Beschluss
VG Köln, 18. Kammer
Es ergeht folgender Beschluss:
Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 18 K 5509/19 erhobenen Klage wird angeordnet. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1. und 2., die diese selbst tragen. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000 Euro festgesetzt. Der Antrag ist zulässig und begründet.
Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage gemäß § 80 Abs. 5 VwGO überwiegt das Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Entscheidung der Bundesnetzagentur vom 6. September 2019 das öffentliche Vollzugsinteresse. Bei der allein gebotenen summarischen Prüfung erweist sich die streitgegenständliche Kapazitätszuweisung durch die Bundesnetzagentur als rechtswidrig, weshalb an deren Vollziehung kein öffentliches Interesse bestehen kann.
Die Voraussetzungen der Art. 13 Abs. 5 der Richtlinie 2012/34/EU, Art. 13 Abs. 1 Unterabsatz 1 und Art. 14 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2177 für eine Zuweisung der Serviceeinrichtung an die Beigeladene zu 2. durch die Bundesnetzagentur liegen nicht vor.
Dabei kann dahinstehen, ob Art. 13 Abs. 5 der Richtlinie 2012/34/EU die Regulierungsstelle auch dann zu einer Kapazitätszuweisung ermächtigt, wenn nicht eine Konkurrenz zwischen zwei Anträgen auf Zugang zu einer Kapazität einer Serviceeinrichtung besteht, sondern - wie hier - ein Antragsteller die Zuweisung einer bereits durch Vertrag zwischen dem Betreiber der Serviceeinrichtung und einem Zugangsberechtigten vergebenen Kapazität begehrt. Zweifel an der Eröffnung einer Eingriffsbefugnis der Regulierungsstelle könnten sich möglicherweise daraus ergeben, dass diese Vorschrift nur auf konfligierende Anträge Bezug nimmt und den hier vorliegenden Fall, in dem ein Antragsteller die Zuweisung einer vom Betreiber der Serviceeinrichtung bereits vertraglich vergebenen Kapazität einer Serviceeinrichtung begehrt, nicht ausdrücklich regelt.
Dies bedarf jedoch keiner näheren Prüfung, weil hier jedenfalls nicht die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 13 Abs. 5 der Richtlinie 2012/34/EU für eine Zuweisung der Kapazität durch die Bundesnetzagentur vorliegen. Die Befugnis der Regulierungsstelle, auf eine Beschwerde tätig zu werden, setzt nach dieser Vorschrift unter anderem voraus, dass keine tragfähige Alternative zu der Serviceeinrichtung besteht, zu der der Antragsteller Zugang begehrt. Eine summarische Prüfung in dem zur Verfügung stehenden knappen Zeitraum ergibt, dass von dem Fehlen einer tragfähigen Alternative nicht ausgegangen werden konnte. Eine solche zeichnet sich gem. Art. 12 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2177 dadurch aus, dass sie ermöglicht, den betreffenden Güter- oder Personenverkehrsdienst auf denselben Strecken oder Alternativstrecken unter wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen durchzuführen.
Diese Anforderungen sind zwar mangels wirtschaftlicher Annehmbarkeit für die Beigeladene zu 2. nicht für das Gleis 000 in C. –H. , jedoch für die übrigen fünf von der Beigeladenen zu 1. vorgeschlagenen alternativen Abstellgleise erfüllt. Die von der Beigeladenen zu 2. geltend gemachte erhöhte Vandalismusgefahr bzw. das Risiko einer Besprühung der Züge mit Graffiti schließen die Gleise 0 in N. , 00000 in C. -H. , 5 in XXXXXXXXXXX als tragfähige Alternativen nicht aus. Die Möglichkeit der Durchführung von Verkehrsdiensten ist für die Bewertung einer tragfähigen Alternative für den beantragten Zugang zu einer Serviceeinrichtung ein wichtiges Kriterium. Bei der Zuweisung eines Abstellgleises wirkt sich die Berücksichtigung der mit dem Abstellen eines Zuges verbundenen Verkehrsleistung jedoch nicht dahingehend aus, dass andere Serviceeinrichtungen nicht als tragfähige Alternativen in Betracht zu ziehen sind. Das Erfordernis wirtschaftlich annehmbarer Bedingungen der Nutzung einer tragfähigen Alternative im Sinne von Art. 12 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2017/2177 begründet keinen Anspruch auf eine bewachte bzw. in einer sonstigen Serviceeinrichtung befindliche Kapazität. Gerade wenn - wie hier im Großraum C. - die Kapazitäten knapp und damit schwer zu erlangen sind, können alternative Kapazitäten nicht schlicht unter Hinweis auf (finanziellen) Mehraufwand abgelehnt werden. Eine Alternative ist erst dann nicht mehr als tragfähig zu bewerten, wenn die Durchführung von Verkehrsdiensten unter Inanspruchnahme dieser Alternative für einen Antragsteller wirtschaftlich nicht hinnehmbar ist. Dies ist hier bei der Beigeladenen zu 2. nicht der Fall.
Eventuelle Mehrkosten für eine erforderliche Bewachung dort abgestellter Züge, um Vandalismus und Beschädigungen durch Graffiti zu verhindern, sind zumutbare Kosten, die nicht außer Verhältnis zu den Einnahmen durch die von der Beigeladenen zu 2. geplanten Verkehrsdienste stehen. Das Gericht verkennt nicht, dass die Beigeladene zu 2. nach dem derzeitigen Stand der Angaben beabsichtigt, Züge für die Dauer von je maximal 16 Tagen abzustellen, sodass sich ein potentielles Vandalismusrisiko erhöht. Dieses Risiko ist jedoch der Entscheidung, Züge auf Abstellgleisen (für einen längeren Zeitraum) abzustellen, immanent. Ob die Bewachung von auf Abstellgleisen abgestellten Zügen erforderlich ist, muss von allen Zugangsberechtigten gleichermaßen erwogen werden und kann bei der Zuteilung von Abstellgleisen kein Kriterium für die Tragfähigkeit in Betracht kommender Alternativen darstellen. Anhaltspunkte dafür, dass die von der Beigeladenen zu 1. vorgeschlagenen alternativen Abstellgleise Ausdruck einer strukturellen Benachteiligung der Beigeladenen zu 2. sind, sind nicht ersichtlich. Es sind keine Umstände vorgetragen oder sonst erkennbar, die darauf hindeuten, dass die alternativen Serviceeinrichtungen gegenüber dem Gleis 000 eklatante Nachteile aufwiesen, die zu einer Diskriminierung der Beigeladenen zu 2. gegenüber der Antragstellerin führten, wenn sie darauf verwiesen würde.
Dass in den Serviceeinrichtungen in N. sowie - nach den Angaben in dem angegriffenen Beschluss der Bundesnetzagentur - in C. -H. , XXXXXXXXXXXXXXX keine Einrichtungen zur Müllentsorgung und Bewässerung vorhanden sind, führt ebenfalls nicht dazu, dass die von der Beigeladenen zu 2. beabsichtigten Verkehrsdienste nicht unter wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen erbracht werden könnten. Die Bewässerung der Züge hat die Beigeladene zu 2. selbst nicht als zwingendes Kriterium für ein alternatives Abstellgleis erachtet (vgl. Beschluss der Bundesnetzagentur vom 6. September 2019, S. 11). Die Müllentsorgung in einer anderen Serviceeinrichtung vorzunehmen als derjenigen, in der die Züge abgestellt werden, ist der Beigeladenen zu 2. jedenfalls angesichts des von ihr vorgetragenen Verkehrskonzepts zumutbar. Es ist nicht ersichtlich, dass die Durchführung der von ihr geplanten Fahrten von und nach C. in den streitgegenständlichen Zeiträumen davon abhängt, dass auf dem Abstellgleis für die Züge auch eine Müllentsorgung stattfinden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Kosten der Beigeladenen zu 1. und 2. waren aus Gründen der Billigkeit gem. § 162 Abs. 3 VwGO nicht für erstattungsfähig zu erklären, da diese keinen eigenen Antrag gestellt haben und damit auch kein eigenes Kostenrisiko eingegangen sind, § 154 Abs. 3 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG. Der Auffangstreitwert war im Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes wegen der von der Antragstellerin begehrten Vorwegnahme der Hauptsache nicht zu reduzieren.
Gericht | VG Köln |
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Typ | Beschluss |
Datum | 12.09.2019 |
Normen | § 55a VwGO, § 80 V VwGO, § 154 I VwGO, § 154 III VwGO, § 162 III VwGO; § 52 II GKG, § 53 II Nr. 2 GKG |
Stichworte | Auffangstreitwert, Beiladung, Bundesnetzagentur, Durchführungsverordnung, Inanspruchnahme |
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