Beschluss:
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11.02.2019 (18 K 793/19) gegen Ziffer 1 und 2 des Beschlusses der Antragsgegnerin vom 05.02.2019 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 25.000,- Euro festgesetzt.
Gründe:
Der Antrag,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom 11.02.2019 (18 K 793/19) gegen Ziffer 1 und 2 des Beschlusses der Antragsgegnerin vom 05.02.2019 anzuordnen,
hat Erfolg.
Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung fällt zugunsten der Antragstellerin aus. Ihr Interesse an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage überwiegt das Interesse an dem Vollzug des Beschlusses der Beschlusskammer 10 der Antragsgegnerin vom 05.02.2019. Es bestehen ernstliche Zweifel an der formellen Rechtmäßigkeit dieses Beschlusses.
Es spricht bereits vieles dafür, dass der Beschluss nicht ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 77 Abs. 6 S. 3 ERegG ergehen durfte. Nach dieser Vorschrift entscheidet die Beschlusskammer auf Grund öffentlicher mündlicher Verhandlung; mit Einverständnis der Beteiligten kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Zur Überzeugung der Kammer liegt dem Begriff der Entscheidung in §§ 68 Abs. 4, 77 Abs. 1 Satz 1 und 3 und 77 Abs. 6 Satz 3 ERegG ein einheitliches Verständnis zugrunde. Anders als etwa in § 77 Abs. 1 Satz 2 ERegG wird der Begriff der Entscheidung in § 77 Abs. 6 Satz 3 ERegG ohne eine Einschränkung verwendet. Auch der Gesetzesbegründung zu § 77 Abs. 6 ERegG ist nicht zu entnehmen, dass § 77 Abs. 6 Satz 3 ERegG einschränkend dahin auszulegen wäre, dass er sich etwa nur auf verfahrensbeendende Entscheidungen bezieht. Dort wird nur darauf hingewiesen, dass die Vorschrift das Verfahren vor der Beschlusskammer regelt. Schließlich ist es auch vom Sinn und Zweck der Vorschrift nicht zwingend geboten, § 77 Abs. 6 Satz 3 ERegG in der soeben genannten Weise teleologisch zu reduzieren. Denn auch ohne eine derartige teleologische Reduktion ist die Verfahrensführung für die Antragsgegnerin nicht unzumutbar erschwert. Dabei geht die Kammer davon aus, dass die Antragsgegnerin nicht vor jeder Verfahrenshandlung eine öffentliche mündliche Verhandlung durchführen muss. Denn nach dem Verständnis der Kammer handelt es sich bei Verfahrenshandlungen i. S. d. § 44 a Satz 1 VwGO nicht um Entscheidungen i. S. d. § 77 Abs. 6 Satz 3 ERegG, mit der Folge, dass diese nicht aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergehen müssen. Maßgeblich für die Abgrenzung, ob es sich um eine Verfahrenshandlung nach § 44 a Satz 1 VwGO oder um eine Sachentscheidung handelt, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 22.9.2016 – 2 C 16/15 –, juris), ob die Entscheidung ihrerseits in materielle Rechtspositionen eingreift. Mit dem einheitlichen Begriffsverständnis in §§ 68 Abs. 4, 77 Abs. 1 Satz 1 und 3 und 77 Abs. 6 Satz 3 ERegG einerseits und der Abgrenzung der Verfahrenshandlung nach § 44 a Satz 1 VwGO von einer Sachentscheidung und damit einer Entscheidung i. S. d. § 77 Abs. 6 Satz 3 ERegG andererseits wird sichergestellt, dass zum einen eine begriffliche Klarheit herrscht und zum anderen das Verfahren der Antragsgegnerin effektiv gestaltet werden kann. Hätte der Gesetzgeber darüber hinaus gewollt, dass nur verfahrensbeendende Entscheidungen aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen sollen, wäre insoweit eine Einschränkung im Gesetzeswortlaut vorzunehmen gewesen.
Ausgehend von diesem Begriffsverständnis handelt es sich hier um eine Entscheidung i. S. d. § 77 Abs. 6 Satz 3 ERegG und nicht nur um eine Verfahrenshandlung i. S. d. § 44 a Satz 1 VwGO. Da es nicht ausgeschlossen ist, dass es durch die angeordnete Maßnahme zu Eingriffen in den Betriebsablauf, insbesondere zu Gleissperrungen kommt, die zu Beeinträchtigungen im Zugverkehr führen, sind die Rechte der Antragstellerin aus Art. 12 Abs. 1 und 14 Abs. 1 GG in einer anderen Weise betroffen als dies mit einer verfahrensbeendenden Entscheidung nach §§ 66 Abs. 3 und 4, 67 Abs. 1 ERegG im Rahmen der Zugangsgewährung der Fall wäre. Da die von der Antragsgegnerin mit dem angefochtenen Bescheid angeordneten Maßnahmen außerdem vollstreckbar sind, ist nach § 44 a Satz 2, 1. Alt. VwGO nicht davon auszugehen, dass es sich vorliegend allein um eine Verfahrenshandlung handelt.
Der Beschluss vom 05.02.2019 ist unabhängig von der Frage, ob eine mündliche Verhandlung durchzuführen war, aber auch bereits deswegen formell rechtswidrig, weil unmittelbar vor Ergehen des Beschlusses unstreitig keine Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG erfolgt und mithin rechtliches Gehör nicht gewährt worden ist. Eine solche Anhörung wäre im Hinblick auf die am 09.01.2019 seitens der Antragsgegnerin durchgeführten Inaugenscheinnahme und den damit unzweifelhaft gewonnenen Erkenntnissen jedoch erforderlich gewesen. Die Antragsgegnerin durfte insbesondere nicht wegen der Weigerung der Antragstellerin zur Gestattung der Begutachtung des Stellwerks von einer Anhörung absehen. Eine solche Anhörung ist bisher auch nicht nachgeholt worden, § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG.
Die Möglichkeit der Nachholung einer mündlichen Verhandlung oder einer Anhörung führt vorliegend auch nicht dazu, dass die Interessenabwägung zugunsten der Antragsgegnerin ausfällt. Der beabsichtigten Durchführung des Ortstermins am 18.02.2019 wohnt nicht eine solche Dringlichkeit inne, dass die vorherige Gewährung rechtlichen Gehörs ausgeschlossen wäre. Der beabsichtigte Ortstermin ist vielmehr auch noch zu einem späteren Zeitpunkt durchführbar.
Weder die mangelnde Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 77 Abs. 6 S. 3 ERegG noch die fehlende Anhörung nach § 28 Abs. 1 VwVfG stellen einen nach § 46 VwVfG unbeachtlichen Verfahrensfehler DAR. Insbesondere im Hinblick auf die durch die Inaugenscheinnahme am 09.01.2019 gewonnenen Erkenntnisse ist nicht auszuschließen, dass die damit erfolgte Verletzung der das rechtliche Gehör gewährleistenden Verfahrensvorschriften die Entscheidung in der Sache beeinflusst hat (vgl. BVerwG, Urteil vom 29.10.2008 – 6 C 38/07 – juris Rdnr. 40).
Auch die Interessenabwägung im Übrigen geht vorliegend zugunsten der Antragstellerin aus. Es ist für das Gericht nicht ersichtlich, dass die Durchführung des Ortstermins derart eilbedürftig wäre, dass deshalb von der Anordnung der aufschiebenden Wirkung abzusehen wäre.
Selbst wenn man mit der Antragsgegnerin davon ausginge, dass hier nur eine Verfahrenshandlung vorlag und deshalb die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nach § 77 Abs. 6 S. 3 ERegG nicht erforderlich war, folgte daraus wegen des einheitlichen Verständnisses des Begriffs der Entscheidung in §§ 68 Abs. 4, 77 Abs. 1 Satz 1 und 3 und 77 Abs. 6 Satz 3 ERegG, dass die gegen den Beschluss vom 05.02.2019 erhobene Anfechtungsklage nach § 68 Abs. 4 S. 1 ERegG aufschiebende Wirkung hätte. Danach müsste das entsprechend auszulegende Begehren bereits aus diesem Grund Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.
Gericht | VG Köln |
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Typ | Beschluss |
Datum | 13.02.2019 |
Normen | § 66 Abs. 3 u. Abs. 4 ERegG, 67 Abs. 1 ERegG, § 68 Abs. 4 ERegG, § 77 Abs. 1 S. 1 ERegG, Abs. 3 u. Abs. 6 S. 3 ERegG § 44a S. 1 VwGO, § 55a VwGO, § 80 Abs. 5 VwGO, § 154 Abs. 1 VwGO § 28 Abs. 1 VwVfG, § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG § 52 Abs. 1 u. Abs. 2 Nr. |
Stichworte | Mündliche Verhandlung, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, formell rechtswidriger Beschluss, keine Verfahrenshandlung, Begriff der Entscheidung, fehlende Anhörung, nicht unzumutbare Verfahrensführungserschwerung |
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