, Anspruch auf Planaufhebung/Planergänzung, Verletzung, Planfeststellungsrecht eigener Rechte, |
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