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OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13.04.2015

Az.: OVG 12 N 48.13 (VG 13 K 187.11 Berlin)

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Beschluss

[...]

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das am 10. April 2013 zugestellte Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass in das Passivrubrum des Urteils nach der Bezeichnung „Bundesrepublik Deutschland“ die Worte „vertreten durch das Bundesministerium für Verkehr Bau und Stadtentwicklung, dieses …“ eingefügt werden.

Die Klägerin trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert wird für die zweite Rechtsstufe auf 5.000 EUR festgesetzt

 

Gründe

Die Berufung kann auf den Antrag der Klägerin nicht zugelassen werden Die Zulassungsgründe, auf die sich die Klägerin berufen hat, liegen nicht vor (§ 124a Abs. 5 Satz 2 i.V.m § 124 Abs.2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO. Von Amts wegen hat der Senat das Passivrubrum sowohl für die Verhältnisse im Zeitpunkt seiner Entscheidung als auch im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung an die in der Anordnung über die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Verkehr vom 6.Mai 1997(VkBl. S.202) geändert durch Erlasse vom 12. August 1997 (VkBl. S. 532) und vom 2.0ktober 1998 (VkBl. S. 978), getroffenen Festlegungen angepasst.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs.2 Nr. 1 VwGO) mit dem das Verwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit einer Aufsichtsmaßnahme der Außenstelle B. des Eisenbahn Bundesamtes bestätigt hat, liegen nicht vor.

a) Nicht entscheidungserheblich ist, ob das Verwaltungsgericht den Bescheid zutreffend ausgelegt hat. Das Verwaltungsgericht hat den wesentlichen Inhalt der Verfügung im Tatbestand seines Urteils wiedergegeben und darüber hinaus ausgeführt, es sei zu dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheides gekommen, nachdem dem Eisenbahn-Bundesamt anlässlich eines Gesprächs am 22. März 2011 Angaben verweigert bzw. nur geschwärzt vorgelegt worden seien (Urteilsabdruck S 2). Die Beteiligten haben diese Feststellungen nicht beanstandet. Bei diesem Hergang geht die Klägerin fehl, wenn sie meint, die Aufsichtsbehörde sei gehindert, die Vorlage von Unterlagen „schriftlich“ zu verlangen, wie dies hier unter Ziffer 1 der Verfügung vom 1. April 2011 geschehen ist. Gemäß § 5a Abs..4 Nr. 3 AEG kann verlangt werden, Bücher, Geschäftspapiere, Unterlagen, insbesondere Unterlagen, die die Verpflichtung der Eisenbahnen nach den §§ 4, 12 und 14 AEG betreffen, einzusehen. Das schließt als notwendige Voraussetzung ein, dass entsprechende Unterlagen zunächst vorgelegt werden. Deshalb darf eine auf Einsichtnahme, d.h. auf Kenntnisnahme vom Inhalt der Unterlage, zielende Verfügung wie die vorliegende formuliert werden. Dies gilt zumal, wenn zuvor schon die Vorlage der Unterlage zu diesem Zweck verweigert worden ist. Ob die Regelungswirkung der Aufsichtsmaßnahme darüber hinaus auch – wie die Beklagte meint – die Einräumung des Besitzes an der Unterlage, jedenfalls einer Kopie davon, einschließt, ist eine für die Rechtmäßigkeit des Vorlageverlangens unerhebliche Frage.

Darauf könnte es nur ankommen, wenn nicht die Rechtmäßigkeit der Verfügung als solche, sondern die Frage im Streit befindlich wäre, ob die Klägerin mit der Gewährung des Zugangs zu der Unterlage ohne körperlichen Verbleib derselben bei der Aufsichtsbehörde ihrer Pflicht zur Befolgung der Verfügung umfassend mit erledigender Wirkung nachgekommen wäre. Angesichts des weiteren Vorbringens der Klägerin sei zur Vermeidung von Unklarheiten insoweit ausgeführt, dass eine dem Zweck des Gesetzes entsprechende Vorlage von Unterlagen nur dann vorliegt, wenn die Aufsichtsbehörde deren Inhalt in zumutbarer Weise zur Kenntnis nehmen kann. Unter welchen Umständen dies angenommen werden kann, lässt sich nicht unabhängig vom Einzelfall und von Inhalt und Umfang der Unterlagen beantworten. Bei einer komplexen, nicht ohne Weiteres zu überschauenden Unterlage erfordert eine zumutbare Kenntnisnahme eine Überlassung des Originals oder einer beglaubigten Kopie für die Zeit, die die Aufsichtsbehörde benötigt, um die enthaltenen Informationen aufzunehmen und in geeigneter Weise für die Weiterverarbeitung aufzubereiten. Mit anderen Worten: Wenn die Klägerin eine Kopie zum Verbleib überlässt, bestehen keine Zweifel an der Befolgung der Vorlagepflicht. Jedenfalls muss sie ermöglichen, dass die Aufsichtsbehörde die aus ihrer Sicht erheblichen Daten auslesen und aufzeichnen kann.

b) Das Verwaltungsgericht hat zutreffend angenommen, dass eine Verfügung auf der Grundlage von § 5a Abs. 4 Nr. 3 AEG sich auch auf Unterlagen des Eisenbahnbetriebsleiters und seiner Stellvertreter beziehen darf.

Das Gesetz bietet den einschlägigen Bestimmungen der §§ 4, 5 und 5a AEG keinen Anhalt für die von der Klägerin vertretene Rechtsauffassung, die Eigenüberwachung der Klägerin sei der Aufsicht der Beklagten entzogen. Dem Eisenbahnbetriebsleiter kommt zwar in der Organisation der Klägerin eine besondere Stellung zu, weil er über eine besondere Qualifikation verfügen muss und seine Bestellung von der Aufsichtsbehörde bestätigt werden muss. Er ist jedoch Teil der Organisation des Eisenbahninfrastrukturunternehmens und unterliegt damit genauso umfassend der Aufsicht wie das Unternehmen selbst. Die Ausführungen der Klägerin, wonach sich eine Unabhängigkeit des Eisenbahnbetriebsleiters aus den Bestimmungen der Verordnung über die Bestellung und Bestätigung sowie die Aufgaben und Befugnisse von Betriebsleitern für Eisenbahnen – EBV – und deren Materialien ergeben soll, sind rechtlich nicht haltbar. Ohne entsprechende Einschränkungen der Aufsichtsbefugnisse in den §§ 4 ff. AEG besteht kein Raum dafür, die Ermächtigung für den Erlass der genannten Verordnung, die im Schwerpunkt in § 26 Abs. 1 Nr.5 Buchst. d) AEG zu finden ist und die selbst kein „Programm“ im Sinne der von der Klägerin vertretenen Ansicht erkennen lässt, entsprechend auszulegen. Folgerichtig kann der Verordnungsgeber in der Verordnung keine Einschränkungen der allgemeinen Aufsichtsbefugnisse nach dem AEG regeln. Entgegen den Ausführungen der Klägerin kann eine Absicht zu solchen Regelungen den Materialien zur EBV auch nicht entnommen werden. Danach stellt sich die Einführung des Betriebsleiters für Eisenbahnen im Bereich der bundeseigenen Eisenbahnen als Regelung der Organisation des Eisenbahnunternehmens DAR, die Regelungen entspricht, wie sie in anderen Verkehrsbereichen (§ 7 BOStrab, § 4 BOStrab, § 38LuftBO)und nach den Landeseisenbahngesetzen gelten (vgl. BR-Drs. 150/00 vom 10. März 2000, Deckblatt S. 1). Die von der Klägerin angeführte Stelle der Begründung (BR-Drs 150/00, S. 25; Antragsbegründung S. 7) rechtfertigt keine anderen Schlussfolgerungen. Beschrieben werden dort lediglich die Aufgaben der Aufsichtsbehörde nach der EBV. Diese Vorschrift kann aber aus den dargelegten Gründen die Befugnisse nach dem AEG nicht einschränken, sondern nur ausgestalten.

c) Die Klägerin vermag auch die sorgfältige Verhältnismäßigkeitsprüfung des angefochtenen Urteils nicht in Frage zu stellen. Nach den vorstehenden Ausführungen ist es unbedenklich, die Aufsicht über das Unternehmen ohne besonderen Anlass stichprobenweise auch auf die Kommunikation zwischen dem Betriebsleiter bzw. den regional zuständigen stellvertretenden Betriebsleitern der Klägerin mit anderen Unternehmensteilen zu erstrecken. Die Klägerin darf dies im Rahmen ihrer eigenen Verantwortlichkeit nach dem AEG nicht verweigern. Sie kann sich auch nicht auf interne Verwaltungsvorschriften der Beklagten berufen, die überdies im zitierten Zusammenhang die Zulässigkeit von Gefahrerforschungseingriffen betreffen, um die es hier nicht geht. Jedenfalls hat sie eine Selbstbindung der Verwaltung, deren Annahme im Bereich des aufsichtlichen Ermessens soweit sie auf einen Verzicht auf die Ausübung von Aufsichtsbefugnissen hinausliefe, ohnehin nicht in Betracht kommt, nicht schlüssig dargelegt. Die Folgerung, dass das besondere Vertrauensverhältnis zwischen Betriebsleiter und Unternehmen aufsichtlichen Maßnahmen enge Grenzen setzen soll, ist nach den vorstehenden Ausführungen verfehlt; auf grundrechtliche Positionen können sich Bedienstete der Klägerin im Rahmen des Aufsichtsverhältnisses zur Beklagten grundsätzlich nicht berufen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Februar 2010 – 3 B 60.09 ÜD3B6009 – juris Rn.6). Eine Beeinträchtigung der Schutzbereiche des Art. 12 Abs. 1 GG ist im vorliegenden Zusammenhang in der Person des – zudem am Verfahren nicht beteiligten – stellvertretenden Betriebsleiters nicht zu erkennen Dass die Klägerin sich als Aktiengesellschaft, die ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der im Eigentum des Bundes stehenden Deutschen Bahn AG ist, nicht auf Grundrechte als Abwehrrechte berufen kann, muss nicht betont werden.

2. Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr.2 VwGO, die den Ausgang des Rechtsstreits offen erscheinen lassen, weist die Rechtssache nicht auf. Die von der Klägerin aufgeworfene Frage, ob Unterlagen des Betriebsleiters dem Zugriff der Aufsichtsbehörde entzogen sein können, stellt sich nach den vorstehenden Ausführungen nicht. Die Klägerin unterliegt mit allen für den Betrieb relevanten Organisationsteilen der Aufsicht. Das schließt Ergebnisse der betrieblichen Eigenüberwachung ein. Literaturstimmen, die dies in Abredestellen, sind in der Zulassungsschrift nicht zitiert; sämtliche Nachweise beziehen sich auf andere Rechtsgebiete und dort bestellte „Beauftragte“, ohne dass die Klägerin auch nur halbwegs schlüssig die Übertragbarkeit dazu vertretener Ansichten auf den streitgegenständlichen Bereich darzulegen vermag. Die einschlägige Literatur betont, dass Einsicht nach § 5a Abs. 4 Nr. 3 AEG „in jede interne Akte, die der Sachverhaltsaufklärung dienen kann“, zu gestatten ist, von Einschränkungen bei Unterlagen, die aus der betrieblichen Eigenüberwachung herrühren, ist nicht die Rede (vgl. Schweinsberg, in: Hermes/Sellner, Beck'scher AEG Kommentar, 2. Aufl. 2014, § 5a Rn. 44).

3. Nach den vorstehenden Ausführungen hat die Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Die Zulässigkeit und Rechtmäßigkeit der vorliegenden Maßnahme folgt aus den gesetzlichen Bestimmungen eindeutig, so dass eine weitere Klärung in einem Berufungsverfahren nicht erforderlich ist und keinen zusätzlichen Erkenntniswert besitzt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gericht OVG Berlin-Brandenburg
Typ Beschluss
Datum 13.04.2015
Normen § 124 Abs.2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO; § 124a Abs. 5 S.2 VwGO; Art. 12 Abs. 1 GG; § 4 AEG; § 5 AEG; § 5a Abs..4 Nr. 3 AEG; § 26 Abs. 1 Nr.5 Buchst. d) AEG;
Stichworte Rechtmäßigkeit einer Aufsichtsmaßnahme; Vorlage und Kenntnisnahme des Inhalts von Unterlagen; Rechtmäßigkeit des Vorlageverlangens; Unterlage – Besitzeinräumung; Kopie als Befolgung der Vorlagepflicht; Daten auslesbar; zumutbare Kenntnisnahme; Eise

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