Beschluss
( OVG Schleswig-Holstein, 4. Senat)
Beschluß in der Verwaltungsrechtssache . . . wegen Planfeststellung - Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung -
Der Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluß des Beklagten vom 05. Mai 1994 - EBA 1014 (ESH) PFA III OL -wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die erstattungsfähig sind.
Gründe
Der Antrag ist zulässig, jedoch nicht begründet.
I.
Entgegen den vom Senat noch mit der Zustellungsverfügung angemeldeten Zweifeln ist das Oberverwaltungsgericht für die Klage des Klägers auf Aufhebung des streitbefangenen Planfeststellungsbeschlusses vom 05. Mai 1994 erstinstanzlich zuständiges Gericht gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO und damit als Gericht der Hauptsache gemäß §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 VwGO auch zuständig für die Entscheidung über das vorläufige Rechtsschutzbegehren des Klägers im vorliegenden Verfahren.
Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO (in der Änderungsfassung nach Art. 7 Nr. 2 des Planungsvereinfachungsgesetzes vom 17.12.1993 - BGBl. I, S. 2123, 2134) entscheidet das Oberverwaltungsgericht im ersten Rechtszug über sämtliche Streitigkeiten, die betreffen Planfeststellungsverfahren für den Bau oder die Änderung neuer Strecken von Straßenbahnen und von öffentlichen Eisenbahnen sowie für den Bau oder die Änderung von Rangier- und Containerbahnhöfen. Bei der streitbefangenen Elektrifizierungsmaßnahme der Beigeladenen handelt es sich um eine Änderung einer bereits bestehenden öffentlichen Eisenbahnstrecke. Zwar spricht der Wortlaut des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO nur vom Bau oder der Änderung neuer Strecken u.a. von öffentlichen Eisenbahnen. Jedoch ist dieser Wortlaut als solcher insoweit in sich widersprüchlich bzw. sinnlos, als logisch denkbar nur der Bau neuer Strecken und/oder die Änderung bestehender Strecken ist, nicht aber eine Änderung neuer Strecken. Was der Gesetzgeber selbst gemeint und beabsichtigt hat, geht mit hinreichender Deutlichkeit aus der Begründung des Gesetzentwurfes (BT-Drucks. 12/4328 vom 11.02.1993, S. 24) hervor, in der es heißt: "Die Verwaltungsgerichtsordnung sieht in der geltenden Fassung die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte nur für Streitigkeiten vor, die den Neubau von Straßenbahnen, Eisenbahnen, Rangier- und Containerbahnhöfen sowie von Binnenwasserstraßen betreffen. Die Änderung des § 48 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 6, 7 und 9 führt die erstinstanzliche Zuständigkeit der Oberverwaltungsgerichte auch für die Änderung bzw. den Ausbau der genannten Verkehrswege und -anlagen ein, um das verwaltungsgerichtliche Verfahren zu beschleunigen." Dieser Hintergrund erhellt, daß der Wortlaut der Bestimmung letztlich an einer redaktionell verunglückten Einfügung in den bestehenden Gesetzestext leidet, wenn es in Art. 7 Nr. 2 des Planungsvereinfachungsgesetzes heißt: "In Nr. 7 werden jeweils nach dem Wortlaut "Bau" die Wörter "oder die Änderung" eingefügt." Ist aber einerseits der Wortlaut als solcher mit einer "Änderung neuer Strecken" in sich sinnlos und wird auf der anderen Seite aus der Gesetzesbegründung gerade das deutlich, was sich als einzig sinnvolle Auslegung aufdrängt - also Bau neuer Strecken und Änderung bestehender Strecken -, so kann § 48 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 VwGO n.f. auch nur in letzterem Sinne verstanden bzw. ausgelegt werden (vgl. im übrigen auch Art. 3 § 3 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Eisenbahnwesens vom 27.12.1993 - BGBl. I, S. 2378, 2394, wo es unter "Aufgaben des Eisenbahn-Bundesamtes" heißt: "Im Planfeststellungsverfahren hat das Eisenbahn-Bundesamt die Pläne für den Bau neuer oder die Änderung bestehender Betriebsanlagen der Eisenbahnen des Bundes der nach Landesrecht zuständigen Behörde des Landes, in dem die Betriebsanlagen liegen, zur Durchführung des Anhörungsverfahrens zuzuleiten ..."). Daß sich bei der Änderung der Nrn. 6 und 9 in § 47 Abs. 1 Satz 1 VwGO keine Unklarheiten im Wortlaut bzw. vergleichbare redaktionelle Einfügungsmängel ergeben haben, liegt offensichtlich in der Tatsache begründet, daß dort u.a. jeweils die Genehmigungsobjekte erweitert bzw. neu definiert worden sind und der Gesetzestext entsprechend neu gefaßt worden ist. Nach allem ist das vom Kläger mit seiner Klag- und Antragsschrift angegangene Oberverwaltungsgericht das sachlich zuständige Gericht im ersten Rechtszug.
II.
Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist indes in der Sache nicht begründet. Die Anordnung des Sofortvollzugs des Planfeststellungsbeschlusses durch den Beklagten mit dem Bescheid vom 05. Mai 1994 ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage für die Vollzugsanordnung des Beklagten ist § 80 a Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Danach kann die Behörde auf Antrag des Begünstigten nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung anordnen, wenn ein Dritter gegen den an einen anderen gerichteten, diesen begünstigenden Verwaltungsakt einen Rechtsbehelf einlegt. Der Senat sieht in dem Planfeststellungsbeschluß des Beklagten einen Verwaltungsakt mit Doppelwirkung, da er für den Träger des Vorhabens - hier die Beigeladene - einer Genehmigung entspricht und für den konkret betroffenen Kläger auf der anderen Seite Pflichten und Belastungen - allein schon durch die Wuchshöhenbegrenzungen auf seinem Grundstück - begründet (vgl. Redeker/von Oertzen, VwGO, 11. Aufl., Rdn. 4 b zu § 80 a; vgl. auch Kopp, VwGO, 9. Aufl., Rdn. 6 bis 9, 22 zu § 80, Rdn. 1, 2 zu § 80 a). Vorliegend hatte die Beigeladene schon unter dem 19. April 1994 - also vor Erlaß des Planfeststellungsbeschlusses vom 05. Mai 1994 - die Anordnung der sofortigen Vollziehung beim Beklagten beantragt, der diese Anordnung dann auch zugleich mit dem Planfeststellungsbeschluß erließ. Entgegen der insoweit mißverständlichen Fassung des § 80 a Abs. 1 Nr. 1 VwGO ist ein solcher Verfahrensgang nach insoweit einhelliger Auffassung ohne weiteres möglich, insbesondere dann, wenn in Verfahren wie der vorliegenden Art mit Rechtsbehelfen von Dritten gegen die den Vorhabenträger begünstigende Entscheidung von vornherein zu rechnen ist (vgl. Kopp, aa0, Rdn. 8 zu §,80 a m.w.N; Redeker/von Oertzen, aa0, Rdn. 5 zu § 80 a). Vorliegend hat der Kläger als Dritter gegen den die Beigeladene begünstigenden Planfeststellungsbeschluß vom 05. Mai 1994 den einschlägigen Rechtsbehelf der Klage beim erkennenden Senat eingelegt (Verfahren 4 K 9/94). Als besonderes Vollzugsinteresse steht in einem solchen Dreiecksverhältnis nicht, wie es bei belastenden Verwaltungsakten im zweiseitigen Verhältnis zwischen betroffenem Bürger und der Verwaltung der Fall ist, das besondere öffentliche Interesse der Verwaltung am Vollzug des Verwaltungsakts im Vordergrund, vielmehr ist - wie sich schon aus dem Wortlaut von § 80 Abs. 2 Nr. 4 (zweite Alternative) VwGO entnehmen läßt - auf das "überwiegende Interesse eines Beteiligten" abzustellen. Der in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz gewährleistete Schutz des einzelnen gegenüber dem Staat tritt im vorliegenden Dreiecksverhältnis zurück. Die Entscheidung über die Vollzugsanordnung hat eher schiedsrichterlichen Charakter im Verhältnis zwischen den von der Genehmigung Betroffenen. Dem entspricht es, ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten im Sinne von § 80 Abs. 2 Nr. 4 (zweite Alternative) VwGO dann zu bejahen, wenn der von dem belasteten Beteiligten eingelegte Rechtsbehelf mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben wird und eine Fortdauer der grundsätzlich aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs dem begünstigten Beteiligten gegenüber unbillig wäre (vgl. Rechtsprechung des 1. Senats des OVG Schleswig-Holstein, Beschluß vom 01.11.1991 - 1 M 54/91 -, Sch1HA 1992, 159, der der erkennende Senat gefolgt ist, vgl. Beschluß vom 01.10.1993 - 4 M 70/93 -; Beschluß vom 01.12.1993 - 4 M 74/92 -; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluß vom 24.02.1992 - 3 S 3026/91 -, BauR 1992, 494; BayVGH, Beschluß vom 23.08.1991 - 14 CS 91.2254 -, BayVerwBl. 1991, 723, 724).
So liegt der Fall hier. Die vom Kläger erhobene Klage gegen den die Beigeladene begünstigenden Planfeststellungsbeschluß erweist sich bei der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Überprüfung mit erheblicher Wahrscheinlichkeit als erfolglos (1). Angesichts dessen erscheint es unbillig, die Beigeladene an der Ausnutzung des sie begünstigenden Beschlusses durch eine (Wieder-) Herstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu hindern, so daß die nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung zu ihren Gunsten ausgeht (2).
1.
Die vom Kläger erhobene Klage wird voraussichtlich - soweit dies im summarischen Verfahren zu übersehen ist - erfolglos bleiben. Die Rügen des Klägers gegen die ihn betreffenden Feststellungen des angefochtenen Beschlusses greifen nach dem derzeitigen Sach- und Erkenntnisstand wahrscheinlich nicht durch.
Offensichtlich fehl geht zunächst die formelle Rüge einer nicht ordnungsgemäßen Anhörung wegen unangemessen kurzfristiger Ladung zum Erörterungstermin am 24. Februar 1994. Zum einen ist nach dem eigenen Vortrag des Klägers, demzufolge sein Prozeßbevollmächtigter die Ladung am 14. Februar 1994 erhalten hat, die gesetzlichem Wochenfrist (vgl. § 36 d Abs. 1 Bundesbahngesetz - i.d.f. des Planungsvereinfachungsgesetzes vom 17.12.1993, aa0 - i.V.m. § 73 Abs. 6 VwVfG) eingehalten worden, zum anderen hat der Kläger den Erörterungstermin am 24. Februar 1994 persönlich wahrgenommen und sich dort auch uneingeschränkt zur Sache eingelassen.
In materieller Hinsicht geht offensichtlich fehl die Rüge, der außerhalb des Grundstücks befindliche Mast Nr. 37-12 halte mit 0,5 m zur Grundstücksgrenze des Klägers nicht den erforderlichen Grenzabstand ein. Gemäß § 6 Abs. 8 LBO sind u.a. Maste - für die es gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 11 LBO im übrigen auch keiner Baugenehmigung bedarf - innerhalb ansonsten etwa einzuhaltender Abstandsflächen ohne weiteres zulässig. Nach den von der Beigeladenen im Planfeststellungsverfahren dargelegten besonderen bautechnischen Vorkehrungen im Bahnbereich neben dem Grundstück des Klägers liegen die leitfähigen Teile des Wohngebäudes und des Zaunes außerhalb des Erdungsbereichs, so daß weder eine Beseitigung des Gebäudes noch eine besondere Schutzerdung erforderlich ist. Den detaillierten Angaben von Beigeladener und Beklagtem hat der Kläger bisher nicht substantiiert entgegenzutreten vermocht. Soweit die um den Mast herum einzuhaltenden Bewuchsbeschränkungszonen ein teilweises Stutzen der alten Trauerbuche sowie Aufwuchsbeschränkungen bzw. Rückschnitte auf dem der Bahn zugewandten Streifen des klägerischen Grundstücks erfordern, sieht der angefochtene Planfeststellungsbeschluß ausdrücklich einen Wertminderungsausgleichsanspruch des Klägers gegen die Beigeladene vor. Dieser kann und muß außerhalb des vorliegenden Planfeststellungsbeschlußverfahrens verfolgt und im Streitfall (der Höhe nach) in einem gesonderten Verfahren festgestellt werden; auch insoweit kann der Kläger eine Verletzung seiner Rechte durch den angefochtenen Beschluß jedenfalls nicht geltend machen.
Soweit der Kläger im Einwendungsverfahren, auf das er sich auch zur Begründung seiner Klage bezieht, ein fehlendes Genehmigungsverfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz rügt, verkennt er offensichtlich die gesetzliche Konzentrationswirkung eines Planfeststellungsverfahrens, das u.a. auch ein gesondertes immissionsschutzrechtliches Verfahren erübrigt (vgl. § 75 Abs. 1 VwVfG).
Schließlich sieht der Kläger eine Verletzung seiner Rechte darin, daß die Elektrifizierung ursächlich sei für die Erhöhung der Zugfolge und der Geschwindigkeiten, die wiederum zu einer Zunahme der Erschütterungen und einem Anstieg der Lärmimmissionen auf ein für ihn unzumutbares Maß bzw. zu einer wesentlichen Veränderung im Sinne der 16. Bundesimmissionsschutzverordnung führe. Insoweit spricht nach Auffassung des Senats eine ganz überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür, daß im Hauptsacheverfahren den entgegenstehenden Darlegungen des Beklagten im angefochtenen Beschluß zu folgen sein wird, nach denen die Elektrifizierung der vorhandenen Strecke keine Lärmvorsorgemaßnahmen veranlaßt (vgl. im einzelnen S. 8, 9 des Beschlusses; siehe dort auch S. 2, 3, 5). Der derzeitige Erkenntnisstand legt in der Tat nahe, daß die angefochtene Elektrifizierungsmaßnahme mangels "wesentlicher Änderung" nicht dem Anwendungsbereich der 16. BImSchV unterfällt, wie er dort in § 1 definiert ist. Die Ausführungen hierzu im Beschluß des Beklagten sind zumindest bei der hier nur möglichen überschlägigen Prüfung der Sach- und Rechtslage für den Senat plausibel und überzeugender als die Auffassung des Klägers. Entsprechendes gilt für die vom Kläger ins Feld geführten sogenannten Elektrosmog-Gefahren. Insoweit wird zu Punkt A 3 (S. 5/6) des angefochtenen Beschlusses im einzelnen dargelegt, daß die im Bereich von 15 kV-Oberleitungen auftretenden elektromagnetischen Felder weit unter den Grenzwerten liegen, die vom Bundesamt für Strahlenschutz unter dem Aspekt der Vorsorge empfohlen werden, und auch weit unter den von der Internationalen Strahlenschutzkommission herausgegebenen Vorsorgegrenzwerten. Soweit der Kläger mit seinem letzten Schriftsatz vom 21. Juli 1994 auf "neuere amerikanische Untersuchungen" zur Krebsgefahr durch elektromagnetische Felder hinweist, deren Stärke unter den von der Internationalen Strahlenschutzkommission herausgegebenen Grenzwerten lägen, ist • diese Behauptung zu allgemein und unsubstantiiert, um die bisher international und allgemein anerkannten Vorsorgegrenzwerte erschüttern zu können.
2.
Wird somit nach dem bisherigen Sach- und Streitstand die vom Kläger erhobene Anfechtungsklage gegen den die Beigeladene begünstigenden Planfeststellungsbeschluß vom 05. Mai 1994 mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglos bleiben, muß auch die nach § 80 a Abs. 1 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im Hinblick auf die Anordnung des Sofortvollzuges vorzunehmende Interessenabwägung nach den eingangs dargelegten Grundsätzen zugunsten der Beigeladenen ausgehen. Dabei ist zunächst grundsätzlich zu beachten, daß eine möglicherweise nicht sachgerechte oder nicht ausreichende Begründung des Sofortvollzuges durch den Beklagten im Rahmen des hier vorliegenden Verfahrens nach § 80 a VwGO nicht etwa schon wegen eines solchen Begründungsmangels zur Aufhebung des Sofortvollzuges bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung führen würde.
Letzteres ergibt sich daraus, daß bei den sogenannten Verwaltungsakten mit Doppelwirkung § 80 a Abs. 3 VwGO die Möglichkeit vorsieht, daß das Gericht nicht nur behördliche Maßnahmen im Zusammenhang mit Vollzugsanordnungsanträgen des Begünstigten bzw. Aussetzungsanträgen des Dritten ändern oder aufheben, sondern auch selbst solche Maßnahmen treffen kann, und zwar auch, ohne daß zuvor ein Antrag bei der Behörde gestellt worden wäre (vgl. auch OVG Bremen, Beschluß vom 24.01.1992 - 1 B 1/92 -; Senat, Beschluß vom 01.12.1993 - 4 M 74/92 -). Auch in einem solchen Fall hat Gericht eine eigenständige Interessenabwägung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO vorzunehmen, ohne daß überhaupt eine behördliche Entscheidung oder gar Begründung vorläge. Auch kann die Behörde einen bei ihr gestellten Anordnungsantrag nach § 80 a Abs. 1 Nr. 1 VwGO beispielsweise ohne jede Begründung ablehnen, so daß dann das Gericht im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Voraussetzungen auch nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO einschließlich der dort geregelten Interessenabwägung zu prüfen bzw. vorzunehmen und ggf. selbst die Anordnung auszusprechen hat. Hier zeigt sich der grundlegende Unterschied zum Verfahren nach § 80 VwGO, in dem das Gericht im Rahmen von Abs. 2 Nr. 4 nur mit einem von der Behörde bereits besonders angeordneten, einen einzelnen Bürger belastenden Sofortvollzug befaßt wird und diesen etwa auch auf eine formell und materiell ordnungsgemäße Begründung überprüft, § 80 Abs. 3 VwGO, letztlich aber immer nur - bei formellen oder materiellen Mängeln - auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung zugunsten des Rechtsschutzsuchenden, von der Behörde belasteten Bürgers beschränkt ist.
Ist das Gericht aber demgegenüber in den sogenannten Dreiecksverhältnissen nach § 80 a VwGO selbst befugt, Sofortvollzugsmaßnahmen anzuordnen (vgl. hierzu auch BayVGH, Beschluß vom 23.08. 1991, aa0, unter Hinweis auf den Wortlaut des § 80 a Abs. 3 Satz 1 VwGO, die Gesetzesmaterialien und das in Art. 19.Abs. 4 GG enthaltene Gebot effektiven Rechtsschutzes), so obliegt ihm in diesem Rahmen auch eine eigenständige Abwägung nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO, ohne daß es darauf ankommt, ob die Behörde überhaupt eine Entscheidung getroffen hat, ggf. ob sie eine Entscheidung ohne Begründung oder auch mit zu beanstandener Begründung getroffen hat. Das Gericht befindet in jedem dieser Fälle selbst über die Anordnungsmaßnahme und verpflichtet nicht etwa die Behörde lediglich zu einer (Neu-) Bescheidung des Anordnungsbegehrens. Tauglicher Maßstab für die gerichtliche Entscheidung ist in der vorliegenden Verfahrenskonstellation nach der unter 1. festgestellten voraussichtlichen Erfolglosigkeit des von dem Kläger eingelegten Rechtsbehelfs - wie eingangs dargelegt - zuvörderst die Gewichtung der privaten Interessen der Beteiligten. Vorliegend überwiegt das Interesse der Beigeladenen an der Ausnutzung des Planfeststellungsbeschlusses das Interesse des Klägers an einer Fortdauer bzw. Wiederherstellung des Suspensiveffektes seiner mit erheblicher Wahrscheinlichkeit erfolglosen Klage. Es liegt einerseits auf der Hand, daß ein späterer Baubeginn die Inbetriebnahme der Elektrifizierung verzögern und eine solche Verzögerung erhebliche, nicht wieder einbringliche wirtschaftliche Nachteile auf seiten der Beigeladenen auslösen würde. Was die für die Beigeladene streitende Interessenlage im einzelnen angeht, kann auf die Begründung der Sofortvollzugsanordnung vom 05. Mai 1994 verwiesen werden. Andererseits streiten für den Kläger keine Interessen, die durch den sofortigen Baubeginn in irreparabler Weise beeinträchtigt würden. Zum einen sind die Beeinträchtigungen, die der Kläger für sich als Folge der Elektrifizierungsmaßnahme geltend macht und als nicht hinnehmbar rügt, nahezu ausschließlich solche, die sich nicht durch die Baumaßnahme als solche, sondern erst mit der späteren Inbetriebnahme überhaupt realisieren könnten. Zum anderen wären die Nachteile, die er durch den Sofortvollzug hinzunehmen hat, selbst bei einem - nach oben Dargelegtem allerdings kaum wahrscheinlichen - Erfolg im Hauptsacheverfahren - unter welchem Gesichtspunkt auch immer - auszugleichen, sei es durch Geldleistungen, sei es durch weitere technische Schutzmaßnahmen und -vorkehrungen. Angesichts dessen und der erheblich wahrscheinlichen Erfolglosigkeit der gegen den Planfeststellungsbeschluß erhobenen Klage einerseits sowie der dargelegten erheblichen Interessen der Beigeladenen an einem sofortigen Beginn der Baumaßnahmen andererseits erscheint es unbillig, der Beigeladenen ein Zuwarten auf die Ausnutzung des sie begünstigenden Beschlusses etwa bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren zuzumuten.
Nach allem war der Antrag des Klägers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage abzulehnen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren gemäß § 162 Abs. 3 VwGO für erstattungsfähig zu erklären, da es sich um eine notwendige Beiladung (§ 65 Abs. 2 VwGO) handelt.
Gericht | OVG Schleswig |
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Datum | 29.07.1994 |
Normen | Art. 19 GG, § 48 VwGO, § 80 VwGO, § 80a VwGO, § 80a VwGO, § 75 VwVfG, § 1 BImSchV |
Stichworte | Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung einer Klage gegen einen Planfeststellungsbeschluß, Auslegung des Wortlautes des § 48 Abs. l S. 1 Nr. 7 "Änderung neuer Strecken", Zuständigkeit des OVG im ersten Rechtszug für Streitigkeiten die Plan |
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