BVerwG, vom 15.12.1994
Az.: 7 VR 13.94
Download des PDF-DokumentesBeschluss (BVerwG, 7. Senat)
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 20 000 DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Plangenehmigung für den Ausbau des Mittellandkanals im Abschnitt Sachsen-Anhalt 1 c von km 268,500 bis km 270,400 (Liegestelle Be.). Das Vorhaben gehört zu den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit. Geplant ist eine Vertiefung und Aufweitung des Kanalbetts, um das vorhandene Leistungspotential der Schifffahrt nutzen zu können. Der hier betroffene Kanalabschnitt durchquert den zentralen Teil des Niedermoorgebietes "Drö.", das als Naturpark geschützt ist. Auf Antrag des Wasserstraßen-Neubauamts He. genehmigte die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte den Plan mit Bescheid vom 15. Juli 1994 gemäß § 14 Abs. 1 a des Bundeswasserstraßengesetzes - WaStrG - unter zahlreichen Nebenbestimmungen. In der Begründung wies sie darauf hin, daß eine Planfeststellung nicht erforderlich sei, weil sich die Betroffenen mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums einverstanden erklärt hätten, weitere Rechte Dritter nicht beeinträchtigt würden und mit den Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabengebiet berührt werde, das Benehmen hergestellt worden sei. Dieser Bescheid wurde den am Plangenehmigungsverfahren Beteiligten zwischen dem 30. Juli und dem 4. August 1994 zugestellt.
Am 21. November 1994 hat der Antragsteller Klage erhoben und gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er macht geltend: Obwohl er anerkannter Naturschutzverband sei, sei er weder vom Plangenehmigungsverfahren informiert noch an dem Verfahren beteiligt worden. Dadurch werde er in seinem Recht aus § 29 Abs. I Nr. 4 des Bundesnaturschutzgesetzes - BNatSchG - verletzt. Zwar setze diese Vorschrift ein Planfeststellungsverfahren voraus. Hier sei dieses jedoch rechtswidrig unterblieben. Da er ein selbständig durchsetzbares Recht auf Beteiligung habe, sei er ein Betroffener im Sinne des § 14 Abs. 1 a WaStrG, der durch die Planung beeinträchtigt werde. Von der Planfeststellung habe daher nicht ohne sein Einverständnis abgesehen werden dürfen.
Er beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Plangenehmigung der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte vom 15. Juli 1994 für den Ausbau des Mittellandkanals von km 268,500 bis km 270,400 anzuordnen.
Die- Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Sie erwidert: Der Antrag müsse zurückgewiesen werden, weil die Klage aussichtslos sei. Die Klage sei unzulässig; denn die Rechtsbehelfsfrist sei verstrichen. Sie sei aber auch unbegründet. Das Beteiligungsrecht der Naturschutzverbände sei auf Planfeststellungsverfahren beschränkt. Ein solches habe hier auch nicht durchgeführt werden müssen, weil die Plangenehmigung nach § 14 Abs. 1 a WaStrG nicht auf Fälle beschränkt sei, in denen keine erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu erwarten seien.
Für das weitere Vorbringen wird auf den schriftlichen Vortrag der Beteiligten verwiesen.
II.
Der Antrag kann keinen Erfolg haben.
Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage entsprechend § 80 Abs. 5 VwGO. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Plangenehmigung, das Grundlage des in § 5 Abs. 2 Satz 1 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes - VerkPBG - geregelten Ausschlusses des Suspensiveffekts der Anfechtungsklage ist, überwiegt sein Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes schon deswegen, weil seine Hauptsacheklage aller Voraussicht nach abgewiesen werden muß.
Die Klage ist allerdings nicht schon deswegen unzulässig, weil - wie die Antragsgegnerin meint - die Klagefrist des § 74 Abs. 1 VwGO versäumt worden wäre; denn die Plangenehmigung ist dem Antragsteller nicht zugestellt worden. Die von ihm geltend gemachte Verletzung des Beteiligungsrechts liegt jedoch nicht vor, so daß der Rechtsbehelf in der Sache keinen Erfolg verspricht.
Nach dem klaren Wortlaut des § 29 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG ist das Mitwirkungsrecht der nach § 29 Abs. 2 BNatSchG anerkannten Vereine auf Planfeststellungsverfahren beschränkt. Ein solches Verfahren ist hier jedoch nicht durchgeführt worden; vielmehr hat die Wasser- und Schifffahrtsdirektion Mitte eine Plangenehmigung nach dem durch das Planungsvereinfachungsgesetz vom 17. Dezember 1993 (BGBl I S. 2123) in das Bundeswasserstraßengesetz eingeführten § 14 Abs. 1 a erteilt. Für eine solche Genehmigungserteilung ist in § 14 Abs. 1 a Satz 2 Halbsatz 2 WaStrG ausdrücklich angeordnet worden, daß die Vorschriften über das Planfeststellungsverfahren keine Anwendung finden. Somit scheidet auch aus wasserstraßenrechtlicher Sicht eine Gleichsetzung von Planfeststellungsverfahren und Plangenehmigungsverfahren im Hinblick auf eine naturschutzrechtlich angeordnete Beteiligung des Antragstellers aus. Denkbar wäre eine Verletzung seines Beteiligungsrechts daher nur noch, falls es rechtswidrig .war, für den hier betroffenen Abschnitt des Ausbauvorhabens von einer Planfeststellung abzusehen. Ein solcher Rechtsverstoß ist jedoch nicht erkennbar.
§ 14 Abs. 1 a WaStrG erlaubt die Erteilung einer Plangenehmigung anstelle eines Planfeststellungsbeschlusses, wenn - erstens - Rechte anderer nicht beeinträchtigt werden oder die Betroffenen sich mit der Inanspruchnahme ihres Eigentums oder eines anderen Rechts schriftlich einverstanden erklärt haben und - zweitens - mit den Trägern öffentlicher Belange, deren Aufgabenbereich berührt wird, das Benehmen hergestellt worden ist. Diese Voraussetzungen waren hier - soweit nach dem derzeitigen Erkenntnisstand ersichtlich – erfüllt. Zwar macht der Antragsteller geltend, wegen seines Beteiligungsrechts habe nur mit seinem Einverständnis auf die Durchführung eines Planfeststellungsverfahrens verzichtet werden dürfen. Dies trifft jedoch so nicht zu. Vielmehr setzt das Beteiligungsrecht des Antragstellers ein bestimmtes Verfahren voraus, das hier gerade nicht gewählt worden ist.
Die Wahl eines Plangenehmigungsverfahrens war auch nicht deswegen rechtswidrig, weil der betroffene Ausbauabschnitt den zentralen Teil eines geschützten Naturparks durchquert. Zwar führt dies dazu, daß ein Beteiligungsrecht der anerkannten Naturschutzverbände entfällt, obwohl § 29 Abs. 1 Nr. 4 BNatSchG die Verwirklichung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gerade bei derart umweltbedeutsamen Vorhaben auch durch die Mitwirkung dieser Verbände sicherstellen wollte. Dennoch kommt eine teleologische Reduktion des Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 1 a WaStrG auf Vorhaben, die mit keinen erheblichen Umweltauswirkungen verbunden sind, nach der Gesetzgebungsgeschichte nicht in Betracht. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Entwurf des Planungsvereinfachungsgesetzes vorgeschlagen, § 14 Abs. 1 a WaStrG in dieser Weise zu ergänzen (BT-Drucks. 12/4328, S. 26). Diesen Vorschlag hat die Bundesregierung unter Hinweis darauf abgelehnt, daß die Berücksichtigung der Umweltbelange bei der Plangenehmigung durch die Beteiligung der Umwelt- und Naturschutzbehörden ausreichend gesichert werde (a.a.O. S. 38). Da der Gesetzgeber der Bundesregierung gefolgt ist und die durch den Bundesrat vorgeschlagene Ergänzung nicht in den Gesetzestext aufgenommen hat, ist eine entsprechende Korrektur des Gesetzeswortlauts im Wege der Auslegung ausgeschlossen.
Ist die Erteilung einer Plangenehmigung für das Ausbauvorhaben somit nicht erkennbar verfahrensfehlerhaft, scheidet auch eine Verletzung von Beteiligungsrechten des Antragstellers. aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Gericht | BVerwG |
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Datum | 15.12.1994 |
Normen | § 74 VwVfG, § 80 VwGO, § 5 VerkPBG |
Stichworte | Entscheidungsvorbehalt nach § 74 Abs. 3 VwVfG, öffentliches Interesse an sofortigerVollziehung des Planfeststellungsbeschlusses, Ausschluß des Suspensiveffektes derAnfechtungsklage, Planfeststellungsrecht |