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OLG Frankfurt (aM), Urteil vom 19.02.2020

Az.: 4 U 67/18; 2/21 O 165/17

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Urteil

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 12.04.2018 (Az. 2-21 0 165/17) - Einzelrichter- teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

a) Die Beklagte wird verurteilt, es durch geeignete Maßnahmen - vorbehaltlich der Erteilung einer entsprechenden Genehmigung durch das Eisenbahn-Bundesamt - zu unterlassen, dass an dem unbeschrankten Bahnübergang „W" in O durch die Regionalbahnlinie R Pfeifsignale getätigt werden, die vor den Fenstern des Klägers, die der Bahnlinie am nächsten gelegen sind, Beurteilungspegel von 49 dB(A) nachts sowie 59 dB(A) tags überschreiten.

b) Der Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1.a) enthaltene Unterlassungsverfügung die Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro,· ersatzweise einer an ihrem Vorstandsvorsitzenden zu vollziehenden Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, oder von Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen am Vorstandsvorsitzenden der Beklagten, angedroht.

c) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung aus Ziffer 1.a) durch Sicherheitsleistung in Höhe von 20.000, - € abzuwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung hinsichtlich der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert für die Berufungsinstanz wird auf bis zu 30.000 Euro festgesetzt

 

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt als Grundstückseigentümer von der Beklagten Unterlassung von Geräuschimmissionen. die durch Pfeifsignale beim Eisenbahnbetrieb an einem Bahnübergang entstehen.

Die Immobilie wurde vom Kläger unbebaut erworben. In der Folgezeit errichtete der Kläger ein Haus, welches derzeit vermietet ist. Eine Verwendung spezieller Dämmstoffe oder Schallschutzfenster erfolgte bei der Errichtung und auch in der Folgezeit nicht.

Der rechtskräftige Bebauungsplan Nr. 69 der Gemeinde O bestimmt das Gebiet als allgemeines Wohngebiet. Die Beklagte ist Eigentümerin der einspurigen, nicht elektrifizierten Bahnstrecke Nr. X von K-K nach O, welche im Jahr 1910 errichtet wurde und seitdem durch den Schienenverkehr genutzt wird. Die auf den Gleisen verkehrenden Züge werden nicht von der Beklagten, sondern von Eisenbahnverkehrsunternehmen betrieben.

In einer Entfernung von ca. 110m von der Liegenschaft des Klägers befindet sich bei km X der Bahnübergang „W" (nachfolgend „Bahnübergang"). Dieser dient als Kreuzung der eingleisigen Bahnstrecke mit einer Straße bzw. einem Weg, der ausschließlich dem Fußgängerverkehr gewidmet ist. Er verfügt über eine Umlaufsperre. Eigentümerin und Trägerin der Straßenbaulast ist die Stadt O. Ein Planfeststellungsbeschluss bzw. eine Plangenehmigung für diesen Bahnübergang liegen nicht vor.

Der Bahnübergang wird tagsüber (06:00 Uhr bis 22:00 Uhr) von 31 Personenzügen und nachts (22:00 Uhr bis 06:00 Uhr) von 4 Personenzügen frequentiert Seit Dezember 2014 ist die Zugfrequenz um 50% erhöht worden. Vom Bahnhof O kommend fahren die Bahnen im Bereich des Bahnübergangs ca. 30 km/h. Aus K kommend fahren die Bahnen im Bereich des Bahnübergangs im Hinblick auf den nahenden Bahnhof „ebenso relativ langsam". Die freien Sichtachsen für die Zuge aus K betragen ca. 350m und in Gegenrichtung ca. 150m. Zur Besicherung des Bahnübergangs sind sogenannte Pfeiftafeln aufgestellt, die zur Folge haben, dass die Züge Warnsignale von im Mittel ca. 3 Sekunden Dauer abgeben, bevor sie den Bahnübergang passieren.

In einer Entfernung von ca. 300m in östlicher Richtung befindet sich der Bahnhof O, welcher vollumfänglich renoviert wurde und sowohl eine Gleisüber- als auch Gleisunterführung besitzt. Seitens der Stadt O war im Jahr 2013 angedacht, den Bahnübergang zu schließen, was im Interesse der Beklagten stände. Bei einer Anwohnerbefragung stimmten 581 Bürger gegen und lediglich 163 Bürger für die Schließung des Bahnübergangs. Die Stadt O verfolgte das Vorhaben hiernach zunächst nicht weiter.

Eine Ertüchtigung des Bahnübergangs durch Lichtzeichen und ein Vollschrankenabschluss würde Kosten von gerundet EUR 608.000,00 (netto) verursachen (vgl. hierzu die Berechnung der Bekl. BI. 142ft d.A.). Die jährlichen Unterhaltungs- und Überwachungskosten für derartige technische Sicherungseinrichtungen liegen bei ca. 25% der Baukosten.

Gemäß dem ab dem 13.12.2015 gültigen Fahrplan der auf der gegenständlichen Strecke verkehrenden Regionalbahn RB25 (vgl. BI. 35 d.A.) erfolgen montags-freitags planmäßig nachts 7 Pfeifsignale im Hinblick auf Ankünfte am Bahnhof O von K kommend um 22:58 Uhr, 23:58 Uhr, 0:58 Uhr und 05:58 Uhr und Abfahrten in der Gegenrichtung um 05:01 Uhr, 22:01 Uhr und 23:01 Uhr. Tagsüber erfolgen werktags 31 Pfeifvorgänge. Die Bahn mit planmäßiger Ankunft um 21:58 Uhr ist oft verspätet, so dass eine Ankunft nach 22:00 Uhr erfolgt und das diesbezügliche Pfeifen somit des Öfteren auch in die Nachtzeit fällt.

Der Kläger hat vor dem Landgericht Frankfurt am Main unter dem Az. 4-14 OH 12/15 ein selbständiges Beweisverfahren gegen die Beklagte geführt. In diesem Verfahren ist ein Gutachten zur Frage der Immissionen durch den Sachverständigen Dipl-Ing. W. eingeholt worden. Das Gutachten lag zum Zeitpunkt der erstinstanzlichen Entscheidung nicht vor.

Seitens der Eigentümer der Immobilie W 34 (G. und K. S.), welche sich hinter der Liegenschaft des Klägers und damit in größerer Entfernung zur Bahnstrecke befindet, wurde ebenfalls ein selbständiges Beweisverfahren durchgeführt, dessen Antragsgegnerin die Beklagte war(Landgericht Frankfurt am Main, Az.: 2-14 OH 9/15).

Der Kläger hat behauptet, dass seine Liegenschaft mindestens Geräuschimmissionen durch Pfeifsignale ausgesetzt sei, wie diese im Verfahren 2-14 OH 9/15 durch den Sachverständigen ermittelt worden sind. Der Kläger war der Ansicht, dass hinsichtlich der Zumutbarkeit von Geräuschimmissionen auf die TA Lärmäbzw. die 16. BImSchV zurückzugreifen sei und er deren Grenzwerte übersteigende Werte nicht dulden müsse. Aufgrund des Bebauungsplanes der Stadt O sei insoweit auf die für ein allgemeines Wohngebiet zulässigen (Grenz-) Werte abzustellen sei. Der Kläger war der Ansicht, dass aufgrund einer hinreichenden Einsehbarkeit der Bahnstrecke und der bereits aktuell gefahrenen Geschwindigkeiten nach§ 11 EBO eine Sicherung durch ein immer zu erfolgendes Pfeifsignal nicht notwendig sei, wobei er insoweit auf einen Bahnübergang in R verweist, welcher weder durch eine Pfeiftafel noch durch ein Umlaufgitter gesichert sei und hinsichtlich dessen er behauptet, dass dieser vergleichbar sei. Der Kläger war der Ansicht, dass die Beklagte neben dem Einsatz der Pfeiftafel andere Maßnahmen zur Vermeidung der von den Geräuschimmissionen ausgehenden Beeinträchtigungen hätte ergreifen können und müssen (Schrankenanlagen: Blinksignale; Versetzen der Pfeiftafeln; Beschränkung der Einfahrtgeschwindigkeit und damit der Möglichkeit des Fahrens auf Sicht, Sperrung des Bahnübergangs).

Die Beklagte hat die Meinung vertreten, dass der Bahnübergang eine fehlende Übersicht aufweise. Sie ist weiter der Ansicht gewesen, dass die tatsächliche Betriebszeit dafür spreche, dass die Beklagte die Einrichtungen berechtigterweise betreibe und dieses einer Planfeststellung gleichstehe. Die Beklagte hat behauptet, die Reduzierung der Geschwindigkeit der Bahnen sei nicht zumutbar, da hierdurch der Takt nicht eingehalten werden könnte.

Im Übrigen wird hinsichtlich des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Vornahme eines Ortstermins, in welchem die Liegenschaft und die in der näheren Umgebung befindliche Bebauung in Augenschein genommen wurde. Weiterhin hat sich das Gericht einen eigenen Eindruck von der Lautstärke der Pfeifgeräusche sowohl außerhalb als auch innerhalb der Liegenschaft verschafft. Hinsichtlich des Ergebnisses des Ortstermins wird auf die Niederschrift (BI. 147 ff.d.A.) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 12.4.2018 abgewiesen.

Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nur Ansprüche aus Verletzung des Eigentums in Betracht kämen, da der Kläger in der Liegenschaft nicht selbst wohne und damit eine Verletzung bzw. Gefährdung der Gesundheit ausscheide. Selbst wenn man die Duldungsgrenze des § 906 BGB als überschritten ansähe, wäre ein Abwehranspruch gerichtet auf Unterlassung des gesamten Betriebs deshalb zu versagen, da eine Stilllegung der Bahnlinie zu einer erheblichen Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen führen würde. Auch weniger einschneidende (Unterlassungs-)Ansprüche würden nicht bestehen. Ein schlichtes Unterlassen der Pfeifsignale sei nicht möglich. Gemäß §§ 11 Abs. 7. 13 EBO sei eine entsprechende Sicherung geboten, da gemäß den Feststellungen der Kammer die Bahnlinie nicht „schnurgerade", sondern vielmehr leicht gekrümmt und bogenförmig verlaufe, so dass eine uneingeschränkte Sicht beim Überqueren nicht gegeben sei. Der Kläger müsse die Einwirkungen durch den Betrieb dulden. Bei der Bemessung der Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung sei auch auf die Vorbelastung und damit auf den Umstand abzustellen, dass das Grundstück bereits zum Zeitpunkt des Erwerbs derartigen situationsbedingten Lärmeinwirkungen ausgesetzt gewesen sei. Die Kammer folgerte aus der 30jährigen Hinnahme, dass der Kläger die Beeinträchtigungen nicht als wesentlich angesehen habe. Es sei ihm weiterhin zumutbar gewesen, bei der Errichtung des Hauses schallschützende Maßnahmen wie die Nutzung von Dämmstoffen und die Verwendung besonderer Schallschutzfenster zu ergreifen.

Die TA-Lärm und die Verkehrslärmschutzverordnung seien zwar grundsätzlich zu berücksichtigen, eine Überschreitung der dort festgelegten Werte führe jedoch nicht automatisch zur Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung im Sinne von § 906 Abs. 1 BGB.

Die Beeinträchtigungen seien nur unwesentlich. Abzustellen sei nicht auf das rein subjektive Empfinden, sondern auf einen „verständigen Durchschnittsmenschen" (objektiver Maßstab). Im Innern habe sich das Geräusch eher als mittelfrequentes kräftiges Hupen dargestellt, welches in der Lautstärke einem Gespräch bei normaler Lautstärke entsprochen habe. Aufgrund der vorher wahrzunehmenden Motor- und Gleisgeräusche sei dieses nicht plötzlich, überraschend und „in die Stille platzend", sondern erwartbar, nahezu typisch gewesen. Außerhalb des Hauses sei das Geräusch nach Einschätzung der Kammer von einem Benzinrasenmäher übertönt worden. Auch im Hinblick auf die Häufigkeit und die Länge sei dieses nicht besonders störend, insbesondere nicht schrill. Soweit die Geräusche im Bereich der zu den Gleisen ausgerichteten Grundstücksfront mit der Eingangstüre am lautesten seien, handele es sich um einen reinen Durchgangsbereich, welcher für einen längeren Aufenthalt weder geeignet oder gedacht sei.

Angesichts des übrigen Gepräges der Umgebung würden die Geräusche keine spürbare Beeinträchtigung darstellen. Der Kläger habe trotz Kenntnis der Bahnlinie keine Lärmschutzfenster eingebaut, was diesem möglich und zumutbar gewesen sei. Das Grundstück liege in einem gewerblich geprägten Gebiet. Es sei von Gewerbebetrieben nahezu „umzingelt" und daher sei ungeachtet der Reduktion des An- und Belieferverkehrs zur Nachtzeit aufgrund der situativen Gegebenheit des Grundstücks auch nachts eine höhere Duldungsschwelle anzulegen, welche nicht überschritten sei. Die von der Kammer gewonnenen Eindrücke seien als repräsentativ anzusehen.

Selbst wenn man von einer wesentlichen Beeinträchtigung ausgehen wolle, so bestehe eine Duldungspflicht nach§ 906 Abs. 2 BGB. Dem Kläger sei es zumutbar gewesen, bauliche Maßnahmen zur Lärmminderung durchzuführen, während für eine Ertüchtigung des Bahnübergangs auf Seiten der Beklagten Kosten von mehr als EUR 608.000,00 netto anfallen würden. Dieses sei der Beklagten wirtschaftlich nicht zumutbar. Ein Rückbau sei mit verbundenen Kosten von rund EUR 150.000,00 ebenfalls nicht zumutbar und zudem sei das erforderliche Einverständnis der Gemeinde nicht gegeben.

Der Feststellungsantrag des Klägers sei bereits unzulässig, aber auch unbegründet, da mangels rechtswidriger Beeinträchtigung des Eigentums des Klägers kein Schadensersatzanspruch bestehe.

Der Kläger hat gegen das Urteil des Landgerichts, welches ihm am 17.04.2018 zugestellt wurde, mit Schriftsatz vom 17.05.2018, bei Gericht eingehend am selben Tage, Berufung eingelegt und diese mit Berufungsbegründungsschrift vom 16.06.2018, eingehend bei Gericht am 18.06.2018 (Montag), begründet.

Der Kläger verfolgt mit Ausnahme seines Feststellungsantrags sein erstinstanzliches Klagebegehren weiter und ist der Ansicht, das Landgericht sei rechtsirrig trotz Vorliegens eines Bebauungsplans, der das streitgegenständliche Gebiet als allgemeines Wohngebiet ausweise, von einem faktischen Gewerbegebiet ausgegangen. Nach der 16. BImSchV § 2 Abs. 2 S. 1 seien jedoch die Bebauungspläne maßgeblich.

Weiterhin führt er an, dass auch ein Eigentümer eines vermieteten Hauses ein Unterlassen von Immissionen verlangen könne, welche eine Gesundheitsgefährdung für seine Mieter darstellen. Das Landgericht habe nicht geprüft, welche Immissionsrichtwerte im vorliegenden Sachverhalt zugrunde zu legen sind, sondern sich auf die Inaugenscheinnahme konzentriert. Die Ermittlung der relevanten Immissionsrichtwerte sei zwingende Voraussetzung der Beurteilung, ob eine wesentliche oder unwesentliche Beeinträchtigung vorliege. Aus dem angeführten Urteil des BGH (V ZR 72/04) folge nichts Abweichendes. Die Umstände des Einzelfalles seien lediglich begleitend heranzuziehen. Vorliegend sei bei einem Beurteilungspegel nachts von mindestens 67 dB(A) die enteignungsrechtliche Zumutbarkeit überschritten. Die Grenze der Zumutbarkeit sei zumindest erreicht, wenn· das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzt sei (verwiesen wird auf OVG Münster, Urteil vom 04.03.2002, Az. 7a D 41/01).

Die Tatsachenfeststellung des Landgerichts sei nicht tragfähig. Bei der Einschätzung des erkennenden Richters, welche konträr zu den Ergebnissen des vorgelegten Sachverständigengutachtens seien, handele es sich um eine nicht „objektivierbare, subjektive Einschätzung eines nicht besonders lärmempfindlichen Menschen". Das Landgericht nehme trotz der vorgetragenen freien Sicht über ca. 350m eine nicht ausreichende Haltesichtweite an, ohne über entsprechende Sachkenntnis für eine entsprechende Berechnung zu verfügen.

Eine Überprüfung, ob die Aufstellung eines Andreaskreuzes mit Lichtsignalanlage möglich sei, habe das Gericht trotz klägerischem Beweisangebots nicht vorgenommen.

Im Übrigen stützt sich der Kläger nunmehr auf das Gutachten des Sachverständigen W. vom 31.01.2019, welches im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Frankfurt am Main, Az. 2-14 OH 12/15, eingeholt wurde. Danach stehe fest, dass die Immissionswerte der 16. BImSchV und der TA-Lärm überschritten werden, so dass die Pfeifsignale eine wesentliche Beeinträchtigung darstellen würden.

Der Kläger beantragt wie folgt:

Unter Abänderung des am 12.04.18 verkündeten und am 17.04.18 zugestellten Urteils des Landgericht Frankfurt am Main -Az: 2-21 0 165/17

- die Beklagte zu verurteilen,

1. es durch geeignete Maßnahmen zu unterlassen, dass an dem unbeschrankten Bahnübergang „W" in O durch die Regionalbahnlinie RB K-M Pfeifsignale getätigt werden, die vor den Fenstern des Klägers, die der Bahnlinie am nächsten gelegen sind, Beurteilungspegel von 49 dB(A) nachts sowie 59 dB(A) tags überschreiten.

2. hilfsweise, es durch geeignete Maßnahmen zu unterlassen, dass an dem

unbeschrankten Bahnübergang „W" in O durch die Regionalbahnlinie RB K-M Pfeifsignale getätigt werden, die vor den Fenstern des Klägers, die der Bahnlinie am nächsten gelegen sind, die zulässigen Spitzenpegel nach TA-Lärm in Höhe von 85 dB(A) tags und 60 dB(A) nachts überschreiten.

3. äußerst hilfsweise, es durch geeignete Maßnahmen zu unterlassen, dass an dem unbeschrankten Bahnübergang „W" in O durch die Regionalbahnlinie RB K-M Pfeifsignale getätigt werden, die vor den Fenstern des Klägers, die der Bahnlinie am nächsten gelegen sind, die Immissionsrichtwerte nach TA-Lärm in Höhe von 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts überschreiten.

4. ferner äußerst hilfsweise, es durch geeignete Maßnahmen zu unterlassen, dass an dem unbeschrankten Bahnübergang „W" in O durch die Regionalbahnlinie RB K-M Pfeifsignale getätigt werden, die im Innenraum am Ohr des Schläfers (am Ohr des Klägers im Schlafzimmer) bei geschlossenen Fenstern Innenraummaximalpegel von 40 dB(A) nachts überschreiten;

5. der Beklagten anzudrohen, für den Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld oder eine Ordnungshaft nach dem Ermessen des Gerichts festzusetzen,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags. Zutreffend gehe das Landgericht davon aus, dass das streitgegenständliche Gebiet als „faktisches Gewerbegebiet" zu qualifizieren sei. Im Rahmen der Prüfung, ob eine wesentliche Beeinträchtigung des Grundstücks anzunehmen ist, sei auf die (faktische) situative Lage und die Vorbelastung abzustellen, die Bezeichnung/Qualifizierung im Bebauungsplan sei unerheblich.

Ein Anspruch aus §§ 41 bis 43 BImSchG i.V.m. § 2 der 16. BImSchV scheitere bereits daran, dass keine „wesentliche Änderung" erfolgt sei. Die TA Lärmäsei nicht einschlägig. Aufgrund des jeweils eindeutig formulierten Anwendungsbereichs sei auch eine analoge Heranziehung nicht möglich. Nach der Rechtsprechung des BGH sei deshalb eine eigene wertende Beurteilung des Gerichts erforderlich (verwiesen wird auf BGH, V ZR 2/06). Hierbei sei zu beachten, dass Verkehrsanlagen besonders schützenswert sind (verwiesen wird auf OLG Düsseldorf, Az. 1-9 U 169/03). Die Vorbelastung schließe einen Anspruch aus. Der Kläger habe bei der Errichtung seines Hauses Lärmschutzmaßnahmen ergreifen können (verwiesen wird auf OLG Frankfurt, Az. 16 U 261/15). Die Einholung eines Lärmgutachtens sei nicht erforderlich gewesen. Es sei eine wertende Betrachtung aller Umstände vorzunehmen. Ein Pfeifgeräusch müsse sich aufgrund der Warnfunktion gerade von anderen Geräuschen abheben. Hinsichtlich des Außenbereichs liege bereits eine Einschränkung durch die Gewerbebetriebe und die Bundesstraße vor. welche nicht wesentlich erhöht werde. Innerhalb des Gebäudes sei eine wesentliche Beeinträchtigung ebenfalls nicht gegeben, da die Lautstärke einem normal geführten Gespräch entspreche. Auch zur Nachtzeit liege keine wesentliche Beeinträchtigung in Anbetracht der Vorbelastung und situativen Lage vor. Die für das Nachbargrundstück eingeholten Werte hätten zudem keine Aussagekraft für das hiesige Verfahren.

Das Landgericht habe zutreffend eine ausreichende Haltesichtweite verneint, da die Bahnlinie gemäß Feststellung der Kammer nicht „schnurgerade", sondern leicht gekrümmt und bogenförmig verlaufe. Der normale Zugverkehr basiere nicht auf einem Fahren auf Sicht. Die Versetzung der Pfeiftafel sei nicht möglich, da aufgrund der Warnfunktion diese unmittelbar vor dem Bahnübergang stehen müsse.

Inzwischen hat die Stadt O unstreitig zugesagt, den Übergang auf ihre Kosten zu verlegen. Der Stand dieses Verfahrens ist jedoch nicht näher bekannt. Nach Angaben der Beklagten ist man noch in der Planungsphase.

Der Senat hat die Verwertung des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-lng.(FH) I. vom 29.08.2018 aus dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Frankfurt am Main, Az. 2- 08 0 316/16, sowie das Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. W. vom 31.01.2019 aus dem selbständigen Beweisverfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main, Az. 2- 14 OH 12/15, gemäß § 411a ZPO angeordnet. Hinsichtlich des Inhalts der Gutachten wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen W. vom 31.01.2019 (im Anlagenband) und das schriftliche Gutachten des Sachverständigen I. vom 28.08.2018 (Anlage K 12, tR 269ff. d.A.) Bezug genommen.

 

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung hat auch in der Sache im Wesentlichen Erfolg. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Pfeifgeräusche der die Bahnstrecke K-O passierenden Regionalbahnen gemäß §§ 1004 Abs. 1 S. 2, 906 Abs. 1 BGB zu, soweit diese 49 DB (AJ nachts sowie 59 DB (A) tags überschreiten

1. Der Kläger ist als Eigentümer des X. in O aktivlegitimiert.

2. Die Beeinträchtigungen, die durch das Signalpfeifen entstehen, welche von den vorbeifahrenden Regionalbahnen aufgrund der aufgestellten Pfeiftafeln abgegeben werden, stellen auch eine wesentliche Beeinträchtigung des Klägers im Sinne des § 906 Abs. 2 Nr. 1 BGB in seinem Eigentum DAR. Die Lästigkeit eines Geräuschs, die rechtlich für das Immissionsrecht entscheidend ist, hängt zwar nicht allein von Messwerten (zumal von Mittelungspegeln), sondern von einer Reihe anderer Umstände ab (Senatsurt. v. 8. Mai 1992, V ZR 89/91, NJW 1992, 2019). Bei einer objektiv vorhandenen erheblichen Überschreitung von Grenzwerten bedarf es jedoch einer besonders, tragfähigen Begründung, warum das Gericht ungeachtet dessen zu der Beurteilung kommt, dass eine Geräuscheinwirkung nicht wesentlich im Sinne von § 906 Abs. 1 S. 1 BGB ist. Insbesondere sind im vorliegenden Fall aufgrund der Besonderheit, dass die Pfeifgeräusche mit einem kurzzeitigen, hohen Schalldruck einhergehen, in die vorzunehmende Gesamtbetrachtung auch die Spitzenpegel angemessen einzubeziehen (vgl. BGH, Urteil vom 26.11.1980, Az.: V ZR 126/78).

Es ist zwar der Ansicht der Beklagten zuzustimmen, dass die TA Lärmäund die 16. BImSchV keine direkte Anwendung finden. Eine direkte Anwendung der TA Lärmäkommt schon deshalb nicht in Betracht, weil sich diese Anwendung nur für Anlagen im Sinne des zweiten Teils des Bundesimmissionsschutzgesetzes bemisst, öffentliche Verkehrswege jedoch nach der Regelung des § 3 Abs. 5 Nr. 3 BImSchG keine Anlagen darstellen.

Der direkte Anwendungsbereich der 16. BImSchV ist mangels einer wesentlichen Änderung des Schienenweges der streitgegenständlichen Strecke, die Anwendungsvoraussetzung wäre, nicht eröffnet. Diese prinzipielle Entscheidung des Normgebers ist im Grundsatz so hinzunehmen. Die Bestimmungen der 16. BImSchV regeln den Lärmschutz gegenüber Eisenbahnen abschließend. Lärmsanierungsansprüche hat der Gesetzgeber damit, und zwar bewusst, von der Regelung ausgeschlossen (siehe hierzu die Gesetzesmaterialien zu 16. BImSchV, BR-Drs. 661/89, Seite 1 und BayVGH vom 5.3.1996, Az.: 20 B 92.1055, Rdnr. 34).

Zur Beurteilung der Frage der wesentlichen Beeinträchtigung sind aber die Grenzwerte der 16. BImSchV zumindest richtungsweisend hinsichtlich der Beurteilung der Frage der Wesentlichkeit einer Beeinträchtigung durch Schienenverkehr.

Sie können als maßgebliches Kriterium herangezogen werden, weil diese Verordnung sich ganz besonders mit Schienenlärm beschäftigt und deren Anlage 2 genau bestimmt, wie der Beurteilungspegel für Schienenlärm zu errechnen ist. Mit der 16. BImSchV wollte der Gesetzgeber ersichtlich eine umfassende Regelung der üblicherweise von dem Verkehrsweg Schiene ausgehenden Emissionen treffen. Das (Warn-)pfeifen eines Zuges gehört bei lebensnaher Betrachtungsweise zu den üblichen Begleiterscheinungen (etwa wie Abrollgeräusche oder Bremsenquietschen) des Betriebs eines Schienenweges. Es ist der hier maßgeblichen Anlage 2 zu § 3 des 16. BImSchV auch nichts zu entnehmen, was auf die Notwendigkeit einer isolierten Betrachtung derartiger Pfeifgeräusche hinweisen könnte. Auch die Tatsache, dass es sich bei den Pfeifgeräuschen um Spitzenpegel handelt, steht einer Zuordnung unter die Regelungen der 16. BImSchV nicht entgegen, da der Normgeber nicht gehalten war, Spitzenpegel als gesonderte Größe in Rechnung zu stellen, sondern vorsehen konnte, dass diese nur im Rahmen der Berechnung des Dauerschallpegels berücksichtigt werden (vgl. hierzu BayVGH vom 23.2.2007, Az.: 22 A 01.40089 u.a., Urteilsabdruck Seite 22).

Die Geeignetheit der konkreten Werte der Verordnung ergibt sich ferner daraus, dass sie keine Idealwerte aufstellt, sondern gerade darauf abhebt, dass die Nachbarschaft vor schädlichen Umwelteinwirkungen durch Verkehrslärm geschützt werden soll. Daraus kann nur der Schluss gezogen werden, dass die dort für die vier Gebiete genannten Schwellenwerte nicht vorbeugend oder bei einer gewissen Lästigkeit des Schienenlärms eingreifen, sondern auf der Annahme basieren, dass Lärm schädigende Auswirkungen auf die Gesundheit hat (vgl. dazu auch LG Bochum, Entscheidung vom 30.07.2014 - 6 0 443/09). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass es durch die Berücksichtigung der Werte der 16. BImSchV zu einer faktischen Anwendung der selbigen kommt. Der Begriff der Wesentlichkeit ist unbestimmt und muss unter Anwendung von konkreten Grenzen ausgelegt werden. Dabei ist auf Gesetze und Verordnungen zurückzugreifen, die geeignet sind, um zu einer Konkretisierung beizutragen.

Die Überschreitung der Immissionsbelastung ist vorliegend so erheblich, dass die Wesentlichkeitsgrenze überschritten ist. Der Sachverständige W hat bei dem Kläger im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens für den Tag einen Beurteilungspegel von 68 dB(A) und für die Nacht einen Beurteilungspegel von 63dB(A) ermittelt. Dem stehen die für Wohngebiete nach der 16. BImSchV zulässigen Werte von 59 dB(A) (tags) und 49 dB(A) (nachts) gegenüber. Damit werden sowohl tagsüber als auch nachts gravierende Überschreitungen der Durchschnittswerte der Verordnung belegt. Den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen schließt sich der Senat vollumfänglich an. Der Sachverständige hat die dem Rechtsstreit zugrundeliegenden Tatsachen sämtlich einbezogen und auf dieser Grundlage sein Gutachten erstellt. Er hat deutlich gemacht, aufgrund welcher Messungen in welchem Umfang er zu den vorliegenden dB(A) Messwerten gelangt ist und hat diesen Messungen die zutreffenden Werte der 16. BImSchV gegenübergestellt. Auch beschreibt er das Pfeifgeräusch überzeugend als einzeltonhaltige Geräuschspitze, was zum Ausdruck bringt, dass das Pfeifgeräusch mit Lkw- und Flugverkehr nicht vergleichbar ist. Er kommt dementsprechend auch zu dem überzeugenden Ergebnis, dass die Pfeifgeräusche aufgrund der Tonhaltigkeit des Pfeifens auch bei gleichbewertetem Schalldruckpegel subjektiv als lästiger zu bezeichnen sind als beispielsweise Überflugverkehrsgeräusche. Dafür spricht im Übrigen auch der Umstand, dass die Pfeifgeräusche nur vereinzelt und dann mit Spitzenpegel ertönen, was verhindert, dass sie in andere Neben- oder Hintergrundgeräusche eingebettet werden und damit eine Gewöhnung eintritt. Besonders in den Nachtstunden sind diese einzeltonhaltigen Spitzengeräusche deutlich wahrnehmbar und ruhestörend.

Die Argumentation der Beklagten, wonach sich die Immobilien des Klägers nicht in einem allgemeinen bzw. reinen Wohngebiet befinden, weil dort auch Gewerbebetriebe angesiedelt seien und mithin die Richtwerte eines Gewerbegebietes anzusetzen seien, überzeugt nicht. Dazu hätte sie im Einzelnen vortragen müssen, inwieweit die Kriterien für allgemeine und reine Wohngebiete nicht erfüllt sind. Unstreitig liegt gemäß dem Bebauungsplan Nr. 69 der Gemeinde O das Haus des Klägers in einem allgemeinen Wohngebiet. Darüber hinaus entspricht dies aber auch den örtlichen Gegebenheiten. Neben dem Haus des Klägers befinden sich in östlicher Richtung 3 Reihen Wohnbebauung und erst daran anschließend Handels- und Gewerbeflächen. In westlicher Richtung grenzt ein weiteres Wohnhaus an, daneben ein gewerblich genutztes Gebäude.

3. Die Wesentlichkeit ist auch nicht aufgrund der Vorbelastung ausgeschlossen. Allein der Umstand, dass sich jemand in Kenntnis einer vorhandenen Immissionsquelle in deren Nähe ansiedelt, führt nicht dazu, dass er uneingeschränkt zur Duldung verpflichtet ist (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.2001, Az.: V ZR 246/00). Dem Gedanken der zeitlichen Priorität kommt - anders als im Rahmen des sekundären Rechtsschutzes nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB – beim primären Rechtsschutz nach §§ 906 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, 1004 Abs. 1 BGB grundsätzlich keine Bedeutung zu (vgl. BGH a.a.O.). Dem Kläger kann auch nicht wie durch das Landgericht erfolgt - im Rahmen der Beurteilung der Einwirkung als „wesentlich" angelastet werden, dass dieser selbst keine besonderen Schallschutzmaßnahmen ergriffen hat. Nach der Rechtsprechung darf ein Grundstückseigentümer sein Eigentum im Prinzip so nutzen, wies es ihm richtig erscheint, ohne dass sein Abwehranspruch durch das Unterlassen von Schutzmaßnahmen eingeschränkt wird (vgl. MüKo BGB, 7. Auflage, § 906, Rn. 85). Er ist nicht gehalten, erzeugten unzulässigen Lärm durch den Einbau von Doppelfenstern (oder Schallschutzfenstern) abzuhalten (vgl. Staudinger/Roth (2016), § 906, Rn. 181).

4. Den Kläger trifft vorliegend im Hinblick auf die Pfeifsignale der vorbeifahrenden Züge auch keine Duldungspflicht gemäß § 1004 Abs. 2 BGB.

Die vorhandenen Immissionen können durch die Beklagte durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindert werden.

Zunächst bestehen keine Bedenken gegen die Würdigung des Landgerichts, wonach der Beklagten eine Ertüchtigung des Bahnüberganges durch Installation eines Vollschrankenabschlusses wirtschaftlich nicht zumutbar ist. Dieses wird von dem Kläger mit der Berufung auch nicht angegriffen. Der Kläger stützt seine Berufung darauf, dass sich das Landgericht mit den weiteren von ihm dargelegten Möglichkeiten einer Lärmreduzierung nicht hinreichend auseinandergesetzt habe bzw. den Beweisangeboten nicht nachgegangen sei.

Eine zumutbare Maßnahme der Beklagten wäre die Reduzierung der Geschwindigkeit der Regionalzüge im maßgeblichen Bereich, so dass zumindest aufgrund der verringerten Geschwindigkeit keine Pfeiftafeln mehr gemäß §§ 11 Nr. 7 EBO notwendig sind.

Zwar wird eine Reduzierung von Fahrtgeschwindigkeiten regelmäßig dann unzumutbar sein, wenn sich diese auf die allgemeinen Fahrpläne auswirkt und insoweit das durchaus erhebliche öffentliche Interesse an einem funktionierenden Personenverkehr negativ berührt ist. Der Schienenverkehr soll auf schadstoffarme und für die Allgemeinheit verfügbare Art und Weise eine umfassende Mobilität schaffen und gerade innerstädtisch gut zu erreichen sein. Der Eingriff in den Betriebsablauf von Unternehmern, der nicht mit geringfügigen Mittel durchführbar ist, kann hiernach nicht eingefordert werden (vgl. dazu BGH, Urteil vom 07.04.2000, Az. V ZR 39/99).

Für den vorliegenden Fall ist jedoch die Besonderheit zu berücksichtigen, dass die maßgebliche Stelle in unmittelbarer Nähe vor bzw. nach einem Bahnhof liegt. Nach dem unstreitigen klägerischen Vorbringen befinden sich die Bahnen daher entweder bereits im Bremsvorgang im Hinblick auf das Anfahren des nachfolgenden Bahnhofs bzw. noch in der Beschleunigungsphase und fahren hiernach mit einer Geschwindigkeit von ca. 30 km/h. Dass hiernach im konkreten Einzelfall eine geringfügige weitere Reduzierung der Geschwindigkeit einen Eingriff darstellen könnte, der nicht mit geringfügigen Mitteln durchführbar ist, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Auch vor dem Hintergrund, dass die gegenständliche Eisenbahnstrecke nur in einem überschaubaren Maß frequentiert wird, erscheint eine geringfügige Verringerung der Geschwindigkeit und damit eine mögliche geringfügige Verlängerung der Fahrzeit unproblematisch. Dass eine kurzzeitige Verringerung der Geschwindigkeit insoweit zu relevanten Verschiebungen führen könnte, ist auch von der insoweit darlegungs- und beweisbelasteten Beklagten nicht dargelegt (vgl. zur Beweislast BeckOK BGB/Fritzsche, Stand: 01.08.2018, § 906 Rn. 102-106). Die Beklagte ist auch dem Vortrag der Klägerseite, wonach die Einrichtung einer „Langsamfahrstelle" zu keinen nennenswerten Zeitverzögerungen führen würde, nicht substantiiert entgegengetreten.

Entgegen der Ansicht des Klägers dürfte es indes nicht zumutbar sein, dass unter Berücksichtigung des Ergebnisses des Gutachtens des Sachverständigen I. in nur einer Richtung die Pfeifsignale entfallen. Zwar würde dies zunächst zu einer Reduzierung der Immissionsbelastung um rund 50 % führen, das Wegfallen des Pfeifens in nur einer Richtung dürfte aber zu Irritationen in der Bevölkerung führen, die sich inzwischen auf das warnende Pfeifen am Bahnübergang verlassen darf. Findet dies nur noch in einer Richtung statt, ist die Gefahr groß, dass das Herannahen der Züge ohne Pfeifen nicht bemerkt wird. Insofern kann dahinstehen, ob die Voraussetzungen nach § 11 Abs. 9 EBO für den Wegfall der Pfeiftafeln in einer Richtung gegeben sind.

5. lm Tenor war der Vorbehalt der Genehmigungserteilung des Eisenbahn-Bundesamtes aufzunehmen, denn nur das Eisenbahn-Bundesamt kann die Genehmigung zum Wegfall der Pfeiftafeln erteilen, nicht aber die Zivilgerichte. Es ist deshalb geboten, die Erteilung der Genehmigung dem Zwangsvollstreckungsverfahren vorzubehalten (vgl. zur Problematik der erforderlichen behördlichen Ausnahmegenehmigung BGH NJW 1993, 925 Rn .. 18; NJW 1958, 1969; NJW 1978, 1262 (1263)).

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf§ 92 Abs. 2 Nr.1 ZPO.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus§§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Sache weder grundsätzliche Bedeutung hat noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern (§ 543 Abs.2 ZPO).

Die Festsetzung des Streitwerts für die Berufungsinstanz folgt aus§§ 47, 48 Abs. 1 GKG i.V.m. §§ 3 ff. ZPO.

Gericht OLG Frankfurt (aM)
Typ Urteil
Datum 19.02.2020
Normen § 906 BGB, 1004 BGB, § 11 Nr. 7 EBO, 16. BImSchV
Stichworte Immissionsrecht, Wesentliche Beeinträchtigung, Signalpfeifen, Anspruch auf Unterlassen, Schienenlärm, Pfeifen

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