VG Köln, Beschluss vom 25.06.2021
Az.: 18 L 362/21
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1. Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 18 K 6979/20 erhobenen Klage gegen den Beschluss der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2020 (BK 10-20-0037_Z) wird angeordnet.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
2. Der Wert des Streitgegenstands wird auf _ _ _ Euro festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag,
die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 18 K 6979/20 erhobenen Klage gegen den Beschluss der Antragsgegnerin vom 11. Dezember 2020 (BK 10-20-0037_Z) anzuordnen,
hat Erfolg.
Gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung einer Klage anordnen, wenn die aufschiebende Wirkung zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – wie hier gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO in Verbindung mit § 77a Abs. 1 des Eisenbahnregulierungsgesetzes (ERegG) in der Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Eisenbahnregulierungsrechts vom 6. Juni 2021 (BGBl. I S. 1737 ff.) – qua Gesetz ausgeschlossen ist. Die vorzunehmende Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an einer sofortigen Vollziehung des Beschlusses der Bundesnetzagentur vom 11. Dezember 2020 (BK 10-20-0037_Z) und dem Interesse der Antragstellerin, von der sofortigen Vollziehung bis zu einem rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens verschont zu bleiben, richtet sich in erster Linie nach der summarischen Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache.
Die Interessenabwägung geht zu Lasten der Antragsgegnerin aus, weil die Klage der Antragstellerin nach der allein gebotenen summarischen Prüfung voraussichtlich Erfolg hat. Der angegriffene Beschluss erweist sich als rechtswidrig.
I.
Dies gilt zunächst hinsichtlich der Verpflichtung in Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses. Zwar kann diese grundsätzlich auf § 68 Abs. 3 ERegG i.V.m. § 66 Abs. 4 ERegG gestützt werden (dazu 1.). Auch ist sie formell rechtmäßig ergangen (dazu 2.). Die Verpflichtung in Ziffer 1 ist jedoch materiell rechtswidrig, weil sie ihrerseits einen objektiv eisenbahnrechtswidrigen Zustand begründet (dazu 3.).
1. Ermächtigungsgrundlage für die in Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses ausgesprochene Verpflichtung ist § 68 Abs. 3 ERegG i.V.m. § 66 Abs. 4 ERegG in der aufgrund der Dauerwirkung der Verpflichtung in Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses zum maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung geltenden Fassung des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Eisenbahnregulierungsrechts vom 6. Juni 2021 (BGBl. I S. 1737 ff.).
Die Verpflichtung in Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses lautet wie folgt:
„Die Beschwerdegegnerin wird verpflichtet, die von ihr gemäß § 56 Abs. 3 ERegG durchzuführende Prüfung der Erforderlichkeit einer Vorhaltung von Kapazitätsreserven innerhalb des fertig erstellten Netzfahrplans so vorzunehmen, dass hierin die erwartbaren Anträge aller Verkehrsdienste auf Zuweisung von Schienenwegkapazität außerhalb des Netzfahrplans jeweils unter Berücksichtigung ihrer relations- und zeitspezifischen Anforderungen einbezogen werden. In die Betrachtung der relations- und zeitspezifischen Anforderungen sind mindestens die Anträge einzubeziehen, die in den letzten zwei Netzfahrplanperioden außerhalb des Netzfahrplans gestellt wurden.“
Nach § 68 Abs. 3 ERegG kann die Regulierungsbehörde mit Wirkung für die Zukunft das Eisenbahninfrastrukturunternehmen zur Änderung der Maßnahmen im Sinne des § 66 Abs. 4 ERegG verpflichten oder diese Maßnahmen für ungültig erklären, soweit diese nicht mit den Vorschriften des Eisenbahnregulierungsgesetzes oder unmittelbar geltenden Rechtsakten der Europäischen Union im Anwendungsbereich des Eisenbahnregulierungsgesetzes in Einklang stehen. Die Vorschrift des § 68 Abs. 3 ERegG setzt auf Tatbestandsseite eine eisenbahnregulierungsrechtswidrige bzw. unionsrechtswidrige Maßnahme im Sinne von § 66 Abs. 4 ERegG voraus und räumt der Regulierungsbehörde auf Rechtsfolgenseite ein im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nur nach Maßgabe von § 114 Satz 1 VwGO überprüfbares Entschließungs- und Auswahlermessen bei der Entscheidung ein, ob und wie die Maßnahme mit Wirkung für die Zukunft abgeändert werden soll.
Vgl. zu der vorangegangenen Fassung des § 68 Abs. 3 ERegG, die eine eisenbahnregulierungsrechtswidrige Regelung vorgesehen hat: OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2020 – 13 B 1246/19 – juris Rn. 3.
Diese Vorschrift findet hier entgegen der Auffassung der Antragstellerin Anwendung. Bei der Durchführung der Prüfung gem. § 56 Abs. 3 ERegG durch die Antragstellerin handelt es sich um eine Maßnahme im Sinne des § 68 Abs. 3 ERegG. Der Begriff der Maßnahme ist als Oberbegriff für abstrakt-generelle Regelungen und konkret-individuelle Entscheidungen zu verstehen. Der Begriff der Maßnahme erfasst unproblematisch die hier in Rede stehende Prüfpraxis der Antragstellerin, in die sie die räumlichen und zeitlichen Anforderungen von Anträgen nicht einbezieht. Auf die von den Beteiligten vertretenen Auffassungen über die Zuordnung der Prüfpraxis zu dem in der vorangegangenen Fassung des § 68 Abs. 3 ERegG enthaltenen Begriff der „Regelungen“ kommt es nach der hier maßgeblichen Fassung der Vorschrift nicht (mehr) an, weil in § 68 Abs. 3 ERegG der Begriff der „Regelungen“ durch denjenigen der „Maßnahmen“ ersetzt worden ist. Bei dieser Ersetzung handelt es sich nach der Gesetzesbegründung lediglich um eine redaktionelle Klarstellung, da der Begriff der „Maßnahmen“ die Aufzählung aller in § 66 Abs. 4 ERegG benannten Gegenstände erfasse, die neben Regelungen auch Entscheidungen beinhalte.
Vgl. BT-Drs. 19/27565, S. 96.
Diese Formulierung entspricht der unionsrechtlichen Regelung der Überprüfungsbefugnisse der Regulierungsstelle in Art. 56 der Richtlinie 2012/34/EU. Darin ist eine weitreichende Überprüfungsmöglichkeit von Handlungen des Infrastrukturbetreibers vorgesehen. Auf unionsrechtlicher Ebene wird nicht zwischen Verhaltensweisen des Infrastrukturbetreibers unterschieden, wenn nach Art. 56 der Richtlinie 2012/34/EU allgemein dessen „Entscheidungen“ überprüft werden können.
Auf einen hilfsweisen Rückgriff der Antragsgegnerin auf § 67 Abs. 1 ERegG als taugliche Ermächtigungsgrundlage kommt es aufgrund der vorstehenden Ausführungen ebenfalls nicht an.
2. Der angegriffene Beschluss ist formell rechtmäßig. Die Verpflichtung in Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses geht nicht in rechtswidriger Weise über den von der Beschwerdeführerin gestellten Antrag hinaus (dazu a.). Diese Verpflichtung war auch nicht durch Verpflichtungen in vorangegangenen Beschlüssen der Antragsgegnerin gehemmt (dazu b.). Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Ersetzung der öffentlichen mündlichen Verhandlung durch eine Online-Konsultation verstößt schließlich nicht gegen die insoweit noch maßgebliche Vorschrift des § 77 Abs. 6 Satz 3 ERegG a.F.
a. Die in Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses getroffene Verpflichtung der Antragstellerin, die Prüfung der Erforderlichkeit der Vorhaltung von Kapazitätsreserven gem. § 56 Abs. 3 ERegG so durchzuführen, dass dabei die erwartbaren Anträge aller Verkehrsarten unter Einbeziehung ihrer relations- und zeitspezifischen Anforderungen berücksichtigt werden, ist nicht bereits deshalb formell rechtswidrig, weil sie über den Gegenstand der Beschwerde der Schienenverkehrsgesellschaft hinausginge.
Im Ausgangspunkt gibt die Ermächtigungsgrundlage und Befugnisnorm die Reichweite der Maßnahmen vor, die die Regulierungsbehörde ergreifen konnte, woraus sich ergibt, dass der auf § 68 Abs. 3 ERegG i.V.m. § 66 Abs. 4 ERegG gestützte Verpflichtung der Antragstellerin nicht durch den Beschwerdeantrag der Beschwerdeführerin begrenzt ist.
Die Reichweite der der Regulierungsbehörde gem. § 68 Abs. 3 ERegG eingeräumten Überprüfungsmöglichkeit wird nicht durch den Antrag der Beschwerde eines Zugangsberechtigten determiniert, weil das Beschwerdeverfahren eine Anstoßfunktion hat. Diese soll es den Zugangsberechtigten ermöglichen, die Regulierungsbehörde mit der Überprüfung eines Verhaltens eines Eisenbahninfrastrukturunternehmens zu befassen, um die Wahrung ihrer Rechte bzw. die Beseitigung einer Diskriminierung zu erreichen. Dabei ist das Überprüfungsverfahren nach § 68 Abs. 3 ERegG nicht durch den Gegenstand der Beschwerde beschränkt. Denn das Überprüfungsverfahren gem. § 68 Abs. 3 ERegG ist objektiv ausgestaltet und hängt – anders als eine Überprüfung gem. § 68 Abs. 2 ERegG – nicht von der konkreten Betroffenheit eines Zugangsberechtigten ab.
Mit dem Beschwerderecht der Zugangsberechtigten aus § 66 Abs. 1 ERegG korrespondiert eine Verpflichtung der Regulierungsbehörde zur Überprüfung der beanstandeten Regelung. Das bedeutet, dass das in einem Überprüfungsverfahren von Amts wegen der Regulierungsbehörde auf einer ersten Stufe zustehende „Aufgreifermessen“ entfällt. Das Beschwerderecht der Zugangsberechtigten tritt an die Stelle der Entscheidung der Regulierungsbehörde, ein Überprüfungsverfahren einzuleiten, und begründet damit eine zweite, im Vergleich zur alten Rechtslage nach § 14 f Abs. 1 AEG a.F. zusätzliche Möglichkeit, wie das Verhalten eines Eisenbahnverkehrsunternehmens einer Prüfung unterzogen werden kann. Das der Regulierungsbehörde hinsichtlich eines Eingriffs nach § 68 Abs. 3 ERegG zustehende Ermessen besteht unabhängig davon, ob sie eine Maßnahme im Sinne von § 66 Abs. 4 ERegG von Amts wegen oder auf Antrag eines Zugangsberechtigten überprüft.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2020 – 13 B 1246/19 – juris Rn. 11.
Davon ausgehend kann es dahinstehen, ob die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Verpflichtung von dem Antrag bzw. dem Gegenstand der Beschwerde der Beschwerdeführerin gedeckt war. Der Antragsgegnerin stand es frei, das von der Antragstellerin durchgeführte Prüfverfahren im Sinne von § 56 Abs. 3 ERegG auch über den Beschwerdeantrag der Schienenverkehrsgesellschaft hinaus darauf zu überprüfen, ob es mit den Vorschriften des Eisenbahnregulierungsgesetzes in Einklang steht. Einer förmlichen Anzeige im Verwaltungsverfahren, dass die Antragsgegnerin die Regelung der Antragstellerin über den Beschwerdegegenstand hinaus prüft, bedurfte es ebenfalls nicht. Ein solches Erfordernis sieht § 68 Abs. 3 ERegG nicht vor.
b. Der Verpflichtung in Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses standen die Verpflichtung in Ziffer 3 a) des Beschlusses der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2019 (BK 10-16-0118_Z) sowie die Verpflichtung in Ziffer 1 des Beschlusses der Antragsgegnerin vom 13. November 2019 (BK 10-18-0201_Z), der Gegenstand des in der Kammer anhängigen Verfahrens 18 K 7934/18 ist, in formeller Hinsicht nicht entgegen.
Denn die in den vorangegangenen Beschlüssen enthaltenen Verpflichtungen betrafen andere Gegenstände.
Die von der Antragstellerin geltend gemachte (teilweise) Überschneidung von Ziffer 3 a) des Beschlusses der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2019 (BK 10-16-0118_Z) mit der Verpflichtung in Ziffer 1 des hier angegriffenen Beschlusses besteht nicht. In Ziffer 3 a) des Beschlusses vom 19. Dezember 2019 wird der Antragstellerin aufgegeben, ihre SNB so zu ändern, dass daraus ersichtlich wird, welche Bewertungsmaßstäbe sie bei der Prüfung der Vorhaltung von Kapazitätsreserven anwendet. Dabei ging es – anders als hier – nicht um eine materiell-rechtliche Änderung in Bezug auf die Durchführung des Prüfverfahrens, sondern um eine für die Zugangsberechtigen transparente Darstellung der Prüfkriterien.
Vgl. insoweit zu dem Beschluss der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2019 (BK 10-16-0118_Z): OVG NRW, Beschluss vom 25. Februar 2021 – 13 B 343/20 – juris Rn. 108.
In dem hier angegriffenen Beschluss macht die Antragsgegnerin der Antragstellerin hingegen eine materiell-rechtliche Vorgabe für das Prüfungsverfahren, indem sie diese dazu verpflichtet, in die Prüfung gem. § 56 Abs. 3 ERegG zeitliche und örtliche Anforderungen erwartbarer Anträge auf Trassenzuweisungen außerhalb des Netzfahrplans einzubeziehen.
Auch die Verpflichtung in Ziffer 1 des Beschlusses der Antragsgegnerin vom 13. November 2019 (BK 10-18-0201_Z) hat einen anderen Gegenstand als die streitgegenständliche Verpflichtung. In dem dortigen Verfahren wurde der Antragstellerin eine andere als die hier relevante materiell-rechtliche Vorgabe für das Prüfungsverfahren gem. § 56 Abs. 3 ERegG gemacht, indem die Antragstellerin zu der Einbeziehung mindestens der Trassenzuweisungsanträge verpflichtet wurde, die innerhalb der letzten beiden Netzfahrplanperioden außerhalb des Netzfahrplans gestellt worden sind. Insoweit gibt es keine inhaltliche Überschneidung mit der hier in Rede stehenden Verpflichtung zur Berücksichtigung zeitlicher und räumlicher Parameter von Anträgen außerhalb des Netzfahrplans.
c. Der Umstand, dass die Antragsgegnerin die öffentliche mündliche Verhandlung durch eine Online-Konsultation ersetzt hat, stellt keinen Verstoß gegen § 77 Abs. 6 Satz 3 ERegG in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs im Eisenbahnbereich vom 29. August 2016 (BGBl. I S. 2082 ff.) DAR. Diese Fassung der Norm ist als Maßstab zugrunde zu legen, weil im Rahmen der Überprüfung der Verfahrensvoraussetzungen im Verwaltungsverfahren der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – hier der 11. Dezember 2020 – maßgeblich ist. Nach § 77 Abs. 6 Satz 3 ERegG entscheidet die Beschlusskammer aufgrund öffentlicher mündlicher Verhandlung; mit Einverständnis der Beteiligten kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Ersetzung der nach § 77 Abs. 6 Satz 3 ERegG a.F. bei fehlendem Verzicht durch die Beteiligten durchzuführenden öffentlichen mündlichen Verhandlung ist durch die Vorschrift des § 5 Abs. 2 des Gesetzes zur Sicherstellung ordnungsgemäßer Planungs- und Genehmigungsverfahren während der COVID-19-Pandemie (Planungssicherstellungsgesetz – PlanSiG) gerechtfertigt, die nach § 1 Satz 1 Nr. 20 PlanSiG auch für Verfahren nach dem Eisenbahnregulierungsgesetz gilt. Danach genügt eine Online-Konsultation nach § 5 Abs. 4 PlanSiG, wenn in Verfahren nach den in § 1 PlanSiG genannten Gesetzen die Durchführung eines Erörterungstermins oder einer mündlichen Verhandlung angeordnet ist, auf die nach den dafür geltenden Vorschriften nicht verzichtet werden kann.
Entgegen der Auffassung der Antragstellerin erstreckt sich der Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 PlanSiG auch auf öffentliche mündliche Verhandlungen.
Die Vorschrift des § 5 Abs. 2 PlanSiG ist zunächst hinreichend bestimmt. Das aus dem Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG abgeleitete Bestimmtheitsgebot verlangt, dass das Handeln der Verwaltung messbar und in gewissem Ausmaß für den Bürger voraussehbar und berechenbar ist sowie dass eine Gerichtskontrolle ermöglicht wird.
Eine gesetzliche Vorschrift muss in ihren Voraussetzungen und ihrem Inhalt so formuliert sein, dass die von ihr Betroffenen die Rechtslage erkennen und ihr Verhalten danach einrichten können.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 7. Juli 1971 – 1 BvR 775/66 – juris Rn. 31.
Die Auslegungsbedürftigkeit einer Tatbestandsvoraussetzung als solche steht dem Bestimmtheitserfordernis nicht entgegen, solange die Auslegung unter Nutzung der juristischen Methodik zu bewältigen ist.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 3. März 2004 – 1 BvF 3/92 – juris Rn. 111.
Nach diesem Maßstab wahrt die Vorschrift des § 5 Abs. 2 PlanSiG die Anforderungen des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots. Die Reichweite des in dieser Vorschrift enthaltenen unbestimmten Begriffs der mündlichen Verhandlung ist durch Anwendung der allgemeinen juristischen Auslegungsmethoden jedenfalls bestimmbar.
Der Wortlaut der Vorschrift gibt mit dem Begriff der „mündlichen Verhandlung“ ein Tatbestandsmerkmal vor, das als Oberbegriff sowohl nicht-öffentliche als auch öffentliche mündliche Verhandlungen erfasst. Diese Auffassung wird auch von der Gesetzesbegründung gestützt. In deren Vorblatt werden die in Fachgesetzen vorgesehenen öffentlichen mündlichen Verhandlungen ausdrücklich in Bezug genommen. Darin heißt es:
„Die gleiche Situation ergibt sich z. B. in besonderen, in Fachgesetzen vorgesehenen Entscheidungsverfahren von Beschlusskammern der Bundesnetzagentur (Telekommunikationsgesetz und Postgesetz), in denen die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung vorgeschrieben und ein Verzicht nur mit Einverständnis der Beteiligten möglich ist.“, BT-Drs. 19/18965, S. 1.
Wenn der Gesetzgeber die öffentlichen mündlichen Verhandlungen in der Problembeschreibung zu dem Gesetzentwurf explizit erwähnt, liegt es fern, dass diese von der Ersetzungsbefugnis in § 5 Abs. 2 PlanSiG nicht erfasst sein sollen. Auch die Gesetzessystematik spricht nicht dafür, dass eine Online-Konsultation lediglich bei nicht-öffentlichen mündlichen Verhandlungen möglich sein soll. Wie die Antragsgegnerin zutreffend ausgeführt hat, bewirkt die in § 5 Abs. 4 Satz 3 PlanSiG getroffene Regelung, nach der die zuständige Behörde geeignete Vorkehrungen dafür zu treffen hat, dass nur die nach den § 5 Abs. 4 Satz 1 und 2 PlanSiG Berechtigten Zugang zu der Online-Konsultation haben, keinen Ausschluss der Öffentlichkeit. Vielmehr zählen Vertreter der Öffentlichkeit gerade zu den zur Teilnahme Berechtigten im Sinne von § 5 Abs. 4 Satz 1 PlanSiG. Auch der Zweck der Ersetzung mündlicher Verhandlungen durch Online-Konsultationen spricht dafür, dass diese auch bei öffentlichen mündlichen Verhandlungen erfolgen soll. Ziel des Planungssicherstellungsgesetzes ist es, trotz der durch die Pandemie bedingten Probleme bei dem Zusammentreffen mehrerer Personen Verfahren möglich zu machen. Entsprechend heißt es in der Gesetzesbegründung:
„Mit dem Gesetz soll gewährleistet werden, dass Planungs- und Genehmigungsverfahren sowie besondere Entscheidungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung auch unter den erschwerten Bedingungen während der COVID-19-Pandemie ordnungsgemäß durchgeführt werden können.“, BT-Drs. 19/18965, S. 9.
Je größer die Anzahl der bei einer mündlichen Verhandlung zusammenkommenden Beteiligten ist, desto eher mag es geboten sein, dass eine solche zum Schutz der Beteiligten vor dem Risiko einer Infektion nicht durchgeführt wird. Dem soll die Ersetzung einer solchen Verhandlung durch eine Online-Konsultation entgegenwirken. Bei öffentlichen mündlichen Verhandlungen ist zumindest im Ansatz von einer größeren Zahl von Beteiligten auszugehen als bei einer nicht-öffentlichen mündlichen Verhandlung, weil daran jedenfalls potentiell Vertreter der Öffentlichkeit teilnehmen. Hier besteht erst recht das Bedürfnis einer Ersetzung durch eine Online-Konsultation, um den Fortgang des Verfahrens unter den Bedingungen der Pandemielage zu ermöglichen.
Auf eine Bewertung der Pandemielage im Sommer 2020 kam es für die rechtmäßige Ersetzung der öffentlichen mündlichen Verhandlung nicht an. Die Antragsgegnerin musste als Voraussetzung ihrer Entscheidung nicht prüfen, ob ein beachtliches Infektionsrisiko bei einer Verhandlung mit mehreren Beteiligten in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung die Durchführung einer Online-Konsultation erfordert hat. Denn die Regelung des § 5 Abs. 2 PlanSiG enthält keine entsprechenden Tatbestandsvoraussetzungen. Vielmehr wird das Fortbestehen der Pandemielage von dieser Vorschrift vorausgesetzt. Sie sieht vor, dass selbst bei zwingend durchzuführenden mündlichen Verhandlungen im Regelfall eine Ersetzung durch eine Online-Konsultation erfolgt. Der Umstand, dass das Planungssicherstellungsgesetz im Mai 2020 erlassen wurde und das Außerkrafttreten in § 7 Abs. 2 Satz 1 PlanSiG auf den 31. Dezember 2022 festgelegt wurde, bringt zudem die Auffassung des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass im Sommer 2020 noch ein Bedürfnis bestand, Zusammenkünfte bei mündlichen Verhandlungen zu beschränken. Vor diesem Hintergrund hätte die Antragstellerin substantiiert darlegen müssen, weshalb ausnahmsweise Umstände vorliegen, die die von § 5 Abs. 2 PlanSiG vorgesehene Ersetzung der mündlichen Verhandlung durch eine Online-Konsultation entgegenstehen. Dies hat die Antragstellerin jedoch nicht getan. Sie hat in diesem Zusammenhang auch versäumt, darzulegen, welcher Vortrag ihr im Vergleich zu dem durchgeführten schriftlichen Verfahren allein in einer öffentlichen mündlichen Verhandlung möglich gewesen wäre.
Ermessensfehler der Antragsgegnerin bei der Ersetzung der öffentlichen mündlichen Verhandlung sind nicht ersichtlich und unter Berücksichtigung des vorstehend beschriebenen Regelungsgehalts von § 5 Abs. 2 PlanSiG nicht substantiiert vorgetragen worden. Insbesondere wurde die Möglichkeit der Teilnahme von Vertretern der Öffentlichkeit dadurch sichergestellt, dass unter dem 16. April 2020 auf der Internetseite der Bundesnetzagentur mitgeteilt wurde, dass die öffentliche mündliche Verhandlung ersatzweise als Online-Konsultation durchgeführt wird und dass Personen, die als Teil der Öffentlichkeit an der Konsultation teilnehmen wollen, bis zum 19. August 2020 einen Zugang zur Beobachtung der Online-Konsultation beantragen können.
3. Die Verpflichtung in Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses ist jedoch materiell rechtswidrig, weil die ausschließlich hinsichtlich der faktischen Durchführung der Prüfung ausgesprochene Verpflichtung ihrerseits einen objektiv eisenbahnrechtswidrigen Zustand begründet.
Die von der Antragstellerin durchgeführte Prüfung gem. § 56 Abs. 3 ERegG verstößt entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin nicht gegen § 19 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 5 Satz 2 ERegG i.V.m. Ziffer 4.2.1.18 SNB 2021, weil die in der Praxis der Antragstellerin angewandten Prüfkriterien nicht von denjenigen Prüfkriterien abweichen, die die Antragstellerin in ihren SNB beschrieben hat (dazu a.). Auch wenn die von der Antragstellerin faktisch unterlassene Berücksichtigung räumlicher und zeitlicher Anforderungen der Anträge im Gelegenheitsverkehr bei der Prüfung des Erfordernisses, Kapazitäten im Netzfahrplan vorzuhalten, einen Verstoß gegen § 56 Abs. 3 ERegG begründet (dazu b.), ist die von der Antragsgegnerin in Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses ausgesprochene Verpflichtung objektiv eisenbahnrechtswidrig. Denn sie bleibt hinter den gesetzlichen Anforderungen des Eisenbahnregulierungsgesetzes zurück. Da Ziffer 4.2.1.18 SNB 2021 keinen Hinweis auf die Einbeziehung relations- und zeitspezifischer Anforderungen von Trassenanträgen enthält, müsste die Antragstellerin – bei Befolgung der Verpflichtung aus Ziffer 1 des Beschlusses – künftig eine Prüfung von Kapazitätsreserven für den Gelegenheitsverkehr in einer Weise durchführen, die jedenfalls derzeit keine Abbildung in ihren SNB findet. Diese Diskrepanz zwischen faktischer Durchführung der Prüfung und der Beschreibung in den SNB der Antragstellerin verstößt gegen Anlage 3 Nr. 3 Satz 5 zu § 19 ERegG (dazu c.).
a. Der von der Antragsgegnerin gerügte Verstoß gegen § 19 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 5 Satz 2 ERegG (entspricht § 19 Abs. 6 Satz 2 ERegG a.F.) i.V.m. Ziffer 4.2.1.18 SNB 2021 durch die Prüfpraxis der Antragstellerin liegt nicht vor, da sie zwar an die Regelungen in den SNB gebunden ist, diesen im Ergebnis mit ihrer derzeit praktisch durchgeführten Kapazitätsprüfung allerdings genügt.
Im Ausgangspunkt stellt eine faktisch unterlassene Einhaltung der Regelungen in den SNB einen Verstoß gegen das Eisenbahnregulierungsgesetz DAR. Denn aus § 19 Abs. 1 Satz 1 ERegG folgt nicht nur die Pflicht eines Betreibers der Schienenwege, SNB mit den in § 19 ERegG und in der zugehörigen Anlage 3 vorgegebenen Inhalten zu erstellen. Zugleich wird er durch diese Vorgabe dazu verpflichtet, die von ihm erstellten SNB auch einzuhalten. Auch die Regelung in § 19 Abs. 5 Satz 2 ERegG bestätigt die Annahme der Pflicht des Betreibers der Schienenwege, die Regelungen in den SNB auch in der Praxis umzusetzen. Nach dieser Vorschrift dienen die für eine Netzfahrplanperiode aufgestellten SNB als Grundlage für das Zuweisungsverfahren und den Vertragsschluss für die Trassen in der jeweiligen Netzfahrplanperiode. Daraus ist zu schließen, dass sich ein Betreiber der Schienenwege in der Praxis an die SNB halten muss. Anderenfalls könnten sie nicht als Grundlage für das Zuweisungsverfahren und Vertragsschlüsse mit den Zugangsberechtigten dienen.
Vgl. zu der gleichlautenden Fassung in § 19 Abs. 1 Satz 1, § 19 Abs. 6 Satz 2 ERegG a.F.: OVG NRW, Beschluss vom 22. Mai 2020 – 13 B 1246/19 – juris Rn. 27 m. N.
Auch der Gesetzgeber hat in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebracht, dass die SNB und deren Veröffentlichung Planungssicherheit für die Zugangsberechtigten gewährleisten sollen und dass SNB als verbindlich zu erachten sind.
Vgl. BT-Drs. 18/8334, S. 186.
Nach diesen Maßstäben verstößt die Antragstellerin nicht gegen die Vorgaben aus § 19 Abs. 1 Satz 1 und § 19 Abs. 5 Satz 2 ERegG. Denn ihre Praxis der Kapazitätsprüfung, bei der sie die räumlichen und zeitlichen Faktoren der Anträge im Gelegenheitsverkehr in dem Betrachtungszeitraum unberücksichtigt lässt, weicht nicht von der Beschreibung der Prüfkriterien in Ziffer 4.2.1.18 SNB 2021 ab. Darin hat die Antragstellerin die Prüfung gem. § 56 Abs. 3 ERegG nicht – wie von der Antragsgegnerin angenommen – derart beschrieben, dass in diese die relations- und zeitspezifischen Anforderungen erwartbarer Anträge auf Trassenzuweisungen außerhalb des Netzfahrplans einfließen.
Die Regelung in Ziffer 4.2.1.18 SNB 2021 lautet:
Prüfung der Vorhaltung von Restkapazitäten nach § 56 Abs. 3 ERegG
Die DB Netz AG stellt sicher, dass auch nach Abschluss der Netzfahrplanerstellung kurzfristige Trassenanfragen im Gelegenheitsverkehr bedient werden können. Dazu prüft die DB Netz AG, ob das Vorhalten zusätzlicher Kapazitätsreserven notwendig wird.
Im Rahmen dieser Prüfung führt die DB Netz AG eine Vergangenheitsbetrachtung der letzten zwei Netzfahrplanperioden in Bezug auf Anmeldungen zum Gelegenheitsverkehr, Änderungen zum Netzfahrplan und die Stornierungsquote von Netzfahrplantrassen durch und bewertet außerdem die Anzahl der Trassenablehnungen.
Weiterhin werden die Erkenntnisse berücksichtigt, die sich vor der jeweils aktuellen Netzfahrplanerstellung im Rahmen der Kundenbetreuung im regionalen Vertrieb hinsichtlich Fahrplangestaltung, Vorbereitung von Neuverkehren sowie bei der zentralen Fahrlagenberatung ergeben haben.
Aus dieser Formulierung lässt sich aus Sicht eines objektiven Empfängers nicht ableiten, dass bei der für die Prüfung vorgenommenen Vergangenheitsbetrachtung auch die räumlichen und zeitlichen Anforderungen der Anträge im Gelegenheitsverkehr berücksichtigt werden sollen.
Zwar erklärt die Antragstellerin in Absatz 1 der Ziffer 4.2.1.18 SNB 2021, dass sie die Prüfung des Erfordernisses, Kapazitätsreserven vorzuhalten, durchführt, um auch nach Abschluss der Netzfahrplanerstellung kurzfristige Trassenanfragen im Gelegenheitsverkehr bedienen zu können. Allerdings ist aus dieser Absichtsbekundung das Prüfprogramm der Antragstellerin nicht ableitbar. Auch wenn die Antragstellerin erklärt hat, dass sie mit der Prüfung des Erfordernisses, Kapazitäten für den Gelegenheitsverkehr vorzuhalten, bezweckt, auch kurzfristige Trassenanfragen bedienen zu können, bedeutet dies nicht, dass sie in ihre SNB auch die zur Erreichung dieses Ziels erforderlichen Prüfkriterien aufgenommen hat.
Das von der Antragstellerin angewandte Prüfprogramm wird vielmehr allein in den Absätzen 2 und 3 der Ziffer 4.2.1.18 SNB 2021 beschrieben. Hierbei hat die Antragstellerin eine gesamtnetzbezogene Prüfungsweise gewählt und differenziert nicht nach räumlichen und zeitlichen Kriterien der Anträge im Betrachtungszeitraum. Die von ihr gewählten Bezugsgrößen „Anmeldungen zum Gelegenheitsverkehr“, „Änderungen zum Netzfahrplan“, „Stornierungsquote von Netzfahrplantrassen“ sowie „Anzahl der Trassenablehnungen“ legen eine rein anzahlmäßige Vergangenheitsbetrachtung der Antragstellerin nahe, bei der es nicht darauf ankommt, auf welcher Strecke und zu welchen Zeiten Anmeldungen, Änderungen, Stornierungen bzw. Trassenablehnungen vorgenommen worden sind. Vielmehr suggerieren die offenen Formulierungen sowie der Rekurs auf numerische Größen durch die Begriffe „Stornierungsquote“ und „Anzahl der Trassenablehnungen“, dass damit die entsprechenden Fakten aus dem Betrachtungszeitraum rein zahlenmäßig in die Prüfung gem. § 56 Abs. 3 ERegG einbezogen werden sollen. Auch wenn nach Absatz 2 der Ziffer 4.2.1.18 SNB 2021 die Anzahl der Trassenablehnung „bewertet“ wird, kann insoweit nicht von einer relations- und zeitspezifischen Analyse ausgegangen werden, weil Bezugspunkt nach dem Wortlaut der SNB-Regelung die bloße Anzahl der Trassenablehnungen bleibt.
Dass es im Rahmen einer Vergangenheitsbetrachtung rein tatsächlich möglich wäre, festzustellen, auf welchen Strecken und zu welchen Zeiten Anmeldungen zum Gelegenheitsverkehr erfolgt sind, steht dem nicht entgegen. Denn für die Auslegung der SNB nach dem objektiven Empfängerhorizont kommt es allein auf die Formulierung der SNB, nicht jedoch auf hypothetisch mögliche bzw. für die Erreichung des Ziels, kurzfristige Trassenanfragen im Gelegenheitsverkehr bedienen zu können, zweckmäßige Maßnahmen an. Es kann für die Frage eines Verstoßes gegen § 19 Abs. 1 Satz 1 und § 19 Abs. 5 Satz 2 ERegG dahinstehen, ob die Einbeziehung räumlicher und zeitlicher Anforderungen von Anträgen auf Kapazitätszuweisung im Betrachtungszeitraum geeigneter wäre als das Nichtbeachten dieser Kriterien bei der Prüfung gem. § 56 Abs. 3 ERegG. Die Geeignetheit von in den SNB beschriebenen Maßnahmen spielt für die bloße Auslegung der SNB nach dem objektiven Empfängerhorizont keine Rolle. Entscheidend ist vielmehr, dass die SNB-Regelung aus Sicht eines Zugangsberechtigten als eine Prüfung ohne Berücksichtigung der räumlichen und zeitlichen Anforderungen der Anträge im Gelegenheitsverkehr zu verstehen ist.
Die durch den Beschluss der Antragsgegnerin vom 13. November 2018 (Az. BK 10-18-0201_Z) vorgegebene Ergänzung der SNB, nach der die Antragstellerin mindestens die Anträge auf Zuweisung von Schienenwegkapazität einbezieht, die innerhalb der letzten beiden Netzfahrplanperioden außerhalb des Netzfahrplans gestellt worden sind, enthält keine Verpflichtung, raum- und zeitspezifische Kriterien der Anträge im Gelegenheitsverkehr in die Prüfung gem. § 56 Abs. 3 ERegG einfließen zu lassen. Welche Intention die Antragsgegnerin mit der Verpflichtung in dem vorgenannten Beschluss verfolgt hat, kann für die Auslegung der SNB der Antragstellerin in der hier zugrunde liegenden Fassung keine Rolle spielen, weil die entsprechende Kenntnis der Beschlussbegründung von den Zugangsberechtigen, deren Perspektive für die Auslegung der SNB maßgebend ist, nicht erwartet werden kann.
Auch die Berücksichtigung der im Rahmen der Kundenbetreuung im regionalen Vertrieb hinsichtlich Fahrplangestaltung, Vorbereitung von Neuverkehren sowie bei der zentralen Fahrlagenberatung gewonnenen Erkenntnisse gem. Absatz 3 in Ziffer 4.2.1.18 SNB 2021 bringt nicht zum Ausdruck, dass bei der Prüfung gem. § 56 Abs. 3 ERegG eine relations- und zeitspezifische Differenzierung stattfindet. Diese abstrakt gehaltene Formulierung gibt nicht zu erkennen, dass die Erkenntnisse aus der Kundenbetreuung im regionalen Vertrieb zwingend an räumliche und zeitliche Parameter geknüpft sind. Auch hierbei handelt es sich um rein anzahlmäßige Ergebnisse, die lediglich anlässlich einer regional verorteten Kundenbetreuung bezogen auf das gesamte Schienennetz zustande gekommen sind.
b. Die fehlende Berücksichtigung räumlicher und zeitlicher Anforderungen von Anträgen im Gelegenheitsverkehr in der praktischen Prüfung der Antragstellerin, ob die Vorhaltung von Kapazitäten für den Gelegenheitsverkehr im Netzfahrplan erforderlich ist, stellt wie von der Antragsgegnerin angenommen einen Verstoß gegen § 56 Abs. 3 ERegG DAR.
Nach § 56 Abs. 3 Satz 1 ERegG hat der Betreiber der Schienenwege zu prüfen, ob es erforderlich ist, Kapazitätsreserven innerhalb des fertigerstellten Netzfahrplans vorzuhalten, um auf vorhersehbare Anträge im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 ERegG schnell reagieren zu können. Anträge im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 1 ERegG sind solche außerhalb der Erstellung des Netzfahrplans auf Zuweisung einzelner Zugtrassen. Soweit die Notwendigkeit dazu erkannt wird, sind gem. § 56 Abs. 3 Satz 2 ERegG diese Kapazitätsreserven vorzuhalten. Nach § 56 Abs. 3 Satz 4 ERegG sind in die Kapazitätsprüfung mindestens die Anträge einzubeziehen, die innerhalb der letzten zwei Netzfahrplanperioden außerhalb des Netzfahrplans gestellt worden sind.
Ziel der Vorschrift ist es, den Kapazitätsbedarf des auf die kurzfristige Zuweisung von Zugtrassen angewiesenen Marktsegments – soweit vorhersehbar – bereits bei der Erstellung des Netzfahrplans durch die Einstellung und Bewahrung von Kapazitätsreserven angemessen zu berücksichtigen, damit entsprechende Verkehre nicht von vornherein unmöglich gemacht werden.
Vgl. BT-Drs. 18/8334, S. 215.
§ 56 Abs. 3 Satz 1 ERegG verpflichtet den Betreiber der Schienenwege in einem ersten Schritt zu prüfen, ob und ggf. in welchem Umfang eine Notwendigkeit zur Vorhaltung von Kapazitätsreserven im Netzfahrplan besteht. Aus § 56 Abs. 3 Satz 4 ERegG folgt, dass der zu erwartende Bedarf an Schienenwegkapazität für Anträge außerhalb des Netzfahrplans zu ermitteln ist. Ausgangspunkt für die anzustellende Prognose sind mindestens die innerhalb der letzten zwei Netzfahrplanperioden außerhalb des Netzfahrplans gestellten Anträge. Ergibt die Prüfung, dass ein Bedarf an Schienenwegkapazität für Anträge außerhalb des Netzfahrplans besteht, der in Anbetracht der zu erwartenden Netzauslastung im Übrigen nicht ohne Vorhaltung von Kapazitätsreserven befriedigt werden kann, ist der Betreiber der Schienenwege gem. § 56 Abs. 3 Satz 2 ERegG in einem zweiten Schritt verpflichtet, angemessene Kapazitätsreserven im Netzfahrplan vorzuhalten. Konkrete Vorgaben zur Durchführung der Prüfung und zur Art und Weise der Vorhaltung ggf. erforderlicher Kapazitätsreserven für Anträge außerhalb des Netzfahrplans benennt § 56 Abs. 3 ERegG nicht. Insbesondere nennt die Vorschrift außer der Vorgabe in § 56 Abs. 3 Satz 4 ERegG, in die Prüfung diejenigen Anträge einzubeziehen, die innerhalb der letzten zwei Netzfahrplanperioden außerhalb des Netzfahrplans gestellt worden sind, ausdrücklich keine konkreten Kriterien der Erforderlichkeitsprüfung. Es ist dem Betreiber der Schienenwege überlassen, die näheren Einzelheiten in Übereinstimmung mit der Zielsetzung des § 56 Abs. 3 ERegG und im Rahmen der allgemeinen Rechtsvorschriften einschließlich des eisenbahnregulierungsrechtlichen Diskriminierungsverbots festzulegen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Februar 2021 – 13 B 343/20 – juris Rn. 95 m. N.
Diese Gestaltungsfreiheit des Betreibers der Schienenwege wird jedoch durch den Zweck des § 56 Abs. 3 Satz 1 ERegG begrenzt. Dies lässt sich unmittelbar dem Wortlaut der Vorschrift entnehmen, weil darin die Prüfungspflicht des Betreibers der Schienenwege zweckbezogen formuliert wird. Sie besteht, „um auf vorhersehbare Anträge im Sinne des § 56 Abs. 1 Satz 1 ERegG schnell reagieren zu können“. Aus dieser zweckabhängigen Beschreibung der Prüfungspflicht folgt, dass die Erfüllung des Zwecks der Prüfung nach dem Willen des Gesetzgebers besonders bedeutsam ist. Die Auslegung der Vorschrift § 56 Abs. 3 ERegG nach ihrem Sinn und Zweck hat dementsprechend besonderes Gewicht.
Die Freiheit des Betreibers der Schienenwege bei der Bestimmung der Prüfkriterien endet dort, wo die Gestaltung der Prüfung dem Ziel der Vorschrift, Anträge im kurzfristigen Gelegenheitsverkehr zu ermöglichen, nicht mehr gerecht wird. Eine Prüfung der Erforderlichkeit, Kapazitätsreserven für den Gelegenheitsverkehr im Netzfahrplan vorzuhalten, wird dem Betreiber der Schienenwege einzig zu dem Zweck auferlegt, dass auch für auf kurzfristige Trassenzuweisung angewiesene Verkehrsdienste Schienenwegkapazität in ausreichendem Maß zur Verfügung steht. Dabei sind die tatsächlichen Bedürfnisse der im Gelegenheitsverkehr agierenden Zugangsberechtigten relevant, die insbesondere die einer Trassenanmeldung innewohnenden räumlichen und zeitlichen Parameter einschließen. Schienenwegkapazität kann nicht in dem von § 56 Abs. 3 ERegG beabsichtigten Umfang für Anträge außerhalb des Netzfahrplans zur Verfügung gestellt werden, wenn der Betreiber der Schienenwege nicht berücksichtigt, dass die Nachfrage nach Trassen auch im Gelegenheitsverkehr variiert. Auch bei kurzfristigen Trassenanmeldungen wird es den Zugangsberechtigten regelmäßig darauf ankommen, welche Relation sie zu welcher Zeit nutzen können. Um erkennen zu können, welche Trassen im (kurzfristigen) Gelegenheitsverkehr besonders nachgefragt sind, bedarf es einer entsprechenden Analyse räumlicher und zeitlicher Kriterien der Anträge in der von § 56 Abs. 3 Satz 4 ERegG vorgeschriebenen Vergangenheitsbetrachtung. Ziel der Kapazitätsprüfung durch den Betreiber der Schienenwege ist es, den tatsächlichen Bedürfnissen der Zugangsberechtigten bei künftigen Anträgen im Gelegenheitsverkehr gerecht werden zu können. Dabei ist neben einer quantitativen Bewertung der Erkenntnisse aus den letzten beiden Netzfahrplanperioden auch eine qualitative Würdigung vergangener Anträge im Hinblick auf die räumlichen und zeitlichen Parameter von Trassen erforderlich.
Vgl. Clausen/Maas, in: Kühling/Otte, AEG/ERegG, 2020, § 56 Rn. 28.
Den Bedürfnissen eines Zugangsberechtigen wird eine Kapazitätszuweisung nicht gerecht, wenn sie eine Trassenqualität aufweist, die so weit hinter den mit dem Antrag auf Zuweisung einer Trasse mitgeteilten räumlichen und zeitlichen Anforderungen zurückbleibt, dass – ungeachtet zulässiger Konstruktionsspielräume – von einem aliud zu dem gestellten Antrag auszugehen ist. Dem Zweck der Prüfung, ob Kapazitätsreserven im Netzfahrplan vorzuhalten sind, wird in diesem Fall nicht entsprochen. Werden die tatsächlichen Bedürfnisse der Anträge von Zugangsberechtigten in der bei der Kapazitätsprüfung anzustellenden Vergangenheitsbetrachtung überhaupt nicht berücksichtigt, werden entsprechende Verkehre mangels zur Verfügung stehender Kapazitätsreserven, die den qualitativen Anforderungen eines Zuweisungsantrags gerecht werden, von vornherein nicht ermöglicht. Dieses Ergebnis widerspricht dem ausdrücklich formulierten Willen des Gesetzgebers, bei Fertigstellung des Netzfahrplans Verkehre im Gelegenheitsverkehr zu ermöglichen.
Vgl. BT-Drs. 18/8334, S. 215.
Insoweit führt auch der abstrakte Einwand der Antragstellerin, sie habe in den Jahren 2019 und 2020 auch kurzfristigen Anmeldungen zum Gelegenheitsverkehr mit Ausnahme von sechs Fällen einer Trassenablehnung entsprechen können, zu keinem anderen Ergebnis. Denn dieser allgemeinen Aussage lässt sich nicht entnehmen, dass die positiven Zuweisungsentscheidungen im Gelegenheitsverkehr in einer den Bedürfnissen der Zugangsberechtigten genügenden Weise erfolgt sind, wie es Ziel der Prüfung von § 56 Abs. 3 ERegG ist.
Die sprachliche Fassung von § 56 Abs. 3 Satz 1 ERegG und § 56 Abs. 1 Satz 1 ERegG, nach der eine schnelle Reaktion des Betreibers der Schienenwege auf „vorhersehbare Anträge im Sinne von § 56 Abs. 1 Satz 1 ERegG“, nämlich solche „außerhalb der Erstellung des Netzfahrplans auf Zuweisung einzelner Zugtrassen“ ermöglicht werden soll, bestätigt die Annahme des Erfordernisses, räumliche und zeitliche Anforderungen von im Betrachtungszeitraum gestellten Anträgen auf Trassenzuweisung außerhalb des Netzfahrplans zu berücksichtigen. Durch diese Begrifflichkeit hat der Gesetzgeber aufgezeigt, dass die Prüfung des Erfordernisses, im Netzfahrplan Kapazitätsreserven für den Gelegenheitsverkehr vorzuhalten, von räumlichen und zeitlichen Parametern abhängen soll. Wie die Antragsgegnerin noch zur alten Rechtslage zutreffend dargestellt hat, setzt die im Gesetzeswortlaut verwendete Erwähnung der „Anträge außerhalb der Erstellung des Netzfahrplans auf Zuweisung einzelner Zugtrassen“ die Berücksichtigung räumlicher und zeitlicher Kriterien bei der Kapazitätsprüfung voraus. Zugtrassen werden in § 1 Abs. 20 ERegG abhängig von räumlichen und zeitlichen Kriterien definiert als derjenige Anteil der Schienenwegkapazität, der erforderlich ist, damit ein Zug zu einer bestimmten Zeit zwischen zwei Orten verkehren kann. Aufgrund der Verwendung des Begriffs der – räumlich und zeitlich konkretisierten – Trasse im Sinne des § 1 Abs. 20 ERegG sind die räumlichen und zeitlichen Anforderungen von Zuweisungsanträgen entscheidend für die gem. § 56 Abs. 3 ERegG zu beantwortende Frage, ob für vorhersehbare Anträge im Gelegenheitsverkehr ausreichend Schienenwegkapazität zur Verfügung steht.
Dies entspricht auch dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers, dass der Betreiber der Schienenwege bei der Erstellung des Netzfahrplans absehbare kurzfristige Anträge auf bestimmten Relationen zu berücksichtigen hat.
Vgl. BT-Drs. 18/8334, S. 215.
Mit dieser Formulierung wird klargestellt, dass jedenfalls die räumlichen Parameter von Anträgen im Gelegenheitsverkehr bei der Prüfung der Erforderlichkeit von Kapazitätsreserven eine Rolle spielen und eine rein quantitative Betrachtung von Anträgen im Gelegenheitsverkehr im Betrachtungszeitraum für die Prüfung gem. § 56 Abs. 3 ERegG nicht ausreicht.
In systematischer Hinsicht spricht der Verweis in § 56 Abs. 3 Satz 3 ERegG auf die Fälle überlasteter Schienenwege gem. § 55 ERegG ebenfalls für das Erfordernis, räumliche und zeitliche Kriterien in die Prüfung der Kapazitätsreserven einzubeziehen. Danach muss der Betreiber der Schienenwege die Prüfung auch mit Blick auf überlastete Schienenwege vornehmen und ggf. auch für überlastete Schienenwege Kapazitätsreserven für den Gelegenheitsverkehr vorhalten. Nach der Definition überlasteter Schienenwege gem. § 1 Abs. 13 ERegG handelt es sich um sowohl räumlich als auch zeitlich spezifizierte Teile der Schienenwegkapazität. Wenn für diese besonderen Anforderungen unterliegenden Abschnitte jedenfalls potentiell Kapazitätsreserven vorgehalten werden sollen, setzt dies voraus, dass der Betreiber der Schienenwege zeitliche und räumliche Aspekte der Anträge im Gelegenheitsverkehr berücksichtigt, weil er anderenfalls den Bedarf an Kapazitätsreserven für den Gelegenheitsverkehr auf den räumlich und zeitlich konkretisierten überlasteten Schienenwegen nicht ermitteln könnte. Der Verweis auf § 55 ERegG in § 56 Abs. 3 Satz 3 ERegG spricht entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht gegen die Annahme, dass nach § 56 Abs. 3 Satz 1 ERegG in die Prüfung auch räumliche und zeitliche Kriterien der Anträge einzubeziehen sind. Denn der Verweis dient einzig der Klarstellung, dass die Prüfung des Erfordernisses von Kapazitätsreserven auch für überlastete Schienenwege erfolgen soll. Eine Modifikation der Art und Weise, wie die Prüfung durchgeführt werden muss, hat der Gesetzgeber damit nicht bezweckt.
In Anbetracht dessen ist die Antragstellerin in ihrer Praxis dem aus § 56 Abs. 3 ERegG folgenden Erfordernis, in die Prüfung die räumlichen und zeitlichen Anforderungen von Anträgen im Gelegenheitsverkehr einzubeziehen, nicht nachgekommen.
c. Obwohl die von der Antragstellerin vorgenommene Prüfung ohne Berücksichtigung räumlicher und zeitlicher Anforderungen von Anträgen im Gelegenheitsverkehr erfolgt, damit den Vorgaben des § 56 Abs. 3 ERegG nicht genügt und die Verpflichtung in Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses zur faktischen Berücksichtigung dieser Kriterien anhält, ist diese von der Antragsgegnerin vorgenommene Verpflichtung deshalb eisenbahnrechtswidrig, weil sie gegen die Anforderungen an die Gestaltung der SNB in Anlage 3 Nr. 3 Satz 5 zu § 19 ERegG verstößt.
Anlage 3 Nr. 3 Satz 5 zu § 19 ERegG bestimmt, dass im Abschnitt über die Grundsätze und die Kriterien für die Zuweisung von Schienenwegkapazität (auch) im Einzelnen anzugeben ist, welche Maßnahmen getroffen wurden, um eine angemessene Behandlung der Anträge außerhalb des Netzfahrplans sicherzustellen. Es kann dahinstehen, welchem konkreten Zweck die Regelung in Anlage 3 Nr. 3 Satz 5 zu § 19 ERegG dient.
Ebenfalls offenlassend OVG NRW, Beschluss vom 25. Februar 2021 – 13 B 343/20 – juris Rn. 92.
Es ist hier nicht entscheidend, ob die Vorschrift auch dem Schutz der Antragstellerin oder einzig dem der Zugangsberechtigten dient. Denn jedenfalls darf eine Verpflichtung durch die Regulierungsbehörde gem. § 68 Abs. 3 ERegG i.V.m. § 66 Abs. 4 ERegG nicht ihrerseits einen objektiv eisenbahnrechtswidrigen Zustand begründen. Zu diesem Ergebnis führt jedoch die Verpflichtung in Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses.
Die Regelung in Anlage 3 Nr. 3 Satz 5 zu § 19 ERegG zur Gestaltung der SNB richtet sich zunächst an die Betreiber der Schienenwege. Sie knüpft inhaltlich an die sich aus dem Gesetz im Übrigen ergebenden Pflichten des Betreibers der Schienenwege zur Sicherstellung einer angemessenen Behandlung von Anträgen außerhalb des Netzfahrplans an und verlangt von ihm in Konkretisierung des eisenbahnregulierungsrechtlichen Transparenzgebots, die in Umsetzung dieser Pflichten ergriffenen Maßnahmen in den SNB offenzulegen. In jedem Fall folgt aus der eigenständigen Normierung in Anlage 3 Nr. 3 Satz 5 zu § 19 ERegG, dass vom Betreiber der Schienenwege mehr als nur die Mitteilung verlangt wird, den gesetzlichen Anforderungen entsprochen bzw. Maßnahmen zur Sicherstellung einer angemessenen Behandlung dieser Anträge ergriffen zu haben. Aus der alleinigen Veröffentlichung einer solchen Information ergäbe sich kein inhaltlicher Mehrwert, da sie nicht über Selbstverständliches hinausginge. Auch dem Wortlaut der Vorschrift [„im Einzelnen anzugeben, (…) welche Maßnahmen“] kann entnommen werden, dass der Gesetzgeber von einem gewissen Detaillierungsgrad der Angaben ausgeht, dem eine allgemein gehaltene oder bloß floskelhafte Umschreibung der ergriffenen Maßnahmen nicht gerecht wird. Der Betreiber der Schienenwege muss also konkret und für die Zugangsberechtigten nachvollziehbar beschreiben, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende angemessene Behandlung von Anträgen außerhalb des Netzfahrplans sicherzustellen.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Februar 2021 – 13 B 343/20 – juris Rn. 92.
Zwar sind die Kriterien der Durchführung der Prüfung sowie die Art und Weise der Vorhaltung ggf. erforderlicher Kapazitätsreserven für Anträge außerhalb des Netzfahrplans von § 56 Abs. 3 ERegG nicht ausdrücklich bzw. konkret vorgegeben. Wie vorstehend bereits ausgeführt ergibt sich jedoch insbesondere aus dem Sinn und Zweck der Norm, dass ein Betreiber der Schienenwege auch die räumlichen und zeitlichen Anforderungen von Anträgen auf Kapazitätszuweisung im Gelegenheitsverkehr bei der nach § 56 Abs. 3 Satz 3 ERegG vorzunehmenden Vergangenheitsbetrachtung zu berücksichtigen hat. Alle Maßnahmen, die die Antragstellerin ergreift, um – auch diesen – Vorgaben des § 56 Abs. 3 ERegG gerecht zu werden, hat sie nach Anlage 3 Nr. 3 Satz 5 zu § 19 ERegG in den SNB im Abschnitt über die Grundsätze und die Kriterien für die Zuweisung von Schienenwegkapazität konkret anzugeben. Die Zugangsberechtigten müssen anhand der Angaben nachvollziehen können, wie der Betreiber der Schienenwege die nach § 56 Abs. 3 ERegG vorgeschriebene Prüfung vornimmt, zu welchem Ergebnis er bei dieser Prüfung für die jeweilige Netzfahrplanperiode gelangt ist und auf welche Weise er im Falle einer Notwendigkeit hierzu Kapazitätsreserven für Anträge außerhalb des Netzfahrplans bei der Netzfahrplanerstellung vorhält.
Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 25. Februar 2021 – 13 B 343/20 – juris Rn. 101; Clausen, in: Kühling/Otte, AEG/ERegG, 2020, Anl. 3 Rn. 35.
Zu den in den SNB zu benennenden Maßnahmen zählen auch die in die Vergangenheitsbetrachtung im Sinne des § 56 Abs. 3 Satz 3 ERegG eingestellten räumlichen und zeitlichen Anforderungen der Anträge im Gelegenheitsverkehr. Erfahren die Zugangsberechtigten, dass bei der Prüfung des Erfordernisses, Kapazitätsreserven vorzuhalten, auch die räumlichen und zeitlichen Anforderungen vergangener Anträge im Gelegenheitsverkehr berücksichtigt werden, werden sie besser befähigt, eine sinnvolle Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit einer beabsichtigten Trassenanmeldung im Gelegenheitsverkehr zu treffen. Denn sie können absehen, ob auch bei einem Antrag auf Zuweisung einer stark nachgefragten Trasse die Chance auf eine positive Zuweisungsentscheidung besteht.
Auch wenn die Regelung in Anlage 3 Nr. 3 Satz 5 zu § 19 ERegG primär die Betreiber der Schienenwege adressiert, sind die vorstehenden Anforderungen auch dann zu wahren, wenn durch eine von der Regulierungsbehörde ausgesprochene Verpflichtung die Praxis des Betreibers der Schienenwege geändert wird. Auch in diesem Fall bedarf es zur Gewährleistung jedenfalls der Informationsfunktion der SNB einer Übereinstimmung zwischen faktisch ergriffenen Maßnahmen – hier zur Prüfung des Erfordernisses der Kapazitätsvorhaltung für den Gelegenheitsverkehr – und deren für alle Zugangsberechtigte einsehbaren Beschreibung in den SNB. Die Informationsfunktion der SNB verlangt, dass in den Nutzungsbedingungen alle wesentlichen Voraussetzungen für den Zugang zu den Serviceeinrichtungen und den Erhalt der dort angebotenen Leistungen – also für Zugang und Leistung – verbindlich und planbar benannt werden, so dass die Zugangsberechtigten sich ein vollständiges, verlässliches Bild darüber machen und eine sinnvolle Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit einer Nutzung treffen können.
Vgl. zu der vergleichbaren Rechtslage gem. § 10 EIBV BVerwG, Urteil vom 13. Juni 2012 – 6 C 42.10 – juris Rn. 30 f.; s. auch Clausen/Jettmar, in: Kühling/Otte, AEG/ERegG, 2020, § 19 Rn. 2; Leitzke, in: Staebe, ERegG, 2018, § 19 Rn. 12.
Dieser Zweck der SNB, die Zugangsberechtigten zur Wahrnehmung ihrer Zugangsrechte hinreichend zu informieren, gilt objektiv und ist nicht ausschließlich von einem Betreiber der Schienenwege zu gewährleisten. Eine Intransparenz bestehender SNB infolge einer dem Betreiber der Schienenwege gem. § 68 Abs. 3 ERegG aufgegebenen Änderung seiner Praxis führt für die Zugangsberechtigen ebenso zu Einschränkungen bei der Wahrnehmung ihrer Zugangsrechte wie in dem Fall, in dem ein Betreiber der Schienenwege SNB selbst von vornherein intransparent gestaltet. Die Kongruenz zwischen faktischen Maßnahmen und deren Beschreibung in den SNB hat vor diesem Hintergrund auch die Regulierungsbehörde bei der Vornahme von Eingriffen im Sinne des § 68 Abs. 3 i.V.m. § 66 Abs. 4 ERegG zu beachten. Zur Beseitigung des objektiv eisenbahnrechtswidrigen Zustands genügt es nicht, dass die Antragstellerin auf eigene Initiative eine der durch Ziffer 1 des streitgegenständlichen Beschlusses vorgegebenen faktischen Prüfung entsprechende Änderung ihrer SNB herbeiführen könnte. Die Rechtmäßigkeit des Eingriffs durch Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses ist unabhängig von Abhilfemöglichkeiten der Antragstellerin zu bewerten.
II.
Auch hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des angegriffenen Beschlusses überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin das öffentliche Vollziehungsinteresse. Da hinsichtlich der Anordnung in Ziffer 1 des angegriffenen Beschlusses die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragstellerin anzuordnen ist, ist die auf diese Anordnung bezogene Zwangsgeldandrohung in Ziffer 2 des Beschlusses voraussichtlich rechtswidrig, weil es an der Vollziehbarkeit des zu vollstreckenden Grundverwaltungsakts fehlt.
An der Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts besteht grundsätzlich kein öffentliches Vollziehungsinteresse. Hier bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine ergänzende Interessenabwägung geboten wäre.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG. Dabei orientiert sich die Kammer an dem Streitwert in Höhe von _ _ _ Euro, den sie in der Regel für die Anordnung der Regulierungsbehörde zur Änderung einer SNB-Klausel zugrunde legt. Dieser Betrag war im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes zu halbieren, vgl. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
Gericht | VG Köln |
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Typ | Beschluss |
Datum | 25.06.2021 |
Normen | § 14f Abs. 1 AEG a. f., § 19 Abs. 1 Satz 1 ERegG, § 19 Abs. 5 Satz 2 ERegG, § 56 Abs. 1 Satz 1 ERegG, § 56 Abs. 3 ERegG, § 66 Abs. 4 ERegG, § 67 Abs. 1 ERegG, § 68 Abs. 3 ERegG, § 77a Abs. 1 ERegG, Anlage 3 Nr. 3 Satz 5 ERegG, § 19 Abs. 6 Satz 2 ERegG a. f., § 77 Abs. 6 Satz 3 ERegG a. f., Art. 20 Abs. 3 GG, § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG, § 52 Abs. 1 GKG, § 1 Satz 1 Nr. 20 PlanSiG, § 5 Abs. 2 PlanSiG, § 5 Abs. 4 Satz 3 PlanSiG, Art. 56 Richtlinie 2012/34/EU, Ziffer 4.2.1.18 SNB 2021, § 80 Abs. 5 Satz 1 Var. 1 VwGO, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 114 S. 1 VwGO |
Stichworte | Regulierungsrecht, Einstweilige Anordnung, Befugnisse der Regulierungsbehörde, Überprüfung von Amts wegen, Überprüfungs-pflicht des Schienenwegbetreibers, Vorhalten von Kapa-zitätsreserven innerhalb des fertig erstellten Netzfahrplans, Prüfung der Vorhaltung von Kapazitätsreserven, zeitliche und örtliche Anforderungen erwartbarer Anträge auf Trassenzuweisungen, Dauerwirkung der Verpflichtung, Bedarf an Schienenwegkapazität. Ersetzung der öffentlichen mündlichen Verhandlung, Ersetzungsbefugnis, Online-Konsultationen, COVID-19-Pandemie |