BVerwG, vom 16.08.1995
Az.: 11 A 2.95
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(BVerwG, 11. Senat )
In der Verwaltungsstreitsache . . . auf die mündliche Verhandlung vom 16.August 1995. . . für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Gründe:
I.
Die Klägerin wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluß für Abschnitt 4 (Landkreis Go.) der 110-kV-Bahnstromleitung We.-Be.. Das Vorhaben, dessen Trägerin die Beigeladene ist, dient der Elektrifizierung der Bahnstrecke Be.-Er..
Die Trasse der - inzwischen fertiggestellten - Bahnstromleitung überquert ungefähr in westöstlicher Richtung parallel zu der 380-kV-Leitung Me.-Vi., und zwar in einem Achsenabstand von ca. 50 m nördlich hiervon, in der Gemeinde Re. gelegene Ackerflächen, die im Westen von der B 247 und im Osten von der Eisenbahnstrecke Go.-Bu. begrenzt werden. Die Klägerin nutzt das südlich angrenzende Gelände für ihren Kiesabbaubetrieb, den sie nach Norden hin bis jenseits der Stromleitungstrassen ausdehnen will.
Die Deutsche Reichsbahn leitete das Planfeststellungsverfahren am 18. Oktober 1993 ein. Nach vorheriger Bekanntmachung lagen die Planunterlagen u.a. in der Zeit vom 10. Januar bis 14. Februar 1994 in Re. und vom 3. Februar bis zum 3. März 1994 in Go., dem Firmensitz der Klägerin, aus. Die Klägerin legte mit einem an die Anhörungsbehörde, das Thüringer Landesverwaltungsamt in We., gerichteten Schreiben vom 7. November 1994 "Einspruch" gegen die inzwischen begonnenen Bauarbeiten an der Bahnstromleitung mit der Begründung ein, diese fänden im Bereich des ihr zustehenden bergrechtlichen Bewilligungsfeldes statt. Die Bewilligung war der Klägerin auf ihren Antrag vom 24. Februar 1992 hin vom Thüringer Oberbergamt in Ge. unter dem 3. November 1994 mit Wirkung vom 20. Oktober 1994 erteilt worden und gestattet ihr, im Bewilligungsfeld Kies und Kiessande zu gewinnen. Zuvor hatte das Bergamt Er. der Fa. O. K. OHG, der Rechtsvorgängerin der Klägerin, für das Bewilligungsfeld mit Bescheid vom 22. Januar 1992 die Erlaubnis zur Aufsuchung von Kiessanden erteilt.
Die Planfeststellungsbehörde, das Eisenbahn-Bundesamt - Außenstelle Erfurt -, teilte der Klägerin auf ihren "Einspruch" hin unter dem 17. November 1994 mit, sie habe es versäumt, im Anhörungsverfahren Einwände gegen das Projekt vorzutragen und sei deswegen nach Ablauf der Einwendungsfrist mit Einwendungen ausgeschlossen.
Der Planfeststellungsbeschluß wurde unter dem 30. November 1994 erlassen. Er wurde der Klägerin zusammen mit einem Schriftsatz der Beigeladenen am 15. Dezember 1994 in einem seinerzeit in der Berufungsinstanz beim Thüringer Oberlandesgericht in Jena anhängigen einstweiligen Verfügungsverfahren (3 0 2904/94 = 1 U 1150/94) zugestellt. Die Klägerin hat daraufhin ihren auf einen Baustopp gegen die Beigeladene gerichteten Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung, der in erster Instanz Erfolg hatte, zurückgenommen.
Am 16. Januar 1995 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben und gleichzeitig im Verfahren BVerwG 11 VR 1.95 um vorläufigen Rechtschutz nachgesucht. Durch Beschluß vom 22. Februar 1995 (ZBergR 1995, 95) hat der erkennende Senat den Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen, mit dem Hinweis auf deren fehlende Erfolgsaussicht abgelehnt und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin könne einen Abwehranspruch gegen die Planfeststellung nickt mehr gerichtlich durchsetzen, weil sie sich den Einwendungsausschluß nach §20 Abs. 2Satz les Allgemeinen Eisenbahngesetzes vom 22. Dezember 1993 - BGBl I S. 2378 - (AEG) entgegenhalten lassen müsse.
Die Klägerin verfolgt ihre Klage weiter und vertritt den Standpunkt, daß § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG vorliegend nicht anwendbar sei. Für den Fall, daß der erkennende Senat an seiner Auffassung festhalte, daß § 20 Abs. 2 AEG Anwendung finde, sei ihr wegen der Versäumung der Einwendungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren; weil sie unter den gegebenen Umständen ohne Verschulden gehindert gewesen sei, ihre Einwendungen rechtzeitig zu erheben. In der Sache stützt sie ihre Klage darauf, daß die Beklagte die bergbaulichen Interessen überhaupt nicht in ihre Abwägung eingestellt habe. Wie sich in Gesprächen mit der Beigeladenen und der mit der Bauausführung beauftragten Firma Si. AG immer wieder - auch schon zwei Tage vor Erlaß des angefochtenen Planfeststellungsbeschlusses - gezeigt habe, wäre es durchaus möglich gewesen, die Masten im Gleichschritt mit den bereits vorhandenen Masten der 380-kV-Leitung aufzustellen und auch höhere Masten zu wählen. Dann wäre die Kiesgewinnung unter den Freileitungen, wenn auch mit gewissen Verlusten, gewährleistet geblieben. Für eine entsprechende Änderung hätte es nicht einmal einer neuen Planfeststellung bedurft. Diese Umstände seien auch der Planfeststellungsbehörde bekannt gewesen, die sie dennoch nicht in ihre Abwägung einbezogen habe.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Planfeststellungsbeschluß vom 30, November 1994 aufzuheben.
Die Beklagte und die Beigeladene beantragen, die Klage abzuweisen.
Sie machen sich die Erwägungen des erkennenden Senats in dessen Beschluß vom 22. März 1995 zu eigen und treten dem Vorbringen der Klägerin entgegen. Gerade im vorliegenden Fall zeige sich, daß für die Erhebung von Einwendungen im Interesse der Planungssicherheit eine Ausschlußfrist gelten müsse. Technisch wäre es unter Aufwendung von Mehrkosten in Höhe von ca. 200 000 DM möglich gewesen, die Maststandorte in der von der Klägerin gewünschten Weise anzuordnen. Die hiermit verbundenen Änderungen wären jedoch nicht von unerheblicher Bedeutung im Sinne von § 18 Abs. 3 AEG gewesen und hätten daher den Abschluß des Planfeststellungsverfahrens derart verzögert, daß die Elektrifizierung der Bahnstrecke Bebra-Erfurt nicht mehr rechtzeitig zum Fahrplanwechsel möglich gewesen wäre.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf ihren schriftlichen Vortrag Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge einschließlich der Planunterlagen haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.
Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses nicht zu.
Die Klägerin muß sich die Präklusionswirkung des § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG entgegenhalten lassen. Danach sind nämlich Einwendungen, die nach Ablauf der Einwendungsfrist erhoben werden, ausgeschlossen. Dieser Einwendungsausschluß erstreckt sich auch auf das der Planfeststellung nachfolgende gerichtliche Verfahren, so daß dort ein etwaiger Abwehranspruch nicht mehr durchgesetzt werden kann (vgl. BVerwG Beschluß vom 13. Juni 1994 - BVerwG 7 VR 8.94 -; zu § 36 Abs. 4 Satz 1 BBahnG auch Beschluß vom 12. November 1992 - BVerwG 7 ER 300.92 - Buchholz 442.08 § 36 BBahnG Nr. 22 mit Nachweisen zur Rechtsprechung in anderen Bereichen des Anlagenzulassungsrechts).
1. Entgegen der Ansicht der Klägerin ist § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG im vorliegenden Fall anwendbar.
Die genannte Vorschrift trat am 1. Januar 1994 im Zuge der mit diesem Zeitpunkt wirksam gewordenen Neuordnung des Eisenbahnwesens in Kraft (vgl. Art. 5 u. 11 Abs. 1 Satz 1 des Eisenbahnneuordnungsgesetzes vom 27. Dezember 1993 - BGBl I S. 2378 - ENeuOG) und ersetzte die gleichlautende Vorschrift des § 36 d Abs. 2 Satz 1 BBahnG - insoweit in der Fassung des Art. 1 Nr. 2 des Planungsvereinfachungsgesetzes vom 17. Dezember 1993 - BGBl I S. 2123 - (PlVereinfG), die seit dem 24. Dezember 1993 galt (vgl. Art. 12 PlVereinfG) und ihrerseits § 36 Abs. 4 Satz 1 des Bundesbahngesetzes (BBahnG) - insoweit in der Fassung von Art. 31 Nr. 5 des Dritten Rechtsbereinigungsgesetzes vom 28. Juni 1990 - BGBl I S. 1221 (1237) - abgelöst hatte.
Von der Klägerin wird die Anwendbarkeit des § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG mit dem Argument in Zweifel gezogen, daß insoweit § 3 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes vom 16. Dezember 1991 - BGBl I S. 2174 - (VerkPBG) eine verdrängende Spezialregelung enthalte, die auf § 73 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) verweise. Die dort in § 73 Abs. 3 geregelte Einwendungsfrist führt im Falle der Fristversäumnis nur zum Verlust des Anspruchs auf Erörterung der Einwendungen im Anhörungstermin (vgl. § 73 Abs. 6 Satz 1 VwVfG). Es handelt sich nicht um eine (materielle) Verwirkungspräklusion, wie sie § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG vorsieht, sondern um eine formelle Präklusion, die sich nicht im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren auswirkt. Die Klägerin meint also letztlich, im Rahmen der Planfeststellung von in § 1 Abs. 1 VerkPBG genannten Vorhaben gebe es keine materielle, sondern nur eine formelle Präklusion. Die von ihr vertretene Auslegung des § 3 VerkPBG ist jedoch nicht tragfähig.
Ist ein Planfeststellungsverfahren - wie im vorliegenden Fall durch § 18 Abs. 1 S. 1 AEG - gesetzlich angeordnet, so gelten hierfür die §§ 73 bis 78 VwVfG, ohne daß es einer Anwendbarkeitserklärung bedarf (vgl. § 72 Abs. 1 Halbs. 1 VwVfG). Wird im Fachplanungsrecht allerdings eine Einzelfrage - wie hier die materielle Präklusion durch § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG - abweichend geregelt, so werden die §§ 73 bis 78 VwVfG wieder verdrängt (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG). In § 20 Abs. 1 AEG heißt es dementsprechend: "Für das Anhörungsverfahren gilt § 73 des Verwaltungsverfahrensgesetzes mit folgenden Maßgaben: . . . .“
Auch die Präklusionsregelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG kann als eine Maßgabe für die Geltung des § 73 VwVfG im bundesbahnrechtlichen Planfeststellungsverfahren aufgefaßt werden.
§ 3 VerkPBG fügt für die in § 1 Abs. 1 Nr. 1 VerkPBG genannten Vorhaben der Deutschen Bundesbahn dem § 73 VwVfG weitere Maßgaben hinzu, die der Verfahrensbeschleunigung dienen sollen. Die Anwendbarkeit des § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG auf diese Vorhaben bleibt davon unberührt. Wie der Senat bereits in seinem Beschluß vom 22. Februar 1995 ausgeführt hat, verleiht § 3 VerkPBG durch seine Bezugnahme auf § 73 VwVfG dieser Vorschrift keinen Geltungsvorrang vor den einschlägigen Vorschriften des Fachplanungsrechts. Diese enthalten vielmehr (weitere) Spezialregelungen, die § 73 vorgehen, wozu auch § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG zählt.
2. Die Klägerin hat Einwendungen gegen den Plan erst nach Ablauf der Einwendungsfrist erhoben.
Gemäß § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG läuft die Einwendungsfrist zwei Wochen nach Ablauf der Auslegungsfrist ab. Die Auslegungsfrist beträgt einen Monat (vgl. § 73 Abs. 3 Satz 1 VwVfG). Die Einwendungsfrist beginnt mit dem Ablauf der Auslegungsfrist und endet mit Ablauf des 14. Tages (vgl. § 31 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 BGB). Im vorliegenden Fall fand die letzte Auslegung in Go. vom 3. Februar bis zum 3. März 1994 statt, so daß die Einwendungsfrist insoweit am 17. März 1994 ablief. Der Einwendungen gegen den Plan enthaltende "Einspruch" der Klägerin vom 7. November 1994 ist somit nach Fristablauf eingegangen.
3. Die Klägerin muß sich den Fristablauf entgegenhalten lassen, weil das Anhörungsverfahren ordnungsmäßig verlaufen ist.
Nach § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG ist die Auslegung des Plans von den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirkt (vgl. § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO), vorher ortsüblich bekanntzumachen. Die Wochenfrist des § 73 Abs. 5 Satz 1 VwVfG ist nicht zwingend einzuhalten (vgl. § 3 Abs. 2 Satz 2 VerkPBG). In Re. ist die Auslegung vom 10. Januar bis zum 14. Februar 1994 am 3. Januar 1994 durch Aushang bekanntgemacht worden. In Go. ist die Bekanntmachung der Auslegung vom 3. Februar bis zum 3. März 1994 im Rathaus-Kurier (Amtliches Mitteilungsblatt der Stadt Go.) vom 26. Januar 1994 erfolgt.
Der Inhalt der Bekanntmachung ist in § 73 Abs. 5 Satz 2 VwVfG geregelt. Zusätzlich ergibt sich aus § 20 Abs. 2 Satz 2 AEG das Erfordernis eines Hinweises auf den Einwendungsauschluß. Dieser Hinweis ist im vorliegenden Fall erteilt worden. Er war zwar jeweils mit dem unzutreffenden Klammerzusatz “(§ 36 Abs. 4 Bundesbahngesetz)" versehen. Dies ist unschädlich. Zwar stimmt § 36 Abs. 4 BBahnG insofern nicht wörtlich mit § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG überein, als dort noch auf die Verwaltungsverfahrensgesetze der Länder abgestellt wird. Ein Irrtum über die Geltung des Einwendungsausschlusses hätte bei den Betroffenen jedoch selbst dann nicht auftreten können, wenn sie die falsche Fundstelle nachgelesen hätten.
Nach § 3 Abs. 2 Satz 3 VerkPBG sollen nicht ortsansässige Betroffene, deren Person und Aufenthalt bekannt ist, auf Veranlassung der Anhörungsbehörde mit dem Hinweis nach § 73 Abs. 5 Satz 2 VwVfG benachrichtigt werden. Die Klägerin rügt einen Verstoß gegen diese Regelung. In Betracht kommt ein Verstoß allenfalls in Re.. Denn nur dort gehörte die Klägerin als Inhaberin einer Aufsuchungserlaubnis nach § 7 des Bundesberggesetzes vom 13. August 1980 - BGBl I S. 1310- (BBergG), die für das (spätere) Bewilligungsfeld in Re. einen Antrag auf Erteilung einer Bewilligung nach § 8 BBergG gestellt hatte, zu den Planbetroffenen, die in der Gemeinde nicht Wohnsitz oder Sitz hatten. In Go. hatte die Klägerin dagegen ihren Firmensitz, so daß dort eine Benachrichtigung gemäß § 3 Abs. 2 Satz 3 VerkPBG eindeutig nicht geboten war.
Die Frage, ob die Klägerin unter diesen Umständen in Re. zu den "nicht ortsansässigen Betroffenen" im Sinne der genannten Vorschrift gehörte, ist entgegen der Ansicht der Klägerin zu verneinen.
§ 3 Abs. 2 Satz 3 VerkPBG greift die Regelung des § 73 Abs. 5 Satz 3 VwVfG auf und verschärft diese, weil nur noch eine Benachrichtigung derjenigen nicht ortsansässigen Betroffenen erfolgen soll, deren Person und Aufenthalt bekannt ist. Auf eine. Benachrichtigung der Betroffenen, deren Person und Aufenthalt "sich innerhalb angemessener Frist ermitteln) lassen" (vgl. dazu BVerwGE 66, 99 ), wird damit bei Vorhaben im Sinne von § 1 Abs. 1 VerkPBG im Interesse einer Verfahrensbeschleunigung verzichtet. Wie der Kreis der "nicht ortsansässigen Betroffenen" im übrigen zu bestimmen ist, erschließt sich in Fällen, in denen das Vorhaben von mehreren Gemeinden bekanntzumachen ist, nicht bereits aus dem Wortlaut der genannten Vorschriften, sondern erst aus dem Zweck der individuellen Benachrichtigung. Danach scheidet ein Betroffener aus dem Kreis der "nicht ortsansässigen Betroffenen" aus, wenn sich sein Wohnsitz oder Sitz in einer der bekanntmachungspflichtigen Gemeinden befindet und er von der "Anstoßwirkung" der dortigen Bekanntmachung des Vorhabens erreicht wird. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen:
Die Bekanntmachung des Plans erfolgt nach § 73 Abs. 3 Satz 1 und Abs. 5 Satz 1 VwVfG in den Gemeinden, in denen sich das Vorhaben voraussichtlich auswirkt. Durch ortsübliche Bekanntmachung in dem so abgegrenzten Bekanntmachungsgebiet wird sichergestellt, daß die darin ansässigen Betroffenen eine "Anstoßwirkung" (vgl. BVerwGE 55, 369 ; 69, 344 ) erreicht, die sie ermuntert, sich für die Planung zu interessieren und nach Bedarf hieran als Einwender mitzuwirken. Eine individuelle Benachrichtigung der zu diesem Personenkreis zählenden Betroffenen wäre ein nicht gerechtfertigter Verwaltungsaufwand. Erforderlich ist vielmehr grundsätzlich nur die Benachrichtigung der außerhalb des Bekanntmachungsgebiets ansässigen Betroffenen. Ob und inwieweit es diesem Personenkreis zuzumuten ist, daß er im Hinblick auf die Belegenheit seiner Rechte vor Ort stattfindende amtliche Bekanntmachungen verfolgt, mag dahinstehen. Sicher ist, daß gerade aus diesem Personenkreis stammende Einwender ohne individuelle Benachrichtigung Gefahr laufen, die Einwendungsfrist zu versäumen. Eine der Planungssicherheit abträgliche Folge wäre, daß diese Einwender mit der Begründung, sie habe die Anstoßwirkung der Bekanntmachung nicht erreicht und dies sei ihnen nicht vorwerfbar, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen würden. Die individuelle Benachrichtigung mildert insofern Härten, die diesem Personenkreis aus der PräklusionsWirkung erwachsen könnten. Sie vermeidet außerdem Streitigkeiten darüber, unter welchen Voraussetzungen in derartigen Fällen ein Wiedereinsetzungsgesuch Erfolg haben muß. Betroffene, die im Bekanntmachungsgebiet ansässig sind, haben dagegen regelmäßig keine Aussichten, einen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft zu machen. Denn ihnen ist es zumutbar, sich um die amtlichen Bekanntmachungen an ihrem Wohnsitz bzw. Sitz zu kümmern. Versäumen sie die Einwendungsfrist, weil sie dies nicht getan haben, trifft sie der Einwendungsauschluß, ohne daß damit unbillige Härten verbunden wären. Dem Sinn und Zweck der Regelung würde demnach eine Auslegung nicht gerecht, die allein die einzelne bekanntmachungspflichtige Gemeinde und die von ihr ausgelöste Anstoßwirkung in den Blick nähme. Wenn der in dieser Gemeinde Betroffene nämlich in einer anderen Gemeinde von der Anstoßwirkung der dortigen Bekanntmachung erreicht wird, bedarf er nicht der individuellen Benachrichtigung für "nicht ortsansässige Betroffene". So verhält es sich bei der Klägerin. Denn die öffentliche Bekanntmachung der "Planfeststellung für die 110-kV-Bahnstromleitung We.-Be. im Landkreis Go." im amtlichen Mitteilungsblatt der Stadt Go., in der sich der Firmensitz der Klägerin befindet, reichte aus, um ihr gegenüber auch die nötige Anstoßwirkung hinsichtlich ihres - in der zu diesem Landkreis gehörenden Gemeinde Re. gelegenen - Erlaubnisfeldes zu erzielen.
4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist der Klägerin nicht zu gewähren, weil sie die Einwendungsfrist i.S. von § 32 Abs. 1 VwVfG nicht ohne Verschulden versäumt hat.
Teilweise scheitert die Berücksichtigung der von der Klägerin (nunmehr) geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründe allerdings schon daran, daß sie nicht gemäß § 32 Abs. 2 Sätze 1 und 2 VwVfG innerhalb der Frist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses glaubhaft gemacht worden sind. Selbst wenn man nämlich den "Einspruch" der Klägerin vom 7. November 1994 zugleich als Wiedereinsetzungsgesuch wertet, ist daraus nur in sehr beschränktem Umfang ein Vortrag zu entnehmen, der als Geltendmachung von Wiedereinsetzungsgründen verstanden werden kann. Die Klägerin rügt dort nämlich nur, "in keiner Weise vom Vorhaben der Deutschen Bahn AG unterrichtet" worden zu sein. Damit macht die Klägerin geltend, die Anhörungsbehörde sei zu einer Benachrichtigung verpflichtet gewesen, weil ihr das bergbauliche Vorhaben der Klägerin insbesondere durch das vorangegangene Raumordnungsverfahren bekannt gewesen sei. Weitere Wiedereinsetzungsgründe sind dem Schreiben vom 7. November 1994 auch bei großzügiger Betrachtung nicht zu entnehmen.
Deswegen kann die Klägerin nicht mehr mit ihrem Vortrag gehört werden, ihr sei in einem Telefonat seitens des Thüringischen Oberbergamtes im Zusammenhang mit der Erteilung der Bewilligung versichert worden, sie brauche keine Einwendungen gegen den Plan zu erheben. Im übrigen wäre ein Vertraue in diese Mitteilung fahrlässig gewesen. Das Thüringer Oberbergamt war für die Beantwortung von Fragen, die das Anhörungsverfahren im Rahmen der Planfeststellung betrafen, ersichtlich nicht zuständig.
Daß die Anhörungsbehörde zur Benachrichtigung der Klägerin verpflichtet gewesen sei, trifft nicht zu. Wie bereits erörtert wurde, läßt sich eine derartige Pflicht nicht aus § 3 Abs. 2 Satz 3 VerkPBG herleiten. Auch der Umstand, daß die Anhörungsbehörde im Raumordnungsverfahren mit dem Vorhaben der Klägerin befaßt war und dieses - unter Beteiligung der Beigeladenen, die keine Einwendungen erhoben hatte - in ihrer landesplanerischen Beurteilung vom 26. August 1994 positiv bewertete, ändert daran nichts.
Die Befassung mit dem Vorhaben der Klägerin im Raumordnungsverfahren löste im Planfeststellungsverfahren ihr gegenüber keine irgendwie geartete Fürsorgepflicht aus, auch wenn - zufällig - die Anhörungsbehörde zugleich als Landesplanungsbehörde die raumordnerische Entscheidung zu treffen hatte. Ein nachfolgendes oder - wie hier - gleichzeitig laufendes Planfeststellungsverfahren gehört nicht zum Raumordnungsverfahren. Im einzelnen ist das Verhältnis des Raumordnungs- zum Planfeststellungsverfahren in § 6 a Abs. 9 Satz 1 und Abs. 10 Sätze 1 und 2 des Raumordnungsgesetzes vom 28. April 1993 - BGBl I S. 630 - (ROG) geregelt. Danach ersetzt das Raumordnungsverfahren das Planfeststellungsverfahren nicht. Es hat regelmäßig keine Außenwirkung für den Vorhabensträger. Die Ergebnisse des Raumordnungsverfahrens hat die Planfeststellungsbehörde zwar als abwägungsrelevant zu berücksichtigen. Dabei hat es aber sein Bewenden. Das Thüringer Landesplanungsgesetz vom 17. Juli 1991 - ThGVB1 S. 210 - (ThLP1G) enthält damit übereinstimmende Regelungen (vgl. § 17 Abs. 8 ThLP1G). Auch das Landesrecht gibt somit nichts dafür her, daß die Klägerin darauf vertrauen durfte, durch die Anhörungsbehörde im Hinblick auf das laufende Raumordnungsverfahren von dem Vorhaben der Beigeladenen benachrichtigt zu werden.
Der Umstand, daß die raumordnerische Verträglichkeit ihres Vorhabens während der Einwendungsfrist bereits Gegenstand eines Verfahrens nach § 17 ThLP1G geworden war, konnte die Klägerin somit nicht davon entbinden, zur Wahrung ihrer - mit dem Vorhaben der Beigeladenen kollidierenden - Belange im Planfeststellungsverfahren fristwahrend Einwendungen zu erheben. Die Klägerin handelte fahrlässig, wenn sie im Vertrauen auf das von ihr beantragte Raumordnungsverfahren auf Einwendungen verzichtete. Gleiches gilt, wenn sie im Vertrauen auf die Einwendungen, die von den Bergämtern in dem von der Beigeladenen für ihr Vorhaben betriebenen Raumordnungsverfahren erhoben worden waren, von eigenen Einwendungen Abstand genommen hat.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO.
Beschluß
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1 000 000 DM festgesetzt
Gericht | BVerwG |
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Datum | 16.08.1995 |
Normen | § 73 VwVfG, § 74 VwVfG, § 75 VwVfG, § 76 VwVfG, § 78 VwVfG, § 1 VerkPBG, § 3 VerkPBG, § 6a ROG, § 20 AEG |
Stichworte | Präklusionswirkung des § 20 Abs. 2 Satz 1 AEG als materielle Präklusion - auch auf nachfolgendes gerichtliches Verfahren, Benachrichtigung nicht ortsansässiger Betroffener, ”Anstoßwirkung" der Bekanntmachung in anderer Gemeinde, Planfeststellungsrecht |