BVerwG, vom 03.08.1995
Az.: 11 VR 22.95
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(BVerwG, 11. Senat; Verwaltungsstreitsache)
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die Duldungsanordnung der Antragsgegnerin vom 11. Juli 1995 wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme etwaiger außergerichtlicher Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5 000 DM festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Verfügung der Antragsgegnerin vom 11. Juli 1995, mit der er verpflichtet worden ist, auf seinem Grundstück Flur _, Flurstück _ _/_ _ der Gemarkung Ho. in der Zeit vom 31. Juli bis zum 5. August 1995 sieben Erkundungsbohrungen an bestimmten Stellen und die Zufahrt zu diesen Stellen in einem etwa 800 m langen und 2,5 m breiten Korridor zu dulden.
Der Antrag ist zulässig und begründet. Die sofortige Vollziehung der angefochtenen Verfügung ist weder im öffentlichen Interesse noch im überwiegenden Interesse der Beigeladenen gerechtfertigt. Denn bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage anhand des derzeitigen Erkenntnisstandes ergibt sich, daß der Rechtsbehelf des Antragsstellers gegen die genannte Duldungsverfügung voraussichtlich Erfolg haben muß.
Nach § 17 Abs. 1 Satz 1 AEG haben Eigentümer zur Vorbereitung der Planung eines Vorhabens i.S. des § 18 AEG notwendige Vermessungen, Boden- und Grundwasseruntersuchungen einschließlich der vorübergehenden Anbringung von Markierungszeichen und sonstige Vorarbeiten durch den Träger des Vorhabens oder von ihm Beauftragte zu dulden. Die Arbeiten, deren Duldung das Eisenbahn-Bundesamt dem Antragsteller aufgegeben hat, sind nach der im vorliegenden Verfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht notwendig, um die Planung eines Vorhabens i.S. des § 18 AEG vorzubereiten. Dazu gehört gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG nur der Bau öder die Änderung von Eisenbahn-Schienenwegen einschließlich der für deren Betrieb notwendigen Anlagen und der Bahnstromfernleitungen. Zweck der in der Duldungsanordnung bezeichneten Arbeiten ist es jedoch, die Planung des Baus einer Landesstraße vorzubereiten, die auf einem Brückenbauwerk den Schienenweg der Eisenbahn überqueren soll. Für die genehmigungsrechtliche Bewältigung eines solchen Vorhabens einschließlich der Durchsetzung einer Duldungspflicht für dazu gehörende Vorarbeiten wäre das Eisenbahn-Bundesamt aus eigenem Recht nur zuständig, wenn eine Änderung von Betriebsanlagen der Eisenbahn das Straßenbauvorhaben als notwendige Folgemaßnahme i.S. des § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG nach sich zöge. Davon kann jedoch im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.
Eine Änderung von Betriebsanlagen der Eisenbahn ist zwar auch das Vorhaben der Beigeladenen, den Bahnübergang im Zuge der Landestraße _ _ _ in der Ortslage Ho. zu beseitigen. Denn damit soll eine Verbesserung der Bahnstrecke durch Ermöglichung höherer Geschwindigkeit des Eisenbahnverkehrs erreicht werden. Für die Planung der Ersatzstraße besteht jedoch keine originäre Kompetenz der Antragsgegnerin, sondern nur eine solche des nach dem Landesstraßenrecht als Planfeststellungsbehörde zuständigen Regierungspräsidiums (§ 37 Abs. 1 des Straßengesetzes für das Land Sachsen-Anhalt vom 6. Juli 1993 ) oder der Gemeinde im Rahmen der Aufstellung eines Bebauungsplans (vgl. § 37 Abs. 4 StrG LSA). Die Antragsgegnerin kann dafür nur zuständig sein, soweit die Planung noch als notwendige Folgemaßnahme der Beseitigung des Bahnübergangs angesehen werden kann. Darunter sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts alle Regelungen außerhalb der eigentlichen Zulassung des eisenbahnrechtlichen Vorhabens zu verstehen, die für eine angemessene Entscheidung über die durch die Baumaßnahme an den Betriebsanlagen der Eisenbahn aufgeworfenen Konflikte erforderlich sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1994 - BVerwG 7 A 21.93 - Buchholz 316 § 74 VwVfG Nr. 30 = NVwZ 1994, S. 1002 ). Das damit angesprochene Gebot der Problembewältigung kann es allerdings nicht rechtfertigen, andere Planungen mitzuerledigen, obwohl sie ein eigenes umfassendes Planungskonzept erfordern (BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1988 - BVerwG 4 C 44.84 -). Insoweit unterliegt der Begriff der notwendigen Folgemaßnahmen wegen seiner kompetenzerweiternden Wirkung räumlichen und sachlichen Beschränkungen (vgl. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 4. Aufl. 1993, § 78 Rn. 7).
Diese Beschränkungen würden nach derzeitigem Erkenntnisstand durch die Planung der östlichen Ortsumgehung von Ho., die den in der Duldungsanordnung bezeichneten Vorarbeiten zugrunde liegt, überschritten. Der Neubau der nach dieser Planung vorgesehenen, etwa 2,5 km langen Umgehungsstraße geht nicht nur wesentlich über Anschluß und Anpassung an das vorhandene Straßennetz hinaus. Ihm liegt zudem ersichtlich ein selbständiges, von der Gemeinde Ho. entwickeltes, jedoch noch nicht in der Form eines wirksamen Bauleitplanes verfestigtes Konzept der Flächennutzungsplanung zugrunde, das nur noch einen mittelbaren Bezug zur Schließung des - etwa 1 km vom geplanten Brückenbauwerk entfernten - Bahnübergangs im Zuge der Landesstraße _ _ _ und zur Lösung der Konflikte gerade in diesem Bereich hätte. Die Verwirklichung eines solchen eigenständigen Planungskonzepts, die eine Entscheidung von erheblicher Tragweite für die Entwicklung des Gemeindegebiets darstellt, fällt jedoch auch dann nicht in die Kompetenz des Trägers der Eisenbahnplanung, wenn sie im Einvernehmen mit der Gemeinde geschieht.
Anhaltspunkt dafür, daß im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des § 78 VwVfG gegeben sind, unter denen das Eisenbahn-Bundesamt ein entsprechendes Straßenbauvorhaben des Landes miterledigen könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Gericht | BVerwG |
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Datum | 03.08.1995 |
Normen | § 17 AEG, § 18 AEG, 75 VwVfG, § 37 StrGLSA, § 1 Verordnung zur Durchführung straßenrechtlicher Vorschriften für das Land Sachsen-Anhalt |
Stichworte | Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, notwendige Folgemaßnahmen bei Änderung von Eisenbahnbetriebsanlagen, Abgrenzung zu eigenständigen - in die Kompetenz anderer Planfeststellungsbehörden fallenden Maßnahmen, Planfeststellungsrecht |