Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand:
Mit Kostenbescheid vom 04.12.2012 forderte die Beklagte von der Klägerin eine Gebühr in Höhe von _ _ _ € für die Überwachung von Eisenbahnen gemäß Tarifstelle 1.2. BEGebV (5 Stunden Arbeitszeit mal 100,00 €/Stunde = 500,00 € bei einem vorgesehenen Gebührenrahmen von 300,00 bis 1.000,00 €) und für Maßnahmen zur Beseitigung festgestellter Verstöße gemäß Tarifstelle 1.3. (15,5 Stunden mal 100,00 €/Stunde als reine Zeitgebühr). Die Beklagte hatte am 20.04.2012 im Rahmen einer Stichprobe festgestellt, dass Triebfahrzeuge (TfZ) der Klägerin eingesetzt waren ohne eine PZB 90 - Zugbeeinflussung, und sodann Sachverhaltsermittlungen durchgeführt (Tarifstelle 1.2.) und rechtliche Prüfungen sowie Anhörungen vorgenommen. Eine abschließende Ordnungsverfügung (Einsatzverbot) unterblieb, nachdem die Klägerin auf den Einsatz der TfZ verzichtete.
Den dagegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.05.2013 zurück.
Mit der rechtzeitig erhobenen Klage wird vorgetragen: Hintergrund des Kostenbescheids sei ein Verfahren, welches die Beklagte gegen die Klägerin eingeleitet habe, um die Klägerin anzuhalten, ihre Triebfahrzeuge mit dem Zugsicherungssystem PZB 90 auszurüsten. Diese Forderungen wiederum stütze die Beklagte auf §§ 15 Abs. 2, 28 Abs. 1 Nr. 4 EBO. Darin sei ab 2008 für führende Triebfahrzeuge eine Zugbeeinflussungseinrichtung gefordert worden, welche bei Fahrzeugen mit einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von mehr als 30 km/h ein unzulässiges Anfahren gegen Halt zeigende Signale verhindern könne. Hierzu sei die PZB 90 jedoch nicht in der Lage. Kein punktförmiges Zugbeeinflussungssystem sei funktionsbedingt hierzu in der Lage, da das System zwischen den Beeinflussungspunkten am Vorsignal, am 500-Hz-Magnet und am Hauptsignal nicht „weiß“, welchen Signalbegriff das Signal gerade anzeige, also ob es „Halt“ oder „Fahrt“ anzeige. Der Beklagten sei zwar zuzugeben, dass der Normgeber bei der Schaffung der genannten Normen ein System mit der Funktionalität der PZB 90 habe vorgeben wollen, wie sich aus den entsprechenden Gesetzgebungsmaterialien ergebe. Der Wortlaut der Norm gebe diese Funktionalität jedoch überhaupt nicht wieder, sondern verlange ein System, das technisch nicht durch ein punktförmiges Zugbeeinflussungssystem realisierbar sei. Vielmehr lasse sich ein Anfahren gegen Halt zeigende Signale nur durch eine dauerhafte Zugbeeinflussungseinrichtung wie die LZB oder ETCS Level 2 gewährleisten. Auch die zur PZB 90 gehörende Streckenausrüstung könne die Anforderungen des § 15 Abs. 1 EBO in der Fassung, die 2008 in die Verordnung eingefügt worden sei, nicht erfüllen. Entsprechend sei der Text beider Normen 2012 erneut geändert worden. Nunmehr sollte das Zugbeeinflussungssystem das unzulässige Anfahren gegen Halt zeigende Signale nur noch überwachen und nicht mehr verhindern, aber selbst dazu sei ein punktförmiges Zugbeeinflussungssystem wie die PZB 90 nicht in der Lage. Gegenüber dem vorhergehenden Zugbeeinflussungssystem lndusi erschwere die PZB 90 lediglich das Anfahren eines Zuges unter bestimmten Voraussetzungen. Dies habe jedoch nichts damit zu tun, welchen Signalbegriff das Hauptsignal, auf welches sich der Zug beim Anfahren zubewege, zum Zeitpunkt des Anfahrens anzeige. Entscheidend sei allein, dass der Zug vor dem Anhalten eine 500-Hz-Beeinflussung durch das System erhalten habe, zum Zeitpunkt des Passierens des 500-Hz-Magneten das zugehörige Hauptsignal also Halt anzeige. Selbst, wenn dieses Hauptsignal anschließend von „Halt“ auf „Fahrt“ umgestellt werde, also von rot auf grün umspringe, erschwere die PZB 90 dennoch das Anfahren des Zuges unter den oben genannten Voraussetzungen. Mithin stellten die von der Beklagten herangezogenen Normen keine geeignete Rechtsgrundlage DAR, um die Ausrüstung führender Triebfahrzeuge mit dem System PZB 90 zu fordern. Eine Auslegung der Gesetze, die keinerlei Grundlage in ihrem Wortlaut fände, sei unzulässig.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Kostenbescheid der Beklagten vom 04.12.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.05.2013 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, auch des Verfahrens 18 L 1774/09, und der Verwaltungsvorgänge verwiesen.
Gründe:
Die Klage ist ohne Erfolg.
Der angefochtene Bescheid ist dem Grunde und der Höhe nach rechtmäßig.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen in dem Bescheid, insbesondere im Widerspruchsbescheid, und in der Klageerwiderung verwiesen (§ 117 Abs. 5 VwGO).
Ergänzend ist auszuführen: Die einschlägigen Vorschriften des § 26 Abs. 1 Satz 3 des AEG i. d. f. vom 27.06.2012 und der BEGebV (insbesondere Tarifstellen 1.2. und 1.3.) rechtfertigen die Gebühren für die individuell zurechenbaren Leistungen der Beklagten im Bereich der Eisenbahnüberwachung. Dies gilt zunächst für die Ermittlungen, beginnend mit einem Verdacht beziehungsweise einer Stichprobe ab dem 10.04.2012, und den Auskunftsersuchen vom 13.04.2012 und vom 20.04.2012, deren Zeitaufwand die Beklagte zutreffend, also aufwandsbezogen, unter der Tarifstelle 1.2. abgerechnet hat. Die sodann vorgenommenen Anhörungen gemäß § 28 VwVfG (zur Vorbereitung einer möglichen Anweisung) vom 23.05.2012, 20.06.2012 und 04.07.2012 sowie deren Auswertung sind notwendige gesetzliche Erfordernisse zur Prüfung der Notwendigkeit von Maßnahmen gemäß Tarifstelle 1.3. und deshalb Teil dieser Maßnahmen, auch wenn abschließende Anweisungen in Form von Verwaltungsakten wegen Erledigung des Verfahrens nicht mehr ergehen müssen.
Diese Maßnahmen dienten auch zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße.
Bei der Feststellung von Verstößen (Tarifstelle 1.3.) durfte sich die Beklagte auf die seinerzeitige Rechtslage beziehen, die in § 28 Abs. 1 Nr. 4 EBO 2008 eine Zugbeeinflussungseinrichtung (Zbe) verlangt, die ein bestimmtes Verhalten verhindern kann (in der EBO 2012 ab 01.12.2012: überwachen). Hierzu gehörte nach dem seinerzeitigen Stand der Technik und des Wissens der Fachkreise das Zb-System PZB 90, das auf den von der DB Netz AG betriebenen Hauptstrecken inzwischen umgesetzt ist.
Vgl. VG Köln, Beschluss vom 10.12.2009 - 18 L 1774/09 – juris m. w. Nachweisen zur Entstehungsgeschichte der o. g. EBO-Vorschriften.
Angesichts der Entstehungsgeschichte der genannten Vorschrift, insbesondere ihrer Begründung, sollte die PZB 90 und nicht eine andere (möglicherweise effektivere, dafür aber derzeit nicht kompatible) Zugbeeinflussung zum Sicherheitsstandard werden; der möglicherweise untechnische Wortlaut der EBO („verhindern“) ist demgegenüber zweitrangig.
Angesichts dieser eindeutigen Sachlage kann die Beklagte nicht umhin, einen Triebfahrzeugbetrieb ohne PZB 90 als Verstoß gegen EBO-Vorschriften einzuordnen und entsprechende Maßnahmen zu prüfen. Sie war insbesondere nicht verpflichtet, den in der Neufassung der EBO 2008 zu Grunde gelegten Sicherheitsstandard in Gestalt der PZB 90 ohne augenfälligen Anlass in Frage zu stellen, vorsorglich zu prüfen und für diese Zeit unbeachtet zu lassen.
Hierin liegt auch keine unrichtige gebührenrechtliche Sachbehandlung im Sinne von § 14 Abs. 2 VwKostG 2012 (nunmehr § 13 Abs. 1 BGebG), sondern vielmehr eine inhaltlich zutreffende Einschätzung einer Gefahrenlage im Bereich der Zugbeeinflussung.
Die Klägerin hatte es zudem in der Hand, gegen eine zu erwartende Aufsichtsanweisung der Beklagten Widerspruch und gegebenenfalls Klage zu erheben (und im Vorfeld einstweiligen Rechtsschutz zu beantragen) und in diesen Verfahren ihren technischen Sachverstand einzubringen. Sie hat dies bewusst unterlassen und kann deshalb im vorliegenden gebührenrechtlichen Verfahren nicht verlangen, dass das Gericht nunmehr die seinerzeitige Sach- und Rechtslage umfassend aufarbeitet. Die Rechtslage ist hier ähnlich der Rechtslage hinsichtlich der gebührenrechtlichen Überprüfung bestandskräftiger Amtshandlungen. Auch in diesem Fall ist die gerichtliche Prüfung der Gebühr beschränkt auf offensichtliche Rechtswidrigkeit der Amtshandlung. Dieses Kriterium ist vorliegend sicher nicht erfüllt.
Gericht | VG Köln |
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Typ | Urteil |
Datum | 23.10.2015 |
Normen | § 26 Abs. 1 S. 3 AEG, BEGebV, § 15 Abs. 1, Abs. 2 EBO, § 28 Abs. 1 Nr. 4 EBO, § 14 Abs. 2 VwKostG, § 13 Abs. 1 BGebG |
Stichworte | Triebfahrzeug, PZB 90, Zugsicherung, LZB, ETCS, Indusi, Signal, Zugbeeinflussungseinrichtung |
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