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LG Köln, Urteil vom 31.01.2019

Az.: 2 O 22/18

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Tenor:

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die laufenden Kosten des verfahrensgegenständlichen Gleisanschlusses im Bahnhof B. im Umfang der Kostengrundentscheidung des Eisenbahnbundesamtes vom 30. November 2017 zum Aktenzeichen 23.-11 rek/004-0161#032 […] seit dem Jahr 2005 zu erstatten.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

 

Tatbestand:

Die Beklagte erwarb im Jahr 2005 von der Klägerin die Gleise 14 und 19 im Bahnhof B. Über die Anschlussweichen 13 und 16, die im Eigentum der Klägerin stehen, sind die Gleise mit dem Schienennetz der Klägerin verbunden.

Bis zum Jahr 2011 verhandelten die Parteien ergebnislos darüber, in welcher Höhe die Beklagte an den laufenden Kosten (Inspektion, Wartung, Entstörung, Erneuerung, Instandsetzung) der Anschlussweichen zu beteiligen sei.

Danach rief die Klägerin gemäß § 13 Abs. 2 Allgemeines Eisenbahngesetz (AEG) das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) an. Nach dieser Vorschrift hat das EBA über die Angemessenheit der Kosten eines Eisenbahnanschlusses zu entscheiden, wenn die beteiligten Eisenbahnen, darunter eine des Bundes, sich nicht einigen.

Durch bestandskräftigen Bescheid des EBA vom 30. November 2017 steht fest, dass die Beklagte die laufenden Kosten der Anschlussweiche 13 vollständig und die der Anschlussweiche 16, die zusätzlich an die Schienen der Firma B. S. GmBH anschließt, hälftig zu tragen hat.

Über die Höhe der Kosten entschied das EBA in einem gesonderten Verfahren mit Widerspruchsbescheid vom 31. März 2017, gegen den beide Parteien dieses Zivilprozesses form- und fristgerecht Klage zum Verwaltungsgericht Köln erhoben haben. Beide Klagen sind noch anhängig.

Im Zuge des Widerspruchsverfahrens hatte die Beklagte mit Schriftsatz vom 9. Februar 2017 hinsichtlich eines Teils der geltend gemachten Kosten die Einrede der Verjährung erhoben. Dies betrifft

• Kosten in Höhe von _ _ _ €, die aus angeblichen Instandsetzungsmaßnahmen aus dem Zeitraum. 2006 – 2011 resultieren sollen;

• jährliche Kosten in Höhe von _ _ _ € für die Weiche 13 für die Jahre 2008 - 2013 und

• jährliche Kosten in Höhe von _ _ _ € für die Weiche 16 für die Jahre 2008 - 2013.

Die Klägerin beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagte nicht berechtigt ist, die Erfüllung von Ansprüchen der Klägerin auf Erstattung der laufenden Kosten des aus den beiden Anschlussweichen 13 und 16 bestehenden Gleisanschlusses der Beklagten im Bahnhof B. wegen Verjährung zu verweigern;

2. hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin die laufenden Kosten des verfahrensgegenständlichen Gleisanschlusses im Bahnhof B. im Umfang der Kostengrundentscheidung des Eisenbahnbundesamts vom 30. November 2017 zum Aktenzeichen 23.-11 rek/004-0161#032 […] seit dem Jahr 2005 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Klage nach Haupt- und Hilfsantrag abzuweisen.

 

Gründe:

Die Klage ist nach dem Hauptantrag unzulässig, nach dem Hilfsantrag zulässig und begründet.

1.

Die Klage ist nach dem Hauptantrag unzulässig.

Es fehlt an einem feststellungsfähigen Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO. Rechtsverhältnis ist die Beziehung einer Person zu einer anderen Person oder Sache, die ein mit materieller Rechtskraftwirkung feststellbares subjektives Recht enthält oder aus der solche Rechte entspringen können (Greger in: Zöller, ZPO, 32. Aufl., § 256, Rn 3). Dazu gehören auch einzelne Ansprüche oder einzelne in sich selbständige Anspruchsgrundlagen, nicht aber bloße Vorfragen oder einzelne Elemente eines Rechtsverhältnisses.

Ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis – und nicht nur ein Element eines Rechtsverhältnisses – ist insbesondere die Berechtigung, die Erfüllung einer Forderung wegen Verjährung zu verweigern (BGH v. 26.9.2012 – VIII ZR 279/11, Rn 37 bei juris; BGH v. 10.11.1982 - VIII ZR 156/81).

Die Klägerin richtet ihr Feststellungsbegehren indes nicht auf die Berechtigung der Beklagten, die Erfüllung der Forderung wegen Verjährung zu verweigern, sondern verlangt Feststellung des Gegenteils, dass nämlich die Beklagte nicht zur Erfüllungsverweigerung berechtigt sei. Hierin möchte die Klägerin eine negative Feststellungsklage sehen, die unter denselben Umständen wie eine positive Feststellungsklage zulässig sein müsse.

Bei verständiger Auslegung ist das Klageziel – ungeachtet der Antragsformulierung – jedoch auf etwas Positives gerichtet, nämlich darauf festzustellen, dass eine aus einem Schuldverhältnis resultierende – noch nicht bezifferbare – Leistungspflicht der Schuldnerin besteht (vgl. BGH v. 26.9.2012, aaO, Rn 40 bei juris). Die jenem Fall zugrunde liegende Widerklage – gerichtet auf Feststellung, dass die Forderung verjährt sei und somit eine Leistungspflicht des Schuldners nicht bestehe – war bei Lichte betrachtet eine negative Feststellungsklage. Der Bundesgerichtshof hat dies im genannten Urteil nicht explizit ausgeführt. In seiner – von ihm zitierten und gleichgelagerten – Entscheidung vom 10.11.1982 (VIII ZR 156/81) wird die Widerklage indes ausdrücklich als negative Feststellungsklage bezeichnet (BGH aaO, Rn 11 bei juris).

Aus Vorstehendem folgt, dass die – positive – Feststellungsklage der Klägerin unzulässig ist, da sie auf eine bloße Vorfrage – Leistungspflicht der Beklagten als Schuldnerin gerichtet ist.

Hierin liegt kein Widerspruch zu den genannten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs, wonach eine negative Feststellungsklage der Schuldnerin zulässig wäre. Denn ein Urteil, das Verjährung feststellt und damit die Leistungspflicht des Schuldners verneint, entscheidet endgültig und umfassend. Der in Rede stehende Anspruch ist damit materiell-rechtlich geklärt, ohne dass es auf weitere Fragen ankäme. Eine nachfolgende Leistungsklage müsste wegen der Rechtskraft des Feststellungsurteils ohne weiteres abgewiesen werden.

Umgekehrt wäre, wenn die Klägerin mit ihrem Feststellungsantrag zu Ziffer 1 Erfolg hätte, nur eine Teilfrage materiell rechtskräftig geklärt. Es stünde nur fest, dass Ansprüche der Klägerin – wenn und soweit sie denn entstanden und nicht untergegangen sein sollten – nicht verjährt wären. Erst eine nachfolgende Leistungsklage könnte diese offen gebliebenen Punkte klären.

2.

Die hilfsweise erhobene Feststellungsklage ist indes zulässig und begründet.

a)

Insbesondere hat sie ein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis zum Gegenstand, denn sie richtet sich auf Feststellung, dass der Klägerin wegen der Kosten der Anschlussweichen bestimmte Ansprüche gegen die Beklagte zustehen. Soweit die Beklagte hiergegen einwendet, durch die Bezugnahme auf die Kostengrundentscheidung des EBA ziele der Antrag auf die Feststellung lediglich eines Anspruchsgrundes ab und sei daher unzulässig, teilt das Gericht diese Bedenken nicht. Die Bezugnahme auf die Kostengrundentscheidung ist nötig, um das festzustellende Rechtsverhältnis hinreichend bestimmt zu bezeichnen. Eine andere Möglichkeit der Bezugnahme hat die Klägerin nicht. Verwiese sie stattdessen auf den nicht bestandskräftigen Bescheid des EBA zur Kostenhöhe, bestünde die Gefahr, dass die Feststellungswirkung des Zivilurteils ins Leere geht, wenn der Bescheid im Verwaltungsrechtsweg geändert oder gar aufgehoben und vom EBA erneut erlassen wird.

Entgegen der Ansicht der Beklagten bedeutet die Bezugnahme des Antrags auf die Kostengrundentscheidung auch nicht, dass damit nur der Anspruchsgrund festgestellt werden soll. Die verständige Auslegung ergibt vielmehr, dass die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung der Kosten in derjenigen Höhe festgestellt werden soll, die sich nach Bestandskraft des Bescheids zur Höhe ergibt. Die Bezugnahme auf die Kostengrundentscheidung macht dabei klar, dass die Beklagte sämtliche laufenden Kosten für die Anschlussweiche 13 vollständig, diejenigen für die Anschlussweiche 16 hingegen nur hälftig zu tragen hat. Das Wort „Umfang“ meint diese Quote, nicht eine bestimmte Höhe, die in der Kostengrundentscheidung naturgemäß auch nicht enthalten ist.

Die Klägerin hat zudem das gemäß § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Da die Beklagte im Rahmen des Widerspruchsverfahrens angekündigt hat, die Einrede der Verjährung erheben zu wollen, droht dem subjektiven Recht der Klägerin eine gegenwärtige Gefahr der Unsicherheit, die durch das erstrebte Urteil infolge seiner Rechtskraft beseitigt werden kann (vgl. Greger, in: Zöller, aaO, § 256, Rn 7).

Die Feststellungsklage ist nicht subsidiär gegenüber der Leistungsklage. Vor Bestandskraft des Bescheids des EBA zur Höhe kann die Klägerin ihren Anspruch nicht beziffern. Soweit die Beklagte meint, der Klägerin stehe es frei, Leistungsklage zu erheben, indem sie die Höhe der Leistung nach billigem Ermessen bestimmt (§ 315 BGB) und die Angemessenheit vom Zivilgericht prüfen lässt, ist dies ersichtlich kein gangbarer Weg. Das angerufene Landgericht ist nicht befugt, selbst über die Höhe der erstattungsfähigen Kosten zu befinden. Dies folgt aus dem Sinn und Zweck des § 13 Abs. 2 AEG. Die Vorschrift ist spezieller als § 315 BGB und weist die Entscheidung über die Angemessenheit der Kosten dem EBA zu, das über die nötige fachliche Expertise verfügt. Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass der Gesetzgeber daneben auch eine Kompetenz des Zivilgerichts, wie in § 315 Abs. 3 S. 2 BGB normiert, bestehen lassen wollte. Abgesehen davon, dass das Zivilgericht sich sachverständiger Hilfe bedienen müsste, würde dies dazu führen, dass sowohl der Verwaltungs- als auch der Zivilrechtsweg eröffnet wären. Daraus ergäben sich nicht nur erhöhte Rechtsverfolgungskosten der Parteien, sondern es begründete vor allem die Gefahr widersprechender Entscheidungen.

Es gibt auch kein praktisches Bedürfnis dafür, die Höhe der Kosten im Zivilrechtsweg unter Anwendung des § 315 BGB bestimmen zu lassen. Die in § 13 Abs. 2 AEG normierten Billigkeitskriterien sind dieselben wie in § 315 BGB (BVerwG v. 3.3.2016 - 6 C 64.14, Rn 36 […]).

b)

Der nach alledem zulässige hilfsweise Feststellungsantrag ist begründet Durch die bestandskräftige Kostengrundentscheidung des EBA steht fest, dass die Beklagte die Kosten der beiden Weichen im dort tenorierten Umfang und in der noch im Verwaltungsrechtsweg zu klärenden Höhe zu tragen hat. Die behördliche Entscheidung auf der Grundlage von § 13 Abs. 2 AEG beinhaltet einen privatrechtsgestaltenden Verwaltungsakt, der bei Nichtzustandekommen eines Infrastrukturanschlussvertrags im Sinne von Abs. 1 der Vorschrift – über den die Parteien sich trotz langer Verhandlungen. nicht einig geworden sind – die Anschlussbedingungen und die angemessenen Kosten mit vertragsersetzender Wirkung festlegt (BVerwG, aaO, Rn 24).

Der hieraus folgenden Leistungspflicht wird die Beklagte die angekündigte Einrede der Verjährung nicht mit Erfolg entgegenhalten können. Die Verjährung der Ansprüche hat bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht einmal zu laufen begonnen, da die Ansprüche der Klägerin derzeit nicht fällig und daher nicht im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB entstanden sind.

Die Fälligkeit wird vielmehr erst dann eintreten, wenn der Bescheid zur Kostenhöhe oder ein Bescheid, der ihn ändert oder ersetzt, bestandskräftig ist. Die Fälligkeit bezeichnet den Zeitpunkt, von dem ab der Gläubiger die Leistung verlangen kann (Grüneberg in: Palandt, BGB, 78. Aufl, § 271, Rn 1). Vor Bestandskraft der Entscheidung zur Kostenhöhe kann die Klägerin indes nicht Leistung verlangen. Dies folgt schon daraus, dass nur das EBA befugt ist, die Kostenhöhe mit verbindlicher Wirkung zwischen den Parteien festzusetzen. Auf die obigen Ausführungen zu § 13 Abs. 2 AEG wird verwiesen.

Der nicht nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 14. Januar 2019 bietet keinen Anlass zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 ZPO.

3.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1 und 2 ZPO.

Streitwert: _ _ _ € Der Hilfsantrag erhöht den Streitwert nicht. Haupt- und Hilfsantrag sind wirtschaftlich identisch.

Gericht LG Köln
Typ Urteil
Datum 31.01.2019
Normen § 315 BGB, § 13 Abs. 2 AEG, § 256 Abs. 1 ZPO
Stichworte Feststellungsfähiges Rechtsverhältnis, Feststellungsinteresse, privatrechtsgestaltender Verwaltungsakt, bestandskräftige Kostengrundentscheidung des Eisenbahn-Bundesamtes, Gleisanschluss

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