BVerwG, vom 02.08.1994
Az.: 7 VR 3/94
Download des PDF-DokumentesBeschluss (BVerwG, 7. Senat)
Der Antrag wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50 000 DM festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses für den Abschnitt III des Ausbaus der Bahnstrecke Ha-BÜ-Be..
Die Maßnahme umfaßt unter anderem den Bau von zwei zusätzlichen Streckengleisen für die Fernbahn zwischen Ha. und Au. zur Trennung des S-Bahn-Verkehrs vom Fernverkehr, die Wiederherstellung der Zweigleisigkeit zwischen Sch. und der ehemaligen Grenze zur DDR sowie die Elektrifizierung der gesamten Strecke. Bei dem Vorhaben handelt es sich um eine von neun sogenannten Lückenschlußmaßnahmen, die zu den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit gehören. Vorgesehen sind auf der Teilstrecke Ha.-BÜü zehn Planfeststellungsabschnitte. Der hier umstrittene Abschnitt III erfaßt den Bereich Bi. und erstreckt sich von km 273,00 bis km 278,525. Bereits planfestgestellt sind neben diesem Abschnitt die Abschnitte VI b bis VIII im ostwärtigen Bereich zwischen Sch. und der Landesgrenze nach Mecklenburg-Vorpommern.
Der Antragsteller ist Träger eines Wohnstiftes in Au., in dem nach seinem Vorbringen ausschließlich ältere Menschen wohnen. Das Anwesen liegt am nordwestlichen Ortsrand. An der Südseite des Grundstücks verläuft die Bahnlinie, die ausgebaut werden soll und die zwischen Au. und Sch. den Sachsenwald durchquert. Der dem Antragsteller gehörende Gebäudekomplex erstreckt sich in einem Abstand von ca. 25 bis 225 m Entfernung von der bestehenden Gleisanlage. Er liegt im Bereich des vorgesehenen Planfeststellungsabschnitts V b – Wo./Re./Au., der von km 259,000 bis km 264,950 reicht und für den das Planfeststellungsverfahren im Laufe dieses Jahres eingeleitet werden soll.
Der Antragsteller erhob im Planfeststellungsverfahren für den hier umstrittenen Abschnitt III Einwendungen gegen das Vorhaben und beanstandete vor allem die durch die Planung dieses Abschnitts vorgegebene Trasse durch den Sachsenwald anstelle einer neuen, umweltschonenderen Streckenführung südlich davon. In diesem Zusammenhang machte er geltend, daß es sich wegen der qualitativen Änderungen der Bahnlinie ohnehin um einen Neubau handele, der in seiner Gesamtheit und nicht nur abschnittsweise einer Umweltverträglichkeitsprüfung habe unterworfen werden müssen; die bei Verwirklichung des Vorhabens zu erwartenden Lärmimmissionen, Erschütterungen und Belastungen durch elektromagnetische Strahlenfelder würden zu einer unzumutbaren gesundheitlichen Belastung der Mitarbeiter und Bewohner des Stifts und zu einem Eingriff in seinen eigentumsrechtlich geschützten Gewerbebetrieb führen.
Der Planfeststellungsbeschluß erging am 23. Dezember 1993 und wurde dem Antragsteller am 4. Januar 1994 zugestellt. Die Einwendungen des Antragstellers wurden im wesentlichen mit der Begründung zurückgewiesen, daß es für jeden vernünftigen Durchschnittsbürger auf der Hand liege, daß die Neutrassierung einer Eisenbahnstrecke dieser überregionalen Bedeutung zu unverhältnismäßig größeren Eingriffen in Natur und Landschaft, Orts- und Landschaftsbilder sowie die Rechte Dritter führen würde als die vorgesehene Änderung der vorhandenen Strecke; über die Maßnahmen zum Schutze der Nachbarschaft könne in jedem Planfeststellungsabschnitt eigenständig entschieden werden.
Am 4. Februar 1994 hat der Antragsteller Klage erhoben und gleichzeitig um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er macht geltend: Die Planfeststellung sei rechtswidrig und verletze ihn in seinen Rechten. Betroffen sei er bereits durch die Planung im Bereich Bi., weil sie Zwangspunkte für die Trasse durch den Sachsenwald und damit für eine Streckenführung entlang der Grenze seines Grundstücks schaffe. Die Wahl dieser Trasse sei rechtswidrig; denn entgegen § 3 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung - UVPG - i.V.m. Nr. 9 der Anlage zu dieser Vorschrift habe keine Umweltverträglichkeitsprüfung unter Einschluß der Untersuchung von Gesamt- oder Teilstreckenalternativen stattgefunden. Sowohl das alte wie das neue Eisenbahnplanungsrecht unterschieden hinsichtlich der Notwendigkeit solcher Prüfungen nicht nach Neubau- oder Änderungsmaßnahmen. Zwar könnten umfangreiche Bauvorhaben in Teilabschnitten verwirklicht werden. Wegen der Automatik solcher Abschnitte für die folgenden Streckenteile werde aber eine auf Teilabschnitte beschränkte Umweltverträglichkeitsprüfung ihrem durch die UVP-Richtlinie der EG vorgegebenen Sinn nicht gerecht. Bei einer solchen Prüfung hätten sich günstigere Streckenalternativen aufgedrängt, die sogar 6 km kürzer gewesen wären. Zu diesen Alternativen gehöre eine Linienführung südlich des Sachsenwaldes, wie sie der von ihm beauftragte Diplomingenieur H. erarbeitet habe und die eine Abweichung von der vorgesehenen Trasse bereits im Planfeststellungsabschnitt III von einem Punkt 400 m westlich des Bahnhofs Bi.-Mo. in östlicher Richtung erforderlich mache. Denkbar wäre aber möglicherweise auch eine Zusammenlegung der Trasse mit der neugeplanten A 25 oder eine Strecke auf der bestehenden Trasse von Ha. nach Lü., weiter nach Ue. und von dort im Verlauf der alten Schnellbahnlinie über Sa. und St. nach Be.. Die Untersuchung von Trassenalternativen habe sich auch nicht deswegen erübrigt, weil im Bundesschienenwegeausbaugesetz die Strecke Ha.-BÜü-Be. festgeschrieben werde; denn dieses Gesetz entbinde nicht von der Einhaltung umweltrechtlicher Vorschriften. Insoweit müsse die Sache im Klageverfahren nach Art. 100 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung der Frage vorgelegt werden, ob die gesetzliche Trassenfestschreibung mit Art. 2 Abs. 2 und Art. 14 Abs. 1 GG vereinbar sei. Die vorgesehene Streckenführung würde für sein - des Antragstellers - Stift und dessen Bewohner zu unerträglichen Umweltbelastungen führen. Ähnlich wie in der Nachbarschaft des Abschnitts III sei mit Lärmimmissionen weit oberhalb der Grenzwerte und Erschütterungen über den DIN-Richtwerten zu rechnen, wie sich aus den von ihm eingeholten und dem Gericht vorgelegten Sachverständigengutachten ergebe. Schließlich liege das Wohnstift derart dicht an der Trasse, daß auch Gesundheitsgefährdungen durch elektromagnetische Felder nicht auszuschließen seien. Angesichts dieser rechtlichen Mängel der Planfeststellung überwiege sein Interesse an einer aufschiebenden Wirkung der Klage das Interesse am Vollzug des Beschlusses, zumal dadurch mögliche Fehlinvestitionen in Milliardenhöhe verhindert würden. Auch die neuerdings vorgesehene Transrapid-Schnellstrecke lasse es angeraten erscheinen, die Eisenbahntrasse im Zusammenhang mit diesem Vorhaben zu planen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen den Planfeststellungsbeschluß der Deutschen Bundesbahn - Bundesbahndirektion Hamburg - vom 23. Dezember 1993 für den Abschnitt III Bi. der Lückenschlußmaßnahme Ha.-BÜü(-Be.) anzuordnen, hilfsweise beschränkt auf einen Bereich ab ca. 400 m westlich des Bahnhofes Bi.-Mo. in östlicher Richtung.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Sie erwidert: Der Ausbau der Strecke Ha.-BÜü-Be. sei sowohl durch das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsrecht wie durch den Bedarfsplan für Bundesschienenwege als beschleunigungsbedürftig anerkannt worden. Diese Bedarfsfeststellung sei nach § 1 Abs. 2 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes (BSchWAG) für die Planfeststellung verbindlich und der Streckenausbau gesetzlich als Planungsleitlinie vorgegeben. Abgesehen davon liege auf der Hand, daß ein Streckenneubau zu stärkeren Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft führen würde, zumal die alte Strecke zumindest eingleisig erhalten bleiben müßte. Ein Neubau sei zudem erheblich kostenintensiver und zeitaufwendiger. Die Strecken südlich der Elbe seien keine realistische Alternative, sondern gegebenenfalls zusätzlich für den weiteren Bedarf erforderlich. Hinsichtlich des Schallschutzes und der Erschütterungen sei zu beachten, daß die Fernbahngleise auf der vorhandenen Trasse errichtet würden, während die S-Bahn-Gleise nördlich davon gebaut würden. Feststellungen zu den für die Anwohner zu erwartenden Belastungen seien dem Planfeststellungsabschnitt V b vorbehalten. Wegen der Entfernung des Gebäudes von der Fernverkehrsstrecke sei auch nicht mit Beeinträchtigungen durch elektrische und magnetische Felder zu rechnen. Angesichts dieser Argumente überwiege das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses.
Die Beigeladene beantragt ebenfalls, den Antrag abzulehnen.
Sie führt aus: Der Antragsteller sei nicht klagebefugt; deshalb fehle es ihm auch an der Antragsbefugnis. Zwangspunkte könnten deswegen nicht entstehen, weil die Strecke, gegen die er sich wende, bereits existiere. Der Antrag sei jedoch auch ebenso wie die Klage unbegründet. Das Fehlen einer förmlichen Gesamtumweltverträglichkeitsuntersuchung sei rechtlich unerheblich, weil das UVPG auf den fachgesetzlichen Anlagenbegriff abstelle und die ohnehin keinen Drittschutz bezweckende Umweltverträglichkeitsprüfung ein unselbständiger Teil des Planfeststellungsverfahrens sei. Bereits die Betrachtung der die einzelnen Planfeststellungsabschnitte übergreifenden Wirkfaktoren des Vorhabens im Rahmen der Umweltverträglichkeitsuntersuchung für den Planfeststellungsabschnitt III habe gezeigt, daß in den übrigen Planfeststellungsabschnitten nicht mit Umweltauswirkungen zu rechnen sei, die zu einem Verzicht auf das Gesamtvorhaben, die vorgesehene Streckenführung oder die Elektrifizierung führen könnten. Ob die vom Antragsteller angesprochene Transrapid-Linie realisiert werde, sei noch völlig offen; auch die Weiterführung der A 25 sei bisher keineswegs konkret geplant. Die vom Antragsteller neuerdings favorisierte Strecke über Ue./St. werde ohnehin zusätzlich ausgebaut und sei daher keine Alternative zu der in Rede stehenden Ausbaustrecke. Zu Gesundheitsschäden bei Bewohnern und Mitarbeitern in der vom Antragsteller betriebenen Einrichtung werde es nicht kommen. Die notwendigen Vorkehrungen gegen Lärmimmissionen würden getroffen werden; Schäden an Bauwerken durch Erschütterungen seien ausgeschlossen. Was die Auswirkungen elektromagnetischer Strahlenfelder betreffe, würden die strengen Grenzwerte der IRPA unterschritten werden.
II.
Der Antrag ist zulässig; er ist jedoch nicht begründet.
1. Da nicht von vornherein auszuschließen ist, daß der Antragsteller als Träger des Wohnstifts durch den Ausbau der an seinem Grundstück vorbeiführenden Eisenbahnstrecke in seinem Eigentumsrecht beeinträchtigt wird und die Antragsgegnerin bestätigt hat, daß bereits der Streckenverlauf im Planfeststellungsabschnitt III geändert werden müßte, wenn die Vorstellungen des Antragstellers über die zu wählende Trassenvariante berechtigt wären, kann ihm die Antragsbefugnis (§ 42 Abs. 2 VwGO entsprechend) nicht abgesprochen werden (vgl. BVerwGE 62, 342 ; BVerwG, Beschluß vom 26. Juni 1992 - BVerwG 4 B 1 - 11.92 - Buchholz 407.4 § 17 FStrG Nr. 89). Die gegenteilige Auffassung der Beigeladenen, die sich darauf gründet, daß die Abschnittsbildung schon deswegen keine Zwangspunkte für den weiteren Streckenverlauf bilden könne, weil es sich um den Ausbau einer bereits existierenden Bahnlinie handele, geht fehl; denn der Vortrag des Antragstellers zielt gerade darauf, daß ein Streckenneubau dem Ausbau hätte vorgezogen werden müssen.
2. Der Antragsteller hat jedoch keinen Anspruch auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Planfeststellungsbeschlusses, das Grundlage des in § 5 Abs. 2 Satz 1 des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes - VerkPBG - geregelten Ausschlusses des Suspensiveffekts der Anfechtungsklage ist, überwiegt sein Interesse an der Beibehaltung des bisherigen Zustandes schon deswegen, weil seine Hauptsacheklage aller Voraussicht nach abgewiesen werden muß. Der Antragsteller kann weder mit Erfolg geltend machen, daß die Trassenwahl fehlerhaft sei, weil andere Streckenvarianten hätten vorgezogen oder wenigstens im Wege einer Gesamtumweltverträglichkeitsprüfung vergleichend hätten herangezogen werden müssen (a), noch daß das planfestgestellte Vorhaben zwangsläufig zu nicht hinnehmbaren Gesundheitsbeeinträchtigungen der Bewohner und Mitarbeiter des Wohnstifts und damit zu einem unzulässigen Eingriff in sein Grundeigentum und in seinen Gewerbebetrieb führen werde (b).
a) Soweit der Antragsteller beanstandet, daß die Trassenwahl im Ergebnis verfehlt sei, kann der Senat seinem Vorbringen aus tatsächlichen und rechtlichen Gründen nicht folgen. Zwar hat der Antragsteller seine Auffassung, eine Neubautrasse, die den Sachsenwald südlich umgehe, sei umweltschonender und wirtschaftlicher sowie aus raum- und verkehrspolitischer Sicht deutlich vorzugswürdig, durch ein Gutachten des Diplomingenieurs H. zu untermauern versucht. Dennoch ist die Erwägung der Planfeststellungsbehörde, eine Neutrassierung führe zu unverhältnismäßig größeren Eingriffen in Natur und Landschaft und in die Rechte Dritter, schon deswegen ohne weiteres nachvollziehbar, weil neben der Inanspruchnahme einer bisher nicht in dieser Weise belasteten Landschaft die bisherige Strecke in jedem Fall erhalten bleiben müßte. Hinzukommt, daß die vom Gutachter vorgeschlagene, großmaßstäblich dargestellte Linienführung - wie ihre von der Antragsgegnerin vorgenommene Übertragung auf eine Karte kleineren Maßstabes zeigt - schon für sich gesehen durchaus mit ähnlichen, wenn nicht mit größeren Unzuträglichkeiten für die Umwelt verbunden ist wie der vorgesehene Streckenausbau. Der Gutachter vernachlässigt darüber hinaus den deutlich höheren Kostenaufwand für die Errichtung, die erheblich längere Verfahrens- und Baudauer, die zusätzlich als Kostenfaktor ins Gewicht fiele und zudem der Tendenz des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes zuwiderliefe, und nicht zuletzt die zusätzlichen rechtlichen und tatsächlichen Probleme infolge des im großen Umfange notwendig werdenden Zugriffs auf fremdes Grundeigentum. Soweit der Antragsteller diesen Einwänden damit zu begegnen sucht, daß er nunmehr weitere Trassenalternativen südlich der Elbe vorschlägt und insbesondere auf die Strecke über Ue. und St. verweist, hält ihm die Beigeladene zu Recht entgegen, daß es sich dabei nicht um eine Alternative, sondern um ein weiteres Vorhaben handelt, das ebenfalls zu den Verkehrsprojekten Deutsche Einheit zählt und vorrangig die Verbindung der mitteldeutschen Zentren Hal./Lei./Dre. mit den Nordseehäfen verbessern soll.
Unabhängig von diesen tatsächlichen Umständen, die einer Wahl von Trassenalternativen entgegenstehen, wäre die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin und der Beigeladenen auch rechtlich gehindert gewesen, statt der vorgesehenen Ausbaustrecke eine Neubaustrecke zu planen; denn spätestens mit der Festschreibung des Vorhabens als "Ausbaustrecke Ha.-BÜü-Be." in der Anlage zu § 1 des Bundesschienenwegeausbaugesetzes vom 15. November 1993 (BGBl I S. 1874), der die Benennung der Strecke in § 1 Nr. 2 der Fernverkehrswegebestimmungsverordnung vom 3. Juni 1992 (BGBl I S. 1014) vorausging, kam nur noch eine Streckenalternative in Betracht, die als Ausbau der vorhandenen Strecke hätte angesehen werden können.
Auch der Einwand des Antragstellers, eine Gesamtstreckenumweltverträglichkeitsuntersuchung sei zu Unrecht unterblieben, kann seinem Rechtsbehelf nicht zum Erfolg verhelfen. Soweit dieser Einwand auf die Notwendigkeit einer vergleichenden Prüfung von Neubautrassen zielt, ist diese aus den oben genannten gesetzlichen Gründen ausgeschlossen. Die verbleibende Bedeutung, die eine allein auf den Steckenausbau bezogene Gesamtumweltverträglichkeitsprüfung hätte, tritt aber gegenüber den Umweltverträglichkeitsprüfungen hinsichtlich der einzelnen Streckenabschnitte weitgehend in den Hintergrund. Schon aus diesem Grunde besteht zumindest im Rahmen dieses Eilverfahrens kein Anlaß, die Frage aufzuwerfen, ob - wie der Antragsteller unter Hinweis auf den Vorlagebeschluß des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 5. November 1992 (8 A 92.40017 u.a.) geltend macht - die Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft vom 27. Juni 1985 (85/337/EWG; AB1 EG Nr. L 175/40) eine solche auf das Gesamtvorhaben bezogene Umweltverträglichkeitsprüfung trotz abschnittsweiser Planfeststellung fordert. Ebenso kann die weitere sich möglicherweise im Vorfeld stellende Frage offenbleiben, ob und gegebenenfalls inwieweit den gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen auch bei einer gesetzlichen Festlegung von Streckenführungen Rechnung getragen werden muß; dies vor allem deswegen, weil der Senat, wie schon zuvor der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts, erhebliche Zweifel hat, ob die verfahrensrechtlichen Gebote des Umweltverträglichkeitsrechts Drittschutz vermitteln (vgl. BVerwG, Beschluß vom 30. Oktober 1992 - BVerwG 4 A 4.92 - NVwZ 1993, 565 ; vgl. auch Erbguth/Schink, UVPG, Einleitung, Rdnr. 117).
b) Es ist auch nicht schon jetzt erkennbar, daß die Trassenführung entlang dem Grundstück des Antragstellers, soweit sie durch die Planfeststellung für den Abschnitt III vorgegeben wird, zwangsläufig zur Verletzung von Rechten des Antragstellers durch Lärm, Erschütterungen sowie elektrische und magnetische Felder führen wird.
Die vom Antragsteller vorgelegten schall- und erschütterungstechnischen Untersuchungen bilden keine hinreichende Grundlage für die Behauptung, daß bereits die in Abschnitt III festgestellte Planung für den Bereich seines Grundstücks Verhältnisse festschreibt, die eine zumutbare Wohnnutzung nicht mehr erlauben - gleichgültig, welche Vorkehrungen gegen die von dem Eisenbahnverkehr ausgehenden Umwelteinwirkungen im einzelnen noch im Planfeststellungsbeschluß für den Abschnitt V b angeordnet werden. Hinsichtlich der Lärmimmissionen sind - wie die schalltechnische Untersuchung ausweist - aktive Lärmschutzeinrichtungen möglich, die nur noch geringfügige Grenzwertüberschreitungen (mit Ausnahme des Immissionsortes 13) erwarten lassen. Dennoch verbleibenden Beeinträchtigungen kann im Rahmen des rechtlich Gebotenen mit passiven Lärmschutzmaßnahmen Rechnung getragen werden. Anhaltspunkte dafür, daß diese Vorkehrungen zur Vermeidung von Rechtsverletzungen nicht getroffen werden können, sind nicht erkennbar.
Auch im Hinblick auf die zu erwartenden Erschütterungen kann nicht schon jetzt angenommen werden, daß sie sich in nicht mehr hinnehmbarem Rahmen bewegen werden. Zwar hält es der TÜV Norddeutschland in seiner Umweltverträglichkeitsuntersuchung für möglich, daß durch die Ausbaumaßnahme eine wesentliche Änderung der aktuellen Erschütterungsimmissionen eintritt. Das bedeutet jedoch nicht, daß es unvermeidlich zu Rechtsverletzungen kommen wird. Insoweit bringt auch die vom Antragsteller vorgelegte erschütterungstechnische Untersuchung keine Klarheit. Die Prognose seiner Gutachter ist aus zweierlei Gründen nur eingeschränkt brauchbar:
Zum einen gehen sie davon aus, daß die Fernbahngleise um etwa 11 m näher an die bestehende Bebauung heranrücken (S. 21), während diese in Wahrheit auf der bisherigen Trasse verbleiben und nur die S-Bahn-Gleise nördlich davon errichtet werden sollen. Die unzutreffende Annahme hinsichtlich des Verlaufs der Fernbahngleise erscheint für die von der Strecke ausgehenden Erschütterungswirkungen keineswegs ohne Belang, weil gerade für diese Art von Immissionen bereits verhältnismäßig geringfügig erscheinende Abweichungen in der Entfernung zwischen der emittierenden Anlage und dem Immissionsort von Bedeutung sein können. Selbst wenn man berücksichtigt, daß die Auswirkungen des Irrtums der Gutachter dadurch relativiert werden, daß anstelle der Fernbahngleise die S-Bahn-Gleise näher an das Wohnstift heranrücken, bleiben Unterschiede in der tatsächlichen Ausgangssituation. Abgesehen davon, daß Wagenmaterial, Geschwindigkeit und Verkehrsfrequenz der S-Bahn-Züge nicht dieselben sind wie bei Fernbahnen und daher die Erschütterungswirkung energetisch betrachtet eine andere sein kann, ist auch denkbar, daß die von solchen Zügen verursachten Immissionen unabhängig davon subjektiv als weniger belastend empfunden werden. Jedenfalls hat ein im Auftrage des Umweltbundesamtes und des Bundesbahnzentralamtes durchgeführtes interdisziplinäres Forschungsvorhaben Lästigkeitsunterschiede bei dem Vergleich von S-Bahn mit Fernbahngebieten ergeben, wofür als mögliche Ursache neben anderen Faktoren auch die unterschiedliche Einstellung der Befragten zu den Verkehrssystemen genannt wird (vgl. Zeichart, Sinz, Schuemer, SchuemerKohrs: Erschütterungswirkungen aus dem Schienenverkehr, München, Februar 1993, S. 33 f. ).
Zum anderen orientieren sich die vom Antragsteller vorgelegten Gutachten an Messungen, die bei dem derzeitigen Gleiszustand vorgenommen wurden; sie lassen also künftige Änderungen des Gleisoberbaus im Hinblick auf die sich gleichfalls erhöhende Zuggeschwindigkeit unberücksichtigt (S. 20 des Gutachtens). Hierbei wird nicht in Rechnung gestellt, daß die Erhöhung der Geschwindigkeit mit einer Veränderung des Wagenmaterials verbunden ist, was einen nicht unerheblichen Einfluß auf die Erschütterungssituation haben kann (z.B. E-Loks anstelle schwerer Diesellokomotiven sowjetischer Bauart), und der derzeitige Gleisoberbau nicht den Unterhaltungszustand aufweist, den ein neuer Oberbau auch ohne Berücksichtigung der vorzunehmenden Veränderungen hat. Schließlich darf nicht außer acht gelassen werden, daß die Anhaltswerte der DIN 4150 - Teil 2 - "Erschütterungen im Bauwesen, Einwirkungen auf Menschen in Gebäuden", deren Überschreitung die Gutachter prognostizieren, nicht mit Grenzwerten gleichzusetzen sind, deren Erarbeitung das o.g. interdisziplinäre Forschungsvorhaben dient.
Die auf eine gesundheitsschädigende Wirkung elektrischer und magnetischer Felder zielenden Einwände des Antragstellers rechtfertigen keine Aussetzung der Vollziehbarkeit des Planfeststellungsbeschlusses. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand sind die Rechte des Antragstellers dann als gewahrt zu betrachten, wenn die gegenüber den Grenzwerten der DIN VDE 0848 - Teil 4 - erheblich strengeren Grenzwertempfehlungen der Internationalen Strahlenschutzassoziation (IRPA), deren Anwendung die Strahlenschutzkommission empfiehlt (Empfehlung vom 18./19. April 1991, BAnz Nr. 144 S. 5206), eingehalten werden können (so zu Recht VGH München, Urteil vom 27. Januar 1993 - 20 A 92.40093 - NVwZ 1993, 1121). Dies ist nach den Ausführungen des TÜV Norddeutschland in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung der Fall, die sich insoweit auf Angaben des Bundesbahnzentralamts München aus dem Jahre 1991 bezieht (vgl. S. 99 ff. der Untersuchung). Der Antragsteller hat diese Feststellungen nicht in Frage gestellt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 und § 162 Abs. 3 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Gericht | BVerwG |
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Datum | 02.08.1994 |
Normen | § 80 VwGO, § 5 VerkPBG, § 1 BSchwAG, § 3 UVPG |
Stichworte | Elektrosmog, Immissionen, Beeinträchtigung, Grenzwert, Grenzwertempfehlung, Umwelt |