BVerwG, vom 10.07.1995
Az.: 4 B 94.95
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( BVerwG, 4. Senat)
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 5. Januar 1995 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 20 000 DM festgesetzt.
Gründe:
Die auf § 132 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO gestützte Beschwerde ist unbegründet.
Den von der Beschwerde zunächst aufgeworfenen Fragen,
ob durch die 16. BImSchV verbindlich festgelegt werden kann, was eine wesentliche Änderung einer Straße im Sinne des § 41 BImSchG ist, und,
falls Frage 1 bejaht wird,
unter welchen Voraussetzungen im Sinne des § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV eine Straße "um eine oder mehrere durchgehende Fahrstreifen für den Kraftverkehr ... erweitert", nämlich auch, wenn eine 300 bis 350 m lange zweite Fahrbahn für den Abbiegeverkehr gebaut wird,
könnte zwar grundsätzliche Bedeutung beizumessen sein, aber nur dann zur Revisionszulassung führen, wenn sie im Revisionsverfahren auch entscheidungserheblich wären. Das ist zu verneinen:
Die schon in der Vorinstanz anwaltlich vertretene Klägerin hat nur einen Antrag auf Aufhebung des Planfeststellungsbeschlusses gestellt, mit dem sie, was die befürchteten Lärmbelästigungen betrifft, erreichen wollte, entweder die Straße zu "überdeckeln" oder eine Stützmauer in nördlicher Richtung als Lärmschutzwand zu verlängern (vgl. erstinstanzliches Urteil S. 21). Sie hat offenbar gesehen, daß dies die Plankonzeption berührte und nicht durch bloße Planergänzung zu erreichen war. Einen Hilfsantrag auf Gewährung passiven Lärmschutzes hat sie offenbar nicht stellen wollen, was wohl darauf beruhte, daß sie von Lärmschutzfenstern bei ihrem Fachwerkhaus angesichts der Bauausführung dieses Hauses keinen wirksamen Schallschutz erwartete. Das erstinstanzliche Gericht hat den Planaufhebungsanspruch mit der Begründung abgelehnt, die Planfeststellungsbehörde habe die - die Werte des § 2 Abs. 1 der 16. BImSchV überschreitende - Lärmbetroffenheit der Klägerin in die Abwägung eingestellt, aktiven Schallschutz jedoch abwägungsfehlerfrei nicht vorgesehen. Es liege keine wesentliche Änderung der Straße im Sinne des § 1 Abs. 2 der 16. BImSchV vor, weil die planbedingte Erhöhung des Schallpegels nicht mindestens 3, sondern nur 0,72 dB(A) betrage und auch die Werte des § 1 Abs. 2 Satz 2 der 16. BImSchV (70 dB(A) am Tage, 60 dB(A) in der Nacht) nicht überschritten würden. Daß es sich bei der 300 bis 350 m langen neuen Fahrbahn nicht um einen "durchgehenden Fahrstreifen" im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz.1 Nr. 1 der 16. BImSchV handelt, hat das erstinstanzliche Gericht offenbar als selbstverständlich unterstellt, ohne es auch nur mit einem Wort zu erwähnen. Die Begründung, die Abwägung sei fehlerfrei, weil die Klägerin nach der 16. BImSchV Lärmschutz nicht beanspruchen könne, wäre zwar nach der bisherigen Rechtsprechung des beschließenden Senats nicht unproblematisch, jedoch nimmt das erstinstanzliche Urteil ausdrücklich Bezug auf die Ausführungen auf Seite 52 bis 57 des Planfeststellungsbeschlusses, wo die Entscheidung, die Straße nicht zu "überdeckeln" und auch die Stützmauer in nördlicher Richtung nicht als Lärmschutzwand fortzusetzen, mit dem unverhältnismäßig hohen Kostenaufwand abgelehnt wird und die - wenigen - durch eine Lärmerhöhung von mindestens 3 dB(A) Betroffenen auf passiven Schallschutz verwiesen werden. Mit einer solchen Begründung ist eine Abwägungsentscheidung nicht zu beanstanden (§ 41 Abs. 2 BImSchG). Das erstinstanzliche Urteil greift diesen Gesichtspunkt abschließend auch ausdrücklich auf (vgl. S. 27 unten). Gegen diesen Begründungsteil des Urteils sind in der Nichtzulassungsbeschwerde keine Rügen erhoben worden.
Die beiden ersten Grundsatzrügen könnten also nur zur Zulassung der Revision führen, wenn die Klägerin zumindestens hilfsweise einen auf passiven Lärmschutz gerichteten Planergänzungsantrag gestellt hätte. Das erkennt die Beschwerde auch und meint, ein solcher Hilfsantrag sei - als Minus - in dem Planaufhebungsanspruch stets mitenthalten. Darin kann ihr nicht gefolgt werden. Das von ihr in diesem Zusammenhang zitierte Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Dezember 1966 - BVerwG 8 C 30.66 - (DVB1 1967, 857 ff.) verhält sich zwar auch zur Abgrenzung einer Verpflichtungsklage von einer Anfechtungsklage; die dort behandelte prozeßrechtliche Konstellation im Rahmen einer beamtenrechtlichen Klage indes mit der hier im konkreten Fall gegebenen nicht gleich zu setzen. Nach ihrem Klagevorbringen favorisierte die Klägerin aus Gründen des aktiven Schallschutzes eine "Überdeckelung" der tiefer gelegten Straße, was von der Planfeststellungsbehörde geprüft, im Hinblick auf die hierdurch bedingten höheren Baukosten aber abgelehnt worden ist. Das erstinstanzliche Gericht hat diese Planungsentscheidung nicht beanstandet. Ein Hilfsantrag, der dieses Argument der Klägerin gewissermaßen verselbständigt und eine veränderte Bauausführung zum Inhalt gehabt hätte, hätte mithin das Ergebnis des erstinstanzlichen Verfahrens nicht beeinflußt. Auf einem etwaigen Verstoß gegen § 86 Abs. 3 VwGO kann das angefochtene Urteil daher im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nicht beruhen. Soweit die Klägerin meinen sollte, der Vorsitzende des erstinstanzlichen Gerichts habe einen Hilfsantrag auf Gewährung passiven Schallschutzes anregen müssen, kann ihr nicht gefolgt werden. Das gesamte vorinstanzliche Vorbringen der Klägerin war eindeutig und gezielt auf aktiven Schallschutz gerichtet; angesichts der eingangs erwähnten Bauweise ihres Fachwerkhauses wurde etwaiger passiver Schallschutz nicht einmal angesprochen, sondern schien, weil nach Ansicht der Klägerin untauglich, sogar unerwünscht zu sein. Bei dieser Sachlage hatte der Vorsitzende des erstinstanzlichen Gerichts keine Veranlassung, darauf hinzuwirken, daß die - anwaltlich vertretene Klägerin - einen Hilfsantrag auf Planergänzung stellte.
Auch die dritte Grundsatzrüge: "Kann der Planfeststellungsbeschluß als Ersatz für nicht ausgleichbare Eingriffe in Natur und Landschaft Ersatzmaßnahmen auf Grundstücken im Eigentum Dritter festsetzen?" kann nicht zur Zulassung der Revision führen, weil auch diese Frage nicht entscheidungserheblich wäre. Die Klägerin ist durch den Planfeststellungsbeschluß enteignend nur insoweit betroffen, als in ihrem Eigentum stehende Grundstücke bzw. Grundstücksteile für das Straßenbauvorhaben selbst in Anspruch genommen werden, nicht dagegen, soweit der Planfeststellungsbeschluß Grundstücke für Ersatzmaßnahmen in Anspruch nimmt. Voraussetzung für den Planaufhebungsanspruch des durch enteignungsrechtliche Vorwirkung Betroffenen ist, daß der von ihm gerügte Rechtsfehler - hier: die behauptete Rechtswidrigkeit der Festsetzung von Ersatzmaßnahmen auf dem Straßenbaulastträger nicht gehörenden Grundstücken - kausal für die enteignende Überplanung seines Grundstücks ist. Bei Ersatzmaßnahmen, die - anders als Ausgleichsmaßnahmen - nicht in einem engen räumlichen und - in bezug auf den Naturhaushalt - funktionalen Zusammenhang mit dem planfestgestellten Vorhaben stehen müssen, ist es indes so, daß sie auch an anderer Stelle durchgeführt werden können, ohne daß dadurch die Planung des Vorhabens konzeptionell in Frage gestellt wird. Sollten also bestimmte Ersatzmaßnahmen nicht durchgeführt werden können, weil der Planfeststellungsbeschluß in bezug auf die dafür vorgesehenen Flächen nicht bereits die Zulässigkeit der Enteignung festzustellen in der Lage ist, und die Eigentümer auch nicht bereit sind, die Grundstücke an den Straßenbaulastträger zu übereignen, kann durch Planergänzung anderweitiger Ersatz, möglicherweise sogar - nach Landesrecht - nur eine Ausgleichszahlung festgesetzt werden.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 14 Abs. 1 und 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.
Gericht | BVerwG |
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Datum | 10.07.1995 |
Normen | § 17 FStrG, § 41 BmISchG, § 42 BImSchG , § 8 BNatSchG |
Stichworte | Lärmschutz, aktiver, passiver, Planfeststellung einer Straße, Anspruch auf Planaufhebung, Planergänzung, Fernstraßenrecht, Verkehrslärmschutz |