Tenor
1 Die Klage wird abgewiesen.
2 Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.
3 Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweiligen Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4 Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
5 Der Kläger ist Eigentümer des Grundstücks X...straße . . . in Nachbarschaft zur Bahntrasse der rechten Rheinstrecke in Rüdesheim-As.. Er wendet sich gegen die Plangenehmigung vom 22. Dezember 2010 für das Vorhaben „Umbau der Bahnübergänge L 3034, Dreikönigstraße und Neugasse“ in As.. Die Maßnahme erfolgt im Zusammenhang mit dem Gesamtprojekt „Neubau eines elektronischen Stellwerks (ESTW)auf der rechten Rheinstrecke“. Dieses Gesamtprojekt soll durch Anpassung der Signalanlagen an den derzeitigen Stand der Technik die Voraussetzung für eine wirtschaftlichere Abwicklung des Bahnbetriebs schaffen. Gegenstand des hier plangenehmigten Vorhabens ist der Rückbau und Neubau eines Teils der Bahnübergangstechnik, unter anderem auch der Abbruch des Postengebäudes/ Stellwerkgebäudes am Bahnübergang (BÜ) L 3034 sowie Neubau und Erweiterung der vorhandenen Straßen- und Gehwegführung im Bereich der Bahnübergänge einschließlich des Nachbaus eines Gehweges auf der nördlichen Seite der Straße am BÜ L 3034.Grundeigentum des Klägers wird für das Vorhaben nicht beansprucht.
6 Mit Schreiben vom 19. Februar 2010 beantragte die Vorhabenträgerin, die DB Netz AG, beim Eisenbahn-Bundesamt eine planungsrechtliche Zulassungsentscheidung für den Umbau der genannten Bahnübergänge. Mit verfahrensleitender Verfügung vom 2. März 2010 stellte das Eisenbahn-Bundesamt fest, dass es für das Vorhaben keine Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) bedürfe.
7 Unter dem 22. Dezember 2010 erteilte das Eisenbahn-Bundesamt die beantragte Plangenehmigung. Sie wurde dem Kläger nicht zugestellt oder sonst wie bekanntgegeben.
8 Am 22. Dezember 2011 hat der Kläger Klage erhoben. Mit Schriftsatz vom 30. April 2012 trägt er zur Begründung vor, seine Wohnräume und sein Arbeitsplatz als Betreiber einer Y. . . -Firma auf dem Grundstück X...straße . . . würden durch die Immissionen des vorhandenen Bahnbetriebes erheblich beeinträchtigt. Als Folge davon leide er an Bluthochdruck und Stresssymptomen. Diese Immissionen seien auch für die erteilte Plangenehmigung abwägungsrelevant, weil sie grundrechtsrelevant seien. Die Genehmigung leide an dem Ermittlungs- und Abwägungsfehler, dass die Immissionen des vorhandenen Bahnbetriebs in der planerischen Abwägung der angegriffenen Plangenehmigung nicht berücksichtigt worden seien. Die Schallimmissionen an seinem Wohnhaus durch den Bahnbetrieb überschritten einen gemittelten Dauerschallpegel von 75dB(A). Die Anhaltswerte nach DIN 4150-2 für Erschütterungsbelästigungen seien nicht eingehalten. Die angefochtene Genehmigung verletze ihn in seinen Grundrechten aus Art. 14, 12, 11, 2 und 1 Grundgesetz (GG), außerdem in seinem Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art. 8 EMRK) sowie in seinem Eigentumsrecht durch Umweltverschmutzungen bzw. -beeinträchtigungen (Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK).
9 Aufgrund der angefochtenen Genehmigung sei mit einer zukünftigen Steigerung der Lärm- und Erschütterungsimmissionen zu rechnen. Denn die angegriffene Genehmigung sei ein unverzichtbarer Baustein zur Intensivierung des Betriebes der Bahnstrecke durch Rüdesheim. Die genehmigte Maßnahme sei nämlich eine notwendige Voraussetzung zum Bau und Betrieb eines elektronischen Stellwerks, dieses wiederum eröffne eine Erhöhung der Nutzungsintensität der Bahnstrecke. Es sei damit zu rechnen, dass im Prognosezeitraum der nächsten 10 Jahre mit einer Steigerung der Güterverkehrsnachfrage um 50 % zu rechnen sei. Eine Steigerung der Kapazität der rechtsrheinischen Bahnstrecke von 195 auf 250 Zugfahrten pro 24 Stunden sei möglich. Durch eine für den Betrieb eines elektronischen Stellwerks geeignete Arbeitsweise der Bahnübergänge in Rüdesheim steigere sich zusammen mit dem elektronischen Stellwerk selbst die Kapazität der Strecke um 50 %. Dies sei durch den Ersatz traditioneller Blockabstände durch eine digitale satellitengestützte Zugbetriebsführung zu erreichen. Der vorhabensbedingte Wegfall der personengebundenen Freigabe der Strecke zum Überfahren der Bahnübergänge und die anstelle der personengebundenen Überwachung tretende automatische Streckenfreigabe führe zu einer Beschleunigung der Freigabevorgänge und dies ermögliche dann eine höhere Zugkapazität auf der Strecke mit der Folge steigender Lärm- und Erschütterungsimmissionen. Außerdem sei der Wegfall der bisherigen Überwachung der Bahnübergänge und der statt dessen vorgesehene Einsatz von radargestützten Gefahrenfreimeldeeinrichtungen an den Bahnübergängen mit einer Verschlechterung der Sicherheit der Bahnübergänge verbunden. Die radargestützte Gefahrenfreimeldeanlage könne eine etwa auf dem Bahnübergang gestürzte und dort liegende Person nicht erfassen. Als täglicher Nutzer und Anwohner der Bahnübergänge in As. sei er von dieser Verschlechterung der Sicherheit auch betroffen.
10 Der Kläger beantragt,
11 die Plangenehmigung für das Vorhaben „Umbau der Bahnübergänge „L 3034“, „Dreikönigstraße“ und „Neugasse“ in der Stadt Rüdesheim am Main, Stadtteil As.“ aufzuheben.
12 Die Beklagte beantragt,
13 die Klage abzuweisen.
14 Die Plangenehmigung sei rechtmäßig. Mit dem Ersatz veralteter Stellwerkstechnik durch eine elektronische Technik sei keine Kapazitätssteigerung der Strecke verbunden, die zu einer Verdichtung der Zugfolge mit gesteigerten Schallimmissionen und längeren Schrankenschließungszeiten führen würde. Die Fragen in Zusammenhang mit dem durch die genehmigten Anlagen ausgelösten Verkehrs- und Baulärm seien in der Schall- und Erschütterungstechnischen Stellungnahme (Anhang 2 der Anlage 1 zur Plangenehmigung) adäquat behandelt worden. Ein Anspruch auf nachträgliche Schutzvorkehrungen nach § 75 Abs. 2 VwVfG sei ausgeschlossen, weil das Baurecht für die rechte Rheinstrecke im 19. Jahrhundert unter anderen rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen worden sei.
15 Die Beigeladene beantragt ebenfalls,
16 die Klage abzuweisen.
17 Auch sie hält sie Plangenehmigung für rechtmäßig und betont, Planungsziel sei nicht eine Kapazitätserhöhung oder Erhöhung der Streckengeschwindigkeit. Lärm- und Erschütterungsimmissionen erhöhten sich vorhabensbedingt nicht. Deshalb könne der Kläger keine Berücksichtigung dieser Einwirkungen aus dem vorhandenen Bahnbetrieb gegen die hier erteilte Plangenehmigung geltend machen. Die genehmigte Gefahrenfreimeldeanlage sei ein europäisch zugelassenes Verfahren, funktioniere wetterunabhängig und schließe menschliches Versagen weitgehend aus. Außerdem falle die technische Sicherung eines Bahnübergangs in die alleinige Zuständigkeit der Bahn und gehöre nicht zu den privaten Belangen des Klägers.
18 Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die eingereichten Schriftsätze, auch auf den im Parallelverfahren 2 C 165/11.T eingereichten Schriftsatz des Klägers vom 30. April 2012, und den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge zu der streitgegenständlichen Plangenehmigung (1 Ordner) Bezug genommen, die beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind.
Gründe
19 Die Klage ist fristgerecht innerhalb der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - erhoben worden, weil dem Kläger die angefochtene Plangenehmigung nicht mit Rechtsbehelfsbelehrung zugestellt oder sonst wie bekanntgegeben worden ist.
20 Die Klage ist jedenfalls unbegründet. Deshalb kann offen bleiben, ob die vom Kläger geltend gemachten Belange überhaupt seine Klagebefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO) begründen können.
21 Der Kläger hat keinen Anspruch auf Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens. Ein Planbetroffener kann verlangen, dass seine materiellen Rechtspositionen durch die Erteilung einer Plangenehmigung nicht verletzt werden, er hat jedoch keinen Anspruch darauf, dass dies in einem bestimmten Verfahren wie etwa in einem Planfeststellungsverfahren geschieht (BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2003 - 9 A 73.02 -, juris).
22 Die Planrechtfertigung ist gegeben. Das Vorhaben dient der Aufrechterhaltung und Verbesserung der Betriebssicherheit der rechtsrheinischen Eisenbahnstrecke (Plangenehmigung S. 10). Diese Planungsziele entsprechen den Zielen des § 1 Abs. 1 des Allgemeinen Eisenbahngesetzes - AEG -, wonach durch das Gesetz ein sicherer Betrieb der Eisenbahn und ein attraktives Verkehrsangebot auf der Schiene sowie die Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs auf der Schiene gewährleistet werden sollen. Die Planrechtfertigung wird durch die pauschale Behauptung, die fachliche oder technische Notwendigkeit der geplanten Maßnahme werde nicht begründet, nicht in Zweifel gezogen. Dem Erläuterungsbericht für die Maßnahme (dort S. 3) ist zu entnehmen, dass durch die Gesamtmaßnahme „ESTW rechte Rheinstrecke“ die Infrastruktur der rechten Rheinstrecke an die heutigen betrieblichen Randbedingungen angepasst werden soll. Dies beinhaltet insbesondere die Erneuerung der Signaltechnik und die Ausstattung der Strecke mit neuer Leit- und Sicherungstechnik. Die Maßnahme ist notwendig zur Rationalisierung und Senkung der laufenden Betriebskosten und zur Verbesserung der Gesamtwirtschaftlichkeit des Bahnbetriebs.
23 Die Plangenehmigung leidet auch nicht an einem zu ihrer Aufhebung führenden Abwägungsmangel. Vielmehr genügt sie dem in § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG für die Planfeststellung normierten und auch für die Plangenehmigung gemäß § 18b AEG geltenden Gebot, die von dem Vorhaben berührten öffentlichen und privaten Belange einschließlich der Umweltverträglichkeit im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen (fachplanerisches Abwägungsgebot). Diejenigen Belange, deren Berücksichtigung rechtlich geboten war, sind in die Abwägungsentscheidung eingeflossen. Die weiteren vom Kläger nunmehr geltend gemachten Belange waren demgegenüber aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen für die Abwägungsentscheidung unerheblich und mussten deshalb nicht berücksichtigt werden.
24 Für die Planung wird kein Grundeigentum des Klägers beansprucht. Die geltend gemachte Immissionsbelastung aus dem vorhandenen Bahnbetrieb und die sich nach Auffassung des Klägers hieraus ergebende Verletzung seiner Grundrechtspositionen aus Art. 14, 12, 11, 2, 1 des Grundgesetzes - GG - kann er von vornherein nicht gegen die angefochtene Plangenehmigung anführen, weil das genehmigte Vorhaben nicht kausal für seine vorhandene Immissionsbelastung ist und durch das Vorhaben seine Immissionsbelastung offenkundig nicht ansteigt. Die Plangenehmigungsbehörde konnte zugrundelegen, dass die Lärm- und Erschütterungsauswirkungen des vorhandenen Bahnbetriebs aus rechtlichen Gründen nicht in die Abwägung einzubeziehen waren, weil durch den Umbau keine Erhöhung des vom Schienenverkehr ausgehenden Lärms zu erwarten ist, ferner die Baumaßnahme in tatsächlicher Hinsicht nicht zu einer Erhöhung der Streckenkapazität und nicht zu einer Erhöhung der Zugzahl führt, deshalb nicht mit längeren Schrankenschließungszeiten zu rechnen ist und damit zusammenhängend auch eine Erhöhung der Belastungen aus Lärm und Erschütterungen des Straßenverkehrs nicht zu besorgen ist. Weiter hat die Plangenehmigungsbehörde abwägungsfehlerfrei angenommen, dass die Durchführung der Bauarbeiten selbst kein abwägungsrelevantes Konfliktpotenzial hinsichtlich Lärm und Erschütterungen erkennen lässt und auch die Schallimmissionen der zum Betrieb des nur fußläufig nutzbaren Bahnübergangs im Zuge der Planung neu anzubringenden Warnsignale keine rechtserheblichen Auswirkungen auf Belange des Klägers haben.
25 Es liegt keine Maßnahme vor, die gemäß § 41 des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG) und der sie abschließend konkretisierenden (siehe BVerwG, Urteil vom 23. November 2005 - 9 A28/.04 -, juris Rn. 27) 16. Verordnung zum Bundesimmissionsschutzgesetz (16. BImSchV) zu Schallschutzansprüchen führt, deren Vernachlässigung in der Plangenehmigung wiederum die vom Kläger beantragte Aufhebung der Genehmigung nach sich ziehen könnte. Die genannten Vorschriften finden hier keine Anwendung, so dass diese „normativen Abwägungsregeln“ (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 20. November 2008 - 5 S 1694/07 -, juris Rn. 44) von der Plangenehmigungsbehörde auch nicht berücksichtigt werden mussten.
26 Es liegt kein Fall des § 1 der 16. BImSchV vor. Die Verordnung gilt gemäß ihres § 1 Abs. 1 für den Bau oder die wesentliche Änderung u. a. von Schienenwegen der Eisenbahnen und eine Änderung ist nach § 1 Abs. 2 der Verordnung wesentlich, wenn ein Schienenweg entweder um ein oder mehrere durchgehende Gleise baulich erweitert wird oder durch einen erheblichen baulichen Eingriff der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms um mindestens 3 dB(A) oder auf mindestens 70 dB(A) am Tage oder mindestens 60 dB(A) in der Nacht erhöht wird. Gemäß § 1 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung ist eine Änderung ferner dann wesentlich, wenn der Beurteilungspegel des von dem zu ändernden Verkehrsweg ausgehenden Verkehrslärms von mindestens 70 dB(A) am Tage oder 60 dB(A) in der Nacht durch einen erheblichen baulichen Eingriff erhöht wird.
27 Keine dieser Fallgruppen ist hier gegeben. Der Umbau der drei plangenehmigten Bahnübergänge stellt weder einen Bau noch eine wesentliche Änderung des Schienenweges DAR. Es fehlt bereits an einem erheblichen baulichen Eingriff in den Schienenweg. Ein solcher Eingriff liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 10. November 2004 - 9 A 67.03-, juris Rn. 36; Urteil vom 17. November 1999 - 11 A 4.98 -, juris Rn. 53), der der Senat folgt, nur dann vor, wenn in die Substanz des Schienenweges, d. h. in die Substanz der Gleisanlage mit ihrem Über- und Unterbau eingegriffen wird. Andere Eisenbahnbetriebsanlagen wie Signalanlagen oder Stellwerke gehören dagegen nicht zum „Schienenweg“ im Sinne des § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV (Berka in: Kunz, Eisenbahnrecht, Stand Juli 2009, Erläuterungen zu § 1 der 16. BImSchV, S. 20a). Eine Änderung der Bahnübergangssicherungstechnik wie hier unterfällt daher nicht der 16. BImSchV (VGH Mannheim, Urteil vom 20. November 2008, a. a. O., Rn. 41). Auch durch die von der Plangenehmigung umfassten Maßnahmen des Nachbaus eines Gehweges auf der nördlichen Seite der Straße am BÜ L 3034, den Abbruch des Postengebäudes/Stellwerkgebäudes einschließlich Tanklager am BÜ L 3034, die Errichtung eines Stellplatzes für Weinanlieferung am BÜ L 3034 sowie durch die sonstigen Anpassungsmaßnahmen an Straßen-, Oberbau-, Signal-, Telekommunikation- und sonstigen Anlagen gemäß den genehmigten Planunterlagen (siehe zu all diesen Maßnahmen Plangenehmigung, S.2) wird nicht in die Substanz der Gleisanlage eingegriffen.
28 Etwas anderes ergibt sich selbst dann nicht, wenn man - weitergehend als das Bundesverwaltungsgericht - annehmen würde, dass ein erheblicher baulicher Eingriff auch dann vorliegen könnte, wenn die technische Ausstattung einer Schienenverbindung durch umfängliche bauliche Maßnahmen am Gleiskörper, etwa durch Änderungen der Kabelführungssysteme/Kabelschächte und Signalfundamente im Gleisunterbau geändert wird, wie dies insbesondere für die Durchführung einer sog. Blockverdichtung notwendig wäre (so Ennuschat, Bahnstrecken für den Hochgeschwindigkeitsverkehr, Aktuelle Rechtsfragen des Eisenbahn- und Immissionsschutzrechts, 2011, S. 41 f.; ablehnend dagegen: Berka, a. a. O.). Mit der Einbeziehung in den Begriff des „erheblichen baulichen Eingriffs“ soll nach dieser weiteren Auffassung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass die sog. Blockverdichtung eine Erhöhung der Streckenkapazität bezweckt und infolge dessen aufgrund höherer Zugzahlen dann auch eine Zunahme der Lärmimmissionen zu erwarten ist (siehe Ennuschat, a. a. O.).
29 Mit den hier plangenehmigten Maßnahmen wird jedoch keine Blockverdichtung bezweckt oder erreicht; eine Erhöhung der Streckenkapazität ergibt sich nicht. Längere Strecken zwischen zwei Bahnhöfen werden durch Blockstellen unterteilt und in jedem Streckenabschnitt (Blockabschnitt) darf sich immer nur ein Zug befinden (siehe Ennuschat, a. a. O., S. 42). Eine Kapazitätserhöhung findet also statt, wenn durch zusätzliche Signalisierung oder durch andere Maßnahmen erreicht wird, dass die Blockabschnitte kürzer werden und somit Züge in geringeren Abständen einander folgen können. Eine derartige Maßnahme ist jedoch nicht Gegenstand der angefochtenen Plangenehmigung. Die Genehmigung betrifft vielmehr allein den Umbau von Bahnübergängen, ohne dass Signale versetzt werden.
30 Der weitergehende Vortrag des Klägers zur angeblichen Kapazitätssteigerung bezieht sich auf einen Betriebszustand, der weder durch die plangenehmigte Maßnahme noch durch das Gesamtprojekt „Neubau eines elektronischen Stellwerks (ESTW) auf der rechten Rheinstrecke“, in das die plangenehmigte Maßnahme eingebettet ist, erreicht werden soll und erreicht wird. Der Kläger will der plangenehmigten Maßnahme eine Bedeutung unterlegen, die ihr nicht zukommt. Eine Kapazitätssteigerung der Strecke würde eine Blockverdichtung voraussetzen, diese ist jedoch nicht Teil der Maßnahme und auch nicht Teil des soeben bezeichneten Gesamtprojekts. So bleibt das Vorbringen des Klägers spekulativ und hat keinen Anhaltspunkt in den tatsächlich beabsichtigten baulichen Maßnahmen, wenn er vorträgt, die angegriffene Genehmigung sei ein „unverzichtbarer Baustein zur Intensivierung des Bahnbetriebs auf der rechten Rheinstrecke“ und die genehmigte Maßnahme sei notwendig zum Bau und Betrieb eines elektronischen Stellwerks, welches wiederum eine Erhöhung der Nutzungsintensität der Bahnstrecke eröffne. Auch eine Geschwindigkeitserhöhung der Züge wird durch die plangenehmigten Maßnahmen nicht erreicht. Es kann aber nur derjenige Planungsakt, der das Ziel einer Erhöhung der Streckenkapazität hat oder zumindest tatsächlich eine solche Erhöhung bewirkt, mit der Argumentation angegriffen werden, die Maßnahme führe infolge vermehrten Zugverkehrs zu einer verstärkten Immissionsbelastung.
31 Eine Kapazitätssteigerung kann schließlich auch nicht mit dem Vortrag dargetan werden, der Wegfall der personengebundenen Freigabe der Strecke zum Überfahren der Bahnübergänge und die an ihre Stelle tretende automatische Streckenfreigabe führten zu einer Beschleunigung der Freigabevorgänge und dies ermögliche dann eine höhere Zugkapazität auf der Strecke mit der Folge steigender Lärm- und Erschütterungsimmissionen. Diesem erstmals in der mündlichen Verhandlung erörterten Gesichtspunkt ist die Beklagte überzeugend entgegengetreten. Die bisherige Freigabe der Strecke durch sog. „BÜBeobachter“ erfolgt hiernach durch einen Knopfdruck, nachdem automatisch erst gelbe, dann rote Lichtzeichen am Bahnübergang aufgeleuchtet haben und anschließend - ebenfalls automatisch - sich die Bahnübergänge geschlossen haben. Der BÜ-Beobachter gibt dann nach einem Blick auf die Video-Kamera und Feststellung des Freiseins des Bahnübergangs die Strecke durch Knopfdruck für den annahenden Zug frei. Sein Sichtfeld ist auf den Bahnübergang und den Raum bis etwa 1 m davor beschränkt. Die Vermutung des Klägers, der BÜ-Beobachter könne etwa sich erkennbar dem Bahnübergang nähernden Personengruppen noch die Möglichkeit zum Passieren des Bahnübergangs vor Schließen der Schranken geben und der Wegfall dieser Handlungsoption des BÜ-Beobachters durch die automatisierte Streckenfreigabe beschleunige die Vorgänge wesentlich mit der Folge einer Kapazitätssteigerung der Strecke, trifft nicht zu. Die Schrankenschließung erfolgt bereits automatisch und im Übrigen kann der BÜ-Beobachter aufgrund seines eingeschränkten Beobachtungsraums ein solches weiträumigeres Nahen von Personengruppen auch nicht bemerken.
32 Auch aus dem Abwägungsgebot gemäß § 18 Abs. 1 Satz 2 AEG (hier in Verbindung mit § 18b AEG) ergibt sich nicht die Berechtigung der im Zentrum des Vorbringens des Klägers stehende Forderung, die Immissionsbelastungen aus dem vorhandenen Bahnbetrieb bei der Erteilung der Plangenehmigung für den Umbau der Bahnübergänge zu berücksichtigen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 15. Dezember 2011 - 7 A 11.10 -, juris Rn. 30; Urteil vom 9. Juli 2008 - 9 A 5.07 -, juris Rn.17) braucht die Planfeststellungsbehörde die Lärmproblematik im Rahmen der Abwägung grundsätzlich dann nicht aufzugreifen, wenn das Planvorhaben im Vergleich zu dem Zustand des Schienenwegs, der ohne die Planung bestünde, zu keiner Verschlechterung der Lärmsituation für die Nachbarschaft führt. Lärmschutzbelange sind nur dann in die Abwägung einzubeziehen, wenn die Lärmbelastung durch das Vorhaben ansteigt. Denn nur unter dieser Voraussetzung besteht ein Zurechnungszusammenhang zwischen dem Vorhaben und der Lärmbelastung, der es rechtfertigt, die Immissionsbelastung als ein im Rahmen der Planung bewältigungsbedürftiges Problem zu behandeln. Dies gilt unabhängig von der Höhe der Lärmbelastung; selbst grundrechtlich bedenkliche Belastungswerte bilden nicht stets, sondern nur dann die Grundlage einer in der Planfeststellung zu berücksichtigenden Schutzpflicht, wenn sie dem planfestgestellten Vorhaben zuzurechnen sind (BVerwG, Urteil vom 9. Juli 2008, a. a. O.). Eine verfassungsrechtliche Schutzpflicht der Planfeststellungs- bzw. Plangenehmigungsbehörde setzt erst dann ein, wenn Lärmbelastungen dem planfestgestellten bzw. hier plangenehmigten Vorhaben zuzurechnen sind. An dieser grundlegenden Voraussetzung fehlt es vorliegend, weil die Lärmbelastung sich wie dargelegt durch den Umbau der Bahnübergänge nicht erhöht. Eine darüber hinausgehende allgemeine Lärmsanierungspflicht bei Gelegenheit eines zu genehmigenden Vorhabens sehen die gesetzlichen Vorschriften nicht vor (st. Rspr. des BVerwG, siehe Urteil vom 9. Februar 1995 - 4 C 26.93 -, juris Rn. 15).
33 Entsprechendes gilt für die vom Kläger verlangte Berücksichtigung der Erschütterungsbelastung auf seinem Grundstück durch den vorhandenen Bahnbetrieb. Auch eine Berücksichtigung dieses Umstandes kann der Kläger im Rahmen der hier streitgegenständlichen Plangenehmigung nicht verlangen, weil sich die Erschütterungen aus dem Bahnbetrieb durch das streitgegenständliche Vorhaben nicht verändern.
34 An diesem Ergebnis kann schließlich weder in Bezug auf den Lärm noch in Bezug auf die Erschütterungen aus dem vorhandenen Bahnbetrieb die Berufung des Klägers auf Art. 8 EMRK und auf Art. 1 des 1. Zusatzprotokolls zur EMRK etwas ändern. Wenn man überhaupt so weit gehen würde, Beeinträchtigungen durch Lärm oder Erschütterungen dem Schutzbereich des Privat- und Familienlebens zuzurechnen, so könnte eine Plangenehmigung höchstens dann in Konflikt mit Art. 8 EMRK geraten, wenn sie bzw. die Verwirklichung des plangenehmigten Vorhabens wesentliche Auswirkungen auf die Belastungen des klägerischen Grundstücks mit Immissionen aus dem Bahnbetrieb hätte. Das ist jedoch, wie dargelegt, offenkundig nicht der Fall.
35 Nach alledem brauchte der Senat den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträgen Nr. 1 bis Nr. 14 nicht nachzugehen. Die Beweisanträge Nr. 1 bis Nr. 10 sind allesamt unerheblich für die Entscheidung des Senats, teils weil die unter Beweis gestellten Tatsachen als unstreitig richtig der Entscheidung zugrunde gelegt werden (Beweisanträge Nr. 1 und 2), teils weil die unter Beweis gestellten Aussagen zur tatsächlichen Lärm- und Erschütterungsbelastung des klägerischen Grundstücks durch den vorhandenen Bahnbetrieb - wie soeben ausgeführt - für die Entscheidung des Senats rechtlich unerheblich sind (Beweisanträge Nr. 3 bis Nr.10), wobei bei den Beweisanträgen Nr. 9 und 10 eine unsubstantiierte und damit der Beweiserhebung nicht zugängliche Unterstellung über „zukünftig gesteigerte Immissionen“ hinzu kommt. Die Beweisanträge Nr. 11 und 12 sind für die Entscheidung des Senats unerheblich, weil die im Beweisantrag Nr.11 unterstellte „zukünftig technisch mögliche Steigerung der Zahl der Güterzüge auf der rechtsrheinischen Bahnstrecke“ wie ausgeführt ohne Bedeutung für die jetzt plangenehmigte Maßnahme ohne kapazitätssteigernde Wirkung ist und weil die mit Beweisantrag Nr. 12 unter Beweis gestellte Nachfragesteigerung auf der rechtsrheinischen Bahnstrecke unerheblich ist, solange von einer kapazitätserhöhenden Wirkung der Maßnahme nicht auszugehen ist. Eine solche Wirkung tritt hier - wie oben dargelegt - nicht ein.
36 Beweisantrag Nr. 13 ist unsubstantiiert, weil nicht dargetan wird, in Zusammenspiel mit welchen „weiteren technischen Maßnahmen“ neben dem elektronischen Stellwerk die Immissionsbelastung kausal durch die angegriffene Plangenehmigung erhöht werden soll. Unabhängig davon ist das Beweisthema auch unerheblich für die Entscheidung des Senats, weil - wie ausgeführt - eine steigende Immissionsbelastung nur dann gegen einen Planungsakt rechtlich angeführt werden kann, wenn der angegriffene Planungsakt selbst und nicht erst ein noch unbestimmtes lediglich behauptetes späteres Zusammenwirken mit anderen Maßnahmen zu einer steigenden Immissionsbelastung führen kann. Aus dem gleichen Grund ist Beweisantrag Nr. 14 unerheblich. Ein medizinisches Gutachten dazu, dass zukünftig eine größere Zahl von Wohnnutzern an Bluthochdruck erkranken wird, braucht nicht eingeholt zu werden, weil der Beweisantrag unzutreffende bzw. unsubstantiierte Voraussetzungen hat, dass nämlich nach Umsetzung der angegriffenen Genehmigung die Zahl der Güterzüge steigt.
37 Der Kläger wird weiter nicht durch sonstige Lärm- und Erschütterungsauswirkungen des Vorhabens, etwa bei den Umbauarbeiten, in seinen Rechten verletzt.
38 Die Plangenehmigungsbehörde hat zum Umbau der drei Bahnübergänge L 3034, Dreikönigstraße und Fußweg in dem Ortsteil As. der Stadt Rüdesheim eine Schall- und Erschütterungstechnische Stellungnahme des Ingenieurbüros Fr. (vom 5. Februar 2010, Anhang 2 der Anlage 1 zum Erläuterungsbericht, Planunterlage Bl. 182 ff.) eingeholt. Diese kommt zu dem Ergebnis, dass durch die Anpassung der Bahnübergänge keine Zunahme des Straßenverkehrs und damit auch keine signifikante Änderung der Vorbelastung aus Straßenverkehrslärm eintreten wird (Stellungnahme S. 5). Bauliche Veränderungen erfolgten allenfalls durch die Erweiterung des Kurvenradius im Einmündungsbereich Frankenthalstraße/Am Alten Bahnhof in Verbindung mit dem Ausbau einer Stellplatzfläche sowie durch die Verbreiterung der Straße Am Alten Bahnhof über eine Abschnittslänge von weniger als 20 m. Dies führe zu keiner Zusatzbelastung durch Straßenverkehr, sondern im Gegenteil wegen der Erweiterung des Verkehrsraums in dem von der Bebauung abgewandten Bereich zu einer geringfügigen Entlastung. Aus der Schall- und Erschütterungstechnischen Stellungnahme (a. a. O.) konnte die Plangenehmigungsbehörde weiter die vom Kläger nicht substantiiert in Zweifel gezogene Feststellung entnehmen, dass durch den Umbau der Bahnübergänge auch kein zu Vorkehrungen nötigender Lärm von ortsfesten Einrichtungen erzeugt wird, keine signifikante Änderung der gegebenen Vorbelastung aus schienenverkehrsinduzierten Erschütterungen und auch kein wesentliches lärm- und erschütterungstechnisches Konfliktpotenzial beim Umbau selbst zu erwarten ist (Stellungnahme a. a. O., S. 7 und 9). Ein Abwägungsmangel ist insoweit nicht zu erkennen.
39 Zu den von den akustischen Anlagen zur Warnung von Fußgängern am Bahnübergang Neugasse (Fußweg) erzeugten Warnsignalen weist die Stellungnahme unwiderlegt darauf hin, dass der von den Anlagen ausgehende Lärm hinzunehmen sei, weil dies zur Abwehr von Gefahren und zur Gewährleistung der Betriebssicherheit erforderlich sei. Sofern der Kläger die akustischen Warnsignale auf seinem Grundstück hören kann, könnte sich hieraus jedenfalls nicht der allein geltend gemachte Anspruch auf Planaufhebung ergeben, sondern höchstens ein Anspruch auf Schutzvorkehrungen. Unabhängig davon gehören die mit den Warnsignalen verbundenen Immissionen zum rechtlich vorgegebenen Bestand einer Bahnstrecke mit Bahnübergang und deshalb handelt es sich auch bei der Neueinrichtung einer Warnanlage an einem vorhandenen Bahnübergang um keinen Umstand, der als planbedingte Lärmzunahme im Sinne der 16. BImSchV anzusehen wäre (vgl. ausführlich so zu akustischen Warnanlagen: VGH Mannheim, Urteil vom 20. November 2008 - 5 S 1694/07 -, juris Rn. 43).
40 Der Kläger kann die Aufhebung der angefochtenen Plangenehmigung schließlich auch nicht mit dem Einwand erreichen, seine Sicherheit an den drei umzubauenden Bahnübergängen sei planbedingt nicht mehr hinreichend gewährleistet. Der Kläger trägt insoweit vor (Schriftsatz vom 30. April 2012, s. im Verfahren 2 C 165/11.T Bl.186 ff. der dortigen Gerichtsakte), die vorhandene Video-Kameraüberwachung der Bahnübergänge werde durch radargestützte Gefahrenfreimeldeanlagen ersetzt. Diese könnten keine Hindernisse wie eine auf dem Bahnübergang gestürzte und dort flach liegende Person erkennen. Eine solche Person sei somit dem Risiko ausgesetzt, vom nächsten Zug überrollt zu werden. Die Gefahrenfreimeldeanlage erfülle nicht die Bedingungen des § 11 Abs. 16 der Eisenbahnbetriebsordnung - EBO -.
41 Dieser Sachverhalt ist - mit gewisser Modifikation - von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung bestätigt worden. Grundsätzlich könnten die Gefahrenfreimeldeanlagen auch so eingestellt werden, dass der gesamte Bereich bis herab auf den Boden „gescannt“ werde. Dies habe sich aber bei der Prüfung dieser Art von Anlagen als nicht vereinbar mit einer ordnungsgemäßen Durchführung des Eisenbahnbetriebs erwiesen. Denn dann würden etwa auch auf den Bahnübergang geschleuderte größere Schottersteine oder auf den Bahnübergang hingewehter Schnee als Hindernisse erkannt und dementsprechend die Strecke blockiert. Deshalb habe man entschieden, die Anlagen so einzustellen, dass der Erfassungsbereich etwa bis auf 0,5 m über dem Boden reiche. Eine Situation, dass eine Person ganz flach auf dem Bahnübergang liege und deshalb nicht erfasst werden könne, sei extrem selten.
42 Unter diesen Umständen braucht dem Beweisantrag Nr. 15 nicht nachgegangen zu werden. Die dort behaupteten Tatsachen können als im Wesentlichen zutreffend der Entscheidung zugrunde gelegt werden, nachdem die Beklagte in der mündlichen Verhandlung den Sachverhaltsvortrag des Klägers wie dargestellt bestätigt hat und die Ausführungen der Beklagten vom Kläger nicht substantiiert in Abrede gestellt worden sind. Dem Beweisantrag Nr. 16 schließlich braucht nicht nachgegangen zu werden, weil die Zahl der „wegen des Weingenusses anreisenden Übernachtungsgäste des Fremdenverkehrs in Rüdesheim am Rhein“ keinen Belang darstellt, der eine Rechtsposition des Klägers als regelmäßiger Nutzer der Bahnübergänge betrifft.
43 Aus dem von der Beklagten im Wesentlichen bestätigten Sachverhalt (die Erstreckung des Erfassungsbereichs bis hinunter auf 0,5 m über dem Boden ist vom Kläger nicht substantiiert in Abrede gestellt worden) ergibt sich jedoch kein Grund für die Aufhebung der angefochtenen Plangenehmigung. Zunächst erweist sich die Auffassung des Klägers, es liege ein Verstoß gegen die spezielle Sicherheitsvorschrift des § 11 Abs. 16 EBO vor, als unzutreffend. Nach dieser Vorschrift müssen Bahnübergänge mit Schranken - ausgenommen Anrufschranken und Schranken an Fuß- und Radwegen - von der Bedienungsstelle aus mittelbar oder unmittelbar eingesehen werden können und dies ist dann nicht erforderlich, wenn das Schließen der Schranken durch Lichtzeichen auf den Straßenverkehr abgestimmt und das Freisein des Bahnübergangs durch technische Einrichtungen festgestellt wird. Diese Vorschrift betrifft aber nicht das vom Kläger geltend gemachte Risiko, dass Personen auf dem Bahnübergang stürzen und dort flach liegen bleiben. Denn die Vorgabe gilt ausdrücklich bereits nicht für Schranken an Fuß- und Radwegen (obwohl auch dort Personen stürzen und liegen bleiben könnten) und im Übrigen wird sie auch nicht für anwendbar gehalten, wenn auf dem Bahnübergang befindliche Fahrzeuge - etwa im Falle des Vorhandenseins von einseitigen Halbschranken - den Bahnübergang trotz Schließen der Schranken noch verlassen können (Basiliee in: Kunz (Hrsg.), Eisenbahnrecht, Erläuterungen zu § 11 Abs. 16 EBO, S. 102). Die mittelbare Sicht auf den Bahnübergang durch Video-Kameras oder ersatzweise das Vorhandensein einer technischen Einrichtung zur Gefahrenfreimeldung betrifft also nicht das Risiko des Stürzens einer Person, sondern diejenige Gefahrenlage, die entstehen würde, wenn ein auf dem Bahnübergang befindliches Fahrzeug infolge zwischenzeitlicher Schließung der Schranke den verschlossenen Bahnübergang nicht mehr verlassen könnte.
44 Das vom Kläger thematisierte Risiko ist somit dem Anwendungsbereich der allgemeinen Sicherheitsanforderungen an Bahnanlagen gemäß § 2 Abs. 1 EBO zuzuordnen. Hiernach müssen Bahnanlagen und Fahrzeuge so beschaffen sein, dass sie den Anforderungen der Sicherheit und Ordnung genügen, und diese Anforderungen gelten als erfüllt, soweit die Bahnanlagen den Vorschriften der EBO und - soweit diese keine ausdrücklichen Vorschriften erhält - anerkannten Regeln der Technik entsprechen. Es lässt sich nicht feststellen, dass diese Anforderungen nicht mehr gewahrt sind. Die Beklagte durfte vielmehr davon ausgehen, dass die von der Beigeladenen vorgesehene Art der Sicherung der Bahnübergänge der ihr durch § 4 AEG aufgetragenen Verpflichtung zur Gewährleistung der Betriebssicherheit genügt. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG sind die Eisenbahnen verpflichtet, ihren Betrieb sicher zu führen und die Eisenbahninfrastruktur, Fahrzeuge und Zubehör sicher zu bauen und in betriebssicherem Zustand zu halten. Diese Verpflichtung ist auf der Grundlage des § 26 AEG insbesondere durch die allgemeine Sicherheitsanforderung des § 2 Abs. 1 Satz 1 EBO konkretisiert worden (Hermes/Schweinsberg in: Beck’scher AEG-Kommentar, § 4 AEG Rn. 59). Adressat der Sicherheitsanforderungen ist hier die Beigeladene als Infrastrukturunternehmen (vgl. Hermes/Schweinsberg, a. a. O., Rn. 9).
45 Diesen durch die Normierungen nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AEG und § 2 Abs. 1 Satz 1 EBO vorgegebenen Sicherheitsanforderungen ist grundsätzlich dann genügt, wenn verständige, umsichtige, vorsichtige und gewissenhafte Fachleute für das Eisenbahnwesen nach dem jeweiligen Stand der Technik die Sicherheitsvorkehrungen für ausreichend halten dürfen und sie den Umständen nach zumutbar sind (Hermes/Schweinsberg, a. a. O., Rn. 34 unter Hinweis auf BGH, Versicherungsrecht 1978, S. 1163, 1165). Bei ihrer Beurteilung sind Normadressaten, Aufsichtsbehörden und Gerichte nicht gehindert, die Wahrscheinlichkeit eines schädigenden Ereignisses, die Schwere der zu erwartenden Schäden und den zu ihrer Vermeidung notwendigen Aufwand in ihre Überlegungen einzubeziehen (Hermes/Schweinsberg, a. a. O., Rn. 38). Eine hundertprozentige Sicherheit ist nicht erreichbar und kann nicht verlangt werden, es kann insbesondere niemandem zugemutet werden, alle nur denkbaren Möglichkeiten und Tatbestände von Gefahren und Schäden abzusichern (Basiliee, a. a. O., Erläuterungen zu § 2 Abs. 1 EBO, S. 63).
46 Nach Maßgabe dieser Vorschriften kann die in der angefochtenen Plangenehmigung vorgesehene Ersetzung der bisherigen Überwachung der Bahnübergänge mittels VideoKamera durch eine radargestützte Gefahrenfreimeldeanlage mit den von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung erläuterten Merkmalen rechtlich nicht beanstandet werden. Hierbei ist zunächst zu berücksichtigen, dass das vom Kläger angeführte Risiko, dass eine Person auf dem Bahnübergang hinfällt und dort bewegungsunfähig und in so flachem Zustand liegen bleibt, dass sie von der Gefahrenfreimeldeanlage nicht erfasst wird, bereits als äußerst selten anzusehen ist. Dies gilt noch verstärkt, wenn es sich - wie hier vorliegend bei allen drei Bahnübergängen - um kurze Überwege handelt, die lediglich das Überschreiten zweier Gleise und das Zurücklegen einer geringen Wegstrecke innerhalb der Schranken erfordern. Ferner hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Sicherheit an den beschrankten Bahnübergängen durch die Umstellung von mittelbarer Einsichtnahme über Video-Kameras zu automatischer Überwachung durch radargestützte Gefahrenfreimeldeanlagen in bestimmten Situationen durch die Ausschaltung „des Faktor Mensch“ und bei besonderen Witterungsverhältnissen wie dichtem Nebel auch Sicherheitsgewinne gegenüber dem jetzigen Zustand bringt. Menschliche Unaufmerksamkeit kann dazu führen, dass eine Person oder ein Objekt auf dem Bahnübergang übersehen und fälschlicherweise eine Freigabe erteilt wird und bei dichtem Nebel etwa kann die mittelbare Sicht auf den Bahnübergang so eingeschränkt sein, dass Hindernisse nicht mehr erkannt werden können. Somit steht dem zusätzlich geschaffenen Risiko, dass in äußerst seltenen Fällen eine auf dem Bahnübergang flach liegende Person nicht mehr erkannt wird, in anderen Situationen ein Sicherheitsgewinn gegenüber.
47 Unabhängig von alledem kann der Kläger mit dem geltend gemachten Sicherheitsmangel aber die allein begehrte Planaufhebung auch deshalb nicht erreichen, weil der geltend gemachte Mangel durch eine Schutzauflage behoben werden könnte (§ 18e Abs. 6 Satz 2 AEG). Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass es grundsätzlich möglich ist, die Gefahrenfreimeldeanlagen so einzustellen, dass ihr Erfassungsfeld - unter Inkaufnahme von gravierenden Restriktionen für den Eisenbahnbetrieb - bis auf den Boden herunterreicht. In Betracht kämen auch andere Schutzauflagen wie etwa die zusätzliche Installation von Wärmebildkameras.
48 Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob die Vorschriften über die Gewährleistung der Bahnsicherheit, wie die Beigeladene geltend macht, ausschließlich an den Eisenbahnverkehrsunternehmer gerichtet sind und ausschließlich dem öffentlichen Interesse an der Sicherheit des Bahnbetriebs an Bahnübergängen dienen (Kramer in: Kunz (Hrsg.), a. a. O., § 4 AEG Rn. 21), oder ob die entsprechenden Regelungen auch zu Gunsten der Sicherheitsinteressen zumindest derjenigen Verkehrsteilnehmer bestehen, die - wie der Kläger - dartun, regelmäßig den betreffenden Bahnübergang zu benutzen.
49 Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, weil er unterliegt (§ 154 Abs. 1 VwGO). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind für erstattungsfähig erklärt worden, weil sie erfolgreich einen Sachantrag gestellt und sich damit einem Prozessrisiko ausgesetzt hat (§§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
50 Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
51 Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.
Gericht | VGH Kassel |
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Datum | 12.06.2012 |
Normen | Art. 8 EMRK, § 1 AEG, § 4 AEG, § 18 AEG, § 18b AEG, § 18e AEG, § 41 BImSchG, § 1 16. BImSchV, § 2 EBO, § 11 EBO |
Stichworte | Abwägungsgebot;, Bahnübergang, Blockverdichtung; Erschütterung; Gefahrenfreimeldeanlage; Kapazitätssteigerung; Leit- und Sicherungstechnik; Planrechtfertigung; Planfeststellungsverfahren; Sicherheitspflicht; Warnanlage; wesentliche Änderung |
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