BVerwG, vom 31.08.1995
Az.: 11 VR 14.95
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( BVerwG , 11. Senat)
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller gegen den Planfeststellungsbeschluß der Antragsgegnerin vom 19. Mai 1995 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene zu 1 tragen je zur Hälfte die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 10 000 DM festgesetzt.
Gründe:
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluß des Eisenbahn-Bundesamtes vom 19. Mai 1995 für den Abschnitt Re.-We. des Ausbaus der Bahnstrecke Ha.-BÜ.-Be. durch die Beigeladene zu 1. Mit dieser Klage erstreben sie die Aufhebung des genannten Planfeststellungsbeschlusses, soweit darin vorgesehen ist, für die Anlegung eines entlang der Bahnanlagen führenden Fußwegs der Beigeladenen zu 2 eine Fläche von 120 qm des den Antragstellern gehörenden Grundstücks Flur _ Flurstück _ _/_ in W. in Anspruch zu nehmen.
Der Antrag ist zulässig. Insbesondere ist das dafür erforderliche Rechtsschutzbedürfnis nicht dadurch entfallen, daß die Beigeladene zu 1 gegenüber dem Gericht vorgetragen hat, aus ihrer Sicht könne mit einer tatsächlichen Inanspruchnahme der für den Weg vorgesehenen Teilfläche des Grundstücks der .Antragsteller bis zum Abschluß des Klageverfahrens zugewartet werden. Denn die Antragsgegnerin ist dem Antrag mit der Begründung entgegengetreten, an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses bestehe auch gegenüber dem Klagebegehren der Antragsteller ein überwiegendes öffentliches Interesse; sie könnte diesen Standpunkt im Wege der dem Eisenbahn-Bundesamt gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 EVerkVerwG obliegenden Eisenbahnaufsicht gegenüber der Beigeladenen zu 1 durchsetzen.
Der Antrag ist auch begründet. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses, das Grundlage des in § 5 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Nr. 5 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes vom 16. Dezember 1991 (BGBl I S. 2174) geregelten Ausschlusses des Suspensiveffekts der Anfechtungsklage ist, muß hinter dem Interesse der Antragsteller an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes bis zur endgültigen Entscheidung über ihre Klage zurücktreten. Denn bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage anhand des derzeitigen Erkenntnisstandes ergibt sich, daß die Klage der Antragsteller gegen die Inanspruchnahme ihres Grundstücks für einen Fußweg entlang der Bahnanlagen durch den genannten Planfeststellungsbeschluß voraussichtlich Erfolg haben muß.
Das Eisenbahn-Bundesamt ist nach § 18 Abs. 1 AEG in Verbindung mit § 3 Abs. 2 Nr. 1 EVerkVerwG für die Planfeststellung bei Bau oder Änderung von Schienenwegen der Eisenbahnen des Bundes zuständig. Darunter fällt auch der Ausbau der Bahnstrecke Ha.-BÜü- Be.. Der Fußweg, der auf dem Grundstück der Antragsteller angelegt werden soll, soll jedoch ein Gemeindeweg werden, für den keine originäre Planungskompetenz der Antragsgegnerin besteht. Für die plan-feststellungsrechtliche Bewältigung eines solchen Vorhabens wäre das Eisenbahn-Bundesamt gemäß § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG aus eigenem Recht nur zuständig, wenn eine Änderung von Betriebsnlagen der Eisenbahn das Wegebauvorhaben als notwendige Folgemaßnahme an anderen Anlagen nach sich zöge. Davon kann jedoch im vorliegenden Fall nicht ausgegangen werden.
Notwendige Folgemaßnahmen im vorbezeichneten Sinne sind nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts alle Regelungen außerhalb der eigentlichen Zulassung des eisenbahnrechtlichen Vorhabens, die für eine angemessene Entscheidung über die durch die Baumaßnahme an den Betriebsanlagen der Eisenbahn aufgeworfenen Konflikte erforderlich sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 26. Mai 1994 - BVerwG 7 A 21.93 - ). Eine "andere Anlage" im Sinne des § 75 Abs. 1 Satz 1 VwVfG ist das vorhandene Wegenetz der Beigeladenen zu 2. Folgemaßnahmen sind zu treffen, um die Probleme zu lösen, die für seine Funktionsfähigkeit durch das Vorhaben entstehen (vgl. BVerwGE 57, 297 ). "Notwendig" sind dabei allerdings nur solche Folgemaßnahmen, die Probleme von einigem Gewicht betreffen, also dazu dienen, nachhaltige Störungen der Funktionsfähigkeit des vorhandenen Wegenetzes zu verhindern; denn um jede Kleinigkeit braucht sich der Vorhabenträger nicht zu kümmern (vgl. BVerwG, Urteil vom 12. Februar 1988 - BVerwG 4 C 54.84 - ).
Diese Voraussetzungen werden nach derzeitigem Erkenntnisstand durch die Planung des Fußwegs auf dem Grundstück der Antragsteller entlang der Bahnanlagen nicht erfüllt. Zwar soll dieser Fußweg als Ersatz für einen bisher parallel dazu auf dem Bahngelände selbst verlaufenden Weg dienen, der durch den Ausbau der Bahnstrecke entfällt. Es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, daß der ersatzlose Wegfall des bisherigen Fußwegs an dieser Stelle zu einer nachhaltigen Störung der Funktionsfähigkeit des gemeindlichen Wegenetzes führen würde. Die Beigeladene zu 2 hat dazu im Planfeststellungsverfahren lediglich vorgetragen, es handele sich um eine in Jahrzehnten gewachsene Wegeverbindung zwischen dem Bl.weg und der Straße A. Hei.; sie stelle eine "folgerichtige Weiterentwicklung der Wegebeziehung zum Tunnel H.weg" DAR. Der Planfeststellungsbeschluß hat hieraus ein öffentliches Interesse gefolgert, diese gemeindliche Wegeverbindung zu erhalten. Demgegenüber haben die Antragsteller zutreffend darauf hingewiesen, daß zwischen der Straße A. Hei. und dem Tunnel H.weg mit der Ob. Ba.straße eine alternative Wegeverbindung auf der anderen Seite der Bahntrasse zur Verfügung steht, die ohne nennenswerten Umweg durch die Unterführung des Be. Wegs erreicht wird. Ebensowenig sind Anhaltspunkte dafür erkennbar, daß der Fußweg auf dem Grundstück der Antragsteller erforderlich ist, um einem Verkehrsbedürfnis zum Grundstück Flur _ 1 Flurstück _ _ der Beigeladenen zu 2 Rechnung zu tragen. Denn zum einen ist für dieses Grundstück, das nicht mehr bewohnt wird und nach Abräumung der dort vorhandenen Gebäudereste und Abschluß der Bauarbeiten als Biotop genutzt werden soll, ein öffentliches Verkehrsbedürfnis nicht dargetan. Zum anderen kann ein Zugang - erforderlichenfalls unter Inanspruchnahme eines Notwegrechts - mit geringerem Flächenbedarf über andere Grundstücke geschaffen werden.
Ist hiernach davon auszugehen, daß der Antragsgegnerin für die Planfeststellung des Weges auf dem Grundstück der Antragsteller die Zuständigkeit fehlte, so sind die Antragsteller, die von der enteignungsrechtlichen Vorwirkung des Planfeststellungsbeschlusses betroffen sind, dadurch in ihren Rechten verletzt. Sie werden voraussichtlich auch die von ihnen allein begehrte Teilaufhebung des Planfeststellungsbeschlusses hinsichtlich der Inanspruchnahme ihres Grundstücks für den Weg der Beigeladenen zu 2 erreichen können. Denn es ist sicher, daß der Planfeststellungsbeschluß ohne den rechtswidrigen Teil ebenso erlassen worden wäre. Die Anlegung dieses Weges war - wie dargelegt - weder zur Bewältigung von durch das Vorhaben aufgeworfenen Konflikten erforderlich noch von der Beigeladenen zu 1 gewünscht.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3, § 159 und § 162 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 100 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 20 Abs. 3 in Verbindung mit § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Gericht | BVerwG |
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Datum | 31.08.1995 |
Normen | § 75 VwVfG, § 18 AEG, § 3 BEVerkVwG |
Stichworte | Planung des Baus eines Gemeindeweges aus Anlaß des Ausbaus eines Schienenweges; notwendige Folgemaßnahme; Verwaltungsverfahrensrecht; Verkehrswegeplanungsrecht |