BVerwG, vom 22.02.1995
Az.: 11 VR 1.95
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Der Antrag kann keinen Erfolg haben.
Die Antragstellerin hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gemäß § 80 a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses, das Grundlage des in § 5 Abs. 2 Satz 1 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes vorn 16. Dezember 1991- BGBl I S. 2174 - (VerkPBG) geregelten Ausschlusses des Suspensiveffektes der Anfechtungsklage ist, überwiegt ihr Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes schon deswegen, weil ihre Hauptsacheklage nach dem derzeitigen Erkenntnisstand abgewiesen werden muß.
Es spricht zwar einiges dafür, daß die Antragstellerin als Kiesabbau betreibende Unternehmerin, die hinsichtlich des ihrem Betrieb benachbarten Feldes "Kies und Kiessand G. -Feld A" eine Aufsuchungserlaubnis nach § 7 des Bundesberggesetzes vorn 13. August 1980 - BGBl I S. 1310 - (BBergG) besaß und bereits den Antrag auf Erteilung der Bewilligung nach § 8 BBergG gestellt hatte, sich im Planfeststellungsverfahren auf die in § 124 Abs. 1 Satz 1 BBergG normierte Rücksichtnahmepflicht bei der Errichtung, Erweiterung und wesentlichen Änderung von öffentlichen Verkehrsanlagen berufen konnte. Die geplante Bahnstromleitung ist nämlich eine zu einer Eisenbahnstrecke - einer öffentlichen Verkehrsanlage- gehörende Nebeneinrichtung, die der Aufrechterhaltung des Bahnverkehrs auf dieser Strecke dient (vgl. Piens/ Schulte/Graf Vitzthum, BBergG, 1983, § 124 Rn. 1). Sie unterfällt damit der Regelung des § 124 Abs. 1 Satz 1 BBergG, ohne dass es auf die Frage ankommt, inwieweit Stromleitungen im übrigen als öffentliche Verkehrsanlagen betrachtet werden können (verneinend Boldt/Weller, BBergG, 1984, § 124 Rn. 5, § 113 Rn. 22). Die genannte Rücksichtnahmepflicht äußert sich darin, daß der Bergbautreibende in allen Phasen der Planung der öffentlichen Verkehrsanlage erwarten kann, "mit seinen Vorstellungen, Anliegen und Wünschen gehört und im Rahmen des Möglichen berücksichtigt zu werden" (so Piens/Schulte/Graf Vitzthum, a.a.O., § 124 Rn. 9). Im Planfeststellungsverfahren ist Voraussetzung hierfür allerdings, daß der Bergbautreibende seine Belange als Einwender rechtzeitig geltend macht. Die Rücksichtnahmepflicht entbindet ihn nicht von der in § 73 Abs. 4 VwVfG normierten Mitwirkungspflicht und schützt ihn nicht vor dem Einwendungsausschluß nach § 20 Abs. 2 Satz 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes vom 22. Dezember 1993 - BGBl I S. 2378 - (AEG). Dieser Einwendungsausschluß erstreckt sich auch auf das gerichtliche Verfahren, so daß dort ein Abwehranspruch gegen die Planfeststellung nicht mehr durchgesetzt werden kann (vgl. BVerwG, Beschluß vom 13. Juni 1994 - BVerwG 7 VR 8.94 -). Die Auffassung der Antragstellerin, § 20 Abs. 2 AEG sei im Anwendungsbereich des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes nicht heranzuziehen, ist rechtsirrig. § 3 VerkPBG in der Fassung des Art. 8 Nrn. 1 und 2 des Planungsvereinfachungsgesetzes vom 17. Dezember 1993 - BGBl I S. 2123, 2134 - (PlVereinfG) ergänzt zwar § 73 VwVfG durch zusätzliche Regelungen, verleiht ihm aber keinen Geltungsvorrang vor den einschlägigen Vorschriften des Fachplanungsrechts. Diese enthalten vielmehr weitere Spezialregelungen, die § 73 VwVfG vorgehen; hierzu zählt auch § 20 Abs. 2 AEG.
Die von der Antragstellerin mit Schreiben vom 7. November 1994 erhobenen Einwendungen waren verspätet. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand kann nicht davon ausgegangen werden, daß sich die Antragstellerin den Ablauf der Einwendungsfrist nicht entgegenhalten lassen muß, weil das Anhörungsverfahren in _ _ _ nicht ordnungsgemäß verlaufen ist. Die Rüge, die Auslegung der Planungsunterlagen in G. sei nicht ortsüblich bekannt gemacht und auch nicht in der gesetzlich vorgesehenen Form vollzogen worden, ist unsubstantiiert und daher nicht geeignet, gerichtliche Ermittlungen zu veranlassen. Ihre ursprüngliche Behauptung, die Bekanntmachung der Auslegung in _ _ _ sei ohne den Hinweis nach § 20 Abs. 2 Satz 2 AEG erfolgt, hat die Antragstellerin in ihrem Schriftsatz vom 17. Februar 1995 modifiziert. Wie die Antragstellerin nunmehr einräumt, handelte es sich bei dem von ihr in der Antragsschrift angesprochenen Aushang um eine Bekanntmachung, die vor der Einleitung des Planfeststellungsverfahrens auf einer anderen gesetzlichen Grundlage stattgefunden hatte. Die Antragsgegnerin hat mit ihrer Antragserwiderung die hier maßgebliche Bekanntmachung in R. in Fotokopie vorgelegt. Darin ist der Aushang ab 3. Januar 1994 vermerkt. Die Bekanntmachung weist auf den Einwendungsausschluß nach Ablauf von zwei Wochen nach Beendigung der Auslegung hin. Unschädlich ist, daß in diesem Zusammenhang statt des am 1. Januar 1994 in Kraft getretenen § 20 Abs. 2 AEG (vgl. Art. 11 Abs. 1 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes vom 27. Dezember 1993 - BGBl I S. 2378 - ENeuOG) noch die seinerzeit bereits außer Kraft getretene Vorschrift des § 36 Abs. 4 des Bundesbahngesetzes (vgl. Art. 8 § 1 Nr. 2 ENeuOG) als Rechtsgrundlage angeführt ist; beide Vorschriften sind gleichlautend.
Gründe, die eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Einwendungsfrist ermöglichen würden (vgl. § 32 Abs. 1 VwVfG), sind nicht glaubhaft gemacht. Die Anhörungsbehörde war entgegen der Ansicht der Antragstellerin nicht gemäß § 73 Abs. 5 Satz 2 VwVfG zu einer Benachrichtigung verpflichtet, weil Bekanntmachung und Auslegung auch in G. , dem Firmensitz der Antragstellerin, stattgefunden haben. Allein der Umstand, daß die Anhörungsbehörde von dem bergbaulichen Vorhaben der Antragstellerin unterrichtet war, verpflichtete sie ebenfalls nicht zu einer Benachrichtigung.
Ob die Bürgermeisterin der Gemeinde _ _ _ andere Betroffene persönlich angeschrieben hat - wie die Antragstellerin behauptet -, kann dahinstehen. Jedenfalls konnte eine solche Praxis für die Antragstellerin, wenn sie die Einwendungsfrist versäumte, keinen Wiedereinsetzungsgrund schaffen. Soweit sich die Antragstellerin auf eine irreführende Wirkung der vorangegangenen Bekanntmachung des Vorhabens beruft, die keinen Hinweis auf einen Einwendungsausschluß enthielt, muß sie sich entgegenhalten lassen, daß ihr etwaiger Irrtum nicht als unverschuldet angesehen werden kann. Denn sie konnte nicht darauf vertrauen, daß nach dieser ersten Bekanntmachung keine Änderung der Sachlage - hier durch eine neue Bekanntmachung des Vorhabens unter Hinweis auf einen Einwendungsausschluß - mehr eintreten werde.
Gericht | BVerwG |
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Datum | 22.02.1995 |
Normen | § 20 AEG, § 73 VwVfG, § 5 VerkPBG, § 80 VwGO, § 80a VwGO |
Stichworte | Bahnstromleitung, Bergbau, Einwendungen, Einwendungsfrist, Suspensiveffekt |