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VG Augsburg, Urteil vom 27.11.2019

Az.: Au 6 K 19.124

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Tenor:

I.          Die Klage wird abgewiesen.

II.         Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen hat die Klägerin zu tragen.

III.        Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweilige Vollstreckungsgläubigerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

 

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid des Eisenbahn-Bundesamts, das auf Antrag der Beigeladenen ein Teilgrundstück des Bahnhofs [...] als Teil der Bahnstrecke [...], die u.a. über, [...] und [...] verläuft, von Bahnbetriebszwecken freigestellt hat.

Mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr vom 29. März 1985 (Az.: [...]) wurde gemäß § 14 Abs. 3 lit. d BBahnG i.V.m. Art. 4 bis 6 VO (EWG) Nr. 1191/69 die dauernde Einstellung des Reisezugbetriebs der Hauptbahn [...] genehmigt.

Mit Bescheid der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 6. Juni 1993 […] wurde der [...]bahnen im [...] Betriebs GmBH, der Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Bau- und Betriebsgenehmigung nach BayEBG für den Abschnitt [...] um den Abschnitt [...] erweitert (Ziffer 1). Der Pachtvertrag zwischen der Deutschen Bundesbahn und der Rechtsvorgängerin der Klägerin zur Nutzung der Bahnanlagen ist Bestandteil dieser Genehmigung (Ziffer 2).

Das Eigentum am streitgegenständlichen Grundstück Fl.Nr. [...], Gemarkung [...], wurde mit Eintragung vom 9. Januar 1990 an private Dritte übertragen und seit Eintragung ins Grundbuch am 23. Juni 2015 ist die Beigeladene Eigentümerin dieses Grundstücks […]. Auf dem Grundstück befindet sich der ehemalige Bahnhof [...] mit Nebenanlagen und Umgriffsfläche und ist entsprechend der Verpflichtung aus dem Kaufvertrag von 1989 mit einem Zaun von den Gleisanlagen tatsächlich abgetrennt.

Mit Bescheid vom 3. Juli 2000 erteilte das damalige Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft, Verkehr und Technologie der Klägerin die Genehmigung zum Betreiben der dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahninfrastruktur [...] im Sachumfang des § 2 Abs. 3 AEG […].

Mit Schreiben vom 3. Mai 2016 beantragte die Beigeladene für das Grundstück Fl.Nr. [...], Gemarkung [...], Streckennummer [...], Streckenbezeichnung [...]-, Streckenkilometer [...] die Freistellung von Eisenbahnbetriebszwecken […]. Zur Begründung des Antrags trug sie vor, bei Erwerb des Grundstücks weder vom Verkäufer noch vom Notar darüber in Kenntnis gesetzt worden zu sein, dass das Grundstück nicht freigestellt sei.

Das Eisenbahn-Bundesamt forderte durch öffentliche Bekanntmachung vom 30. Mai 2016 im Bundesanzeiger (BAnz [...]) die dort genannten Stellen zur Stellungnahme zum Antrag der Beigeladenen auf […]. Stellungnahmen wurden nicht abgegeben.

Mit Schreiben vom 9. Juni 2016 […] teilte die Deutsche Bahn AG mit, dass für die von der Beigeladenen beantragte Freistellungsfläche die Voraussetzungen des § 23 Abs. 1 AEG vorlägen. Für das Flurstück bestehe kein Verkehrsbedürfnis und die Nutzung der Infrastruktur sei im Rahmen der Zweckbestimmung langfristig nicht vorgesehen. Aus der Begründung ergibt sich zudem, dass die Betreiberverantwortung der Bahnstrecke [...] zwischenzeitlich von der DB Netz AG an die Klägerin übergeben worden sei.

Das streitgegenständliche Grundstück wurde im Laufe des Freistellungsverfahrens geteilt, wobei ein schmaler Streifen entlang des Bahnsteiges das Grundstück Fl.Nr. [...] bildet, welches von der Freistellung nicht umfasst ist […] und auf dem alle Grunddienstbarkeiten zugunsten der DB Netz AG zukünftig allein lasten sollten. Die bisher auf dem Grundstück Fl.Nr. [...] lastenden Dienstbarkeiten sind zur Löschung vorgesehen.

Mit Bescheid vom 2. August 2016 stellte das Eisenbahn-Bundesamt das Grundstück mit der Fl.Nr. [...], Gemarkung [...], Strecke Nr. [...], Streckenbezeichnung [...]-, Fläche 5.165 m2, von Bahnbetriebszwecken frei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 5. September 2016 Widerspruch. Sie sei widerspruchsbefugt, da sie als Betreiberin des erfassten Hausbahnsteiges des Bahnhofs [...] und der Zuwegungen zu den Bahnsteigen von öffentlichem Straßengrund her durch den Freistellungsbescheid in ihren Rechten aus der Genehmigung vom 3. Juli 2000 verletzt werde. Die Genehmigung sei im Umfang des § 2 Abs. 3 AEG a.F. erteilt, wonach das Betreiben einer Eisenbahninfrastruktur den Bau und die Unterhaltung von Schienenwegen sowie die Führung von Betriebsleit- und Sicherheitssystemen umfasse. Dazu gehörten auch die in Anlage 1 Teil A der VO (EWG) Nr. 2598/70 aufgeführten Anlagen wie Personenbahnsteige und Laderampen. Daher umfasse die Genehmigung vom 3. Juli 2000 auch die beiden Bahnsteige (Hausbahnsteig und Mittelbahnsteig) des Bahnhofs [...]. Zum Betrieb von Bahnsteiganlagen oder Laderampen gehöre untrennbar auch der Betrieb der Zuwegungen oder Zufahrtstraßen. Der Widerspruch sei begründet, da der Freistellungsbescheid rechtswidrig sei und die Klägerin in ihren Rechten aus der Genehmigung vom 3. Juli 2000 verletze. Das Eisenbahn-Bundesamt sei für den Erlass des Bescheides nicht zuständig, sondern die Regierung von [...], da die ehemaligen Betriebsanlagen der Deutschen Bundesbahn bzw. der DB Netz AG durch die Genehmigung nach § 6 AEG an die nichtbundeseigene Eisenbahn der Klägerin ihren Rechtscharakter als Betriebsanlagen einer Eisenbahn des Bundes verloren hätten. Die ungeschriebene Voraussetzung des § 23 Abs. 1 AEG, dass die Eisenbahninfrastruktur nach § 11 AEG stillgelegt sei, sei nicht erfüllt, da die Klägerin eine Genehmigung nach § 6 AEG innehabe und Eisenbahninfrastruktur, für die eine solche Genehmigung vorliege, niemals stillgelegt sein könne. Auch sei langfristig ein Interesse an der weiteren bahnbetrieblichen Nutzung des Hausbahnsteigs und der Zuwegungen zu den Bahnsteigen über das freigestellte Grundstück gegeben. Es sei nicht davon auszugehen, dass die Eisenbahninfrastruktur auf dem streitgegenständlichen Grundstück vor Erteilung der Genehmigung zum Betrieb der Eisenbahninfrastruktur an die Klägerin im Jahr 2000 ihren Charakter als Betriebsanlage der Eisenbahn infolge von Funktionslosigkeit bereits verloren hätte und deswegen von der Genehmigung nach § 6 AEG vom 3. Juli 2000 nicht mehr erfasst worden wäre, da die Verwirklichung ihrer Nutzung zu Bahnbetriebszwecken nicht aufgrund rechtlicher oder tatsächlicher Hindernisse auf unabsehbare Zeit ausgeschlossen sei. Insbesondere reiche ein Rechtsträgerwechsel allein für die Annahme eines solchen Hindernisses nicht aus. Mit der Widmung zur eisenbahnrechtlichen Nutzung werde das Eigentum am Grundstück öffentlich-rechtlich modifiziert und das Grundstück unterliege dieser Widmung. Die Zweckbindung des Grundstücks gehe bei einem Übergang des Grundstückseigentümers als öffentlich-rechtliche Last mit über und schränke infolgedessen die Nutzungsmöglichkeiten des neuen Eigentümers ebenfalls ein. Einen Schutz des gutgläubigen Erwerbers gemäß § 936 BGB gebe es insofern nicht. Daher vermöchten auch besondere privatrechtliche Vereinbarungen zwischen den Parteien des Kaufvertrags und auch die Eintragung gegenläufiger dinglicher Rechte privaten Rechts nichts an einer öffentlich-rechtlichen Überformung des Eigentums an dem öffentlich-rechtlichen Nutzungsrecht der jeweils betriebsführenden Eisenbahn zu ändern.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. November 2018 wies das Eisenbahn-Bundesamt den Widerspruch zurück. Der Widerspruch sei mangels Widerspruchsbefugnis unzulässig. Die Widerspruchsführerin sei mangels geschützter Rechtsposition nicht widerspruchsbefugt. § 23 AEG habe nicht die Wahrung der Rechte der zu Beteiligenden zum Ziel, sondern diene dazu, eine möglichst umfassende Grundlage für die Beurteilung zu schaffen, ob ein Interesse an einer eisenbahnspezifischen Nutzung aktuell fehle und auch langfristig nicht zu erwarten sei. Das öffentliche Interesse an einem attraktiven Verkehrsangebot auf der Schiene sei den in § 23 Abs. 2 AEG genannten Unternehmen nicht als rechtlich durchsetzbares subjektives Recht zugewiesen. Auch aus einer Eigenschaft des verfahrensgegenständlichen Grundstücks als einer Betriebsanlage einer Eisenbahn bzw. als ein Grundstück, auf dem sich Betriebsanlagen einer Eisenbahn befänden, ergebe sich kein subjektives Recht der Klägerin, das verletzt sein könnte. Der Widerspruch sei unbegründet, da die formellen und materiellen Voraussetzungen des § 23 AEG vorlägen. Das Eisenbahn-Bundesamt sei zuständig für den Erlass des Freistellungsbescheids nach § 23 AEG. Zudem bestehe weder ein aktuelles Verkehrsbedürfnis an der freigestellten Fläche noch sei eine langfristige Nutzung absehbar. Für die von der Klägerin angesprochenen Zuwegungen auf dem klägerischen Grundstück, die als Eisenbahnverkehrswege gewidmet seien, seien keine Schriftstücke vorgelegt worden, aus denen erkennbar hervorgehe, dass ein entsprechendes Nutzungsrecht für die Bahnsteige und die Zuwegungen (z.B. Pachtverträge) bestehe. Das streitgegenständliche Grundstück sei auch deswegen nicht von der Genehmigung zum Betrieb der Infrastruktur vom 3. Juli 2000 umfasst, da sich das Grundstück seit 1989 im Eigentum Privater befinde und die DB Netz AG keine Befugnis mehr gehabt hätte, diese Flurstücke mit in einen Pachtvertrag aufzunehmen. Daher könne aus der Genehmigung zum Betrieb der Infrastruktur vom 3. Juli 2000 auch kein subjektives Abwehrrecht der Klägerin folgen, da sich das streitgegenständliche Grundstück außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs dieser Genehmigung befinde. Gegen ein Zugangsrecht spreche auch, dass beim Verkauf im Jahr 1989 grundbuchrechtlich gesichert worden sei, dass die Vertragsflächen vom Käufer zur Bahnstrecke hin mit einer stabilen Einfriedung ohne Tür und Tor zu versehen seien. Bei einem Ortstermin am 22. Juni 2016 habe die Widerspruchsbehörde die Örtlichkeit in Augenschein genommen und festgestellt, dass der Mittel- und der Hausbahnsteig wegen des bestehenden Zauns nicht öffentlich zugänglich seien. Der Aufwuchs im Bereich der Bahnsteige lasse darauf schließen, dass eine Benutzung in den vergangenen Jahren nicht stattgefunden habe. Die Klägerin habe keine Unterlagen vorgelegt, aus denen hervorgehe, dass sie sich ernsthaft um den Erwerb bzw. die Pacht der Fläche bemüht hätte. Soweit gelegentlich Sonderfahrten stattfinden würden, werde der Zu- und Ausstieg von Reisenden laut mündlicher Aussage der Beigeladenen anlässlich des Ortstermins im Bereich des Bahnübergangs [...] abgewickelt. Allein das Bestehen einer Betriebsanlageneigenschaft berechtige die Klägerin nicht zur Nutzung der Eisenbahninfrastruktur, denn Zugangsansprüche bestünden nur gegenüber dem Betreiber der Eisenbahninfrastruktur. Der Hausbahnsteig werde jedoch seit dem Verkauf durch die damalige Infrastrukturbetreiberin im Jahr 1989 nicht mehr benutzt. Da die auf dem Grundstück befindlichen Betriebsanlagen nicht mehr im Rechtssinne „betrieben“ würden, sondern stillgelegt seien und ein Betreiber für sie nicht mehr existiere, könne auch kein subjektives Recht eines Eisenbahnverkehrsunternehmens auf Zugang zu Bahnbetriebsgrundstücken und Bahnbetriebsanlagen entnommen werden.

 

Gegen diesen Bescheid, dem Klägerbevollmächtigten am 22. November 2018 zugestellt, ließ die Klägerin am 19. Dezember 2018 Klage erheben und beantragen,

 

der Freistellungsbescheid des Eisenbahn-Bundesamts vom 2. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. November 2018 wird aufgehoben.

 

Zur Begründung wurde das im Widerspruchsverfahren Vorgetragene wiederholt.

 

Die Beklagte beantragte,

 

die Klage abzuweisen.

 

Zur Begründung wurde über den Widerspruchsbescheid hinaus die Widerspruchs- bzw. Klagebefugnis der Klägerin bestritten, da aus der Genehmigung nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 AEG a.F. nicht folge, dass der Klägerin die Genehmigung zum Betrieb der gesamten Eisenbahninfrastruktur im Bereich des Bahnhofs [...] übertragen worden sei. Aus den Gründen des Bescheids ergebe sich, dass bei den einzelnen Streckenabschnitten auch die zivilrechtlichen Eigentums- bzw. Besitzverhältnisse betrachtet worden seien. § 2 Abs. 3 AEG a.F. sei nicht so zu verstehen, dass sich die Betriebsgenehmigung nach § 6 Abs. 3 Nr. 2 AEG a.F. unter Außerachtlassung der zivilrechtlichen Eigentums- und Besitzverhältnisse auf die gesamte (noch) vorhandene Infrastruktur erstrecke. Vielmehr könne dies nur für die Infrastruktureinrichtungen gelten, die sich im Eigentum bzw. Besitz des künftigen Infrastrukturbetreibers oder desjenigen befänden, der ihn mit der Betriebsführung betraue. Diese Einordnung des § 2 Abs. 3 AEG a.F. finde Bestätigung durch die europarechtlichen Vorgaben, denn der Begriff „Eisenbahninfrastruktur“ diene allein der Bestimmung des Gegenstands des in Art. 10 RL 2012/34/EU statuierten Zugangsanspruchs. So sei die Eisenbahninfrastruktur Gegenstand des Netzanschlussanspruchs nach § 13 AEG und des Zugangsanspruchs nach § 14 AEG. Die Beigeladene sei weder Betreiber der Schienenwege nach § 2 Abs. 7 AEG oder einer Serviceeinrichtung (§ 2 Abs. 11 AEG) noch eine Eisenbahn (§ 13 Abs. 1, § 2 Abs. 1 AEG), sondern private Dritte. Die Klage sei auch unbegründet. Zur Stilllegung nach § 11 AEG wurde ausgeführt, dass mit Genehmigung des Bundesministers für Verkehr vom 29. März 1985 die dauernde Einstellung des Reisezugbetriebs der Hauptbahn [...] - [...] genehmigt worden sei. Da die Genehmigung vom 3. Juli 2000 sich nicht auf das streitgegenständliche Grundstück erstreckt habe, sei von einer (fortgesetzten) Stilllegung der dort befindlichen Personenverkehrsanlagen auszugehen. Obwohl die Bayerische Eisenbahngesellschaft mbH die Wiederaufnahme des Personennahverkehrs auf der Eisenbahnstrecke [...] - [...] prüfe, habe sie sich im Rahmen des Freistellungsverfahren nicht geäußert und auch kein Interesse bekundet. Auch sei für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Freistellungsbescheids nach § 23 AEG der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung maßgeblich, weswegen eventuell noch im Raum stehende Prüfungen, deren Ausgang zu diesem Zeitpunkt völlig ungewiss gewesen sei, keine Berücksichtigung finden könnten. Im Vortrag der Klägerin fehlt es an einer Konzeption, welche zumindest in Grundzügen darstelle, in welcher Form zukünftig Personenverkehr im Bahnhof [...] stattfinden und dort abgewickelt werden solle.

 

Die mit Beschluss vom 30. Januar 2019 Beigeladene ließ beantragen,

 

die Klage abzuweisen.

 

Zur Begründung wurde ergänzend ausgeführt, dass weder § 23 AEG noch die Betriebsgenehmigung vom 3. Juli 2000 eine Klagebefugnis der Klägerin begründeten. Insbesondere sei das streitgegenständliche Grundstück nicht von dieser Betriebsgenehmigung umfasst. Auch hätten im Zeitpunkt der Beantragung und des Erlasses der Betriebsgenehmigung keinerlei Rechte der Klägerin am streitgegenständlichen Grundstück bestanden. Dies gelte erst recht vor dem Hintergrund, dass im Zusammenhang mit der Veräußerung des Grundstücks aus dem Bundeseisenbahnvermögen im Jahr 1989 zulasten des streitgegenständlichen Grundstücks verbindlich vereinbart worden sei, dass es über dieses Grundstück gerade keine Zuwegung zu der Bahnstrecke und dort befindlichen Anlagen und Einrichtungen, d.h. auch zu den Bahnsteigen, möglich sein dürfe. Insoweit sei die „Einfriedungserrichtungs- und Unterhaltsverpflichtung“ als Reallast vereinbart und im Grundbuch gesichert worden. Diese Reallast betreffe nach Teilung des vormaligen Grundstücks Fl.Nr. [...] das heutige Grundstück Fl.Nr. [...], welches nicht Gegenstand der streitgegenständlichen Freistellung ist. Die Klage sei auch unbegründet, da der Freistellungsbescheid formell und materiell rechtmäßig sei. Insbesondere bestehe am streitgegenständlichen Grundstück als Zuwegung zu den Bahnsteigen kein Interesse an einer eisenbahnspezifischen Nutzung aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen. Zum einen sei schon im Jahr 1989 der oben genannte Zaun errichtet worden, den die Beigeladene aufgrund der im Grundbuch eingetragenen Reallast zu unterhalten habe. Ausweislich des Grundbuchauszugs sei Berechtigte dieser Reallast die DB Netz AG als bundeseigenes Eisenbahninfrastrukturunternehmen. Die Klägerin könne nicht gegenüber der Beigeladenen verlangen, gegen diese vertragliche und dingliche Nutzung zu verstoßen, die sie gerade gegenüber dem damaligen Eisenbahninfrastrukturunternehmen übernommen und einzuhalten habe. Die von der Klägerin genannten Bahnsteige seien auch anders als über das freigestellte Grundstück der Beigeladenen erreichbar, zumal das Ursprungsflurstück geteilt und das neu entstandene Grundstück mit der Fl.Nr. [...] eisenbahnrechtlich nicht freigestellt worden sei.

Am 27. November 2019 wurde die Verwaltungsstreitsache mündlich verhandelt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung.

 

 

Gründe:

Die Klage erweist sich bereits als unzulässig.

 

I.

Die Klage ist unzulässig, da der Klägerin die Klagebefugnis gemäß § 42 Abs. 1 VwGO fehlt.

Nach § 42 Abs. 2 VwGO ist die Anfechtungsklage, soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, nur zulässig, wenn die Klägerin geltend macht, durch den Verwaltungsakt in ihren Rechten verletzt zu sein. Vorliegend kann sich die Klägerin weder auf eine gesetzliche Ausnahmeregelung noch darauf berufen, durch die Freistellungsentscheidung der Beklagten möglicherweise in subjektiven Rechten verletzt zu sein.

Die Klägerin ist selbst nicht Adressatin des Freistellungsbescheids vom 2. August 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. November 2018, sondern lediglich als Dritte betroffen. Für die Klagebefugnis ist daher erforderlich, dass die Verletzung einer Vorschrift behauptet wird, die dem Schutz als Dritte zu dienen bestimmt ist, und dass eine Verletzung dieser Norm zumindest möglich erscheint. Die Anfechtungsklage ist in diesem Fall unzulässig, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kläger behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können (vgl. BVerwG, U.v. 18.12.2014 - 4 C 36.13 – juris Rn. 14; VGH BW, U.v. 11.4.2014 - 5 S 534/13 – juris Rn. 33).

Gemessen an diesen Grundsätzen stehen der Klägerin drittschützende Rechte weder aus § 23 AEG (siehe 1.), aus etwaigen Nutzungsrechten, die sich aus etwaigen Verträgen zwischen ihr und der Deutschen Bundesbahn oder deren Rechtsnachfolgern ergeben (siehe 2.), aus der Infrastrukturgenehmigung vom 6. Juli 2000 (siehe 3.) noch aus einem Verstoß gegen Regelungen über die sachliche Zuständigkeit (siehe 4.) zu.

1. Aus der Rechtsgrundlage der Freistellungsentscheidung des § 23 AEG ergeben sich keine subjektiven Rechte der Klägerin auf Abwehr eines aus ihrer Sicht rechtswidrigen Freistellungsbescheids. § 23 AEG hat weder aufgrund der Tatbestandsvoraussetzungen des § 23 Abs. 1 AEG noch aufgrund der Verfahrensvorschriften des § 23 Abs. 2 und 3 AEG drittschützenden Charakter (vgl. BayVGH, U.v. 9.3.2013 - 22 B 13.475 – juris Rn. 20).

Die Freistellung nach § 23 AEG erfolgt im Allgemeininteresse, d.h. im öffentlichen Interesse an einem attraktiven Verkehrsangebot auf der Schiene i.S.d. § 1 Abs. 1 AEG (Hermes in: Beck’scher AEG Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 53), und es liegen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass über die Antragsberechtigten nach § 23 Abs. 1 AEG hinaus dieser Vorschrift drittschützender Charakter zukommt (BayVGH, U.v. 9.7.2013 - 22 B 13.475 – juris Rn. 20). Auch aus der Verfahrensvorschrift des § 23 Abs. 2 AEG folgt nichts anderes, da diese Regelung nicht die Wahrung der Rechte der zu Beteiligenden, sondern die Schaffung einer möglichst umfassenden Grundlage für die Beurteilung bezweckt, ob ein Interesse an einer eisenbahnspezifischen Nutzung aktuell fehlt und auch langfristig nicht zu erwarten ist (BayVGH, U.v. 9.7.2013 - 22 B 13.475 – juris Rn. 20; Hermes in: Beck’scher AEG Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 35; BVerwG, B.v. 21.4.2010 - 7 B 39/09 – juris Rn. 19). Auch die Vorschrift hinsichtlich der Zustellung der Freistellungsentscheidung in § 23 Abs. 3 AEG spricht gegen den drittschützenden Charakter des § 23 AEG, da eine Zustellung an in § 23 Abs. 2 AEG genannte Stellen, die eine Stellungnahme abgegeben haben, nicht vorgesehen ist.

2. Der Klägerin kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Freistellung des streitgegenständlichen Grundstücks sie in einem Nutzungsrecht, das sich aus einem etwaigen Pachtvertrag zwischen ihr bzw. ihrer Rechtsvorgängerin und der Deutschen Bundesbahn ergeben könnte, verletze, da sie nicht darlegen konnte, dass das streitgegenständliche Grundstück überhaupt Bestandteil eines Pachtvertrags gewesen ist.

Im Bescheid der Obersten Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern vom 8. Juni 1993 wird auf einen Pachtvertrag zwischen der Deutschen Bundesbahn und der Rechtsvorgängerin der Klägerin Bezug genommen, wonach dieser Vertrag Bestandteil der Bau- und Betriebsgenehmigung nach dem BayEBG ist. Da auch auf gerichtliche Nachfrage jedoch dieser angesprochene oder sonstige etwaige Pachtverträge nicht aufgefunden und vorgelegt werden konnten und auch die Klägerin und die Beklagte in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend erklärten, den Pachtvertrag, auf den sich die Genehmigung vom 3. Juli 2000 bezieht, nicht verfügbar zu haben (Protokoll vom 27. November 2019, S. 2), ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass das streitgegenständliche Grundstück Bestandteil eines Pachtvertrages gewesen ist. Auch ist völlig unklar, welchen Datums dieser erwähnte Pachtvertrag sein soll. Da das streitgegenständliche Grundstück schon im Jahr 1989 in private Hände veräußert worden ist, kann das streitgegenständliche Grundstück im Falle der Schließung des Pachtvertrags in einem danach liegenden Zeitpunkt ohnehin nicht Teil des Pachtvertrags sein, da dieser nur über Infrastruktur geschlossen werden kann, bezüglich der der Verpächter die Befugnis zum Abschluss eines solchen Vertrags hat, was vorliegend nicht ersichtlich ist.

3. Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass die angegriffene Freistellung sie in einem Recht zur Nutzung des streitgegenständlichen Grundstücks verletzt, das sich aus der Infrastrukturgenehmigung der Klägerin vom 3. Juli 2000 ableiten lässt. Zunächst ist schon zweifelhaft, ob eine solche Genehmigung überhaupt Nutzungsrechte an Grundstücken begründen kann (so BayVGH, U.v. 9.7.2013 - 22 B 13.475 – juris Rn. 23). Jedenfalls bezieht sich die Genehmigung vom 3. Juli 2000 schon gar nicht auf das streitgegenständliche Grundstück. Die sich auf dem streitgegenständlichen Grundstück befindlichen Anlagen stellen nicht Betriebsanlagen einer Eisenbahn i.S.d. § 2 Abs. 3 AEG a.F. DAR und sind nicht von der Infrastrukturgenehmigung vom 3. Juli 2000 erfasst.

Die erfassten Anlagen der Eisenbahninfrastruktur sind in einer Infrastrukturgenehmigung konkret zu bezeichnen (vgl. Wachinger in: Beck’scher AEG Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 6 Rn. 48). Zwar erstreckt sich die Genehmigung zum Betreiben der dem öffentlichen Verkehr dienenden Eisenbahninfrastruktur im maßgeblichen Abschnitt im Sachumfang des § 2 Abs. 3 AEG a.F. ausweislich ihres Tenors auf die Strecke [...] - [...] von, Streckenkm [...] (Weiche [...]) bis Anschlussstelle, Streckenkm [...] und den Gleisabschnitt von Streckenkm [...] bis Streckenkm [...] (Weiche [...]) im Bahnhof [...] (Ziffer I.), weswegen angenommen werden könnte, dass alle an dem von der Genehmigung erfassten Streckenabschnitt liegenden Betriebsanlagen, also auch die auf dem streitgegenständlichen Grundstück, erfasst sein könnten. Sämtliche sich auf dem streitgegenständlichen Grundstück befindlichen Anlagen, das Bahnhofsgebäude, der Bahnsteig oder Teile von diesem und die Zuwegungen hierzu, sind aber nicht (mehr) Betriebsanlagen einer Eisenbahn und damit nicht von der Genehmigung vom 3. Juli 2000 umfasst. Die Eisenbahninfrastruktur nach § 2 Abs. 3 AEG a.F. umfasst die Betriebsanlagen einer Eisenbahn und unter solche Betriebsanlagen fallen nur Anlagen, welche eine Eisenbahnbetriebsbezogenheit aufweisen, d.h. die eine Verkehrsfunktion haben und im räumlichen Zusammenhang mit dem Eisenbahnbetrieb stehen, was sich nach objektiven Kriterien bestimmt (vgl. Fehling in: Beck’scher AEG Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 2 Rn. 66; Kramer, AEG, 1. Aufl. 2012, § 2 Rn. 5). Es kommt hierbei nicht auf die Interessen des Anlagenbetreibers an.

Vorliegend wurde der Reisezugbetrieb der Hauptbahn [...] - [...] im Jahr 1985 eingestellt. Im Jahr 1989 wurde das streitgegenständliche Grundstück in private Hände verkauft sowie 1990 übereignet und der Eigentümer verpflichtet, einen Zaun zu den Gleisanlagen hin zu errichten und zu unterhalten. Dadurch haben sämtliche Anlagen hinter dem Zaun und damit auch die Zuwegungen zu den Bahnsteigen sämtliche Eisenbahnverkehrsfunktion verloren. Sie waren nicht mehr zur Abwicklung oder Absicherung des Eisenbahnverkehrs erforderlich. Durch den Zaun sollte sichergestellt werden, dass keine Zuwegung von der Straße her bzw. von dem hinter dem Zaun liegenden Teil des streitgegenständlichen Grundstücks zu den Gleisanlagen hin möglich ist. Dadurch hat auch der jenseits des Zaun liegende Bahnsteig seine Eisenbahnbetriebsbezogenheit verloren, da er ohne Zuwegung nicht mehr sinnvollerweise genutzt werden konnte. Spätestens ab 1989 stellen daher alle ehemaligen Eisenbahnbetriebsanlagen keine Eisenbahninfrastruktur mehr DAR. Es ist nichts vorgetragen oder ersichtlich, dass sich hierdurch bis zur Genehmigungserteilung im Jahr 2000 etwas geändert hat. Vielmehr wird dies durch die Gründe der Genehmigung vom 3. Juli 2000 bestätigt, wonach die DB Netz AG damals beabsichtigt habe, die Infrastruktur der Strecke [...] - [...] an die Rechtsvorgängerin der Klägerin abzugeben, die diese weiter als öffentliche Eisenbahninfrastruktur betreiben wird (Genehmigung vom 3. Juli 2000, S. 4). Daraus folgt nichts anderes, als dass von der Infrastrukturgenehmigung vom 3. Juli 2000 nur bestehende Infrastruktur, welche die DB Netz AG noch als Eisenbahninfrastruktur innehatte, umfasst sein soll.

4. Auch ist im Übrigen keine Verletzung drittschützender Rechte erkennbar. Ein möglicher Verstoß gegen Zuständigkeitsvorschriften – hier in Form der von der Klägerin gerügten sachlichen Unzuständigkeit des Eisenbahn-Bundesamts – kann für die Klägerin, die hier lediglich als Dritte durch einen für die Beigeladene begünstigenden Verwaltungsakt betroffen ist, keine Verletzung in eigenen Rechten darstellen. Die Ausgestaltung des Verwaltungsverfahrens hat bezüglich der sachlichen Zuständigkeit grundsätzlich objektiv-rechtlichen Charakter und berührt nicht die Rechtsstellung der Klägerin, deren materiell-rechtlichen Abwehransprüche sich nicht danach bestimmen, welche Behörde den Verwaltungsakt erlassen hat. Ein Drittbetroffener kann die Anfechtung einer dem Adressaten erteilten Genehmigung dann nicht alleine unter Berufung auf Verletzung der Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit verlangen, wenn die Behörde keine Ermessenserwägungen anzustellen hat, was vorliegend bei der Freistellungsentscheidung nach § 23 AEG als gebundener Entscheidung (Hermes in: Beck’scher AEG Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 23 Rn. 23) der Fall ist.

 

II.

Die Klage ist auch unbegründet. Angesichts dessen, dass der Klägerin vorliegend keine drittschützenden Rechte zur Verfügung stehen (siehe oben), liegt auch keine subjektive Rechtsverletzung der Klägerin vor, vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen. Da die Beigeladene einen eigenen Antrag gestellt und sich mithin auch dem Prozesskostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, dass die Klägerin als im Verfahren unterlegen die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen hat (§§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO). Der Ausspruch hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gericht VG Augsburg
Typ Urteil
Datum 27.11.2019
Normen § 1 Abs. 1 AEG, § 2 Abs. 7 AEG, § 2 Abs. 11 AEG, § 6 Abs. 3 Nr. 2 AEG, § 11 AEG, § 13 AEG, § 14 AEG, § 23 Abs. 1 AEG, § 23 Abs. 2 AEG, § 23 Abs. 3 AEG, § 2 Abs. 3 AEG a. f., BayEBG, § 14 Abs. 3 lit. d BBahnG, § 936 BGB, Art. 10 RL 2012/34/EU, Art. 4 VO (EWG) Nr. 1191/69, Art. 5 VO (EWG) Nr. 1191/69, Art. 6 VO (EWG) Nr. 1191/69, Anlage 1 Teil A VO (EWG) Nr. 2598/70, § 42 Abs. 1 VwGO, § 42 Abs. 2 VwGO, § 113 Abs. 1 S.1 VwGO, § 154 Abs. 1 VwGO, § 154 Abs. 3 VwGO, § 162 Abs. 3 VwGO, § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO, § 711 ZPO
Stichworte Allgemeines Eisenbahnrecht, Freistellung von Eisenbahnbetriebszwecken, drittschützender Charakter des § 23 AEG, Klagebefugnis des die auf dem an das freizustellende Grundstück angrenzende Nachbargrundstück liegende Eisenbahninfrastruktur betreibenden Eisenbahninfrastrukturunternehmens, Zuwegungen, Zufahrtsstraßen

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